Russland

Nikolaij A. Sokoloff: Der Todesweg des Zaren

Der Todesweg des Zaren Book Cover
Der Todesweg des Zaren Nikolaij A. Sokoloff Meistersprung Literatur Erschienen: 12.01.2017 Taschenbuch Seiten: 177 ISBN: 978-1-4230-0223

Inhalt:

Im Jahr 1917 kam es in Russland zu Demonstrationen, Streiks und Revolten. Nikolaus II. wurde zum Rücktritt gezwungen und stand fortan unter Hausarrest. Der ehemalige Zar und seine Familie wurden in die Verbannung geschickt, während im Land ein grausamer Bürgerkrieg herrschte.

Im Sommer 1918 verbreiteten sich über die Ermordung des Zaren Gerüchte. Nikolaj A. Sokoloff war einer der ersten, die die Ermordung des Zaren und seine Familie systematisch untersuchten und die Ergebnisse veröffentlichte. Mit der Zeit gerieten seine Erkenntnisse in Vergessenheit. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:
Wer kennt sie nicht, die Legenden, die sich um die Familie des letzten Zaren von Russland Nikolaus II. ranken? Angeblich überlebende Zarenkinder, die nach Jahren als Erwachsene aufgetaucht sind und einigermaßen plausible Geschichten erzählten, Gerüchte, wonach bolschewistische Soldaten einer der Zarentöchter halfen, aus der Hölle des Massakers zu entkommen.

Es fehlten ja, als man die Gebeine der Ermordeten fand zunächst zwei Gebeine (die man erst später ein paar Meter weiter fand) und überhaupt, was war eigentlich in der Mordnacht geschehen?

Nikolai A. Sokolofff, russischer Untersuchungsrichter, begab sich bereit 1919, beauftragt damals noch von der gegen die Bolschewiken kämpfende “Weiße Armee”, auf Spurensuche. Herausgekommen ist ein Untersuchungsbericht, der Grauenvolles enthüllt.

Der Bericht selbst wurde 1925, nach dem Tode Sokoloffs veröffentlicht, und geriet dann für längere Zeit in Vergessenheit. Dies ist nun der Nachdruck des Originals, natürlich übersetzt. Immer noch ist es die Hauptquelle für Autoren und Historiker, zu ergründen, was damals geschah, denn Spurensuche ist schwierig.

Das Ipatjew-Haus, die letzte Unterkunft und schließlich Todesfalle der Familie, existiert nicht mehr und auch sonst ist der Tathergang mangels lebender Zeugen nur schwer nachzuvollziehen. Tagebücher, einige wenige Fotos, ein paar Tonbandaufnahmen von Aussagen der Bewacher der Familie sind alles, was übrig geblieben ist, und eben dieses Dokument.

Auffallend ist, wie gewissenhaft Sokoloff selbst in dieser schweren Zeit, wir erinnern uns, 1919 war Bürgerkrieg in Russland, recherchiert hat, Zeugen vernommen und orte besucht hat, die mit den letzten Tagen der Zarenfamilie zusammenhingen.

Während damals jedoch der Bericht von üüberlebenden Verwandten des Zaren angezweifelt wurde, können wir heute noch einen Punkt Sokoloff zurechnen. Seine Präzension, die in jeder Zeile zu spüren ist. Nur die Überreste der Familie fand er nämlich nicht, bei so ziemlich allen anderen Punkten hatte Sokoloff das richtige Gespür.

Da dieser Bericht einer der Hauptgrundlagen um die letzte Zarenfamilie ist, sei es jeden Interessierten empfohlen, dies zu lesen. Man sollte es jedoch nicht ohne Vorkenntnisse tun, wird ansonsten schwierig.

Der Schreibstil ist nüchtern gehalten, es ist halt ein Untersuchungsbericht, jedoch dadurch um so verständlich. Ein Namensverzeichnis wäre gut gewesen, ist aber schon im Original nicht vorhanden, also, folgerichtig, auch nicht im Nachdruck. Trotzdem ein sehr lesenswertes Dokument.

Autor:
Nikolai A. Sokoloff wurde 1882 geboren und lebte bis 1924. Er war ein russischer Richter und Untersuchungsrichter, und sollte im Auftrag der Weißen Armee den Verbleib Nikolaus II. und seiner Familie nach der Oktoberrevolution klären. Während des Bürgerkriegs flüchtete er sich vor den Bolschewiken nach Frankreich, wo er kurz darauf starb.

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Serhij Zhadan: Internat

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Internat Autor: Serhij Zhadan Roman Suhrkamp Verlag Hardcover Seiten: 301 ISBN: 978-3-518-42805-4

Inhalt:
Mit Politik hatte hier keiner was im Sinn. Doch als plötzlich geschossen wird, kann sich niemand mehr raushalten. Auch Pascha nicht, der Lehrer, der sein ganzes leben in einer Bergarbeitersiedlung im Donboss verbracht hat.

Er bricht auf, quer durch die Stadt, zum Internat, um seinen Neffen in Sicherheit zu bringen. Nach einer odyssee durch die einst vertraute, jetzt zerstörte Gegend ist für Pascha nichts mehr wie zuvor. Ein Roman über den unerklärten Krieg und den Versuch, dem sinnlosen Sterben zu trotzen. (Klappentext)

Rezension:
Es herrscht Krieg und irgendwer muss ja das Kind aus dem Frontbereich herausholen. Dort ist es in einem Internat untergebracht, abgeschoben von der Mutter, die den an Epilepsie leidenden Sohn an sich froh war, los geworden zu sein. Ein Problem weniger.

Doch, das Land ist im Ausnahmezustand. Kämpfe nähern sich der Stadt. Und so beschließt Pascha seinen Neffen aus dem brodelnden Krisenherd herauszuholen, nur ist er selbst der feigste Mensch, den man sich vorstellen kann.
Serhij Zhadan erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte eines Menschen, der langsam merkt, wie es ist, es sich zu leisten, keine Nachrichten zu sehen, sich nicht zu positionieren in einer Zeit, die gerade nach Einordnung verlangt, und warum selbst der größte Feigling in besonderen Zeiten über sich hinauswachsen muss.

In dieser Geschichte stinkt es nach nassen Hund, es regnet permanent und der Begriff Ukraine wird nicht erwähnt. Tatsächlich erzählt der Autor eine Geschichte, wie sie sich tatsächlich in seinem Heimatland hätte abspielen können, doch könnte man die Erzählung an jeden Krisenherd der Welt spielen lassen. und obwohl das alles so grausam, so schrecklich ist, man muss sich an einigen Stellen wirklich zwingen zu lesen, kann man sich nicht dem Sog entziehen.

Zumal der Hauptprotagonist trotz aller Schwächen irgendwie sympathisch ist, nicht zuletzt später im Zusammenspiel mit dem dreizehnjährigen Rotzlöffel Sascha, der den invaliden Lehrer nur langsam als eine Art Ersatzvater anerkennt

Serhij Zhadan zwingt den Leser sich zu beschäftigen, mit einem hierzulande fast verdrängten Konflikt, der doch dennoch nah ist. Er zwingt, Stellung zu beziehen, zu einem menschlichen Drama, welches durchzogen ist von Leid, Elend und Hoffnungslosigkeit und macht dies, hervorragend übersetzt durch Juri Dukot und Sabine Stöhr, auf eine so eindrückliche Art und Weise, dass man dem Autoren nur Beifall zollen kann.

Es ist mit so wenigen Seiten zwar äußerlich ein eher unscheinbarer Roman, dessen Inhalt man jedoch nicht so schnell vergessen kann, vergessen will. Zu tief wachsen einem Pascha und Sascha ans Herz.

Fast würde man gerne in die Zukunft schauen, um zu erleben, was aus den beiden Protagonisten werden wird. Alleine, den Blick in die Kristallkugel wagt selbst der Autor nicht. Zu tief sind die Wunden, zu unbeständig die Risse, die der Krieg in die Heimat Zhadans vollzogen hat.
Am Ende bleibt man ratlos zurück, ernüchtert. Hoffen wir nur das Beste für die Zukunft der Saschas auf dieser Welt und auf viele, über sich hinauswachsende Menschen wie Pascha. “Rettest du ein Leben, so rettest du die ganze Welt.”, so steht es im Talmud, dieser Ausspruch gilt jedoch überall.

Mit der Aufmerksamkeit, die dieses Buch wieder auf den immer noch schwelenden Konflikt in der Ukraine lenkt, ist schon mal ein erster Schritt dafür getan. In sehr drängender Sprache erzählt der Hauptprotagonist von seinem beschwerlichen Weg, nicht nur zur Rettung des Neffen, sondern auch zur Selbsterkenntnis.

Ihm wird dann nochmal von Sascha der Spiegel vorgehalten. Nein, der Hauptprotagonist wird in ein ganzes Spiegelkabinett gesteckt. Wer dies und anderes lesen, wer etwas erfahren möchte, über Ausnahmesituationen, und was diese mit uns Menschen machen können, für den ist dieser Roman. Ansonsten ein hervorragend erschreckend erzähltes Stück Zeitgeschichte.

Autor:
Serhij Zhadan wurde 1974 geboren und ist ein ukrainischer Schriftsteller, Dichter und Übersetzer. Nach der Schule studierte er zunächst Literaturwissenschaften, Ukrainistik und Germanistik. Er organisiert Literatur- und Musikfestivals und verfasst Rocksong-Texte. 2007 erschien sein erster Roman.

2006 wurde er mit dem Hubert Burda Preis für junge Lyrik ausgezeichnet, Zhadan war zudem Aktivist der Orangenen Revolution. 2014 schilderte er in der FASZ seine Erfahrungen der Erstürmung der Gebietsverwaltung von Charkiw, wurde dafür von prorussischen Kräften krankenhausreif geschlagen.
Seine Romane wurden mehrfach ins Deutsche übersetzt, und zahlreich ausgezeichnet. Der Autor beschäftigt sich vornehmlich mit dem Zeitgeschehen seines Heimatlandes.

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Andreas Guski: Dostojewskij – Eine Biographie

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Dostojewskij – Eine Biografie Andreas Guski C.H. Beck Verlag Erschienen am: 15.08.2018 Seiten: 460 ISBN: 978-3-406-71948-6

Inhalt:

Mit “Schuld und Sühne” hat Dostojewskij, so Thomas Mann, “den größten Kriminalroman aller Zeiten” verfasst. Kaum weniger fesselnd als seine großen Romane ist sein von äußeren und inneren Dramen geprägtes Leben. Als junger Mann verbringt er vier Jahre im Zuchthaus, am Ende seines Lebens wird er als Prophet der Nation gefeiert.

Dazwischen liegen die Höhen und Tiefen seines literarischen Glücks wie seiner verzehrenden Spielsucht. Der Slawist Andreas guski legt die erste Biographie in deutscher Sprache seit über 25 Jahren vor. Anschaulich erzählt er dostojewskijs Leben und erschließt sein gewaltiges OEuvre im Kontext der Zeit. (Klappentext)

Rezension:

Heute zählen seine Werke unbestritten zu den Klassikern russischer Literatur, doch war dem nicht immer so. Im Gegenteil, zu Beginn seines schriftstellerischen Wirkens war Dostojewskij umstritten, seine Erzählkunst wurde angezweifelt, dazu kamen schier unüberwindbare Überliteraten, wie Puschkin und Tolstoi, und bis zuletzt hatte er mit seiner schon im frühen Erwachsenenalter aufkeimenden Spielsucht zu kämpfen.

Und doch veränderte und erweiterte der mann, der schon immer Schriftsteller sein wollte, die Literatur mit seinen großen Romanen “Schuld und Sühne” und “Der Idiot”, sowie in zahlreichen Zeitungsartikeln Land und Leser gleichermaßen.

Über sein Wirken, ein abwechslungsreiches, von vielen Fallgruben und wenigen erfolgen gekennzeichneten Leben liegt nun diese Biographie vor.

Andreas Guski nähert sich den Leben eines Verrückten oder eines Genies, so genau weiß man das nicht zu sagen, auf der privaten und auf der schriftstellerischen Ebene an. Sein Leben wird im Kontrast zu den seiner Zeitgenossen gestellt, Vergleichslinien gezogen und sehr detailliert aufgesplittet, wo die Wendepunkte lagen, die Dostojewskij bewältigen musste.

Der Autor analysiert im gleichen Atemzug das jeweils zu der beschriebenen Zeit enstandene Werk, zeigt die Arbeitsweise dieses Talents, welches seine Zeitgenossen erst erkennen wollten, als der Schriftsteller Dostojewskij nur noch wenige Jahre zu leben hatte.

Herausgekommen dabei ist ein vielschichtiges Portrait einer wunderlichen epoche und eines Mannes, der nur durch die Betrachtung seiner Werke kaum zu fassen ist. Die Detailiertheit lohnt sich, vor allem wenn man noch keines der Werke Dostojewskijs selbst gelesen hat, oder im Vegrleich dazu eines der anderen schon genannten Schriftsteller.

Guskis Biografie bildet die Grundlage zu verstehen, etwa hinter die verschiedenen Romane zu schauen, die beim oberflächlichen Lesen sonst verloren gehen könnten. Für alle anderen ist es ein interessantes Zeitenportrait, in denen Genie und Wahnsinn sich versammeln. Dostojewski ist beides aber nicht nur er alleine.

Konzentration erfordert die Lektüre, langsames Lesen sowie so. etwas anderes lässt der Schreibstil Guskis nicht zu, die detailliertheit der Recherche jedoch ebenso wenig. Guski lässt die Fassade hinter Dostojewski bröckeln und baut sie zugleich neu auf.

Ein vielschichtiges Werk über ein gewaltiges Stück Literaturgeschichte, die zugleich eine Lebensgeschichte darstellt. Allen Interessenten sei dies empfohlen.

Autor:

Andreas Guski ist Professor für Slawistische Philologie an der Universität Basel. Seine Dissertation schloss er 1970 ab, bevor er 1985 zur Literatur des Stalinismus habilitierte. Seine Forschungsgebiete sind u.a. die russische und tschechische Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

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Ian Kershaw: Höllensturz – Europa 1914 bis 1949

Höllensturz - Europa 1914 bis 1949 Book Cover
Höllensturz – Europa 1914 bis 1949 Ian Kershaw DVA Erschienen am: 12.09.2016 Seiten: 764 ISBN: 978-3-421-04712-9 Übersetzung: Klaus Binder (u.a.)

Inhalt:

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stürzt sich Europa in eine selbstverschuldete Katastrophe, die historisch ohne Beispiel ist. Über drei Jahrzehnte hinweg, von 1914 bis 1949, prägten Kriege, Völkermorde, Vetreibungen und politische Unruhen die Geschichte des Kontinents.

Ian Kershaw gelingt ein Glanzstück der modernen Geschichtsschreibung in seiner Schilderung dieser gleichermaßen faszinierenden wie beklemmenden Ära, in der Europa sich beinahe selbst zerstört hätte.

Meisterlich denkt er die wichtigsten Entwicklungen in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur der europäischen Länder zusammen und führt uns die Auswirkungen des tiefgreifenden Wandels auf das Leben von Millionen von Menschen vor Augen. (Klappentext)

Rezension:

Sehr umfangreiche und detaillierte Sachbücher führen wohl ein Nischendasein in unseren Buchhandlungen, doch entdeckt man unter den “Wälzern” bei genaueren Hinsehen immer wieder Schätze, die es sich zu Betrachten lohnt.

Ian Kershaw ist ein Garant für solch eine Literatur, die selbst mit der Thematik vertrauten Lesern neues und vielschichtiges Hintergrundwissen vermittelt. Hier zumeist inhaltlich sich mit den Zweiten Weltkrieg und Hitler als Person befassend.

Aber auch der große Zeiten-Überblick gelingt dem britischen Historiker, der sich wissenschaftlich und auch sonst wieder einmal ein Denkmal zwischen zwei Buchdeckeln geschaffen hat.

“Höllensturz – Europa 1914 bis 1949”, erzählt die Geschichte eines Kontinents in Umbruch, von Ländern, die sich gegenseitig in unvergleichliche Abgründe getrieben haben und von Menschen, die ihresgleichen millionenfach in zwei schrecklichen Kriegen vernichteten.

Es ist unsere Geschichte, die zum Fanal für mehrere Generationen und ihrer Auswirkungen, die noch mehrere Jahrzehnte spürbar waren. Europa im modernen beinahe 30-jährigen Krieg.

Ian Kershaw hat sich der schwierigen Thematik angenommen und beleuchtet dieses Mal nicht nur die geschichte der Deutschen, sondern die Geschichte der großen und kleinen Länder des kontinents.

Er erläutert detailliert, wie es zur Urkatstrophe des 20. Jahrhunderts kommen konnte und weshalb vor 1949 demokratische Staatsformen Schwierigkeiten hatten, sich zu etablieren.

Der Autor analysiert den Niedergang des British Empire zugleich mit den Aufstieg der USA und das auseinanderbrechende Mächtegleichgewicht zwischen Frankreich, dem Deutschen Reich und dem Russischen Reich, erklärt weshalb der Staat der Habsburger in einer Kettenreaktion seinem Untergang entgegen kämpfte, die schließlich auch andere Staaten ins Unglück stürzte.

Messerscharf beleuchtet er gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Komponenten, macht fassbar, was unfassbar ist.

Geschichte begreiflich zu machen, ist die vornehmste Aufgabe der Historiker und Ian Kershaw beherrscht dies perfekt. Bewiesen hat er es schon mit seiner Hitler-Biografie, die in der wissenschaftlichen Aufarbeitung Maßstäbe setzte, hier legt der Historiker jedoch noch eine Schippe drauf.

Natürlich ist der Einstieg in die Thematik nicht einfach, tatsächlich wird, wer die Detailliertheit und Informationsfülle nicht gewohnt ist, Schwierigkeiten bekommen. Und ja, Vorbildung und Interesse empfiehlt sich.

Wer jedoch Geduld mitbringt, wird mit umfangreichen Analysen, verständlich gezogenen Linien von Überblickswissen und einer Genauigkeit belohnt, die ihres Gleichen sucht.

Ian Kershaw setzt hier Maßstäbe in der Verarbeitung von unzähligen Quellen, dessen Verzeichnis knapp gehalten ist, jedoch auf das unfassbar zahlreiche Material hinweist, welches dem Autoren zur Verfügung stellt. Geschichtswissenschaft für Fachleute und das gemeine Volk, Kershaw schafft beides.

Es ist Lektüre, die ein hohes Maß an Konzentration erfordert, deren Leser jedoch mit Wissen, neuen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen belohnt werden. Es ist die Aufarbeitung des 20. Jahrhunderts aller europäischen Völker, welche sich Ian kershaw zu einem Langzeitprojekt gemacht hat.

Die zweite Hälfte, eine glücklichere Zeit, wird ebenso ausgearbeitet erscheinen, so zumindest der Historiker im Vorwort, der wissenschaftlich korrekt auf die Vielzahl an Arbeiten anderer Historiker hinweist, die auch ihm als Grundlage zum Schreiben dienten.

Das Lesen solcher Bücher ersetzt den Geschichtsunterricht und wirkt effektiv nach. Geschichte muss nicht trocken sein, Sachbücher nicht pur theoretisch, so gelingt moderne Vermittlung, auf dass sich die Vergangenheit nicht wiederholen mag.

Kershaw appeliert an unser Gewissen, denn der nächste Krieg, soviel ist 1949 schon klar, hat das Potential, die Menschheit völlig zu vernichten. Eingeleitet durch Zitate berühmter Personen aus Politik und Kultur jener Zeiten schwebt in den ausführlichen Kapiteln diese Warnung wie ein Damoklesschwert über die Köpfe der Leser.

Uns sollte daran gelegen sein, es nicht hinunterfallen zu lassen.

Autor:

Sir Ian Kershaw wurde 1943 in Oldham, Lancashire geboren und ist ein britischer Historiker, der durch seine Schriften zum Nationalsozialismus, besonders durch seine Hitler-Biografie Bekanntheit erlangte.

Nach der Schule studierte er geschichte und war zunächst Dozent für Mittelalterliche und Moderne Geschichte an der University of Manchester. Nebenbei erlernte er im Goethe-Institut seiner Stadt die deutsche Sprache und verlagerte seinen Tätigkeitsschwerpunkt auf die deutsche Geschichte.

1983/84 hatte er eine Gastprofessur an der Ruhr-Universität Bochum inne, 1987 nahm er eine Professur in Nottingham an, später in Sheffield, wo er bis Ende september 2008 Geschichte lehrte. Zahlreiche Auszeichnungen erhielt er für seine Aufarbeitung deutscher und europäischer Geschichte, u.a. das Bundesverdienstkreuz.

2002 wurde er zum Ritter geschlagen. 2012 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. 2013 wurde er für sein Lebenswerk mit den Meyer-Struckmann-Preis geeehrt. Seine Werke gelten als geschichtswissenschaftliche Standardliteratur.

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Guido Knopp: Meine Geschichte

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Meine Geschichte Guido Knopp C. Bertelsmann Erschienen am: 13.11.2017 Seiten: 320 ISBN: 978-3-570-10321-0

Inhalt:

Mister History blickt zurück: Guido Knopp, der das neue Geschichtsfernsehen prägte und damit für Millionen Zuschauer zum wichtigsten Geschichtslehrer wurde, verknüpft pointiert und anekdotenreich zentrale gesellschaftliche und politische Entwicklungen der vergangenen sechs Jahrzehnte mit prägenden autobiografischen Stationen und persönlichen Erlebnissen.

Immer vor dem Hintergrund seines Lebensthemas, der deutschen Geschichte. Ein Buch nicht nur für seine Zuschauer und Leser, die ihm über Jahrzehnte treu geblieben sind. (Klappentext)

Rezension:
Geschichte muss nicht trocken sein, nicht langweilig oder gar oberlehrerhaft rübergebracht werden, um ihrer gerecht zu werden. Im Gegenteil, ist sie doch in all ihren Facetten spannend und durchaus erkenntnisreich. Im Guten, wie auch im Schlechten.

Wenn es ein Fazit bedarf, welches man aus Guido Knopps Arbeit ziehen darf. Lehrer setzen seine Dokumentationen im Unterricht ein, Wiederholungen einzelner Senderreihen bringen den Schwestersendern des ZDF immer noch gute Quoten, DVD-Verkäufe inmmer noch ordentliche Ergebnisse.

Doch, wer war der Mann, der als Initiator hinter all den Dokumentationen steckte, dem oft vorgworfen wurde, zweifelhafte Personen der Geschichte zu verherrlichen, der neue Dokumentationstechniken anwendete, die heute zum Standard gehören und das Geschichtsverständnis nun schon mehrerer Generationen zumindest mitprägte? Wer war Mr. History?

Erzählt wird seine Geschichte nun von ihm selbst. In seiner Biografie “Meine Geschichte” zeichnet Guido Knopp, gespickt immer wieder mit amüsanten Anekdoten, sein Leben nach und immer wieder auch ein Stück Fernsehgeschichte des ZDF.

Er berichtet von dem Aufbau seiner Redaktion bis zur Gestaltung der ersten Sendungen, gibt Einblick in den Aufwand, der hinter all den zahlreichen Dokumentationen steckt und wirft einen humorvollen Blick auf seine Kritiker, die ihm seine Erfolge mitunter neideten.

Er beschreibt das Wie und Warum, erklärt, wie Neuerungen in der fernsehtechnischen Gestaltung zunächst das Feuilleton althergebrachter Zeitungen verärgerte, und es zum Ruf der “Verknoppung” der Geschichte kam.

Kurzweilig und spannend, wie auch seine Beiträge, seine Dokumentationen zur deutschen Geschichte ist auch seine eigene. Wer “Fan” seiner Arbeiten ist, empfiehlt sich die Lektüre ohnehin, wer Kritiker ist, dem sei “Meine Geschichte aus dem C.Bertelsmann-Verlag ebenfalls ans Herz gelegt.

Wie entstanden bestimmte Sendungen, welcher Aufwand, der für den Zuschauer so nicht sichtbar ist, musste betrieben werden, um Sendereihen zu komplizierten Themen zu füllen, gerade wenn die Türen sich nur per Staubsauger öffnen ließen (sinnbildlich gesprochen)?

Wo waren die Grenzen der ZDF Redaktion Zeitgeschichte und wie die Resonanz in Deutschland, Europa und der Welt? Welche Historiker arbeiteten im Hintergrund mit, welche historischen Persönlichkeiten, von Berühmt bis zum zufällig gewesenen Zeitzeugen gaben Einblicke in die Geschehnisse?

Guido Knopp erinnert sich und kann sich damit getrost einreihen, in die Aufzeichnungen der Gespräche, die er und sein Team mit den verschiedensten Interviewpartnern geführt haben.

Das Kind des Wirtschaftswunders, welches die brotlose Kunst der Geschichte studierte, und diese selbst so spannend zu erzählen wusste, wie einst sein Lehrer auf seinem Gymnasium und sich damit um seiner Lieblingsthematik verdient machte.

Interessenten, die nicht zuletzt ein Stück Fernsehgeschichte nachempfinden und einen Blick hinter die Kulissen werfen möchten, und auch sonst, eine unbedingte Leseempfehlung. Geschichte ist spannend wie ein Krimi und es unbedingt wert, sie zu erzählen.

Was ist eigentlich "Verknoppung"?

Guido Knopp setzte als einer der ersten Spielszenen ein, wo historisches Filmmaterial nicht ausreichte, bestimmte Ereignisse der Geschichte darzustellen. Heute ein gängiges Mittel in den Fernsehtechniken unserer Zeit, war dies damals noch eine neue ungewohnte Technik.

“Nicht authentisch”, lautete das Urteil einiger großer Zeitungen. Zudem wurde Geschichte erstmals nicht nur chronologsich erzählt, sondern anhand von bestimmten Ebenen (z.B. anhand von Personenhierarchien), um eine bessere Nachvollziehbarkeit zu gewähren. Auch dies damals ein Novum.

Zudem wurde historisches Filmmaterial mit Kommentaren unterlegt, Personen nicht vor wertenden, sondern neutralen Hintergründen interviewt.

Auch dies, und die Präsentation geschichtlicher Themen, nicht “oberlehrerhaft”, zur Primetime, um für Aufklärung Reichweite zu bringen, brachten Guido Knopp und seiner Redaktion bestimmte Kritiken ein. Andere, wie Johannes Rau oder Simon Wiesenthal lobten Knopp für seinen Beitrag zum Geschichtsverständnis seiner Zuschauer.

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Autor:
Guido Knopp wurde 1948 geboren und ist ein deutscher Journalist, Historiker, Publizist und Moderator. Nach der Schule studierte er Geschichte, Politik und Publizistik und arbeitete zunächst als Redakteur verschiedener Zeitungen.

So war er u.a. für die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” und der “Welt am Sonntag” tätig. 1978 wechselte er zum ZDF und leidete ab 1984 die von ihm initiierte Redaktion “Zeitgeschichte”. Neben der Podiumsdiskussionsreihe “Aschaffenburger Gespräche” verantwortete er zahlreiche Dokumentationsreihen zur deutschen Geschichte.

Seit 2010 ist er Vorsitzender des Vereins “Unsere Geschichte. Das Gedächtnis der Nation.” Guido Knopp erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. die “Goldene Kamera” oder den “Emmy”. Er lebt mit seiner Familie in Mainz.

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Sergej Lukianenko: Quazi

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Quazi Sergej Lukianenko Heyne Erschienen am: 13.11.2017 Seiten: 397 ISBN: 978-3-453-31852-6

Inhalt:

Russland in naher Zukunft. Nach einer mysteriösen Katastrophe hat sich die Welt auf dramatische Weise verändert: Auferstandene, sogenannte Quazis, leben nun Seite an Seite mit den Menschen.

Eine Tatsache, mit der sich der Moskauer Polizeibeamte Denis Simonow nicht abfinden kann, denn er hegt einen ganz privaten Hass auf die Quazis. Doch dann wird ihm einer der Auferstandenen als Partner zugeteilt – in einem Fall, der tief in das Geheimnis um die Quazis führt… (Klappentext)

Rezension:

Das Spiel um die Zukunft der Menschen beginnt harmlos. Der russische Polizeibeamte Denis Simonow bekommt einen Quazi zugeteilt, um in einem Kriminalfall zu ermitteln. Es gibt nur ein Problem, Quazis sind anders als normale Menschen und Simonow zutiefst verhasst.

Bald stoßen die beiden ungleichen Ermittler in Geheimnisse vor, die zutiefst beunruhigen. Steht den Menschen nach der nicht näher definierten großen Katastrophe ein weiteres Unglück bevor, welches sie entgültig zu vernichten und die Quatzi zum Herrscher über den Planeten zu werden droht? Oder ist friedliche Koexistenz möglich?

Dazu müssen Denis und der Quazi Michael ihre Vorurteile über Bord werfen und zusammenarbeiten. Doch, können sie einander trauen?

Sergej Lukianenko schickt seine Leser mit dem Roman “Quazi” wieder einmal auf eine phantastische Reise durch ein düsteres Zukunftsszenario für Russland, welches auch hierzulande zum Bestseller asvancieren dürfen.

Klar und spannend geschrieben, legt die Geschichte ein rasantes Tempo vor und behandelt die großen Themen: Sind die Menschen wirklich die Krone der Schöpfung? Gibt es Leben nach dem Tod und wenn ja, zu welchen Preis könnte dies möglich sein?

Ist dies überhauopt erstrebenswert und wie weit würde man gehen, um praktisch Unsterblichkeit zu erlangen? Selbst, wenn das Zwischenstadium eine Art Höllendasein (Nein, kein Schreibfehler.) wäre.

Der Leser wird in die Geschichte hinein geworfen, direkt ins kalte Wasser. So, wie der Beginn, sind auch die Protagonisten. Scharfkantig und nicht immer sympathisch, werden am Rande moralische Fragen in die Handlung eingewoben.

Zudem merkt man auch diesem Monumentalwerk der Fantasy wieder an, dass der Autor ein Psychologiestudium hinter sich hat. So schnell gelingt es kaum einen anderen seine Leser in den Bann zu ziehen und in den Strudel dicht aufeinander folgender Ereignisse hinen zu ziehen.

Die Geschichte selbst, sie wirkt. Als Einzelband, wie auch als Reihenauftakt, was bei Lukianenko durchaus möglich wäre. Allein, sicher ist dies nicht.

Stetiger Spannungsaufbau und ein rasantes Erzähltempo sorgen für gute Unterhaltung, welche man bei dem Autor auch erwarten darf. Nicht mehr und nicht weniger. Hohe Literatur ist dies nicht, jedoch gibt es im Fantasy nur weniges was auf vergleichbarer Höhe agieren kann.

Der Leser erlebt die Berg- und Talfahrt aus der Sicht des Hauptprotagonisten und betet darum, dass es nie so sein wird, wie in diesen Zeilen beschrieben. Die Story jedoch weiterzuverfolgen, wäre wünschenswert.

Auch um der Anspielungen auf den Alltag und große politische Fragen unserer Zeit willens. Dies macht Lukianenko hier wieder sehr geschickt, dass es förmlich zur Suche danach einlädt. Für alle anderen, die nicht danach fahnden, ergibt sich dennoch ein spannendes Abenteuer, gespickt mit den großen Fragen der Menschen.

Was wäre wenn..? Die Antwort (z.B. nach einem Leben nach dem Tod, zum Preis des Verlusts bestimmter Eigenschaften aus dem vorherigen Leben) muss der Leser selbst finden. Ein großer Fantasy-Roman aus der Feder des russischen Meister-Autoren über Toleranz, Freundschaft, Mut, Zusammenhalt, Leben, Tod und eine Gesellschaft der Zukunft, die es zu entdecken gilt.

Unbedingte Leseempfehlung.

Autor:

Sergej Lukianenko wurde 1968 in Karatau/heutiges Kasachstan geboren und ist ein erfolgreicher Science-Fiction- und Fantasy-Schriftsteller. Er studierte nach der Schule zunächst Medizin in Alma-Ata und arbeitete als Psychiater.

Anfang der 1980er Jahre begann er Kurzgeschichten zu bveröffentlichen und etablierte sich sehr bald als erfolgreicher Autor. Heute lebt er in Moskau. International bekannt wurde er durch seine Science-Fiction-Reihe “Die Wächter”, deren erste Bücher verfilmt wurden.

2005 lief der Film, der in Russland mehr als 15 Million Dollar einspielte, in Deutschland an. Lukianenko erhielt zahlreiche russische und internationale Preise, darunter den Deutschen Phantastik-Preis 2010. Zahlreiche Werke von ihm sind noch nicht übersetzt.

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György Dalos: Der letzte Zar

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Der letzte Zar Rezensionsexemplar/Sachbuch C.H. Beck Verlag Seiten: 231 Hardcover ISBN: 978-3-406-71367-5

Inhalt:

“Was? Wie?”, fragte der Zar – und instinktiv schützte er mit einer Hand die Zarin, mit der anderen den Zarewitsch. Dann wurde das Feuer eröffnet. Jekaterinburg, 17. Juli 1918, zwei Uhr morgens.

In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 1918 wurde Zar Nikolaus II. mit seiner Frau und der gesamten Familie von einem Kommando der Tscheka in Jekaterinenburg ermordet. Der Alptraum aller Monarchien, der sich in Aufständen, Verschwörungen und Attentaten schon angedeutet hatte, war Wirklichkeit geworden. In dieser historisch fundierten, lebendigen Darstellung wird deutlich, wie das beständige politische Versagen der Romanow-Dynastie den revolutionären Prozess befeuert hat, den der letzte Zar nicht mehr aufhalten konnte. […] (Verlagstext)

Rezension:

Mit Schüssen endete die über dreihundert Jahre alte Dynastie der Romanows und die Herrschaft von Nikolaus II., der sein Amt einst ebenso glücklos angetreten hatte, wie es endete. An der Macht durch seinen Vater nie herangeführt, eignete er sich nicht dazu, dass höchste Amt des Russischen Reiches auszufüllen, zögerte in politischen und familiären Entscheidungen, was zu damaliger Zeit auf Gleiches hinaus lief und führte die letzte absolute Monarchie Europas in ihren Untergang.

Die Tragik eines Menschen, zu dem die Rolle eines Gutbesitzers mehr gepasst hätte, als die des letzten Zaren, skizziert in einer Kurzbiografie. György Dalos hat sich diesem Projekt angenommen. Der ungarische Historiker und Publizist György Dalos hat hier den Versuch gestartet, kurz und präzise etwas zu beschreiben, was an sich langen und ausführlichen Erklärungen bedarf.

Informationen, wie eines zum anderen führte, wie das Herrschaftssystem der Romanows bröckelte und welche Einflussfaktoren sonst noch zum Zusammenbruch und scheitern führten, werden gnadenlos zusammengefasst. Wichtige Inhalte oder alleine die Tragweite des Laufs dieser Tage gehen verlorenoder kommen zu kurz. Gut und verständlich geschrieben ist diese Biografie eines besonderen Zeitabschnitts zwar, dies hilft jedoch wenig.

Mehr als einen kleinen, unvollständigen Überblick, bekommt man nicht. Der Ausschnitt aus der Biografie Nikolaus II., hätte winziger nicht gewählt werden können.

Als weiteres Ergänzungswerk braucht man dalos nicht zu lesen. Wer aber noch nie etwas von den Romanows gehört hat, sich noch nie damit beschäftigt hat, dem genügt “Der letzte Zar – Der Untergang des Hauses Romanow”, um sich einen Überblick zu verschaffen, der in die Thematik einführt.

Für diese Leser ist es verständlich und sehr kurzweilig beschrieben, für andere, die schon etwas mehr Hintergrundwissen besitzen, lohnt sich diese Kurzbiografie jedoch nicht. Zu wenig neue Informationen, zu wenig neue Schlussfolgerungen, zu knappe Analysen.

Da gibt es andere Werke, die lohnender scheinen.

Das ist zwar nicht unbedingt Dalos’ Problem, alleine daran krankt die Fokussierung auf Personen in der geschichtlichen Betrachtung. Schade aber, dass der Historiker immer knapp und nicht ausführlicher wird. Dabei gäbe es so viel zu erzählen. das historische Quellenmaterial ist üppig, angefangen von den Tagebüchern der Mitglieder der Zarenfamilie selbst, bis hin zum Protokoll der Ermordung eben dieser.

Für einen ersten Überblick ist dieses Werk jedoch gut genug gelesen zu werden, jedoch nicht zu vergleichen mit den Werken eines Sebag Montefoire oder einer Historikerin wie Elisabeth Heresch, die sich schon asuführlicher mit der Zarenfamilie auseinander gesetzt hat. Beim Titel jedenfalls, erwartet man viel mehr als das, was man bekommt. Mehr Seiten hätten dem Genüge getan.

Autor:

György Dalos wurde 1943 in Budapest geboren und ist ein ungarischer Schriftsteller und Historiker, Dalos wuchs bei seinen großeltern auf, da sein Vater 1945 an den Folgen des Arbeitslagers starb, in dass man ihn wegen der jüdischen Herkunft der Familie verbracht hatte.

Von 1962 an studierte er Geschichte in Moskau unf arbeitete anschließend als Museologe in Budapest. 1964 erschien sein erster Gedichtband. Nach Verhängung eines Berufs- und teilweisen Publikationsverbotes war er dann als Übersetzer tätig. 1977 gehörte er zu den Gründern der demokratischen Oppositionsbewegung in Ungarn und 1988/89 war er Teil der östdeutschen Untergrundzeitschrift “Ostkreuz”.

2004 wurde sein Buch “Ungarn in einer Nussschale” veröffentlicht. Seit 1987 lebt er als freier Publizist in Wien und Berlin, schreibt für Zeitungen und Rundfunksendern. Seine Bücher erscheinen weltweit übersetzt, in mehreren Sprachen.

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Veit Etzold: Dark Web

Dark Web Book Cover
Dark Web Thriller Droemer Taschenbuch Seiten: 569 ISBN: 978-3-426-30550-8

Inhalt:

Ein Ort ohne Grenzen. Größer als das Internet. Dunkler. Gefährlicher. Ein Ort ohne Gesetze. Wo du deine geheimsten Begierden ausleben kannst. Ein Ort ohne Gewissen. Wo du alles kaufen kannst: Waffen, Drogen, Killer und Maschinen. Dark Web. Du kannst es betreten. Doch alles, was du hast, hat irgendwann dich. (Klappentext)

Rezension:

In seinem Thriller “Skin” nahm Veit Etzold die Abgründe und den Erfolgsdruck in der Welt der Unternehmensberatung als Grundlage für eine äußerst spannende Geschichte. Nun ist, hoch aktuell, die Macht großer Internetkonzerne, Geheimdienste und die Umfassenheit moderner organisierter Kriminalität Etzolds Thema in seinem neuen Thriller “Dark Web”. Das Szenario: Praktisch aus dem Nichts, gleichsam eines amerikanischen Start-Ups taucht in Europa der Konzern Holos auf und wird von allen Politikern und Mächtigen als Europas neues, eigenes Google gepriesen, der es mit der übermächtigen Konkurrenz aus den USA problemlos aufnehmen soll.

Und mittendrin, Staaten die ihre hoheitlichen Aufgaben, wie die Bekämpfung organisierter Kriminalität sukzessive an private Konzerne abgeben, sich von diesen damit abhängig machen und um Erfolge zu haben, selbst nicht vor dunklen Machenschaften zurückschrecken, die russische Mafia, die ihrerseits Ziele und Interessen verfolgt und zwei erfolglose Geschäftsleute, die ihren Ausweg aus wirtschaftlichen Ungeschick in den illegalen Tiefen des verborgenen Teils des Internets suchen. Des Dark Web.

Dies sind die Grundlagen für einen äußerst spannenden, an manchen Stellen sehr technisch anmutenden Thriller, für den der Autor wieder einmal eine unglaubliche Vorleistung an Recherche geleistet haben und viel gesellschaftlich politisches Hintergrundwissen eingebaut haben muss.

So werden nicht nur die mysteriösen Morde mit dem chemischen Element Polonium durch russische Stellen thematisiert, sondern eben auch, was das Dark Web eigentlich ist und wie es in seinen Grundzügen funktioniert. Darum herum gespannt, die Protoagonisten, die allesamt nachvollziehbar handeln. Logikfehler sucht man hier. Alleine, ich habe keine gefunden. Der packende Schreibstil Etzolds und die kurzen Kapitel, die sich cliffhangerartig aneinander reihen, machen es leicht, in die Geschichte einzusteigen, wenn auch die Hintergrundinformationen, in die man sich einlesen muss, wahrscheinlich den einen oder anderen Leser abschrecken werden.

Für alle anderen ergibt sich ein gut recherchierter Spannungsroman, bei denen man betet, dass so wenig wie möglich davon wahr sein sollte, es aber im Grunde besser weiß. Dass die Staaten und die Politik sich immer abhängiger von Privatkonzernen machen, ist bekannt und das große Konzerne wie Google ihre Marktmacht gnadenlos ausnutzen und in alle lebensbereiche versuchen, auszudehnen, ist auch bekannt.

Und wo ausländische Geheimdienste ihre Finger im Spiel haben, möchte man lieber gar nicht wissen.

Die aus den wechselnden Perspektiven der einzelnen Protagonisten erzählte Geschichte gruselt, weil sie sich in der Tat so auch abspielen könnte und man die Beweggründe jeder einzelnen Person, ob gut oder böse, absolut nachvollziehen kann. Veit Etzold gelingt es in kurzen Kapiteln, die sich dicht aneinander reihen mit prägnanten Sätzen, seine Leser zu fesseln und verbindet Geheimdienst-, Wirtschafts- und Politthriller zu einem großen Ganzen. Und der Leser wird künftig aufpassen, was er über sich im Internet verrät.

Denn, gelangen die Informationen vom Clear Web durch undurchsichtige Ströme in das, für den Großteil von uns verborgenen, Dark Web, werden wir zum Spielball nicht durchschaubarer Mächte, die sich unserer Kontrolle entziehen. Informationen sind heute und in der Zukunft ein immer wichtiger werdendes Wirtschaftsgut. Veit Etzolds Thriller macht dies zum Thema. Eines, mit denen wir uns unbedingt beschäftigen sollten.

Autor:

Veit Etzold wurde 1973 in Bremen geboren und ist ein deutscher Schriftsteller. Er studierte Anglistik, Kunstgeschichte, Medienwissenschaften und General Management in Oldenburg, London und Barcelona.

Seine Dissertation beendete er im Jahr 2005. Während des Studiums arbeitete er für Medienkonzerne, Banken und Unternehmensberatungen, war zugleich in der Management-Ausbildung tätig. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit ist er weiterhin als Vortragsredner und Unternehmensberater tätig. 2009 veröffentlichte er zusammen mit dem Rechtsmediziner Michael Tsokos sein erstes Sachbuch, ein Jahr darauf seinen ersten Roman. Er lebt mit seiner Frau, Rechtsmedizinerin, in Berlin.

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Wladimir Kaminer: Goodbye, Moskau – Betrachtungen über Russland

Godbye, Moskau Book Cover
Godbye, Moskau Wladimir Kaminer Erschienen am: 20.02.2017 Goldmann Hardcover ISBN: 978-3-442-15916-1

Inhalt:

“Ach, mein Russland, was ist aus dir geworden?” Betrachtungen über ein Land auf der Suche nach seinem Platz in der Welt.

Wladimir Kaminer schaut in diesem Buch zurück in die Vergangenheit, aber er betrachtet auch die gegenwärtige Situation in Russland anhand von Geschichten und eigenen Erlebnissen.

Und er fragt sich, wie es weitergehen kann mit jenem Land, das er als junger Mann verließ und dass ihm mittlerweile so fremd erscheint. (Klappentext)

Rezension:

Über Russland wird inflationär berichtet. Waren es Ende der 90er/Anfang der 2000er Jahre sehnsuchtsvolle Reiseberichte, dominiert heute die Berichterstattung über die Demokratur Putins, die Besetzung der Krim und darauf folgende Saktionen das Bild des russischen Bären in der deutschen Öffentlichkeit, der aber eigentlich nur ein Bärkaninchen ist, wenn man der Argumentation Wladimir Kaminers folgt.

Doch, wohin strebt dieses Land, in dessen Geschichte Kühlschränke gebaut wurden, in denen Gurken wie bei uns Socken in der Waschmaschine verschwinden?

Wie konnten sich die altersschwachen Führer der Sowjetunion auf den Bühnen des Roten Platzes stundenlang halten und Paraden abnehmen, obwohl sie kaum selbst stehen konnten und den Kreml nur in Liegeposition mit den Füßen voran verließen?

Weshalb gibt es ein Gesetz gegen trampelnde Katzen und wie schafft man es, ein Leben lang kostenfrei ins flugzeug zu steigen?

Diese und viele weitere Fragen nimmt Wladimir Kaminer mit lachenden Auge auf und berichtet humorvoll über die Gegebenheiten in Russlands Vergangenheit, Gegenwart und wundert sich selbst darüber, wohin dieses Land momentan treibt.

Ohne zu viel Wodka, trotzdem immer wieder die russischen Gewohnheiten vornehmend, wie z.B. die sowjetische Art des Lottospielens und warum sterben eigentlich dem Präsidenten ständig seine Tiere weg? Was hat das zu bedeuten? Nicht viel aber eben auch nicht wenig.

So springt Kaminer mit den Leser durch die kurzweiligen Kapitel und läd zum Mitlachen und Augenreiben ein, über ein Land, dessen Faszination sich erst auf den zweiten Blick erschließen lässt.

Die Politik ausgeklammert, schließt man spätestens nach der Lektüre des Autoren die Russen als liebenswertes, manchmal größenwahnsinniges, geist- und lebenskünstlerisches Volk in sein Herz.

Kurzweilig beschriebene Begebenheiten, die sich im flüssigen Schreibstil so schnell lesen lassen, dass man nur einen Wimpernschlag benötigt, um mit Kaminer auf die Reise nach Tschnernobyl, der Krim und natürlich Moskau zu gehen, machen diesen Zustandsbericht zur unterhaltsamen Lektüre.

Berlinerisch-russischer Humor in jeder Zeile, dem man folgen kann und der einem mindestens zum Schmunzeln bringt. Die Türme des Kremls und diverser Kirchen mögen in Russland golden, die Metro in stalinistischem Prunk ein Kunstwerk für sich sein, Kaminer kratzt an der Oberfläche und schaut, was sich dahinter versteckt.

Dem Überlebenskünstler Russland auf den Puls gefühlt, läd der Autor ein, hinter die Fassaden zu schauen und abseits der großen Politik den Menschen zu begegnen. Ob nun an den Stränden des schwarzen Märchens oder gedanklich mit Kaminer auf Reisen, ganz egal. Es lohnt sich.

Autor:

Wladimir Wiktorowitsch Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Kolumnist russisch-jüdischer Herkunft. Von 19851987 leistete er seinen Wehrdienst bei der sowjetischen Flugabwehr ab und arbeitete danach in einer Ausbildung zum Toningenieur für Theater und Rundfunk.

Kaminer studierte Dramaturgie am Moskauer Theaterinstitut und bekam 1990 humanitäres Asyl in der DDR, deren Staatsbürgerschaft er noch vor der Wiedervereinigung erhielt. Zuvor verdiente er sich seinen Lebensunterhalt beim Veranstalten von Partys und Untergrundkonzerten in Moskau.

Er veröffentlicht regelmäßig Texte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften und organisierte die Veranstaltung “Russendisko”. Im Jahr 2000 erschien das gleichnamige Buch, seine Geschichte wurde auch verfilmt.

Bis dato hat Kaminer weitere Bücher und Kolumnen veröffentlicht, in denen er regelmäßig die russische Gesellschaft und Begegnungen seiner Familie auf’s Korn nimmt. Kaminer lebt mit seiner Familie in Berlin.

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Ellen Lugert: Russisch rückwärts

Russisch rückwärts Book Cover
Russisch rückwärts Ellen Lugert Größenwahn Verlag Erschienen am: 04.08.2016 Seiten: 208 ISBN: 978-3-95771-096-1

Inhalt:

Wodka, Blinis, Zar und Zobel – das ist typisch russisch! Oder etwa nicht? Eine junge Frau macht sich mit 25 Jahren auf, um diese Frage für sich selbst zu beantworten. Ein Jahr St. Petersburg, ein Jahr in einer multikulturellen Wohngemeinschaft leben.

Zwischen knallenden Korken, liebestrunkenen Russen und den verlockenden Leckereien der russischen Küche erhält sie vor Ort durch ihre Mitarbeit bei der deutschsprachigen Sankt Petersburgischen Zeitung einen Einblick in die russische Gesellschaft.

Hier sind die Tagebuchaufzeichnungen, die Zeitungsartikel der Autorin, Bilder sowie russische Rezepte einer Frau, die mit ihrem Rucksack und dem Zug – immer rückwärts zur Fahrtrichtung sitzend – abentuerliche Reisen von Nord nach Süd und Ost nach West quer durch das größte Land der Welt erlebt. (Klappentext)

Rezension:

Manchmal sollte man sich einfach eine Auszeit nehmen, den Koffer packen und dorthin reisen, wohin es eigentlich niemanden verschlägt. Ellen Lugert hat dies gemacht, nahm sich ein Sabbatjahr von ihrer Abeit als Polizistin und bereiste von 2006 – 2007 das größte und erstaunlichste Land der Erde.

Ausgangspunkt, eine bunt zusammengewürfelte Wohngemeinschaft in St. Petersburg, erkundete sie das Land in allen Himmelsrichtungen. Immer in Begegnung mit ebenso abenteuerlich veranlagten Menschen und die Eigenheiten des russischen Lebens erkundend.

Reisetagebücher, gerade in solcher Form vermögen zu fasznieren, ob der Abenteuer, die man selbst gerne erleben würde, wofür man sich aber zumeist nicht traut, die ersten Schritte dorthin zu wagen. Dabei ist es so einfach, wenn man nur die Eigenheiten und Mentalitäten des entsprechenden Landes kennenlernen und akzeptieren mag.

Ellen Lugert hat dies getan und nimmt ihre Leser mit auf diese lange und vielschichtige Reise. Warum ist es in Russland verboten, die U-Bahnen zu filmen? Wie viel Wodka verträgt maneigentlich und wo findet sich eigentlich die beste russische Banja?

Fragen, nicht von Bedeutung, aber um so humorvoller liest sich der Reisebericht, wofür man zum Glück selbst keine Russisch-Vokabeln pauken muss, eine Tätigkeit zu der sich die Autorin während ihrer Reise jedoch stetig selbst ermahnt.

Ellen Lugert gibt ihren Lesern eine unverfälschte Draufsicht auf liebenswerte Menschen, jenseits des politischen Geschehehns der Nachrichtenmagazine.

Warum tut sich Russland mit dem Umweltschutz so schwer? Wie wird HIV-infizierten Kindern in St. Petersburg geholfen und weshalb ist die beste Polizei-Akademie Russlands in privaten Händen, wo doch sost viel Wert auf staatliche Kontrolle gelegt wird?

Ergänzt durch eine bunte Mischung ihrer geschriebenen Zeitungsartikel und gesammelter Kochrezepte, möchte man beinahe mit im Zug sitzen und Russland bereisen. In Fahrtrichtung natürlich, die Autorin erwischt lt. eigener Aussage immer die entgegene.

Einen Kritikpunkt vielleicht noch, nicht an die Autorin, eher an den Verlag. Ein paar Schlechtschreibfehler sind dem Lektorat entgangen und auch die Fotoqualität lässt zu wünschen übrig, ansonsten ist der Reisebericht eine runde Sache. Mit und auch ohne Wodka.

Autorin:

Ellen Lugert wurde 1980 in Wittenberg geboren und arbeitete nach dem Abitur als Polizistin in Brandenburg. 1993 bereiste sie das erste Mal Weißrussland über die Deutsch-Russländische Gesellschaft e.V. und unterhält seitdem eine enge freundschaftliche Beziehung zu ihrer dortigen Gastfamilie.

2006/2007 nahm sie ein Sabbatjahr und bereiste Russland querdurch. Sie lebt mit ihrer Familie in Potsdam und in der Nähe von Rostock.

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