Auschwitz

Eddie Jaku: Der glücklichste Mensch der Welt

Inhalt:

“Mein lieber neuer Freund, meine liebe neue Freundin,

ich lebe jetzt schon ein Jahrhundert lang und weiß, was es heißt, dem Bösen ins Antlitz zu blicken. Ich habe die größten Übel der Menschheit gesehen, das Grauen der Todeslager, den Versuch der Nazis, mein Leben und mein ganzes Volk auszulöschen. Doch heute betrachte ich mich als den glücklichsten Menschen der Welt. In all meinen Jahren habe ich gelernt: Das Leben kann schön sein, wenn wir es schön machen. Ich will dir meine Geschichte erzählen.”

Eddie Jaku

(Klappentext)

Rezension:

Was macht es mit einem Menschen, wenn man ihn mehrmals durch die Hölle auf Erden schickt? Wenn dieser nicht weiß, ob er vor Schmerz, Hunger, Kälte, Grausamkeit und abgrundtiefer Gewalt den nächsten Tagen, den nächsten Abend erleben wird? Der Holocaust-Überlebende Eddie Yaku erzählt es uns.

Eddie Yaku wurde 1920 als Abraham Salomon Jakubowicz in Leipzig geboren und begann erst im hohen Alter seine bewegende geschichte zu erzählen. Hundert Jahre nach seiner Geburt hat er sie zu Papier gebracht und nun liegt sie in übersetzter Form vor, in dem Land, welches ihn einst jedwedes Recht zum Leben absprach.

Doch Jaku hegt keinen Groll, sondern blickt positiv auf das Leben. Bemerkenswert bei all dem, was er durchmachen und erleiden musste. Er erzählt von der Machtergreifung der Nazis in Deutschland ebenso, vom Verstecktwerden und Verstecktsein, von Lüge und Verrat, dem Ausgeliefertsein in der Hölle auf Erden, aber auch vom kleinen Glück, welches half, den Willen zum Überleben zu bewahren.

Wenn du heute die Gelegenheit dazu hast, bitte, geh nach Hause und sag deiner Mutter, wie sehr du sie liebst. Tu es für deine Mutter. Und tu es für deinen neuen Freund Eddie, der es seiner Mutter nicht mehr sagen kann.

Eddie Jaku: Der glücklichste Mensch der Welt

Holocaust-Biografien gibt es inzwischen viele zu lesen. Wichtige Zeitzeugen-Berichte sind dies, die, so sie noch nicht geschrieben sind, festgehalten werden müssen. In ein paar Jahren schon, sind die Erzählenden nicht mehr, doch wird man diese Dokumente in Zukunft benötigen, um zu erinnern und nicht zu vergessen.

Eddie Yakus Bericht ist dabei eines der positiveren, die man sich erlesen kann. So viel Einfühlsamkeit, auch Fragen erwartet man kaum beim Lesen. Unterteilt ist die Biografie in Maximen, die ihm im jeweiligen Lebensabschnitt geholfen haben, sich zu orientieren und zu überleben.

Alleine dies ist schon sehr besonders, zudem die direkte Ansprache. Fast wirkt es so, als säße man dem Autoren gegenüber und würde einem Vortrag über dessen Leben lauschen. Alles wird plastisch, die kleinen und großen Momente des Grauens, aber auch des Glücks. Es ist die Biografie eines besonderen Menschen, der sich nie besonders nahm, ein Dokument, welches mahnt, ohne mahnend zu wirken.

Ein beeindruckender Mensch. Auch dessen Geschichte sollte nicht vergessen werden.

Den Anfang macht dieser Bericht.

Autor:

Eddie Yaku wurde 1920 in Leipzig als Abraham Salomon Jakubowicz geboren und machte eine Ausbildung zum Feinmechaniker, bevor er 1938 von den Nazis in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert wurde. Nach Flucht und Versteck in den Niederlanden und Belgien wurden er und seine Familie nach Auschwitz deportiert, seine Familie ermordet. 1950 wanderte er nach Australien aus, wo er seit dem lebte. Er gründete zusammen mit anderen Überlebenden das Sidney Jewish Museum.

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Jeremy Dronfield: Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte

Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte Book Cover
Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte Autor: Jeremy Dronfield Droemer Erschienen am: 30.12.2020 Seiten: 460 ISBN: 978-3-426-27804-8 Übersetzerin: Ulrike Strerath-Bolz

Inhalt:
Wien, 1938. Gustav Kleinmann und sein Sohn Fritz werden von den Nazis verhaftet, weil sie Juden sind. Im Konzentrations-lager Buchenwald beginnt für beide eine unvorstellbare Tortur, die mehrere Jahre dauern wird.

Doch der Liebe und dem Vertrauen zwischen Vater und Sohn kann die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie nichts anhaben: Als Gustav nach Auschwitz deportiert wird, beschließt Fritz, ihm zu folgen…

Aus nächster Nähe erzählt Jeremy Dronfield die erschütternde Geschichte zweier Holocaustüberlebender: von Hunger, Misshandlungen und ständiger Todesangst – aber auch von Freundschaft, Solidarität und tiefster Menschlichkeit im Angesicht des Unmenschlichen. (Klappentext)

Rezension:

Viel ist schon über den Holocaust, das größte Verbrechen der Menschheit, geschrieben wurden. Zahlreiche Erinnerungen wurden niedergeschrieben, Interviews veröffentlicht. Überall in Europa wird an die sechs Millionen Menschen erinnert, die den grausamen Terrorregime der Nationalsozialisten zum Opfer fielen.

Braucht es da noch eine weitere Veröffentlichung? Eine weitere Erinnerung, die für die Nachwelt aufbereitet und verbreitet wird? Beispiele wie der Anschlag in Halle und die immer noch schwelende Diskriminierung von zu vielen zeigen, dass dies notwendig ist.

Jeremy Dronfield hat nun die Erinnerungen von einer weiteren Familie ausformuliert, so dass auch diese nicht in Vergessenheit gerät. Der anerkannte Geschichtswissenschaftler führte Interviews mit Kurt Kleinmann, dessen Wiener Familie 1938 nach der Besetzung Österreichs ins Visir der Nazis geriet, sichtete Briefe und durchsuchte Archive.

Heraus kam ein erschütterndes Porträt. In der Form eines literarischen Sachbuchs hält sich der Autor streng an Fakten, konstruiert Begebenheiten und Gespräche anhand von Briefen und tagebucheinträgen, lässt so Kurts Geschwister, vor allem seinem älteren Bruder Fritz, Hauptprotagonist des Buches, wieder lebendig werden, sowie seinen Vater, der es schaffte, seinen Optimismus selbst in dunkelster Zeit beizubehalten.

Klatsch – er liegt auf allen Vieren,
doch der Hund will nicht krepieren!

Gustav Kleinmann

Erzählt wird praktisch aus der Vogelperspektive den einzelnen Lebenslinien der Familienmitglieder nach. Die eine Schwester schafft es etwa nach England, das jüngste Kind Kurt entkommt den Häschern nach Amerika.

Besonders beeindruckend jedoch die gemeinsame Geschichte von Fritz und Gustav, die in Angesicht des Todes zusammenhalten. Fortwährend. Erschütternd, wie in aller Ausführlichkeit das Leid der Lebenden beschrieben wird. Zeile für Zeile immer näher an den Abgrund heran.

Am Anfang hatten sie stehen müssen, aber nach ein paar Tagen waren so viele von ihnen vor Kälte gestorben, dass man sich setzen konnte. Die Leichen wurden am Ende des Waggons aufgestapelt, ihre Kleidung wurde verteilt, um die Lebenden zu wärmen.

Jeremy Dronfield “Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte”

Kaum auszuhalten ist das. Man möchte vor Verzweiflung aufschreien. Unvorstellbar das Leid, welches Menschen anderen Menschen antun können.

Gerade dies hat der Autor sehr schön herausgearbeitet, lässt jedoch ebenso seine Leser an die Momente der Menschlichkeiten in Zeiten des Terrors teilhaben, die den Haupt- und anderen Protagonisten zuteil werden, die ihnen half durchzuhalten. Nachdenklich wirken Schreib- und Erzählstil, durch wenige Fotos ergänzt.

Mahnend, dass sich so etwas nie wiederholen darf.

Bitte, unbedingt lesen.

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Anja Tuckermann: “Denk nicht, wir bleiben hier!”

"Denk nicht, wir bleiben hier!" Book Cover
“Denk nicht, wir bleiben hier!” Rezensionsexemplar/Sachbuch dtv/Hanser Taschenbuch Seiten: 303 ISBN: 978-3-42362682-8

Inhalt:

Hugo Höllenreiner wächst in München auf; sein Vater betreibt ein kleines Fuhrunternehmen. 1943 wird Hugo mit seinen Eltern und fünf geschwistern deportiert. Er ist erst neun und weiß nicht, wohin die Reise geht, die im Zigeunerlager von Auschwitz-Birkenau endet. Im April 1945 befreien ihn englische Soldaten aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen. Dazwischen liegen zwei Jahre, über die er erst der sechzigjährige zu reden vermag. In diesem Buch erzählt Hugo Höllenreiner vieles zum ersten Mal. Er möchte davon berichten, damit junge Menschen erfahren, wie es wirklich gewesen ist. (Klappentext).

Rezension:

In politisch schwierigen Zeiten sich zu erinnern und das Erlebte in Schriftform zu veröffentlichen ist ein mutiger Schritt, den die letzten jahre viele Menschen gegangen sind. Grausamkeiten, Schrecken jahrzehntelang her, kaum mehr wandelnde Täter unter uns, aber eine Gesellschaft im Umbruch, zumal die Zeitzeugen rar werden, welchen besseren Zeitpunkt gäbe es, als jetzt?

Hugo Höllenreiner erzählt die Geschichte von sich und seiner Familie. Herausgekommen dabei ist eine eindrückliche und nachdenklich machende Kindheitsbiografie.

Der Klappentext verrät genug vom Inhalt, daher muss man dazu nicht viel mehr sagen. Es ist schon bedrückend genug, den Text zu lesen. Die Grausamkeiten, die Höllenreiner und seine Geschwister durchmachen mussten, sind eigentlich unmöglich zu beschreiben. Wortgewandt ist es ihm dennoch gelungen.

Immer wieder eingewoben, Gesprächsfetzen und Gedanken, hat Anja Tuckermann die Interviews zu einem biografischen Roman verarbeitet, der es in sich hat. Fast kommt ein Leser sich so vor, als schaue er ein Dokuspiel mit eingeblendeten Interviews und Kommentaren, nur ist all das Beschriebene wirklich erlebt.

Höllenreiner erzählt von Ausgrenzung und Unterdrückung, von Mut und Verzweiflung, Überlebenswillen und Durchhaltevermögen. Wie gelang es ihm die tollwütigen Aufseher Bergen-Belsens zu überstehen, die Experimente Mengeles in Auschwitz?

Wie hält man Tage durch, ohne jedes Zeitgefühl, bestimmt von Hunger und Krankheiten, ausgesetzt der Willkür anderer? Welche Last muss ein Mensch ertragen, bis er zerbricht? Wie findet man wieder ins Leben zurück, nachdem man jahrelang nur als leblose Hülle agiert?

Es ist schwer, nicht emotional zu werden. Einfühlsam wird die Geschichte Höllenreiners erzählt, dem seine Kindheit genommen wurde, und der später versuchte, das Beste daraus zu machen. Sofern möglich.

Eine literarische Dokumentation des Überlebenswillen eines kleinen Jungen, und ein Zeichen dafür, was Menschen anderen Menschen antun können, so einmal eine bestimmte Schwelle überschritten ist. “Denk nicht, wir bleiben hier!”, ist ein Lehrstück dessen, was die Zukunft bringt, wenn wir nicht aufpassen. Solch ein Leid, wie hier beschrieben, darf nicht noch einmal passieren. Dafür dieses Buch.

Autorin:

Anja Tuckermann wurde 1961 in Selb/Bayern geboren und ist eine deutsche Autorin von Romanen, theaterstücken und Journalistin. In Berlin aufgewachsen veröffentlichte sie zuerst Texte in einer von ihr gegründeten Zeitschrift und arbeitete für einen Jugendverband. Dort organisierte sie Reisen für Kinder und Jugendliche.

Von 1988-1992 arbeitete sie als Redakteurin, bis 1997 freiberuflich für die Kinderfunkredaktion des RIAS. Seit 1993 leitet sie Schreibwerkstätten zum Schreiben von Prosa und Theaterstücken. Mehrere Romane schrieb sie über das Schicksal von Sinti-Kindern im Dritten Reich. Tuckermann ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller.

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