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Kurzblick: Das Rafik-Schami-Nudelsalat-Problem oder meines mit Kurzgeschichten

Eine Rezension zu schreiben, geht mir normalerweise leicht von der Hand. Zu gerne lese und erzähle ich. Wenn man es genau nimmt, mache ich das Gleiche, wie ein Schriftsteller, nur eben in der Draufsicht. Das funktioniert gut, egal ob das beschriebene Werk die Bestnote erhält oder ein Verriss zu formulieren ist.

Beides macht im Übrigen Spaß. Schwierig ist es, den Mittelwert auszuloten. Auch das jedoch, gelingt mir meistens. Eine literarische Gattung hat es jedoch geschafft, mich zur Verzweiflung zu bringen.

Kurzgeschichten sind konzentriert auf den Augenblick gerichtet, enden zumeist abrupt und erzählen gleichsam einer Fotografie Momentaufnahmen. Das kann entspannend sein, für mich jedoch ist es eine Herausforderung. Zu wenig Zeit, um die Protagonisten auf sich wirken zu lassen, die Sprache, der sich der oder die Schreibende bedient hat, sowie so. Und so liegt ausgelesen hier das Werk von Rüdiger Saß „Sein letztes Lächeln“ vor mir.

Aus Gründen außerhalb der Wertung.
Rüdiger Saß “Sein letztes Lächeln”
Seiten: 140
ISBN: 978-3-948172-03-9
Verlag: container press

Rezensieren werde ich es nicht, jedenfalls nicht in der üblichen Form. Wieder einmal bin ich über das „Rafik-Schami-Nudelsalat“-Problem gestolpert. Weder ein Problem des Autoren, noch des unabhängigen Verlages „container press“, nur mein eigenes. Auf den Punkt gebracht, als Leser funktionieren Kurzgeschichten für mich nicht, zumal solche, wie diese, die ständige Konzentration abverlangen.

Nicht das Problem des Autoren oder des Verlages, mein eigenes.

Das beginnt bei den abgedrehten Namen der Protagonisten, endet dann bei absurden Handlungen, denen ich kaum folgen kann. Immer wieder suche ich das Schwarze Loch, in dem vermeintlich wichtige Inhalte verschwunden sind, die jedoch nicht beschrieben wurden, da Rüdiger Saß sich hier nur auf das absolut Notwendige beschränkt hat. Keine Ausschweifungen, keine durchgehenden Geschichten, einfach nur das Spiel mit den Mitteln der Sprache.

Wer dies als Aufgabe von Literatur sieht, ist hiermit gut bedient. Andere Lesende werden vielleicht auf ähnliche Probleme stoßen, wie ich. Eine Gattungsform zu haben, mit der man nicht zurechtkommt, und das hat mir nun Rüdiger Saß mit dieser Sammlung als zweiter Autor vor Augen geführt. An alle Anderen gebe ich gerne diese Herausforderung weiter.

Konzentration, abrupte Enden und Absurdität, und das ist jetzt positiv gemeint, wird man hier finden, sowie Möglichkeiten, was Sprache auch bewirken kann. Zumindest das hat Rüdiger Saß bei mir geschafft, aufzuzeigen. Ein Abbruch war es nicht. Eine Grenze jedoch, die es mir auch diesmal nicht gelungen ist, sie zu überschreiten.

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Erri De Luca: Das Licht der frühen Jahre

Das Licht der frühen Jahre Book Cover
Das Licht der frühen Jahre Erri De Luca ullstein Verlag Erschienen am: 29.06.2020 Seiten: 103 ISBN: 978-3-548-29101-7 Übersetzerin: Anette Künzler

Inhalt:

Beim Betrachten alter Fotos, die sein Vater gemacht hatte, bevor er erblindete, erinnert sich ein Mann an seine Kindheit im Neapel der Nachkriegszeit.

Seine Eltern waren arm, und das Leben auf den Straßen war geprägt von der Not, die der Krieg hinterlassen hatte. In einem intimen Zwiegespräch mit seiner verstorbenen Mutter lässt Erri De Luca diese frühen Jahre seines Lebens wieder auferstehen und mit ihnen die Poesie, die noch in der schwersten Kindheit steckt. (Klappentext)

Rezension:

Ein Erzähler erinnert sich an glückliche und unglückliche Tage seiner Kindheit in den Gassen von Neapel, an flirrende Sommer, Begegnungen und Beobachtungen, liebende Eltern, zweifelnde Eltern, wütende Eltern. Erinnerungen, die aufblitzen, wie das Stottern vor der Klasse, welches Besonderheit und Distanziertheit zugleich bedeuten.

Erri De Luca versetzt sich zurück in eine Kindheit, die von Armut, Wandel und schließlich bescheidenen Wohlstand geprägt ist, ein Aufwachsen mit Worten ohne Worte. Das Betrachten alter Fotografien, um verlorengegangene Erinnerungen wieder aufleben zu lassen und doch die Gewissheit zu erlangen, dass es nie wieder so sein wird, wie zuvor.

Ich kenne deinen Namen, du aber kennst mein Schicksal.

Erri De Luca “Das Licht der frühen Jahre”.

Diese kleine Novelle lässt seine Leser in die Erinnerungen des Erzählenden eintauchen, der sich einer schwankenden Kindheit entsinnt. Förmlich spürt man, wie Erri De Luca Bild für Bild betrachtet, die abgebildeten Ereignisse mit seinen Gedanken in Einklang bringt, zugleich aber durch die Fotos die Perspektive seiner Eltern einnimmt. Sein Vater als Bildschaffender, die Mutter als Dreh- und Angelpunkt der Familie. Zugleich spürt er die mit zunehmenden Alter immer deutlich werdende Entfernung.

Das Alter nimmt den Erzähler die Eltern, den Eltern ihren Sohn. Poetisch ist die Sprache hier, nicht aber anstrengend zu lesen. In der Novelle gleichsam, passiert jedoch nicht viel. Rein die Handlung betrachtet, ist “Das Licht der frühen Jahre” ziemlich dünn. Das spielt jedoch keine Rolle, die Liebe zu den Eltern, denen sich Erri De Luca zu entsinnen versucht, durchdringt jede Zeile. Nur das ist wichtig. Nicht mehr, nicht weniger.

Menschen, die innehalten, begegnen einander, auch eine junge Mutter und ein alter Sohn.

Erri De Luca “Das Licht der frühen Jahre”.

Der Autor verknüpft die Erlebnisse und spielt mit der Sprache, nicht so grob, wie der Umgang des Kindes mit neuen Spielzeugen, eher feinfühlig, wie die Beobachtungen des Kindes, welches die Umgebung um sich herum zu fassen versucht. Das funktioniert gut. Es ist eine Erzählung, in deren Worten man sich wohlfühlt und zugleich sich in die eigene Kindheit zurückversetzt.

Der Erzähler ist nachdenklich, kritisch mit sich selbst und nimmt Abschied von der Mutter. Die gemeinsame Zeit entrinnt. Was der Erzähler beim Vater zu verpasst haben glaubt, will er nun bei der Mutter richtig machen. Und so sind diese Zeilen durchdrängt von Liebe, die eines Kindes, welches selbst längst in der Mitte seines Lebens angelangt ist. Traurigkeit, Bitterkeit und Glück liegen hier nah beieinander.

Erri De Luca weiß sie meisterhaft zu verbinden.

Autor:

Erri De Luca wurde 1950 in Neapel geboren und ist ein italienischer Schriftsteller und Übersetzer. In zahlreichen Berufen arbeietet er zunächst und engagierte sich für Hilfslieferung während des Jugoslawien-Krieges. Autodidaktisch brachte er sich mehrere Sprachen bei, u.a. Althebräisch, womit er einige Bücher der Bibel ins Italienische übersetzte.

1989 veröffentlichte er sein erstes Buch. Im Jahr 2013 erhielt er den Europäischen Preis für Literatur, drei Jahre später den Preis des Europäischen Buches. Seine Erzählungen wurden mehrfach übersetzt. Der Autor lebt in Rom.

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Das Bloggen mit Büchern: Der Kampf mit den Updates

Die durchschnittliche Lebensdauer eines Blogs beträgt angeblich zwei Jahre, nicht mehr. Das, meine ich zumindest, irgendwo gelesen zu haben. Ob dem so ist? Keine Ahnung. Sicher ist, die fünfte Geburtstagskerze darf ich für meinen Blog bald anzünden. Gewissermaßen kommt dieser nun in die Vorschule, was natürlich so Einiges mit sich bringt.

Dieses Jahr waren das vor allem Aktionen, wie eben das Schreiben über das Bloggen selbst oder die “Bücher gegen das Vergessen”, welche auch noch fortgeführt werden. Andere Ideen warten noch auf die Umsetzung, schließlich lese ich nicht nur, hauptsächlich zwar, aber es gibt im Bereich Kultur so viel, was erwähnenswert ist und sich lohnt, beschrieben zu werden. Das bedeutet vor allem Recherche-Arbeit, das Schreiben an sich, zunehmend auch das Beschäftigen mit rechtlichen Sachen, wie zuletzt die DSGVO oder auch ein ständiger Kampf mit der Technik.

Gerade der ist es, der mich mehrere Nervenzusammenbrüche kostet, wenn wieder ein Update nicht so funktioniert, wie es soll, wenn wieder WordPress (das Blog-System) meint, machen zu können, was es möchte oder ich den Editor wechseln muss, ein Plugin aktualisieren oder gleich komplett entfernen soll. Bei bereits vielen veröfffentlichen Beiträgen ist dann guter Rat teuer, was ich spätestens im vergangenen März gemerkt hatte.

Ausgerechnet vor der angepeilten Leipziger Buchmesse (die verständlich nicht stattfand, aber das ist ein anderes Thema), ließen sich viele Rezensionen nicht mehr so aufrufen oder darstellen, wie es der Fall sein sollte, was natürlich nicht geht, gerade bei einem Blog, bei dem es sich hauptsächlich darum dreht, Bücher zu besprechen.

Und so wurden seit dem, nach und nach, vorher nur punktuell, dann jedoch großflächig, alle Rezensionen bearbeitet. Plugins entfernt oder aktuallisiert, neu geordnet und sortiert. Cover eingefügt, die ältesten Beiträge zeigten nicht einmal welche. Artikel ohne Sterne-Bewertung haben nun eine, Links zu Verlagen funktionieren alle wieder (Klopf auf Holz.) und Rezensionen zu Buchreihen haben entsprechende Reihenhinweise erhalten. Nicht zuletzt wurden ix Schreibfehler entfernt (sicher nicht alle).

Ich hoffe nun, es passt so, alles funktioniert und der Blog ist lese-freundlicher. Mit dieser Arbeit, mit mehr Beiträgen zu bestehenden und neu erdachten Blog-Aktionen, die das alles hier auflockern sollen und nicht zuletzt dem Erfüllen von Anforderungen der Verlage und Autor/innen, sollte der Blog nun für die nächsten Jahre gerüstet sein, die “Schulzeit” sozusagen. Auf, dass das nächste Update wieder querschießt und mich an der Technik verzweifeln lässt. Im übertragenen entfernten Sinne ist das ja bei Schulkindern ähnlich. Nun denn. Auf die nächsten fünf Jahre.

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Paula Bach: Ira Schwarz 1 – Goldjunge

Goldjunge Book Cover
Goldjunge Reihe: Ira Schwarz – 1 Rezensionsexemplar/ Krimnalroman ullstein Taschenbuch Seiten: 512 ISBN: 978-3-548-28888-8

Inhalt:

Köln, 1967: Protestmärsche und die Musik der Beatles ziehen durch die Stadt. Da wird die brutal zugerichtete Leiche eines sechszehnjährigen Jungen gefunden. Die Polizei fahndet nach einem Täter aus dem linken Milieu, doch Kriminalhauptmeisterin Ira Schwarz zweifelt an der Schuld des Verdächtigen.

Als ein weiterer Junge tot aufgefunden wird, befürchtet Ira, einem Serienmörder auf der Spur zu sein. Gemeinsam mit dem Journalisten Ben Weber ermittelt sie auf eigene Faust und bringt damit nicht nur sich selbst in tödliche Gefahr… (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Paula Bach: Ira Schwarz 1 – Goldjunge

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Rezension:

Manchmal hat man als Leser/in das Gefühl, dass bei all dem Mord und Todschlag, den man zwischen den Regalwänden finden kann, die Recherche der Schreiberlinge zu kurz gekommen ist. Zu oft wird nur Wert auf die Ausgestaltung der Hauptprotagonisten gelegt, Hintergründe und Setting bleiben dabei auf der Strecke. Nicht so bei Beate Sauer, die unter dem Pseudonym Paula Bach nun diesen zeitgeschichtlichen Kriminalroman zu Papier gebracht hat.

Es sind die Jahre des gesellschaftlichen Umbruchs, in denen wir uns mit der Hauptprotagonistin Ira Schwarz begeben, die zum Einen teil davon ist, zugleich aber auch dessen, was andere Teile der Gesellschaft für das Establishment halten.

Die Kriminalhauptmeisterin ist Mitglied der weiblichen Kriminalpolizei, von den männlichen Kollegen spöttisch und kritisch beäugt, am Beginn ihrer Laufbann und stolpert an der Seite eines alteingesessenen Beamten in ihren ersten Fall hinein, der im Panorama der etwa zeitgleichen Geschehnisse um den Kindermörder Jürgen Bartsch nicht bezeichnender sein könnten.

Stück für Stück legt die Protagonistin die Spuren frei und stößt dabei auf so manches Geheimnis, welches ihre Gegenspieler am liebsten Vergessen machen wollen. Und dies nicht nur auf der Seite des eigentlichen Täters. Hier gelingt der Autorin das Kunststück das Zeitpanorama kunstvoll mit den Handlungssträngen zu verweben, die sie ihren Figuren zugedacht hat und dies ist glaubwürdig, bis ins kleinste Detail.

Nicht nur die Morde stehen im Vordergrund, sondern auch das Aufbrechen von gesellschaftlichen Strukturen, die sich bis in die 1960er Jahre noch halten konnten, dann jedoch in ihre Bestandteile, wenn auch zuerst langsam, zerfielen.

Dies beides in einem immer schneller werdenden Erzähltemp zu schaffen, ist die große Stärke von Paula Bach aka Beate Sauer, die damit einen bemerkenswerten Reihenauftakt geschaffen hat, der sich lohnt, weiter zu verfolgen.

Der mitreisende Schreibstil und die wechselnde Sicht, der andere Handlunngsstrang folgt dem ehrgezigen Journalisten Ben Weber, dessen Weg sich mit dem ira Schwarz’ kreuzt, runden dies ab.

Positiv anzumerken ist ebenfalls die im Nachgang von der Autorin vorgenommene historische Einordnung, in der dargestellt wird, welche Gegebenheiten den Tatsachen entsprechen, wo Abwandlungen von der historischen Wahrheit geschahen und warum. Viel zu selten findet man dies bei den im historischen Kontext spielenden Kriminalromanen, so dass hier Autorin und Verlag sich einen großen Gefallen getan haben.

Einzig die sich anbändelnde Beziehungsgeschichte der beiden Hauptprotagonisten hätte jetzt nicht sein müssen. Das aber, ist Geschmackssache.

Wer gerne zeitgeschichtliche Krimis liest, mit nachvollziehbarer Handlung, die temporeich ausgestaltet ist und eine Stufe weniger brutal ist als das, was zu oberst auf den Büchertischen zu finden ist, kann mit “Goldjubnge” nichts falsch machen.

Autorin:

Paula Bach ist das Pseudonym von Beate Sauer, die 1966 geboren wurde. Sie ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin. Bekannt wurde sie durch ihre historischen Romane, unter Pseudonym veröffentlichte sie bereits mehrere Kriminalromane.

Nach dem Abitur studierte sie, arbeitete dann als freie Mitarbeiterin für diverse Zeitungen und absolvierte eine journalistische Ausbildung. 1999 erschien ihr erster Roman. Für ihre Werke wurde sie bereist mehrfach ausgezeichnet. Die Autorin wurde u.a. 2006 für den Friedrich-Glauser Preis nominiert und erhielt 2015 den Silbernen Homer in der Kategorie Beziehung & Gesellschaft.

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Morten Traavik: Liebesgrüße aus Nordkorea

Liebesgrüße aus Nordkorea Book Cover
Liebesgrüße aus Nordkorea Morten Traavik Suhrkamp Erschienen am: 18.05.2020 Seiten: 292 ISBN: 978-3-518-47053-4 Übersetzer: Stefan Pluschkat

Inhalt:

In den letzten zehn Jahren ist Morten Traavik mehr als zwanzig Mal nach Nordkorea gereist, dem abgeschottesten Land der Welt, als offizieller Kulturattache Norwegens. In Zusammenarbeit mit den notorisch verschlossenen Behörden gelangen ihm bahnbrechende Projekte – wie das erste Rockkonzert auf nordkoreanischen Boden – bis zum Herbst 2017, als er alle Beziehungen zum Land kappen musste.

Jetzt erzählt er, was er erlebt hat: Durch die unerwartete Freundschaft mit einem nordkoreanischen Staatsdiener dringt Traavik immer tiefer in die Irrungen und wirrungen dieses Landes ein, bis der regierung seine kontroversen und subversiven Ideen zu weit gehen… (Klappentext)

Rezension:

Man kann sich wahrlich leichtere Herausforderungen suchen, als in einem der undurchsichtigsten Ländern der Welt kulturelle Projekte anstoßen zu wollen, und doch hat der Norweger morten Traavik genau das getan. Damit gewann er einen Einblick in das Funktionieren dieses Staates, wie es wohl kaum jemanden bisher gelungen ist. Nun ist sein erstes Buch, ausgerechnet dazu, in deutscher Übersetzung erschienen. Doch, wer ist Morten Traavik eigentlich genau?

Künstler, Musiker, Regisseur, Kommentator, irgendwie treffen all diese und noch mehr Bezeichnungen auf den Skandinavier zu, der sich in jedem Fall den Verdienst gemacht hat, das abgeschottete Land, sein Regime und die Menschen, die dort leben, verstehen zu wollen. Das ist ihm in gewisser Weise gelungen.

Er erzählt von seiner Arbeit und der Tuchfühlung mit einem unberechenbaren Gegenüber, verliert dabei nicht den Blick für das Wesentliche. Wie setzt man, behutsam, Ideen um, wenn der Partner willkürlich und wechselhaft handelt, wenn dein Kontakt genau so oder noch mehr Angst hat vor den Konsequenzen, und seien diese auch nur rein hypothetisch?

So kann es schon einmal in teils slapstickhaften Situationen ausarten, sich mit einer Disco-Kugel bei einem Propagandaevent fotografieren zu lassen oder einem Ausflug in den Versuch eines Spagat Nordkoreas auf Tauchfühlung mit den sonst verhassten Kapitalismus. Mit detaillierten Kenntnissen stellt Traavik die Geschichte Koreas dar, die letztendlich in der teilung der halbinsel mündete, zeigt die Bedeutung der Kim-Dynastie auf, und das, was das Regime bis heute daraus macht. Sachlich erklärt er das Funktionieren des Unverständlichen.

Auflockert wird die Aneinanderreihung von teils unverdaulichen Eindrücken durch genau so ungewöhnliche Rezepte. Würde man mit einem Hund nach Nordkorea einreisen, wäre dies an sich eine Einführung von Lebensmitteln?

Davon abgesehen bezieht er Stellung zum Fall Otto Warmbier, versucht Lügen, Propaganda und tatsächliches Geschehen so gut, wie möglich auseinander zu halten, erklärt, warum diese Episode der Geschichte so abgelaufen ist, warum dies aus Sicht Nordkoreas kaum anders hätte funktionieren können, zumal mit Blick auf den eigenen Machterhalt.

Nicht dabei, aber an einigen anderen Stellen geht er etwas zu freundlich mit dem totalitären Staat um, worüber zu diskutieren wäre. Dazu müsste man sich jedoch selbst ein ebenso detailliertes Bild machen, wie dies der Autor getan hat.

Komödie ist Tragödie plus Zeit.

Morten Traavik: “Liebesgrüße aus Nordkorea”, Suhrkamp.

Nach diesem Motto berichtet, durchsetzt mit einem Fototeil, von einem Land, welches zwar nicht zu unterschätzen ist, aber in teilen gnadenlos überschätzt wird. Interessant, sein Einblick in die Zusammenarbeit mit den nordkoreanischen Behörden, aber auch den örtlichen Gegebenheiten , zugleich die Linkliste als ergänzende Quellen.

So gehört “Liebesgrüße aus Nordkorea” zu der wenig vorhandenen kritisch hoffnungsvollen Literatur, die es in diesem Bereich zu finden gibt, kann man lesen, sollte sich jedoch auch ergänzend mit weiterführenden Berichten, etwa Geflohener und anderer Kenner des Landes beschäftigen, um ein abgerundetes Bild zu bekommen. Alleine dieses Sachbuch mit den kurzweiligen episodenhaften und flüssig zu lesenden Abschnitten, tut dies nicht.

Autor:

Morten Traavik wurde 1971 geboren und ist ein norwegischer Reggisseur und Künstler. Er arbeitete in Russland und Schweden an kulturellen projekten und stellte in Zusammenarbeit mit dem nordkoreanischen Regime mehrere Projekte auf die Beine, die kurz vor der vollendung gestoppt wurden. Er engagiert sich gegen Landminen in Angola und Kambodscha und arbeitet über kunst- und Genregrenzen hinweg.

Ergänzungen nach der Rezension:

In seiner Jugend war der Autor Mitglied einer Gruppe von Leuten, die den Austausch mit Nordkorea wollten und wohl auch die Ideologie nicht ganz schlecht fanden, um das einmal so zu formulieren. So ist der Gedanke für die weitere Arbeit des späteren Künstlers entstanden. Nordkorea galt vor den Hungersnöten zum Teil in Skandinavien als durchaus solventer Staat.

Die Projekte später waren aber 2017 schon dem Regime zu heikel, im Blick auf die vewobenenen und sich überschneidenden Kompetenzen der einzelnen Behörden und die politische Tonlage wurde schärfer, so dass man da schon die Arbeit beendete. Wohlgemerkt, Nordkorea mit ihm. Das Buch entstand später.

Zudem, dass er sich zu Warmbier in diesem Werk ausführlich äußert und durchaus die Inszenierungen des Schauprozesses zu deuten weiß, das erzwungene falsche Geständnis, aber auch, welche Fehler der Amerikaner wohl gemacht haben könnte, dürfte den nordkoreanischen Behörden ebenso sauer aufstoßen. Traavik trennt hier ganz gut das Geschehen auf.

Wo ich Zweifel habe, ist, dass er einen doch in manchen Teilen etwas zu sehr optimistischen Blick auf die Sicht der Dinge hat.

Das müsstet ihr aber wirklich selbst lesen.

Sachliteratur, die man vielleicht zuerst gelesen haben sollte:

Rüdiger Frank: Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates

Rüdiger Frank: Unterwegs in Nordkorea – eine Gratwanderung

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Andre Francois-Poncet: Von Versailles bis Potsdam (2)

Von Versailles bis Potsdam Book Cover
Von Versailles bis Potsdam Andre Francois-Poncet Rezensionsexemplar/Sachbuch Europaverlag Hardcover Seiten: 400 ISBN: 978-3-95890-286-2

Inhalt:

Andre Francois-Poncet ist nicht nur ein Freund der deutschen Kultur, kritischer Beobachter und Kommentator der Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewesen. Er gestaltete sie zu einem Gutteil mit.

Als Diplomat, französischer Botschafter oder Hochkommissar wirkte er im Deutschen Reich und war Beteiligter bei der Vertragsunterzeichnung von Versailles, beobachtete den Aufstieg der Nazis bis zum Kriegsausbruch und setzte sich für die Beziehungen beider Länder als Hochkommissar und später wieder als Botschafter ein.

Zwei Jahre nach der Stunde Null skizzierte er den Weg Frankreichs und Deutschlands von Versailles bis hin zu den Potsdamer Konferenzen nach. Nun wurde dieses Werk neu aufgelegt. (eigene Inhaltsangabe)

Bücher der Reihe:

Andre Francois-Poncet: Botschafter in Berlin 1931-1983 (1)

Andre Francois-Poncet: Von Versailles bis Potsdam (2)

Andre Francois-Poncet: Tagebuch eines Gefangenen (3)

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Rezension:

In der Mitte Europa herrscht Frieden, was nicht zuletzt an den Beziehungen der großen Zwei liegt, die wirtschaftlich und politisch auf vielen Gebieten zusammenarbeiten. Ohne den deutsch-französischen Motor läuft nichts in der Staatengemeinschaft, doch bis zum heutigen Zustand war es ein weiter Weg.

Die kritischen Jahre der Konflikte, die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hat dabei kein Geringerer als Andre Francois-Poncet bereits zwei Jahre nach Kriegsende nachgezeichnet. Dieses Werk wurde nun neu aufgelegt.

Andre Francois-Poncet war Freund der deutschen Kultur und Frankreichs Verbindung zum unberechenbaren Nachbarn. Als Diplomat, Botschafter und späterer Hochkommissar war er an beinahe allen Wendepunkten der Geschichte diplomatischer Beziehungen beider Länder beteiligt und stellte dar, warum sich ein näherer Blick darauf lohnt.

Von Versailles bis hin zu den Potsdamer Konferenzen zeigt er auf, wie sich die beiden gegensätzlichen Pole immer wieder einander berührten und abstießen, schließlich, wie es zum Bruch und später dazu kam, ein neues Kapitel in der Historie aufzuschlagen.

Das Werk indes richtet sich vor allem an seine Landsleute, doch Francois-Poncet verlor zu Lebzeiten nie den Blick auf die deutschen Nachbarn. Vor Schulklassen hielt der Lieblingsdiplomat Hitlers (So genannt, weil er als einer der wenigen Botschafter mit Hitler auf Deutsch kommunizieren konnte.) nach Kriegsende Vorträge und war auch sonst um Verständigung bemüht.

Detailliert beschreibt er die Vorgänge von der Vertragsunterzeichnung in Versailles an, wirft einen kritischen Blick auf Sichtweisen der Politiker beider Länder zu jener zeit, spart dabei auch nicht Fehler aus, die auf beiden Seiten gemacht wurden und zum zweiten Weltenbrand führten, der Millionen Menschen das Leben kostete.

Ohne Gram und Bitterkeit berichtet der Franzose von den Wendepunkte, skizziert diese in logisch aufeinander handlichen Kapiteln so, dass diese Ereignisse und ihre Folgen Laien verständlich werden. Und das ist auch heute noch gut lesbar. Der Autor nimmt sich dort zurück, wo er nicht selbst beteiligt war.

Dies bleibt Anderen vorbehalten, entsprechend zu bewerten. Durchdrungen von der Liebe zur Sprache und Kultur des Nachbarlandes zeigt Francois-Poncet die komplexe Geschichte auf, die erst spät überwunden werden sollte. Nicht zuletzt seine Bemühungen halfen dazu, den Beginn eben dieses Kapitels aufzuschlagen.

In neutraler Tonlage berichtet Francois-Poncet von den Vorgängen im Hintergrund großer Ereignisse und zeigt, dass der Verlauf der Geschichte auch hätte anders sein können. Der Wunsch nach einer Zusammenarbeit und einem friedliebenden Europa schimmert dabei immer durch. Seine Anfänge sollte der Autor noch erleben.

Das komplexe, aber nicht ermüdende Sachbuch ist nun in neuer Auflage erschienen und für alle, die ein tieferes Verständnis für die Beziehungen und die Geschichte beider Länder erlangen möchten, die nicht getrennt voneinander betrachtet werden kann.

Als Abschluss seiner Reihe politischer Erinnerungen, die mit seinen Aufzeichnungen der Botschaftertätigkeit in Weimar und dem Dritten Reich begann, danach über seine Inhaftierung durch das NS-Regime wirft Andre Francois-Poncet einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft, die ohne ihre Vergangenheit nicht so gekommen wäre.

Der Autor ist zu Unrecht beinahe vergessen. Hoffentlich wird die Neuauflage einen gegenteiligen Effekt bewirken.

Autor:

Andre Francois-Poncet wurde 1887 in Frankreich geboren und war Germanist, Politiker und Diplomat, französischer Botschafter in Berlin und später in Rom. Nach dem Krieg begleitete er den Posten des französischen Hohen Kommissars in Deutschland von 1949-1955. Er wurde 1943 von den Deutschen verhaftet.

Nach der Befreiung begleitete er verschiedene diplomatische Posten und fungierte als Präsident des Französischen Roten Kreuzes 1955-1967, ab 1960 als Präsident des Rats der Europäischen Bewegung. Er starb 1978 in Paris.

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Chris McGeorge: Der Tunnel

Der Tunnel - Nur Einer kommt zurück Book Cover
Der Tunnel – Nur Einer kommt zurück Chris McGeorge Droemer Knaur Erschienen am: 04.05.2020 Seiten: 346 ISBN: 978-3-426-22709-1 Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet

Inhalt:

Sechs junge Leute, seit Jahren beste Freunde, fahren mit dem Boot in Englands längsten Kanaltunnel – ein Abenteuer in beklemmender Dunkelheit. Als das Boot am anderen Ende des Tunnels wieder auftaucht, sind fünf der Freunde spurlos verschwunden. Der sechste, Matthew, ist bewusstlos. er beteuert seine Unschuld, ist aber der einzige Verdächtige in diesem mysteriösen Fall, bei dem sich die Presse erstaunlich bedeckt hält. Was ist während der Fahrt geschehen? (Klappentext)

Rezension:

Beklommenheit breitet sich in denen aus, die eine Fahrt unterhalb des Penninengebirges wagen, von Masden nach Diggle im nördlichen England. Dort befinden sich die Standedge-Tunnels, eine wagemutige Leistung britischer Ingenieurskunst, die den Transport von Waren und Menschen in der Region vereinfachen sollte. Doch, was ist, wenn in den zum teil stillgelegten Röhrren plötzlich Menschen verschwinden? Nun hat der englische Autor Chris McGeorge diesen Gedanken heraus einen düsteren Thriller gestrickt.

Aus der Perspektive des mittelmäßig erfolgreichen Autoren Robin Ferringham wird die Geschichte erzählt, derer eine reale geografische Situation zugrunde liegt. Robin Ferringham, gerade dabei, wenig erfolgreich das spurlose Verschwinden seiner Frau zu verarbeiten, erhält einen mysteriösen Anruf aus einem Gefängnis im nördlichen England.

Am anderen Ende der leitung, ein des Mordes an fünf Menschen Verdächtiger, der behauptet Informationen zu den Vorfall zu besitzen, der Robins Leben auf ewig veränderte und nebenbei unschuldig zu sein, an dessen, was man ihm vorwirft.Ttrotz aller Zweifel begibt sich der Protagonist nach Masden und entdeckt nicht nur die verstörenden Tunnel und eine trauernde Dorfgemeinschaft, wird jedoch bald selbst Teil eines mörderischen Spiels.

Die große Zeit englische Kriminalliteratur ist vorbei, möchte man meinen, jedenfalls wenn man diese Art von Literatur sich zu Gemüte führt. Tatsächlich hat der zunächst spannend und auf realen Gegebenheiten aufgebaute Thriller so einige Schwächen, die die positiven Seiten schnell in den Hintergrund rücken.

Die realen Gegebenheiten bieten zunächst eine Steilvorlage für hochspannende Storys, die man praktisch nur noch einfügen muss, sind dabei noch die Protagonisten und ihre Motive detailreich ausgearbeitet, würde ein solches Werk funktionieren. Die Hauptprotagonisten hier sind anfangs farblos, hier hat der Autor jedoch im Laufe des schreibens nachgebessert, für die imens wichtigen Nebencharaktere gilt dies jedoch nicht. So richtig klar wird bis zum Ende weder Motiv noch sonstiger Beweggrund, auch der Rätselfaktor bleibt nicht durchgehend bis zum Ende erhalten. Ein netter Versuch.

Pluspunkte Chris McGeorges sind Schreib- und Erzählstil, denn dies kann der Autor, wenn auch der Spannungsbogen hin und wieder gibt, doch hin und wieder gibt. “Der Tunnel”, lässt sich fließend lesen, kommt mit kurzen, dicht aufeinander folgenden Kapiteln daher. Nicht auf der Habenseite ist jedoch die Tatsache, dass die reale Geschichte der Tunnel interessanter wirkt, als die herumgewobene Geschichte.

Zudem wirkt zu oft das Konstrukt wie ein bleiender Mehltau, der bereits mehrfach erzählt wurde. Auch kann man hier kein einheitliches Tempo erkennen. Entweder man baut die Handlung in immer schneller aufeinander folgenden Schritten auf, bleibt in einer gemächlichen Schrittfolge oder erzählt rasant. Hier jedoch gibt es mehrere Brüche, die man selbst als ungeübter Krimileser merkt und Übergänge, die nicht gerade als nahtlos zu bezeichnen sind.

Die Bezeichnung Thriller ist eine Entscheidung, die man treffen kann. Für mich ist es jedoch ein klassisch ortsgebundener Krimi, der es nicht für geübte Leser schafft, sich aus der schieren Masse an Büchern gleicher Art herauszuheben. Wer relativ selten in diesem Genre liest, mag Chris McGeorges Geschichte mit Gewinn sich zu Gemüte führen. Alle anderen sollten es sich überlegen. Hier ist eher auf folgende Werke von Chris McGeorge zu hoffen.

Autor:

Chris McGeorge öebt in Durham und studierte Kreatives Schreiben an der City University of London. Er ist Teil einer Amateurtheatergruppe. Vorbilder sind Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle.

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Aimee Carter: Der Fluch des Phönix

Der Fluch des Phönix Book Cover
Der Fluch des Phönix Aimee Carter Oetinger Erschienen am: 09.05.2020 Seiten: 351 ISBN: 978-3-7891-1516-5 Übersetzerin: Maren Illinger

Inhalt:

Nach dem plötzliche Tod ihrer Mutter werden die zwölfjährigen Zwillinge Zac und Lu zu ihren Verwandten nach England geschickt. Dort entdecken sie hinter einem Torbogen eine Welt voller Fabelwesen – die Wildlands.

Was sie nicht wissen: Wer die Wildlands betritt, wird mit dem Fluch des Phönix belegt und muss für immer hinter den Toren der fabelwelt bleiben. Nur wenn der Verfluchte bereit ist, alles für den Phönix zu riskieren, kann er in sein normales Leben zurückkehren… (Klappentext)

Rezension:

Die amerikanische Autorin Aimee Carter ist ein Phänomen. In ihrer Heimat nicht ganz so erfolgreich, wurde die von ihr geschriebene erste Buchserie für Kinder und Jugendliche nach ein paar Bänden nicht weiter aufgelegt, während im deutschsprachigen Raum alle Werke der Reihe “Animox” erschienen sind, und so gehört sie wohl zu den wenigen Schreibenden, die im Ausland erfolgreicher sind als in ihrer Heimat.

Folgerichtig, ist auch “Der Fluch des Phönix”, ein Einzelband (?) des gleichen Genres zuerst in deutscher Sprache erschienen und nimmt seine jungen LeserInnen mit, auf eine Reise durch die abenteuerliche Welt der Wildlands.

Hauptprotagonisten dieser spannenden Geschichte für ältere Kinder und noch nicht ganz Jugendliche sind die zwölfjährigen Zwillinge Zac und Lu, aus deren wechselnder Perspektive wir die Handlung erleben, die einem stetigen Spannungsbogen folgt. Nach dem tragischen Verlust ihrer Mutter leben die beiden mit ihrem Vater alleine, ein jeder für sich trauernd, ohne Perspektive auf Besserung.

Besonders für Zac ist der Tod seiner Mutter ein tragischer Verlust, ist er doch selbst an das Haus gefesselt, durch Asthma und zahlreiche Allergien, auf die Hilfe nun nur noch seines Vaters und seiner Schwester angewiesen.

Dadurch ängstlich, zurückhaltend und labil, ist das Einzige, was ihm bleibt, sein Zeichenblock, auf dem er die phantasievollen Geschichten seiner Mutter zu Papier bringt. Doch, ein weiterer Unfall mit Klinikbesuch, lässt den Vater das Angebot der Verwandten seiner verstorbenen Frau überdenken und schickt die Zwillinge zu diesen für einen mehrmonatigen Aufenthalt. Eine abenteuerliche, aber auch gefährliche Reise beginnt.

So viel zur Geschichte, mehr darf man auch nicht verraten, gewinnt man doch mit den ersten Seiten doch die Protagonisten als Sympathiefiguren, deren Stärke aus all den Schwächen und Begrenzungen besteht, die besonders Zac zusetzen.

Folgerichtig haben beide Zwillinge einen ernsten und eigenwilligen,, dennoch gegensätzlichen Charakter. Interessant ist hier vor allem, dass die Schriftstellerin das gängige Rollenklischee vom starken Bruder, schützenswerter Schwester umkehrt und gewinnbringend für die Handlung verwendet.

Hier darf ein angehender jugendlicher Junge sich ängstigen, gar eine Panikattacke bekommen, weinen, zittern und zweifeln, während die Schwester die Rolle des großen Geschwisterkindes, obwohl gleich alt, einnimmt. Ein großer und nicht zu verachtenswerter Pluspunkt. Identifikationsfiguren einmal anders.

Doch, obwohl sein Gesicht rot war, sein Atem mühsam ging und er Tränen in den Augen hatte, machte er keinen Gebrauch von seinem Asthmaspray. Er hatte keinen Anfall. Es kostete ihn nur alle Kraft, nicht schluchzend zusammenzubrechen.

Aimee Carter: Der Fluch des Phönix

Die Fantasy-Welt ist hier glaubwürdiger aufgebaut, als es z.B. einem Henry Neff mit “Die Schule der Magier” gelungen ist und auch im Erzähl- und Schreibstil merkt man Verbesserungen gegenüber den Bänden der Animox-Reihe, die selbst gut geschrieben und konstruiert sind, an. Beinahe im gleichen Erzähluniversum mit gleichbleibender oder sich zum Positiven veränderter Qualität zu bleiben, ist hier Aimee Carter gelungen.

Die Geschichte wird in kurzweiligen Kapiteln rasant erzählt. Längen sind keine zu finden, gleichzeitig hat die Handlung unheimlich viel Tiefgang bei genauerer Betrachtung. Menschliche Werte, Naturschutz (wenn auch auf eine Phantasiewelt übertragen), Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft, hat die Autorin ein großes Abenteuer verpackt, ohne erhobenen Zeigefinger.

Die Geschichte ist zunächst als Einzelband erschienen, bietet aber unglaublich viel Potenzial, besonders in der weiteren Entwicklung der Protagonisten, für eine Fortsetzung. In jedem Fall darf man gespannt sein, was Aimee Carter noch alles zu Papier bringen wird.

Autorin:

Aimee Carter wurde 1986 geboren und ist eine amerikanische Schriftstellerin. Zunächst schrieb sie Fanfictions und studierte an der Universität von Michigan, bevor sie mehrere Jugendbuchreihen veröffentlichte. Im deutschsprachigen Raum wurde sie vor allem durch die Reihe “Animox” bekannt.

Andere Leseeindrücke:

100Morgenwald

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James Gould-Bourn: Pandatage

Pandatage Book Cover
Pandatage James Gould-Bourn Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 02.05.2020 Seiten: 382 ISBN: 978-3-462-05364-7 Übersetzer: Stephan Kleiner

Inhalt:

Danny Maloony hat es schwer. Ein Glückspilz war er noch nie, aber seitdem seine Frau vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, läuft gar nichts mehr glatt.

Sein Sohn Will hat aufgehört zu sprechen, Danny verliert den Job, und als ihm auch noch sein Vermieter mit Rausschmiss droht, kauft er von seinem letzten Geld ein Pandakostüm, um als Tanzbär Geld zu verdienen. Doch tanzen kann er leider auch nicht… (Klappentext)

Rezension:

Dass auch eine grobe Schreibarbeit zu einer wundervollen und berührenden Geschichte führen kann, beweist James Gould-Bourn, der mit seinem Debütroman “Pandatage” eine einfühlsame Erzählung zu Papier gebracht hat. Hauptprotagonist ist der alleinerziehende Danny Maloony, der mit Haushalt, traumatisierten Sohn und seiner eigenen Trauer zu kämpfen hat, nachdem seine Frau bei einem Unfall ums Leben gekommen ist.

Seit dem scheint ihm nichts mehr zu gelingen. Von einem auf den anderen Tag steht der Bauarbeiter beinahe vor dem Nichts. Auf der anderen Seite sein Sohn Will, der ebenso trauert, nicht mehr spricht, in der Schule zum Punchingball der Klassenschläger geworden ist, sich emotional immer mehr von Danny entfernt. Danny sieht in einem Pandakostüm schließlich die Chance auf bessere Tage. Doch, auch das erweist sich als einfacher als gedacht.

Nicht gerade fein ausgearbeitet ist diese Erzählung einer Vater-Sohn-Geschichte, tatsächlich ist der Schreibstil eher platt, die Protagonisten bis auf die beiden Hauptcharaktere sehr einseitig konstruiert und auch der Humor dürfte nicht jedermanns Sache sein. Dennoch hat James Gould-Bourn eine Geschichte geschrieben, die zu berühren mag. In ihrer Gesamtheit ist sie stimmig.

Das war Pandamonium!

James Gould-Bourn: Pandatage, Roman von Kiepenheuer & Witsch.

Das Klischee, dass sonst immer, wenn von Alleinerziehenden die Rede ist, von einer Mutter-Kind-Beziehung gesprochen wird, wird aufgebrochen, stehen doch Männer in dieser Situation vor den gleichen Problemen, auch der Umgang mit Trauer ist hier sehr schön dargestellt, zudem welche Bedeutung Menschen haben, die einfühlsam für einem auch in schlechten Zeiten da sind.

Der Humor des Autors ist speziell, wer sich jedoch darauf einlässt, entdeckt einen nachdenklich schwermütigen Roman, der immer genau dann aufgebrochen wird, wenn den Lesern die Last der Protagonisten förmlich zu erdrücken droht.

Ich wünschte, ich wäre gestorben, mit Mum zusammen, weil ich lieber tot wäre, als allein mit dir zu sein.

James Gould-Bourn: Pandatage. Roman von Kiepenheuer & Witsch.

Das wäre wiederum feinfühlig.

Die Stärke dieser Schreibarbeit liegt hier eindeutig im Beginn und Mittelteil. Der Schluss ist fast zu schnell erzählt. Hier hätte etwas mehr Ausgestaltung der Geschichte gut getan und nur mit den Blick, dass es praktisch egal sein kann, wie man sein Geld verdient, kann man die Auflösung gelten lassen. In der Realität halte ich das für schwierig.

Der Wortwitz und die Protagonisten, die man von der ersten Seite an liebgewinnt, machen “Pandatage” zu einem lesenswerten Roman über Trauer, familie, Freundschaft, Glauben und Zuversicht, der in seiner Gesamtheit ein stimmiges Bild abgibt und funktioniert, da James Gould-Bourn diesen Stil von Beginn bis zum Ende durchhält.

Kurzweilige, flüssig zu lesende Kapitel aus wechselnder Perspektive, zeigen was möglich und dass es durchaus richtig ist, an “Pandatage” zu glauben. Eine lesenswerte Erzählung in Pandakostüm.

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Das Bloggen mit Büchern: Wie hältst du’s mit Rezensionsexemplaren?

Der Blog startete als kleines Privatvergnügen, zur Gedächtnisstütze nach der Lektüre. Mehr war es zu Beginn nicht, wollte ich doch aufschreiben, wie ich ein gelesenes Buch fand und warum das so ist, schließlich verdrängt man als Vielleser eine ganze Menge. Irgendwo muss ja der Platz für Gedanken zu neuen Büchern her. Da ist solch eine Schreibarbeit schon eine feine Sache.

Heute, lange nachdem ich mich auf’s Glatteis begeben habe, ohne auf mich zu vertrauen, dass es vielleicht noch jemanden gibt, der sichd afür interessiert, was ich zu sagen habe, mit größerem Selbstbewusstsein, ist aus dem persönlichen Archiv viel mehr geworden.

Inzwischen sehe ich es als meine Aufgabe an, Literatur vorzustellen und kritisch einzuordnen, auch einmal Bücher jenseits der obersten Schichten von Büchertischen und Bestsellerlisten zu zeigen. Gelesen wird das gerne, dafür bin ich unglaublich dankbar. Doch, auch ich muss mir als Blogger eine Frage gefallen lassen und die lohnt einer näheren Ausformulierung.

Wie hältst du’s mit den Rezensionsexemplaren?

Was der Mode-Bloggerin ihr Seidenschal oder ihre Handtasche ist, sind den Literaturbloggern die Rezensionsexemplare. Per se sind das Bücher, die in einer begrenzten Stückzahl von Verlagen und Autoren der Presse zur Verfügung gestellt werden, um diese unter die Menschen zu bringen, auf breiter Basis zu präsentieren und vorzustellen. Für die eine Seite nicht mehr und nicht weniger als kostengünstige Werbung, für uns Blogger Arbeitsmaterial, Content und Lohn zugleich.

Der Stapel ungelesener Bücher ist bei mir naturgemäß nicht klein.
Manchmal kommen aber auch Rezensionsexemplare hinzu.

Natürlich ist kein Schreiberling auf diese Art von Zuwendung angewiesen. Einige nutzen sie mehr, andere konzentrieren sich auf das, was sie ohnehin auf ihren Stapeln ungelesener Bücher finden. Persönlich stöbere ich gerne in den Vorschauen der Verlage, lasse mich auf Benachrichtigungen von Autoren und literarischen Agenturen ein.

Einige intensive Kontakte sind dadurch schon entstanden, mit einigen Schriftstellern hatte ich so die Grundlage für Interviews auf den Buchmessen geschaffen. Da ist die Frage nicht weit, wie kritisch man gerade dann sein darf. Schließlich hoffen die, die Rezensionsexemplare zur Verfügung stellen, auf eine positive Besprechung.

Gerade das ist nicht immer gegeben. Sei es, weil die Thematik nicht so von den AutorInnen verarbeitet oder umgesetzt wurde, wie man sich das als Leser erhofft hatte, weil man ganz andere Erwartungen an die Lektüre hatte oder das Buch zwar zeitnah gelesen hatte, aber in der falschen Stimmung dafür gewesen ist. Das und noch einige andere Punkte beeinflussen die Bewertung von Büchern und dies kann dann natürlich auch nach hinten losgehen.

Anfangs war ich noch vorsichtig. Zu Beginn ist man noch neu in dieser “Bubble”, fühlt sich geehrt, wenn man Rezensionsexemplare zugeschickt bekommt. An meinen ältteren Rezensionen merkt man das teilweise, doch mittlerweile neige ich dazu, zu sezieren, wie ein Rechtsmediziner eine Leiche. Gott sei Dank fühle ich mich nach dem Lesen der meisten Bücher weniger tot als viel mehr erfüllt.

Der Glücksgriff nach guter Lektüre gelingt mir häufiger, auch bei Anfragen an die Verlage, als dass er mir misslingt. Das erklärt viele positive Bewertungen. Ich kenne meine Lesevorlieben, meine Stimmung genau, begründe jedoch auch, wenn dies einmal nicht so funktioniert.

So schreibe ich dann auch negative Rezensionen. Um ehrlich zu sein, auch Verrisse zu formulieren, macht Spaß. Einige Verlage können davon bei mir leidgeprüft ein Lied singen. Doch, mein Anspruch ist es, jede Kritik, die ich äußer, sachlich zu formulieren und ausführlich zu begründen.

Es braucht auch einmal eine negative Meinung, doch letztendlich gilt das, was Marcel Reich-Ranicki einst in einem Interview formulierte. Hauptsache ein Buch wird erwähnt. Auch von ihm verrissene Lektüre verkaufte sich sehr gut. Schließlich wollten viele wissen, was an der Kritik des großen Kritikers dran ist. Inzwischen halte ich das ebenso.

Jeder kann hier sehen, welche Rezensionen auf einem Rezensionsexemplar beruhen. Das schreibe ich entweder in die Datenbox oben hinein, oder bei älteren Rezensionen, die noch nicht überarbeitet wurden, steht diese Information als Kennzeichnung im Verzeichnis. Es ist ersichtlich, transparent. Um so wichtiger dann auch, welches Fazit ich aus der Lektüre für mich gezogen habe.

Wenn das ausführlich und begründet ist, haben alle was davon. Leser, Autoren und Verlage. Es soll ja auch die jenigen geben, die genau wissen, was nicht für den Rezensenten funktioniert hat, könnte es für einem selbst sein. Das ist dann auch eine Hilfe. Vielleicht ist mir eine Handlung zu ruhig und langwierig, andere suchen genau dies. So kann auch eine negative Bewertung zu etwas Positiven führen. Damit ist dann viel gewonnen.

Drei Rezensionsexemplare von drei Verlagen.
Zwei davon funktionierten für mich gut, eines weniger.

Ja, es braucht auch negative Rezensionen und davon sind die von Verlagen zur Verfügung gestellten Werke nicht ausgenommen. Nur einmal hatte ich bisher eine etwas unprofeessionelle Reaktion darauf, ein anderes Mal habe ich auf Nachfrage hin, eine Kritik noch einmal etwas mehr ausformuliert. Relativ selten kommt es auch vor, dass ich mich gar nicht in der Lage sehe, eine Rezension zu schreiben. Dann bekommen Verlag und Autoren darüber eine Nachricht mit Begründung. Ansonsten gilt, was nun geschrieben steht.

Egal, ob die Rezension in die positive oder negative Richtung ausschlägt, begründet muss sie sein und mittlerweile gelingt mir zumindest das ganz gut. Für mich und meine LeserInnen die Lektüre einzuordnen, vielleicht eine Vorauswahl zu treffen, ist eine Hauptaufgabe inzwischen, die ich ernst nehme. Ausformulierte Kritik können Verlage und Autoren aushalten, letztendlich entscheidet ohnehin der Gang in die Buchläden und Bibliotheken. Wer danach anderer Meinung ist als ich, hat vielleicht etwas gefunden, was mir verschlossen geblieben ist. Das ist doch auch ganz schön.

Egal, ob positiv oder negativ. Das ist auch bei Rezensionsexemplaren nicht unbedingt wichtig. Hauptsache, begründet und sachlich muss die Kritik sein. Nur dann funktioniert es.

Mit einigen Verlagen und Autoren verbindet mich eine längere Zusammenarbeit, trotz mancher negativer Kritik oder vielleicht auch deswegen. Fast alle Werke, die ich anfrage, bekomme ich zumeist, zusammen mit den Büchern, die an mich sonst noch herangetragen werden.

Mittlerweile kennt man die Genre, die Themen, in denen ich mich bewege, was auch dazu führt, dass totale Fehlgriffe relativ selten sind. In letzter Zeit frage ich weniger an. Ich habe mich da in der Vergangenheit etwas übernommen, doch bin ich jedes Mal gespannt darauf, was mich erwartet. Heute frage ich gewählter nach.

Oft funktioniert das, manchmal leider nicht. Vielleicht kommt es am Ende auch nicht darauf an, welche Sternebewertung dabei herauskommt. Das Wie und Warum ist wichtiger. Für meine LeserInnen, für die Verlage und schreibende Zunft. Für die Statik meines Bücherregals. Auch, für mich. Dazu gehören dann auch negative Rezensionen.

Letztlich muss sich ein jeder seine eigene Meinung bilden.

Euer findo.

Die Fotos entstammen meinem Instagram-Account.

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