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Leonie March: Mandelas Traum

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Mandelas Traum Leonie March Erschienen am: 23.04.2018 Dumont/Mairdumont Seiten: 300 ISBN: 978-3-7701-8289-3

Inhalt:

Was hält Südafrika im Innersten zusammen? Wie nah am Ideal der Regenbogennation des Übervaters nelson Mandela ist das Land heute tatsächlich? Leonie March begibt sich auf eine große Erkundingsreise: von der Beachfront Durbans über die Drakensberge, vom Eastern bis zum Western Cape und durch die pulsierenden Metropolen Johannesburg und Kapstadt. “Mandelas Traum” ist das Porträt eines faszinierenden Landens am Scheideweg. (Klappentext)

Rezension:

Wo Widersprüche sich in großer Anzahl sammeln, Kontraste größer nicht sein könnten, die Hautfarbe oder das Wohnviertel ausschlaggebend ist für Erfolg oder Misserfolg, dort ist Südafrika nicht weit. Das Land am Kap steckt über zwanzig Jahre nach dem Ende der Apartheid noch immer in alten Konflikten fest, neue sind bis heute hinzugekommen.

Doch, warum sind die Menschen dort immer noch voller Hoffnung, verfolgen unbeirrt ihre Pläne und suchen weiter nach den Weg zur Regenbogennation, die der erste schwarze Präsident Nelson Mandela sich für sein Land erträumte? Die freie Journalistin Leonie March begibt sich auf Spurensuche durch ihre Wahlheimat und entdeckt bisher unbekannte Facetten von Südafrika.

Reiseberichte können nie alle Aspekte und Ansichten innerhalb eines Landes wiedergeben, und so stellt auch dieser nur eine Momentaufnahme der detaillierten Beobachtungen der Autorin dar. Mehr möchte Leonie March auch nicht, muss sie auch nicht, denn alleine ihr Sammelsurium an Geschichten, die sie aufgetragen hat, vermag Faszination zu wecken.

Anhand von zwei Karten auf den Innenseiten des Umschlages und einer klaren Reiseroute hat sie viele Aspekte dieses Landes aufgefangen, die in keinem Reiseführer so zu finden sind. Klar, kaum jemand würde touristisch wohl in ein aktives Bergwerkgebiet fahren oder sich in die verrufensten Wege der Townships verirren, aber March gelingt es hiermit, mit den unterschiedlichsten Menschen aus verschiedenen Schichten ins Gespräch zu kommen.

In jedem Abschnitt wartet sie mit einer neuen Geschichte auf, und zeigt, dass es abseits der Klischees über Kriminalität, den üblichen touristischen Highlights und korrupten Politikern jede Menge Südafrikaner gibt, die mit Eigeninitiative Projekte führen, die ihnen und ihren Landsleuten eine Perspektive geben sollen.

Nicht immer gleich spannend sind diese Geschichten, doch die Begeisterung der Autorin ist gleichwohl ansteckend. Wenn auch sie selbst sich nicht immer ganz von ihrer rosaroten Brille entfernt. Am Interessantesten wird es, wenn sie kritisch hinterfragt, Überlegungen zur Geschichte oder Zukunft ihrer Gesprächspartner anstellt oder sich bei ihrer Reise einfach treiben lässt.

Fast beduert man es, dass die Fotos allesamt eher kleinformatig und in Graustufe gehalten sind, und von ihrer Anzahl eher gering. Gerne hätte man noch mehr bildliche Eindrücke, kann sich aber dank der guten Beobachtungsgabe der Autorin alles wunderbar vorstellen.

Noch ein paar Seiten mehr hätten “Mandelas Traum” jedoch gut getan. Die Autorin konzentriert sich, zwar nicht ausschließlich, bei ihren Besuchen vor allem auf abkömmlinge der Stämme und Urvölker Südafrikas, um den entgegengesetzten Kontrast zu haben, hätte ich mir noch mehr Einblicke in die Geschichte des Landes gewünscht, die auch vorkamen.

Diese hätten mehr ausformuliert werden müssen. Natürlich fraglich, in wie weit man das in einer solchen Art Bericht umsetzen kann, aber ein Versuch wäre es wert gewesen. Ansonsten jedoch die faszinierende Momentaufnahme eines großen Landes und seiner Bevölkerung.

Autorin:

Leonie March wurde 1974 geboren und arbeitet als freie Journalistin in Südafrika und berichtet von dort von diesem und den Nachbarländern Simbabwe, Mosambik und Sambia. Sie ist Mitglied eines weltweiten Korrespondenten-Netzwerkes und erarbeitet für Zeitungen wie die Frankfurter Rundschau und verschiedenen Rundfunksendern Reportagen. Sie lebt mit ihrem Partner in Durban.

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Björn Berge: Atlas der verschwundenen Länder

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Atlas der verschwundenen Länder Björn Berge Verlag: dtv Erschienen am: 09.03.2018 Seiten: 239 ISBN: 978-3-423-28160-7

Inhalt:

Es gibt unzählige Länder, die im Laufe der Zeit wieder von den Landkarten verschwunden sind, und von vielen ist nichts geblieben. Björn Berge hat sich für diesen Atlas der anderen Art von seiner Briefmarkensammlung inspirieren lassen.

Angeregt von diesen kleinsten Dokumenten der Welt hat er sich auf eine spannende Spurensuche begeben und lässt alte Länder und Zeiten wieder auferstehen. Es finden sich bekannte Namen wie Helgoland, Schleswig und Danzig ebenso wie extische, darunter Inini, Sazan oder Kap Juby. (Klappentext)

Rezension:
Es gibt viele Arten Macht auszuüben und zu zeigen, Briefmarken heraus- und in den Druck zu geben, war viele Jahrhunderte eine davon. Sie zeigen, wer gerade zu jener Zeit die politische und wirtschaftliche Macht innehatte, die Art des Druckes lässt auf die Eigenheiten jener Regionen, den Wünschen und Vorstellungen ihrer politischen Führer, Ansprüche erkennen.

Das Material z.B. der Farbe, des Papiers, des Klebers auf die Voraussetzungen, auf die man sich örtliche einlassen musste. Ein gefülltes Briefmarkenalbum erzählt Geschichten von Städten, Ländern, und Politik, in aller erster Linie jedoch von denen, die sie benutzten.

Björn Berge hat sein Briefmarkenalbum hervorgeholt und dabei besondere Wertzeichen genauer unter die Lupe genommen. Der Autor nimmt seine Leser mit in längst vergessene Zeiten, Länder, die es nicht mehr gibt. Wie mit dem in etwa vergleichbaren “Atlas der erfundenen Orte” von Edward Brooke-Hitching, ist mit den vorliegenden Werk dem dtv-Verlag ein erneuter Coup gelungen.

Das Sachbuch, welches sich auf den ersten Blick mit einem etwas langweiligeren Thema bechäftigt, offenbart, wie einst die Welt ausgesehen hat und welche Macht- und Ränkespiele sich überall auf unseren Planeten über die jahrhunderte lang abgespielt haben.

In Form von Postwertzeichen, nicht unbedingt wertvoll, gebraucht und zerschlissen sowie so, erzählt der Autor ihre Geschichte, die heute fast vergessen ist. In kurzweiligen, jeweils gerade einmal ein paar Seiten langen Kapiteln, begibt sich der norwegische Autor auf Spurensuche.

Ergänzt durch Personengeschichte und immer mit Quellenangabe weiterführender Literatur, manchmal auch ortsüblichen Kochrezepten und Berichten von damals dort lebenden Personen, ist eine bunte Mischung von Geschichten entstanden, die vom kurzen oder längeren Leben der Länder erzählen, die sich so selbstsicher fühlten, um eigene Briefmarken herauszugeben, und doch heute im Nirvana der Geschichte verschwunden sind.

Detailliert beschreibt der Autor die im Mittelpunkt stehenden Marken und offenbart, dass sie keineswegs nur dröges Papier darstellen, sondern Gegenstände, die etwas zu erzählen haben.

Es ist ein Buch für Sammler und Fans mitunter kurioser, aber immer auch spannender Geschichtsschreibung, die von wechselhaften Mächteverhältnissen, Glücksrittern und Pechvögeln, kolonialen Größenwahn und Entdeckerstolz erzählt, aber auch von den Unglücken, mitunter in recht kurzer Zeit, von den Landkarten und damit vom Tableau der Weltgeschichte zu verschwinden.

Immer mit Weitblick, so manches Mal mit Stirnrunzeln und oft mit einer Brise Scharfsinn und Humor liegt mit dem “Atlas der verschwundenen Länder” ein besonderes Geschichtsbuch vor, welches dazu anregt, seine eigene (oder geerbte) Briefmarkensammlung hervorzuholen und auf Entdeckungstour zu gehen.

Vielleicht finden sich ja noch mehr spannende Geschichten, die es zu erzählen gilt?

Autor:
Björn Berge ist ein norwegischer Architekt und Wissenschaftler, der eine Leidenschaft für’s Wandern und dem Sammeln von Treibgut hegt. Sein zweites großes Projekt ist eine Sammlung von Briefmarken, von allen Ländern, die je auf der Erde existiert und welche herausgegeben haben.

Im vorliegenden Buch stellt er eine Auswahl von Briefmarken und deren Geschichten vor.

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Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens

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Geschichte Indiens Serie: C.H. Beck Wissen Rezensionsexemplar/Sachbuch C.H. Beck Taschenbuch Seiten: 128 ISBN: 978-3-406-71878-6

Inhalt:

Indiens Vielfalt an Sprachen und Kulturen ist einzigartig, und doch konnte das riesige Land immer wieder politisch geeint werden. Dietmar Rothermund erzählt seine Geschichte vom Zerfall des antiken Guptareichs über die glanzvolle Zeit der Großmoguln bis zur Gegenwart.

Ein Schwerpunkt liegt auf dem 20. Jahrhundert, in dem das Land in einem dramatischen Freiheitskampf gegen die Briten die Unabhängigkeit errang und zur größten Demokratie der Welt wurde. (Klappentext)

Rezension:

Seit den “Dschungelbüchern” von Rudyard Kipling vermag wohl kaum ein Land so zu faszinieren, wie es Indien tut. Die bevölkerungsreichste Demokratie der Erde. Ein Land zwischen den Traditionen des Kastenwesens und den Religonen, im Spannungsfeld zwischen Pakistan und China, zwischen Landwirtschaft und IT-Technologie, und einer bewegten Vergangenheit.

Dies und noch viel mehr prägt die indischen Einwohner, denen es einst gelungen ist, mit friedlichen Mitteln eine Hegemonialmacht zu vertreiben, doch daran gescheitert ist, Einheit zu bewahren. Dietmar Rothermund erzählt sie, die Geschichte des hinduistischen Staates vom europäischen Absatzmarkt bis zum atomaren Globalplayer.

Geografie kann spannend sein, Geschichte ebenso, zumindest wenn sie komprimiert und deutlich erläutert wird. Genau diese Aufgabe fällt den Autoren zu, so ihre Werke in der Reihe C.H.Beck Wissen verlegt werden, die das juristische Sortiment des Verlages um ein weiteres faktenorientiertes erweitert. Dies ist hier ungemein gelungen.

Schnörkellos wird sie erzählt, die nie ganz spannungsfreie aber immer reiche Geschichte des indischen Subkontinents. Eine Region, die uns auch heute noch in vielen Dingen fremd erscheinen mag, ohne die jedoch wirtschaftlich in Asien nichts mehr geht.

Wie funktioniert der Zusammenhaft der Bevölkerungsteile, die in mehreren Sprachgemeinschaften aufgesplittet ist? Wie erlebte das Land den Wandel von kleinen Herrschaftsgebieten über Handels- und Politikschauplatz der Briten bis hin zum heutigen Super-Staat dieses Wechselbad im Kräftespiel asiatischer Länder?

Und, woran liegt es, dass Konflikte wie Grenzstreitigkeiten mit Pakistan oder der Kashmir-Konflikt bis heute zu Differenzen in der Region führen?

Dietmar Rothermund schlüsselt detailliert und doch kompakt, schnörkellos auf, was wichtig ist und bringt ein wahrhaft faszinierendes und facettenreiches Land zur Geltung. Sehr wissenschaftlich im Stil, jedoch für den Laien nicht zu schwer oder abgehoben, ist dieser Überblick dazu angetan, Wissen und Horizont zu erweitern.

Über die Politik Ghandis, dass Selbstverständnis.einer Nation aus vielen Gemeinschaften bestehend und einer lebensbejahenden und positven Kultur, überraschender Geschichte.

Der Leser taucht ein in die Welt der Maharadschas und herrlichen, aber auch düsteren Zeiten, die eines nie geschafft haben, nämlich Indien in die Knie zu zwingen. Dieses Land ist so stark, wie die Publikation über es selbst. Ein elementares Überblickswerk über ein vielfältiges Land.

Autor:

Dietmar Rothermund wurde 1933 in Kassel geboren und ist ein deutscher Historiker und emeritierter Professor für die Geschichte Südasiens an der Rubrecht-Karls-Universität Heidelberg. Er studierte nach der Schule Geschichte und Philosophie u.a. in Marburg, München und Philadelphia und promovierte in den USA 1959 mit einer Arbeit zur amerikanischen Sozialgeschichte.

1963 arbeitete er für die Universität Heidelberg und erhielt Ende der 1960er Jahre die Professur für die Geschichte Südasiens. Ab 1986 war er geschäftsführender Direktor des Südasien-Instituts, 1991 initiierte er die Heidelberger Südasiengespräche.

Rothermund hatte von 1997-2006 den Vorsitz der European Association of South Asien Studies inne. Für sein wissenschaftliches Werk erhielt er u.a. das Bundesverdienstkreuz, 2011. Rothermunds Arbeiten zur indischen Geschichte gelten als Referenzwerke und wurden in mehreren Sprachen übersetzt.

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Bruno Preisendörfer: Deutschland 2 – Als unser Deutsch erfunden wurde

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Als unser Deutsch erfunden wurde Reihe: Deutschland – 2 Galiani Berlin Erschienen am: 09.06.2016 Seiten: 472 ISBN: 978-3-86971-126-3

Inhalt:

Martin Luther hat mit seinen Wirken das Leben und denken, nicht zuletzt das religiöse Denken der Deutschen nachhaltig geprägt. Wie aber lebten der Prediger und seine Zeitgenossen, damals im 16. Jahrhundert?

Wir schauen Handwerkern und Händlern über ihre Schultern, Hans Sachs beim Versemachen und Luthers Frau Katharina bei der Haushaltsführung. Wir erleben Dürer beim Malen und die Fugger beim Wirtschaften.

Vom Aufwachsen in der Lutherzeit bishin zur Beisetzung erleben wir den Alltag unserer Vorfahren und fürchten uns vor dem Jüngsten Gericht. Eine Reise in unsere Geschichte. (eigene Inhaltsangabe)

Bücher der Reihe:

Bruno Preisendörfer: Deutschland 1 – Als Deutschland noch nicht Deutschland war

Bruno Preisendörfer: Deutschland 2 – Als unser Deutsch erfunden wurde

Bruno Preisendörfer: Deutschland 3 – Als die Musik in Deutschland spielte

[Einklappen]

Rezension:
Vor allem für die jenigen, die glauben, dürfte einer der größten Deutschen kein Geringerer als Martin Luther sein. Der Württemberger Prediger, der das wuchernde und korrupte katholische Glaubenssystem in Frage stellte und damit einen ungeher großen Stein ins Rollen brachte, vermag uns heute noch zu faszinieren.

Doch, wer war der Mann, dessen Wirken erst 2017 im großen Jubiläum Tribut gezollt wurde? Welche Veränderung brachte der Reformator in das Denken der Menschen, wie genau prägte er den künftigen komplizierten Glaubensmechanismus, der fortan das Leben im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bestimmen sollte?

Wie lebten er und seine zeitgenossen, von Dürer bishin zu den umtriebigen Fuggern? Was aßen sie, auf welchen Stand waren Bildung oder gar die Medizin, in einer Zeit, in der die Pest wütete und Frauen haufenweise auf die Scheiterhaufen landeten?

Wie wuchsen Kinder auf, wie unterschied sich das Leben von Bauern und Städtern, vom Erbadel bishin zu durch neue Wirtschaftszweige gewordenen Neureichen? Bruno Preisendörfer nimmt seine Leser mit, auf eine Zeitreise, in ein Jahrhundert, welches die Deutschen, die noch gar keine waren, nachhaltig prägen sollte.

Es ist ungemein schwer, ein Sachbuch zu bewerten, welches in seiner Thematik gut recherchiert wurde, dessen Funke aber nicht überspringen möchte. “Als unser Deutsch erfunden wurde”, wirkt wie ein Pädagoge, der zwar fachlich versiert ist, alleine keine Begeisterung entfachen kann, einen Sachverhalt so zu vermitteln, dass man auch gewillt ist, mehr zu erfahren.

Zitate von Gedichten etwa, werden nur schwer lesbar im Fließtext untergebracht, welches weder den Augen förderlich ist, noch dem Verständnis. Absätze und eine Schreibweise, eben in Gedichtform, Zeile für Zeile, hätten hier gut getan.

Auch das Einfädeln der Personenbiografien, die an das Werk selbst hintenan gestellt wurden, hätte den Erläuterung der Themen gut getan. Auch die breitere Fächerung des Inhalts ist hier nicht förderlich. Der Leser schweift ab, überfliegt, um zur nächsten interessanten Stelle zu gelangen, von denen es gleich wohl viele gibt.

Den Vorsatz, einen Zeitrahmen von nahezu einem Jahrhundert und einem Stückchen mehr zu umfassen, versucht Preisendörfer redlich. Fachlich ist ihm das einigermaßen gelungen.

Tatsächlich lässt die Grobheit eines Gesamtüberblicks die Detailliertheit vermissen, die die Konzentration auf einzelne Themen, eines Ausschnitts aus dieser Zeit, hätte bewirken können. Die gleiche Schwäche, wie beim Vorgänger, der thematisch in die Nachfolgezeit einzuordnen ist.

Ein paar Seiten mehr, die Einwebung der hintenangestellten Biografien und eine verlegerische Entscheidung, Reime nicht als Fließtext unterzubringen, hätten hier geholfen.

So aber bleibt der Eindruck eines Geschichtsbuches, welches die Faszination für Luther und seine Zeitgenossen zwar versucht, zu erläutern, es aber nach dem Schließen des Buchdeckels nicht zu halten vermag.

Autor:
Bruno Preisendörfer wurde 1957 in Kleinostheim/Unterfranken geboren und ist ein deutswcher Schriftsteller für Sachbücher und Belletristik. Nach der Schule und verschiedenen Stationen in Süddeutschland arbeitete er zunächst als Angestellter in einem Obdachlosenheim.

Anschließend studierte er Germanistik, Politikwissenschaften und Soziologie. 1982 zog er nach Berlin, wo er das Studiom abschloss. 1997 promovierte er. Von 1987 bis 1997 arbeitete er in verschiedenen Ressorts eines Zeitungsmagazins, nevor er 1995 redaktionsleiter wurde.

Als Redakteur arbeitete er zudem für die Zeitschrift “Freibeuter”. Heute arbeitet er vor allem als freier Schriftsteller. Der Autor ist mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit den NDR Kultur-Sachbuch-Preis, 2016.

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Edward Brooke-Hitching: Atlas der erfundenen Orte

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Atlas der erfundenen Orte Edward Brooke-Hitching dtv Verlag Erschienen am: 13.10.2017 Seiten: 256 ISBN: 978-3-423-28141-6

Inhalt:

Kalifornien als Insel, versunkene Königreiche und das irdische Paradies – diese und andere gefühlten Fakten haben Kartografen quer durch die Jahrhunderte fein säuberlich in ihren Atlanten festgehalten.

Dabei hatten manche dieser Phantome ein erstaunlich langes Leben.

Nach einer im 17. Jahrhundert der Phantasie entsprungenen Insel im Golf von Mexiko etwa hat man bis 2009 gesucht. Dann gab man sich geschlagen. Wo nahm der Irrglaube seinen Anfang?

Warum wurden geografische Orte aufgezeichnet, die es gar nicht gab? Und was faszinierte die Menschen an all den bizarren Geschichten und Gestalten? Die hier vorgestellten historischen Karten präsentieren neben mancher tatsächlichen Entdeckung von Reisenden und Forschern vor allem Erfindungen und Irrtümer.

Zusammen mit spannenden Begleittexten ergeben sie ein amüsantes Buch zum Blättern, Staunen und Wundern. (Verlagstext)

Rezension:
Die Zeiten großer Entdeckungen sind vorbei. Die Suche nach einem Seeweg für den Handel mit Indien brachte Erkenntnisse über einen neuen Kontinent, mehrere Polarexpeditionen suchten freie Routen und kartografierten das ewige Eis.

Der Kontinent Australien gehörte zu den letzten großen Landmassen, die erforscht wurden. Küstenwinkel und Flussläufe wurden spätestens auf den Karten mit Hilfe von Satelliten korrigiert. Was also bleibt? Gibt es noch weiße Flecken in unseren Atlanten?

Oder gar Fehler, die die großen Entdecker und Forscher der Menschheit auf Papier zeichneten, veröffentlichten und die uns heute immer noch durch unser Leben begleiten, wo uns nahezu jeder Winkel der Welt offensteht?

Edward Brooke-Hitching begab sich auf die Suche. Herausgekommen ist eine spannende Reise durch Karten, Globen und Atlanten zu den phantastischen Auswüchsen der Geografie. Orte, die es gar nicht gibt. Es sind Legenden und Erzählungen, auf die kartografische Einträge beruhen, die sich oft erst Jahrhunderte später als Irrtümer erwiesen.

Es ist die Geschichte von mordenden Polarforschern, Hochstaplern und Schwindlern, aber auch von Forschern und Expeditionen, die Ruhm und Ehre für ihre Geldgeber einheimsen wollten und einfach Naturphänomenen aufgesessen sind.

Herausgekommen dabei sind unzählige Inseln, ganze Länder und Meere, die es nie gegeben hat, aber von den Menschen lange Zeit als real existent angesehen wurden. Die Geschichte einer Bergkette, die den gesamten afrikanischen Kontinent durchzieht ist ebenso spannend, wie die Vorstellungen von einem Meer inmitten der Trockenheit Australiens oder Kalifornien als Insel, vom restlichen Amerika getrennt.

Der Autor hat ausführlich recherchiert und sich auf die Suche begeben, nach diesen Geschichten, die die Geografie besonders spannend bereithält und Kartenmaterial zu etwas erstaunlich Lebendigen machen.

Ganze Inseln “wanderten” über die Jahrhunderte durch die Welt. Je größer der Wissensstand wurde, um so vielfältiger und genauer geografische Bestimmungen. Um so schwieriger wurde es jedoch auch, zwischen Lüge und Phantom, Wahrheit und Realität zu unterscheiden.

Sandy Island beispielsweise wurde erst 2012 vond en Landkarten getilgt, während die Royal Navy schon mal in den vergangenen Jahrhunderten 123 Inseln von ihren Seekarten strich, darunter auch noch drei existierende. Die dichte und ausführliche Recherche-Arbeit, das Interesse und die Faszination der Thematik merkt man dem Autor mit jeder Zeile an.

Reich bebildert, in hochwertiger Aufmachung, ist es Brooke-Hitching gelungen, ein staubtrockenens Thema auch Lesern näher zu bringen, die sich mit Geografie höchstens in der Form beschäftigen, wenn sie die Route zum Urlaubsort planen.

Doch, unsere Welt verbirgt spannende Geheimnisse, die es zu entdecken und Entdeckungen, die es zu hinterfragen gilt. Wir glauben, alles zu wissen oder zumindest wissen zu können, wissen dennoch so wenig. Wir vertrauen unseren Navis so viel mehr als unseren eigenen gesunden Menschenverstand, doch sind wir erschüttert, wenn sich geglaubte tatsachen als Täuschungen erweisen.

Der “Atlas der erfunden Orte”, hat einige davon versammelt. Brooke-Hitchings Werk sollte man auf jeden Fall in der Nähe seiner Atlanten griffbereit halten. Es lohnt sich auf den Globus zu schauen. Manchmal spielt das Auge uns, wie auch den vermeintlichen Entdeckern, einen Streich, manchmal sitzen wir Betrügern auf. Der “Atlas der erfunden Orte”, ermahnt uns, genauer hinzuschauen.

Noch sind nicht alle Entdeckungen gemacht und andere hinterfragt. Dazu ist die Welt eifnach zu groß und zu faszinierend.

Ansichten:

https://www.instagram.com/p/Ba4mfJKFSFX/?taken-by=findosbuecher

Autor:
Edward Brooke-Hitching ist Sohn eines Antiquars und arbeitete bei mehreren Zeitungen und am Theater, bevor er einen Abschluss in Filmwissenschaft an der University of Exeter machte. Als Dokumentarfilmer gewann er mehrere Preise.

Im Jahr 2016 wurde seine “Enzyklopädie der vergessenen Sportarten” veröffentlicht. Ausgangspunkt zu seiner Recherche geografischer phänomene war eine alte Landkarte im Familienbesitz. Brooke-Hitching sammelt Werke über englische Forscher und Entdecker und lebt in London.

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Daniel Magariel: Einer von uns

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Einer von uns Daniel Magariel C.H. Beck Erschienen am: 19.09.2017 Seiten: 172 ISBN: 978-3-406-71183-1 Übersetzung: Sky Nonhoff

Inhalt:

Ein fesselnder, erschütternder Roman über zwei junge Brüder und ihren zugleich liebevollen und übergriffigen Vater. Die drei haben den “Krieg” gewonnen: So nennt der Vater seine bittere Scheidung und den Kampf ums Sorgerecht. Sie verlassen Kansas und fahren nach Albuquerque. um noch einmal neu zu beginnen.

Vor der kargerhabenen Kulisse der Landschaft New Mexicos erzählt Daniel Magariel in seinem Debüt mit bestechender Klarheit, wie die Jungen verzweifelt versuchen, die Familie zusammenzuhalten, sich gegenseitig schützen und helfen, und schließlich ums Überleben kämpfen. (Klappentext)

Rezension:

Familie ist ewig. Familie ist für immer. Was aber, wenn der Kreidekreis zerläuft und der Kampf um den Zusammenhalt verloren und die Gemeinschaft zerbrochen ist? Was, wenn die Reste des Familienlebens unter zwei Parteien aufgeteilt sind und die Kinder sich haben entschieden müssen, bei welchen Elternpart sie die nächsten Jahre ihres Lebens verbringen “wollen”?

Daniel Magariel erzählt in seinem atemraubenden Debüt nichts weniger als eine Geschichte voller Leid und Traurigkeit, die es in sich hat. Zunächst aus der Perspektive zweier Brüder, des Jüngeren zuerst, gelingt der Einstieg.

Die Figuren sofort zum Greifen nah, haben ihre spürsparen Schwächen und Stärken, gewinnen schnell an Konturen und vor allem, jeder einzelne Protagonist für sich, die Sympathie des Lesers.

Sprachlich einfach zu fassen, wird schnell das Dilemma der Figuren klar. Der Anschluss an die neue Heimat will nicht gelingen, weder der Vaterfigur im Beruflichen, noch den Jungs im schulischen Bereich, wo das Nesthäkchen der Familie, welches ausgerechnet vom Aussehen her den Vater an seine Exfrau erinnert, schon in der ersten Woche in ene Prügelei gerät und der große Bruder im Basketballteam seiner Schule ebenfalls keine Kontakte knüpfen kann.

Schwer depressiv versuchen die Protagonisten ihren Alltag, der immer mehr Risse bekommt, zu leben. Die Katastrophe ist schnell absehbar.

Ganz und gar nicht katastrophal ist jedoch die gesamte Geschichte, die ein Dilemma moderner Familienwelten greifbar macht, in der es kaum Gewinner gibt, aber viele Verlierer.

Magariel gelingt es auf wenigen Seiten, ohne überheblichen Schreibstil Konflikte glasklar darzustellen und Wege der Figuren vorzuzeichnen, denen man trotz oder gerade wegen ihrer Fehler kaum böse sein kann.

Man leidet mit dem Jüngsten, der die Düsternis zuerst kommen sieht, dem ältesn Jungen, der verantwortung übernehmen muss, ohne bereits stark genug dafür zu sein und der erwachsenen Person, der die Söhne bald charakterlich über den Kopf wachsen.

Im Grunde passiert ansonsten nicht viel, wenn auch hier eine eher typisch amerikanische Lösung zum Tragen kommt, was man aber mit Augendrücken durchgehen lässt.

Ansonsten trägt die Klarheit der Worte und dadurch aufgestellten Geschehnisse aber zu einem gelungenen Leseerlebnis bei. Eine Hommage an die Familie, den Zusammenhalt und das Für-einander-da-sein-in-schweren-Zeiten. Nicht mehr und nicht weniger.

Autor:

Daniel Magariel hat an der Columbia University, sowie an der Syracuse University studiert und in verschiedenen Staaten der USA gelebt. Derzeit lebt er mit seiner Frau in New York. “Einer von uns”, ist sein erster Roman.

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Jesus Carrasco: Die Flucht

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Die Flucht Jesus Carrasco Klett-Cotta Erschienen: 2013 Seiten: 208 ISBN: 978-3-608-98001-1 Übersetzerin: Petra Strien

Inhalt:

Ein Junge flieht. Die Schreie seiner Jäger verfolgen ihn. Tagsüber kauert er in einem staubigen Versteck. Nachts kämpft er sich in der Dunkelheit vor und sucht in vertrockneten Brunnen nach Wasser. Vor ihm liegt nichts als die ausgebrannte Ebene, eine Welt unerbittlicher Hitze und Gesetzlosigkeit. Und es gibt kein Zurück. (Klappentext)

Rezension:

Unter der sengenden Sonne Spaniens, die die ebene Landschaft unter sich ausdürrt, begegnet der Leser einem Jungen auf der Flucht. Genauer gesagt, in seinem Versteck, in dessen Nähe seine Häscher ihn suchen. Das Alter des Kindes nicht näher bestimmt, der Protagonist nicht namentlich betitelt, erwacht sofort der Beschützerinstinkt, ohne zu wissen, was dem Jungen vorab widerfahren ist.

Darüber lässt der Autor die Leser lange Zeit im Unklaren, wie so vieles erst einmal im Nebel verborgen bleibt. Das ist die Ausgangslage von Carrascos Geschichte, die auf’s Wesentliche reduziert, ihre Leser vollkommen in den Bann zieht. Die Protagonisten sind unbarmherzig gegen sich selbst, alleine dem kleinen Jungen und der sich ihn annehmende Ziegenhirte gewinnen im Laufe der Geschichte an Farbe und Sympathie.

Die anderen haben sie schlichtweg auch nicht verdient, wie sich mit zunehmender Seitenzahl herausstellt. Immer mehr wird der Leser davon ergriffen, den Hintergrund des Leidens des Jungen aufzuspüren und sich auf eine Reise zu begeben, die den Knirps an seine psychischen und physischen Grenzen bringen wird.

Immer wieder der drohenden Gefahr ausgesetzt, doch noch in die Hände seiner Verfolger zu fallen.

Es ist eine unglaublich schnell zu lesende, trotz des Themas, Geschichte, die sofort faszinierrt. Der Schreibstil, auf Wesentliches reduziert, ohne Schnirkel genügt, um völlig in die Gedankenwelt des kindlichen Protagonisten einzutauchen, sich seiner anzunehmen.

Mehr braucht es hier nicht, mehr möchte man auch nicht, leidet und dürstet mit dem Jungen und fragt sich, ob man wohl selbst diesen Kampf ums Überleben bestehen würde.

Angelegt ist die Erzählung in einem nicht näher bestimmten Zeitraum, doch ist zu vermuten, aufgrund der Schilderungen einiger Begebenheiten (etwa: Massengrab), dass es sich entweder um die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges oder der Diktatur Francos handelt, gleichwohl könnte die Geschichte praktisch überall im südlichen Europa angesiedelt sein.

Die Geschichte geht einem ans Herz, wobei sich die geschilderte Gewalt in Grenzen hält. Alleine, die Gedanken zwischen den Zeilen, wenn man ein wenig mehr der Vergangenheit des Jungen zu spüren bekommt, gehen schon genug nahe.

Beeindruckend ohne zu viel oder zu wenig zu erzählen, geht Jesus Carrasco voran und nimmkt uns mit auf einem Weg, auf dem der kleine Protagonist über sich hinauswächst. Ein Roman, der nichts anderes als die Höchstwertung verdient.

Autor:

Jesus Carrasco wurde 1972 in Badajoz geboren. “Die Flucht” ist sein erster Roman, der in mehreren Sprachen übersetzt wurde und in zehn Ländern erschienen ist. Es wurde in Spanien als das “Beste Buch des Jahres2013” ausgezeichnet. Der Autor lebt in Sevilla und arbeitet zudem als Werbetexter.

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Bruno Preisendörfer: Deutschland 1 – Als Deutschland noch nicht Deutschland war

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Als Deutschland noch nicht Deutschland war Reihe: Deutschland – 1 Sachbuch Galiani Berlin Hardcover Seiten: 518 ISBN: 978-3-86971-110-2

Inhalt:

Eine Zeitreise in das deutsche 18. Jahrhundert als es ein Deutschland noch gar nicht gab. Vielmehr gab es viele verschiedene Regionen, Staaten und Städte, ein loses Gebilde voller Grenzen.

Es ist die Zeit, in der große Männer Kulturgut schufen, in der die großen Philosophen Kant und Schopenhauer wirkten und der Merkantilismus als Wirtschaftsform dominierte. Es ist die Zeit des Wandels und des Aufbruchs, gleichwohl immer noch ein harter Alltag im Leben der Menschen. Doch, wie lebten sie, die einfachen Leute und die Adligen zu dieser Zeit? Welche Kleidung trugen sie, was gab es zu essen, welche Moral- und gesellschaftlichen Vorstellungen prägten sie?

Bruno Preisendörfer nimmt den Leser auf eine spannende Zeitreise durch eine prägende Epoche. (eigener Text)

Bücher der Reihe:

Bruno Preisendörfer: Deutschland 1 – Als Deutschland noch nicht Deutschland war

Bruno Preisendörfer: Deutschland 2 – Als unser Deutsch erfunden wurde

Bruno Preisendörfer: Deutschland 3 – Als die Musik in Deutschland spielte

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Rezension:

Wie lange quälen Deutsch-Lehrer ihre Schüler eigentlich im Schnitt mit den allgemein als Klassikern akzeptierten Werken von Goethe, Schiller und anderen?

Wie viele Schüler verzweifeln an der Philosophie Kants und Schopenhauers und wie vielen wird die Lust am Lesen genommen, dadurch, dass in jedes Komma und jeden Punkt mehr hinein interpretiert wird als tatsächlich drinsteckt? Zu vielen.

Spannender ist es dann doch, in die Zeit einzutauchen, zu erleben, unter welchen Umständen Goethe und seine Zeitgenossen lebten, we´lche probleme die Ärmsten unter den Armen zu bewältigen hatten und für welche fortschrittlichen ideen damals in Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur Grundsteine gelegt wurden.

Bruno Preisendörfer nimmt uns mit auf diese Zeitreise und lässt uns den Alltag im Noch-nicht-wirklich-Deutschland nachempfinden und erzählt, pointen und zitatereich vom Leben der Menschen im 18. jahrhundert.

Er beschreibt gesellschaftliche Konflikte durch Standesunterschiede, macht Geschichte fassbar, begleitet den Delinquenten zum Galgen und den Knecht oder Handwerker durch Arbeit, Eheleben bishin zum Tod. Und für manchen läuft es auf’s Gleiche hinaus, wenn die Frau und Kinder an Pocken oder anderen Krankheiten sterben.

Doch, es ist auch die Zeit des Fortschritts. Der Blitzableiter wird erfunden, Nachttöpfe dürfen nicht mehr allenthalben auf den Straßen entleert werden und Berlin bekommt die erste Straßenbeleuchtung. Impfungen werden entwickelt, Krankenhäuser entstehen. Auch das ist die Goethe-Zeit, die sich nicht nur auf Weimar beschränkt.

Der Autor beschreibt dies alles sehr detailliert, gestützt auf eine Unmenge von Quellen, die er ausgiebig nutzt und damit mehr erreicht als jeder Deutsch-Lehrer, der nur interpretieren möchte.

Er macht greifbar, was heute längst vergessen aber die nachfolgenden Jahrhunderte entscheidend mitgeprägt hat. Preisendörfer zitiert ausführlich aus Zeitungen, Tagebüchern und Korrespondenzen jener Zeit, durchstöberte Archive und statistischen Überlieferungen.

Herausgekommen dabei ist ein durchaus flüssig zu lesendes Sachbuch welches gleichzusetzen ist mit historischen Standardwerken, die Politik aber außenvor lässt und dafür die Bauern, das Klein- und Großbürgertum und das Leben des Adels beschreibt.

Lesenswert allemal, logisch gegliedert, stockt der Lesefluss dann doch an manchen Stellen. Zitate können schwierig zu greifen sein, wenn sie ausführlich sind. Man erfährt vieles, was man vielleicht noch nicht wusste, entdeckt bekanntes und kurioses.

Der Leser lebt mit Goethes Zeitgenossen mit, ist glücklich, arbeitend, kämpferisch, mal arm, mal reich, mal lebensfroh, dann wieder leidend. Nicht auf die Lektüre natürlich bezogen, keiner muss dann einem “Werther” folgen (siehe Goethe) aber kann danach durchaus in Gedanken an Kant und Schopenhauer philosophieren. Das hat doch was.

Autor:

Bruno Preisendörfer wurde 1957 in Kleinmostheim/Unterfranken geboren und ist ein deutscher Sachbuch- und Belletristik-Autor. Nach dem Abitur studierte er Germanistik, Politikwissenschaften und Soziologie und zog 1982 nach Berlin.

Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete er als Redaktionsleiter einer Magazin-Zeitung und war von 1995-1999 Redakteur bei der Zeitschrift “Freibeuter”. Er erhielt 1998 den Würth-Literaturpreis und 2016 für sein Buch über die Lutherzeit den NDR-Kultur Sachbuch-Preis.

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J. M. Coetzee: Der Junge

Der Junge Book Cover
Der Junge J.M. Coetzee Fischer Taschenbuch Erschienen am: 01.05.2000 Seiten: 200 ISBN: 978-3-5961-4837-0 (vergriffen)

Handlung:

J. M. Coetzee eindringliches, vollkommen unsentimentales, dbei oft genug hochpetischens Buch der Erinnerung an eine schwierige Kindheit in einem öden Provinznest unweit von Kapstadt liest sich wie ein Roman.

Als Meisterwerk narrativer Autobiographik von der Kritik gefeiert, zeichnet dieses Buch das Porträt eines Jungen, in dem sich schon früh der Schriftsteller ankündigt. (Klappentext)

Rezension:

Er ist ein intelligenter Beobachter seiner Umgebung, Klassenprimus aus Angst davor, wegen schlechter Leistungen den Rohrstock seiner Lehrer spüren zu bekommen und obwohl noch Kind schon tonangebend in seiner Familie.

Dem Vater, der seine Familie ins Unglück stürzen wird misstraut, die Mutter vergöttert er und quält sie zugleich mit seinen Forderungen. Der kleine Bruder ist nur ein Abklatsch seiner selbst. Dies ist die Geschichte der Kindheit Coetzees, der später Schriftsteller werden und 2003 den Nobelpreis für Literatur erhalten sollte.

Ein autobiographischer Roman, der es in sich hat, im Hintergrund des Apartheid-Regimes Südafrikas als Nachkömmling europäisch-burischer Eltern seinen Platz in der Gesellschaft suchend.

So beschreibt der Autor detaillreich, ohne Längen, das Aufwachsen in diesem sonderbaren Land der Gegensätze und man beginnt Coetzee zu begreifen und damit auch eine ganze Generation von weißen Jungen, die noch im System der Rassen-Ideologie erzogen wurden und später erlebten, wie ein Land sich verändern musste.

Es ist ein beeindruckender kleiner Roman ohne Längen. Der Schreibstil zieht einem in den Bann. Fast ist es als wäre man selbst dieser Junge, der zwar mittendrin ist aber doch irgendwie immer Außenseiter.

Ob in der Schule, wo er sich zwanghaft irgendwo einordnen versucht oder in der Familie, wo er ebenso seinen Platz nicht wirklich finden will oder kann. Ein Roman über einen Jungen, der gerne wie jeder andere wäre, “normal” und zugleich weiß, dass er es nicht ist, sondern schon früh begreift, dass er einmal ein vollkommen anderes Leben einschlagen wird als in seiner Schicht, in seiner Familie akzeptiert wird.

Mir hat es unheimlich Spaß gemacht über die Kindheit des Autors in dieser Form zu lesen, die ständig zwischen der Tyrannei und dem Jähzorn, dann wieder Intelligenz und Liebenswürdigkeit eines kleinen Jungen hin und her pendelte. Mehr muss man dazu nicht sagen.

Autor:

John M. Coetzee wurde 1940 in Kapstadt geborenn und studierte nach der Schule Literatur. Seur 1972 lehrte er an verschiedenen UniversitätenLiteratur, seit 1996 ust er zudem Mitglied des Committee of Social Thought der University of Chicago.

Seine Romane wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. zwei Mal mit dem Booker Prize. 2003 bekam er den Nobelpreis für Literatur. Der Autor lebt heute in Australien.

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