Rezension

Francois Conrad: Warum Deutsch bellt und Französisch schnurrt

Inhalt:

Warum klingt Deutsch so (schön) hart, Englisch vornehm und Französisch so wahnsinnig charmant? Alle, die gern auf Reisen sind, haben sich diese Fragen bestimmt schon einmal gestellt. Begleiten Sie unsere Protagonisten Horst und Strumpf auf ihrer großen Europareise und entdecken Sie Unterhaltsames zur deutschen Aussprache im europäischen (Sprach-)Vergleich. Woran liegt es, dass “Banane” leichter auszusprechen ist als “Schnaps”? Und was hat es mit dem Knacklaut im Deutschen auf sich? Gehen Sie mit uns auf eine spannende Sprach- und Erkenntnisreise! (Klappentext)

Rezension:

Schon Mark Twain philosophierte über die schwere Erlernbarkeit der deutschen Sprache. Auch heute gilt sie als Herausforderung für die jenigen, die die Geheimnisse dieser ergründen wollen. Andere Sprachen, so scheint es, sind dabei einfacher zu lernen, zu sprechen sowie so und hören sich auch angenehmer an? Doch, woran liegt das? Weshalb wird Deutsch oftmals mit dem Bellen eines Schäferhundes verglichen, wogegen man dem Italienischen einen besonders melodischen Klang nachsagt? Der Sprachwissenschaftler Francois Conrad unternimmt einen Erklärungsversuch in Form einer fiktiven Sprachreise, quer durch Europa.

Sprachen unterliegen einem stetigen Wandel, haben gemeinsame Familien und grenzen sich im Laufe der Geschichte sehr schnell voneinander ab. Merkmale bilden sich heraus, verschwinden. Zudem bedienen sich Sprachen Begriffen aus anderen und machen sich diese zu Eigen. Wie funktioniert das genau? Worin liegen Vor- und Nachteile für Hörende und Sprechende? Weshalb etwa gelingt es Franzosen auf Biegen und Brechen nicht, ein H auszusprechen? Weshalb versuchen wir im deutschen Namen so auszusprechen, wie sie im Original lauten, während in anderen Ländern ein Name konsequent der Sprachgewohnheit untergeordnet wird?

In kurzen verständlichen, doch ständige Konzentration fordernde Kapitel, stellt der autor hier dar, weshalb dies so ist und warum das vermeintlich hart klingende Urteil über unsere Sprache nichts unbedingt mit unserer jüngeren Geschichte zu tun hat. Er zeigt Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu anderen Sprachen auf, lässt seine Protagonisten diese anhand einfacher Beispiele erläutern und lädt zum Mitsprechen ein. Weshalb gehen im Französischen Wörter nahtlos ineinander über und was hat das luxemburgische Eichhörnchen für Vorteile, wenn es sich aus zwei Sprachen bedient?

Hintereinander weglesen empfiehlt sich nicht, da trotz des geringen Umfangs viel Information untergebracht wurde. Zwar hilft die Form einer fiktiven Geschichte die Thematik nicht ganz so trocken erscheinen zu lassen, doch muss man alle Konzentration aufbieten, um nicht durcheinander zu komemn und steht damit fast vor dem gleichen Problem, wie ein Sprachlernender. Trotzdem, wer sich für Linguistik, für Phonetik interessiert, sei dieses Buch zum Einstieg einmal empfohlen. Unsere Sprache und auch, dass andere Sprachen vielleicht schöner klingen, jedoch auch ihre Vor- und Nachteile haben, sieht man dann vielleicht mit anderen Augen.

Autor:

Francois Conrad ist Sprachwissenschaftler an der Leibniz Universität Hannover. In Luxemburg aufgewachsen, studierte er ebendort, sowie in Bamberg und Prag Sprachwissenschaften. Im Jahr 2019 wurde er Norddeutscher Science Slam Meister und Deutscher Vize-Meister. Aktuell beschäftigt er sich mit dem Mythos um das “beste” Hochdeutsch in Hannover

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Petra Reski: Als ich einmal in den Canal Grande fiel

Inhalt:

Der Fischer, der Opernarien schmettert. Der Conte, der gegen die Gondelserenaden kämpft. Der Gemüsehändler, der inmitten von Touristenströmen um seine Existenz bangt. Petra Reski kennt sie noch, die alten Venezianer und die Geheimnisse dieser Stadt, sie zeichnet ein wehmütiges Bild von Venedig, dessen Ausverkauf an den reinen Kommerz beschlossene Sache zu sein scheint. Ihr Buch ist ein leidenschaftlicher Erfahrungsbericht aus dem Sehnsuchtsort Venedig – der fasznierendsten Stadt der Welt. (Klappentext)

Rezension:

“Siamo solo quattro gatti.”, wir sind nur noch vier Katzen, raunen sich die Alteingesessenen mitunter zu, wenn sie sich begegnen. Immer weniger gibt es von ihnen, in der Lagunenstadt Venedig, in der das Leben immer teurer wird, traditionsreiche Geschäfte zugunsten der Touristenmassen verschwinden. In einem Schaufenster einer Apotheke wird die stets sinkende Einwohnerzahl angezeigt. Nie werden es mehr.

Da, um die Ecke, wurde wieder eine Wohnung aufgegeben, um es in ein Airbnb zu verwandeln, die Stadtoberen verscherbeln derweil Palazzo um Palazzo oder versenken Milionen von Euro in zweifelhaften Bauprojekten. Es ist ein bitterer Blick auf eine Stadt, die dem Untergang geweiht scheint, den die Journalistin und Autorin Petra Reski hier aufzeigt, eine, die sich 1989 für eine Reportage nach Venedig kam, sich verliebte und blieb.

Sie kennt sie noch, die Gemüsehändler, die Handwerker, die Gondolieri, die Fischer, die von der Politik auf das Festland verdrängt werden. Tourismus als Allheilmittel, die bröckelnden Bauten als Fassade, die alten Einwohner, sie stören dabei nur. Die Autorin nimmt ihre Leserschaft mit, durchstreift enge Gassen und Kanäle, fällt dabei auch schon mal ins Wasser. Sie erzählt von ihren Lieben, die Lagune selbst und dem Venezianer, der die Geschichte der Stadt in jedem Holzbalken, in jeder Fliese sieht, und von den Problemen, die kein Tourist sehen kann. Für den ist Venedig längst das Disneyland Italiens.

Bei aller Liebe herrscht der journalistisch kritische Blick vor. Reski beschreibt alle Fascetten des Lebens in der Lagunenstadt und ihre Annäherung an ihre Bewohner. Viele Aspekte werden aufgeführt, Bauprojekte gezeigt und vor allem geschildert, wie Venedig über Jahrzehnte, erst schleichend, dann immer schneller, dem Kommerz zum Opfer gefallen ist. Nach der Lektüre wird man kaum mehr dorthin reisen können, zumindest nicht ohne Bedenken oder anderen Blick als der Otto-Normal-Tourist. Es ist ein melancholischer, verletzlicher Zustandsbericht, der hier vorliegt. Von Kapitel zu Kapitel streifen wir durch Kanäle, Straßenzüge, Plätze und Stadtviertel und begegnen venezianischen Originalen und allen, die sich dafür halten.

Das alte Venedig ist arg bedroht. Plätze, fernab der Touristenmassen gibt es nicht mehr. Restaurants und Bars, die die traditionellen Gerichte der Venezianer anbieten, passen sich dem Massengeschmack an oder müssen schließen. Die Politik macht ihren Bürgern das Leben schwer und zwingt sie in Trabantenstädte. Die letzten Venezianer kämpfen einen fast aussichtslosen Kampf voller Hürden. Petra Reski gibt ihnen eine Stimme und erzählt davon.

Autorin:

Petra Reski wurde 1958 geboren und ist eine deutsche Journalistin und Autorin. Nach ihrem Studium der Romanistik und Sozialwissenschaften in Trier, Münster und Paris besuchte sie die Henri-Nanneen-Schule und begann 1988 als Redakteurin im Auslandsresort des Magazin Stern zu arbeiten. Seit 1991 lebt sie in Venedig und schreibt für deutschsprachige Magazine. Über die Mafia schrieb sie mehrere Reportagen, vor allem aber Romane, um juristischen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Emma-Journalistinnen-Preis 2010.

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Torbjorn Ekelund: Mein Sohn und der Berg

Inhalt:

August ist sieben Jahre alt, als sein Vater Torbjorn Ekelund ihn auf eine erste große Tour in die Natur mitnimmt. Mit Rucksack und Zelt wandern sie durch magische Kiefernwälder und über felsige Pfade. Ihr Ziel: ein Berggipfel südwestlich von Oslo.

Dabei folgen sie den Spuren eines kleinen Jungen, der 122 Jahre zuvor auf der Route verschwunden ist. Ekelund sucht nach einer Erklärung, was damals passiert sein könnte und beobachtet fasziniert, wie spielerisch sein Sohn sich durch die Landschaft bewegt. Ein zärtlicher Text über unsere Verbundenheit mit den Elementen und die Beziehung zwischen Vater und Sohn. (Klappentext)

Rezension:

In der Nähe von Norwegens Hauptstadt Oslo liegt die kleine, aber doch zerklüftete und immer wieder Überraschungen bereithaltende Gebirgslandschaft des Skrim. Es ist nicht die größte unter den skandinavischen Naturlandschaften, doch betritt man sie, ist man in mitten einer der letzten ursprünglichen Gegenden Nordeuropas. Vor mehr als hundert Jahren spielte sich dort eine der schlimmsten Katastrophen ab, denen Eltern ausgesetzt sein können. Der norwegische Journalist Torbjorn Ekelund begab sich nun auf Spurensuche.

Es ist der Bericht einer faszinierenden Wanderung, die Beschreibung einer Vater-Sohn-Erfahrung und ein Stück nahezu unbekannter Geschichte, die uns hier erzählt wird. Einfühlsam nimmt der Autor seine Leserschaft mit auf eine Reise, die doch nur ein paar Tage andauert, doch deren Strapazen man beim Lesen förmlich selbst in den Knochen spüren wird.

Torbjorn Ekelund lässt sowohl die zuweilen unbarmherzige Natur des Skrim vor den Augen entstehen, nimmt uns zugleich jedoch mit, wenn er die Geschichte des kleinen Hans Torske erzählt, dabei selbst immer auf seinem Sohn ein wachsames Auge hat, der ihn auf die Reise begleitet und die Welt durch Kinderaugen erleben lässt. Für diesen ist es ein Abenteuer zwischen Vater und Sohn, mitten in der Natur. Jeder Stein wird umgedreht, jeder Stock inspiziert. Für den Vater geht es auch um die Erfahrung? Was geschah mit dem Jungen, in dem Alter seines Sohnes? Warum verirrte er sich? Was macht die Natur mit den Menschen?

Es ist ein liebevoller Bericht ohne mahnende Zeigefinger, wenn es um die Schönheit des Naturerlebnisses oder das Aufwachsen von Kindern in heutiger Zeit geht, gleichzeitig natürlich ein Gedenken an ein Stück Geschichte, welche sonst auch innerhalb der Region vor den Toren Oslos verloren ginge. Diese kleinen Erfahrungs-, Reisebericht wird man gerne lesen, nicht unbedingt erforderlich zwar, aber es schadet zumindest nicht. Nur ein Wermutstropfen bleibt. Eine Karte der Wanderung oder zumindest der Landschaft hätte gut als Ergänzung gewirkt.

Autor:

Torbjorn Ekelund wurde 1971 geboren und ist ein norwegischer Journalist und Autor. Er schreibt u. a. für die norwegische Zeitung Dagbladet und ist Mitherausgeber eines kleinen unabhängigen Buchverlags. Er begründete ein Onlinemagazin mit und veröffentlichte mehrere Bücher, die bereits in mehreren Sprachen erschienen sind.

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Christa von Bernuth: Tief in der Erde

Inhalt:
Ein entführtes Mädchen. Ein Grab im Wald. Und ein Dorf, das bis heute schweigt.

Oberbayern, 1981: Die zehnjährige Annika Schön ist mit dem Fahrrad auf dem Heimweg, doch sie kommt nie zu Hause an. Nach Tagen des qualvollen Wartens macht die Polizei einen erschütternden Fund…

In ihrem True-Crime-Roman, inspiriert von einem spektakulären Fall, der die Republik erschütterte, begibt sich Christa von Bernuth auf die Suche nach der Wahrheit. (Klappentext)

Rezension:
Als im Jahr 1981 ein kleines Mädchen auf ihrem Nachhauseweg entführt wurde, ahnte niemand, dass sich der Vorfall später zu einem der rätselhaften und unheimlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte entwickeln sollte. Das Kind wurde nur wenig später tot aufgefunden. Der Prozess der Aufarbeitung dauert bis heute an.

Ich höre nichts außer meinem eigenen panischen Keuchen, einem kläglichen, heißeren Stöhnen, das nicht zu mir zu gehören scheint. Ich versuche mich zu bewegen und stoße mit dem Kopf, mit dem Rücken und mit der linken Schulter auf etwas Hartes, aber doch nicht so hart wie Beton. Holz.“

Christa von Bernuth: Tief in der Erde

Zu viele Personen haben sich an den Ermittlungen beteiligt. Noch immer gibt es ungeklärte Fragen oder zumindest solche, die Zweifel am Tatgeschehen erkennen lassen. Der Versuch, einen solch polarisierenden Fall zu fiktionalisieren, ist ein schmaler Grad, der selten genug gut gelingt.

Die Journalistin und Autorin hat dies dennoch gewagt und so ist aus der Idee einer Reportage um den Fall Ursula Herrmann ein packender Kriminalroman entstanden, der nicht nur seinen Protagonisten den Atem nimmt. Das Tatgeschehen abgeändert, die Personenanzahl verdichtet, entwickelte die Autorin einen spannenden Handlungsbogen, der über zwei Zeitebenen die Leserschaft mitnimmt.

Das unmittelbare Geschehen vor und nach der Entführung bildet das Grundgerüst der Geschichte und nimmt dabei die Lesenden mit in den kleinen Ort in Oberbayern, in dem danach nichts mehr so sein sollte, wie zuvor.

Hier konzentriert sich die Autorin auf die aufreibende Ermittlungsarbeit, deren Schwierigkeiten und Fallstricke sie verarbeitet, wie auch die zum Himmel schreiende Verzweiflung der Angehörigen. Von Bernuth spielt gekonnt mit den Emotionen der Leserschaft. Man kann dies jedoch auch beinahe dokumentarisch lesen. Wer sich nur ein wenig mit dem Tatgeschehen auskennt, weiß Wahrheit und Fiktion mühelos zu unterscheiden.

Der darauf aufbauende Handlungsstrang verfolgt die Protagonistin Julia Neubacher, die als Gerichtsreporterin einer regionalen Zeitung den wieder aufgerollten Prozess zwanzig Jahre später verfolgt. Ihre Beobachtung und Interaktion mit dem inzwischen erwachsenen Bruder des Opfers treiben die Handlung beider Linien voran und verdichten sich zu einem immer schneller verlaufenden Geschehen, welches selbst Julia nicht unberührt lässt.

Hier sind vor allem die Parallelen zur Autorin Christa von Bernuth spannend, die selbst als Journalistin den Fall in einer Reportage aufarbeiten wollte und dabei alle Recherchemöglichkeiten nutzte, die ihr zur Verfügung standen.

Dies verwebt sie gekonnt in ihrem Roman, in dem selbst die Nebenfiguren nicht konturlos bleiben und gekonnt eingesetzt werden, um die Handlung voranzutreiben oder die Gefühlswelt und Verzweiflung zu verdeutlichen, in der die unmittelbare Umgebung des Opfers sich befindet.

“Hey Frosch.”
Er ist zusammengezuckt, weil die Stimme wie aus dem Nichts kam.
“Hey Frosch. Glück gehabt.”

Christa von Bernuth: Tief in der Erde

Im Genre True Crime ist „Tief in der Erde“ eine der Geschichten, die funktionieren und dabei einladen, selbst zu recherchieren. Was waren der Antrieb, das Motiv, die Beweggründe der Täter? Wer war das überhaupt? Was macht solch ein Schlag mit den Angehörigen? Bis hin zur Frage, wie Kompetenzgerangel die Ermittlungsarbeit zum Negativen beeinflussen kann, all dies berücksichtigt die Autorin in ihrem packenden Roman.

Ein Fall, der tiefe Wunden gerissen hat, die nie vollständig verheilen werden, wurde hier spannend verarbeitet und wird die Lesenden immer mehr für sich einnehmen. Das bleibt so, bis zur letzten Zeile. Eine unbedingte Leseempfehlung gibt es dafür.

Hintergrund:

Christa von Bernuth über ihren Roman “Tief in der Erde”. (Buch-Trailer des Verlags)

Die Vorlage: Der Fall Ursula Herrmann (Wikipedia.de)

Autorin:

Christa von Bernuth ist eine deutsche Schriftstellerin und Journalistin. Sie wurde 1961 geboren und hat nach ihrem Abitur in Schondorf am Ammersee in München Germanistik und Französisch studiert, arbeitete nach ihrer Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München für diverse Zeitschriften und Magazin.

1999 veröffentlichte sie ihren ersten Kriminalroman. Mehrere ihrer Werke wurden bereits fürs Fernsehen verfilmt und in einige u. a. Ins Schwedische, Niederländische und Russische übersetzt. Zudem arbeitet von Bernuth für das Magazin Echte Verbrechen. Mit ihrer Familie lebt sie in München.

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Daniel Lee: Der Sessel

Inhalt:

Ein unglaublicher Fund: In einem Sesselpolster werden Jahrzehnte nach Kriegsende persönliche Papiere des SS-Offiziers Robert Griesinger entdeckt. Wie kamen sie dorthin? Wer wollte sie verstecken? Der Historiker Daniel Lee nimmt den Faden auf und begibt sich auf eine abenteuerliche Recherchereise. Nach und nach setzt er aus einzelnen Puzzleteilen ein ganzes Leben zusammen und schildert, wie aus einem pflichtbewussten Beamten und Familienvater ein ganz normaler Täter werden konnte. Eine fesselnde Erzählung über Schuld und Verantwortung, Erinnern und Vergessen. (Klappentext)

Rezension:

Was die oberen Hierarchie-Ebenen der für den Zweiten Weltkrieg und des Holocausts verantwortlichen Akteure betrifft, ist die Verarbeitung der Geschehnisse und ihrer Folgen weit vorangeschritten, wenn auch dieser fortlaufende Prozess nie ganz abgeschlossen sein wird. Anders sieht es mit der Betrachtung derer aus, auf die sich das NS-Regime stützen konnte.

Warum unterstützten tausende Menschen ein System der willkür, Unterdrückung und des Unrechts? Wie viel wussten die Schreibtischtäter, die vielleicht nicht selbst mordeten, jedoch Befehle bekanntmachten, Verordnungen umsetzten? Was konnte der Einzelne bestimmen und wo entzog sich den Beamten, behördlichen Angestellten die Kontrolle? Wie nutzten die Nationalsozialisten die Menschen für sich?

Ein loser Stapel Dokumente, eingenäht im Stoffpolster eines Sessels, machte den britischen Historiker Daniel Lee neugierig? Zu wen gehörten die Papiere? Wer war der Mensch hinter den Schriftstücken? Warum wurden diese versteckt? Welche Geschichte können diese noch erzählen und wie viel Recherche ist notwendig, um die einzelnen rätselhaften Teile zusammen zu setzen? Herausgekommen ist ein zweiteiliges Porträt, eines über die Person Robert Griesinger, dessen Leben der Autor nachspürt, zum anderen eines über die Arbeitsweise des Historikers selbst.

Verwoben erzählt Lee in diesem Sachbuch mit sehr unscheinbaren Titel, wie ein diffuses Bild immer klarer an Kontur gewinnt und beantwortet dabei nach und nach die zu Eingang gestellten Fragen, nach den unteren Ebenen, auf die sich die Nationalsozialisten stützen konnten, aber auch, welche Rechercheleistung notwendig ist, um den Fragestellungen zu ihren komplexen antworten zu verhelfen und wo die Grenzen für einen Historiker liegen, selbst wenn der Gegenstand verhältnismäßig jüngere Geschichte darstellt.

Sehr kleinteilig beschreibt der Autor seine Suche, die der Leserschaft Konzentration abverlangt, dieser zu folgen, jedoch nicht langatmig daherkommt. Lee weiß spannend zu erzählen, jedoch sachlich zu argumentiere und Fragen, nicht nur der Nachfahren der Person Robert Griesinger, zu beantworten. Auf diesen Ebenen ein wichtiger Beitrag zur weiteren Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs und Holocausts, aber auch wichtig, um Laien zu verdeutlichen, wie wichtig die Arbeit von Historikern ist, v. a. wie sie funktioniert.

Autor:

Daniel Lee ist ein britischer Historiker, dessen Forschungsschwerpunkte der Zweite Weltkrieg, der Holocaust, die Geschichte der Juden in Frankreich und Nordafrika darstellen. Nach seiner Promotion lehrte er u.a. in Yad Vashem und am United States Holocaust Memorial Museum. Derzeit unterrichtet er in London und verfasst regelmäßig Beiträge für die BBC.

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Katajun Amirpur: Khomeini – Der Revolutionär des Islams

Inhalt:

Kein anderer Revolutionär hat die islamische Welt so sehr verändert wie Ruhollah Musavi Khomeini (1902-1989). Die bekannte Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur entdeckt in dieser ersten umfassenden Khomeini-Biografie in deutscher Sprache einen im Westen weitgehend unbekannten Gelehrten, Dichter und Mystiker und erklärt, wie es dem charismatischen Asketen gelang, den Islam zu politisieren und den übermächtigen Westen in Angst und Schrecken zu versetzen. (Klappentext)

Rezension:

Wie einst ihre Großeltern stimmen die jungen Menschen heute mit den Füßen ab, nur in eine andere Richtung. Die meisten von ihnen verlassen den Iran, suchen ihr Glück im von der Regierung verteufelten Westen oder in der privaten Isolation. Selten ist die Differenz zwischen öffentlichem und Privatleben größer als im ehemaligen Persien.

Im Jahr 1979 begann die „Herrschaft der Rechtsgelehrten“, wie die Theokratie in einigen dortigen Schriften genannt wird, nach einer Revolution, die die Befreiung von Korruption und Willkür des Schah-Regimes versprach, doch nur ein Übel durch ein anders ersetzte. Kopf dieser Bewegung war ein charismatischer islamischer Gelehrter namens Khomeini.

Eine Figur, die heute noch dem Westen Rätsel aufgibt, Angst und Schrecken macht, um dessen Erbe in der iranischen Führungsebene bis heute gerungen wird.

Die Kölner Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur beleuchtet das Leben des Theologen, Mystikers, Denkers und ewigen Revolutionsführers und Machtmenschen, der selbst nach seinem Tod das einstige Persien fest im Griff hat. Für eine Biografie ist das Werk, welches Khomeini, im deutschsprachigen Raum erstmals so ausführlich, beleuchtet, dennoch kompakt.

Beginnend von der Kindheit und Jugend Khomeinis an, zeigt die Autorin die erstaunliche Vielfältigkeit dieser Person auf, aber auch welche Schlüsselmomente und Weichenstellungen das Denken Khomeinis prägten und verhärteten. Amirpur zeigt, wo religiöse Richtlinien das Handeln dieses Theologen und Politikers prägten, wo Pragmatismus die Oberhand behalten musste.

Ausführlich erläutert sie den Wandel der persischen Gesellschaft und auch die Änderungen im politischen Weg Khomeinis, aber auch die verschiedenen religiösen Strömungen, die den Iran prägten, was nicht einfach zu lesen ist und einige Längen zwangsläufig mit sich bringt, zumal wer sich mit Religion bisher nur oberflächlich beschäftigt hat.

Hier versucht Amirpur ein komplexes Gesamtbild verständlich zu erläutern. Ein Begriffsglossar und eine Zeittafel unterstützen dies. Ohne geschichtliche Vorkenntnisse oder zumindest Ahnung der Kenntnisse über verschiedene Strömungen des Islams, ist die Lektüre schwierig.

Doch die Wissenschaftlerin bringt auch unbekanntere Anekdoten aus dem Leben Khomeinis zur Sprache, die die Person begreifbarer machen, auch der Blick der Enkelgeneration, auf das Erbe ihres Großvaters ist beeindruckend. Alleine dafür lohnt sich der Versuch einer Lektüre. Die Zukunft des Irans indes ist kompliziert. Folgerichtig, wenn man sich die Biografie dieses Mannes anschaut.

Autorin:

Katajun Amirpur wurde 1971 in Köln geboren und ist eine deutsch-iranische Journalistin udn Islamwissenschaftlerin. Zunächst studierte sie Politologie in Bon und schiitische Theologie in Teheran.

Nach verschiedenen Positionen, u.a. an der Freien Universität Berlin, der Hochschule für Philosophie in München war Sie Assistenzprofessorin für Moderne Islamische Welt an der Universität Zürich und Herausgeberin der Monatszeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik.

2011 nahm sie den Lehrstuhl für Islamische Studien an der Universität Hamburg an, 2018 den für iran und schia-bezogene Studien an der Universität Köln. In Hamburg ist Amirpur Stellvertretende Direktorin der Akademie der Weltreligionen. Die Autorin, die zudem für diverse Zeitungen und Magazine schreibt, ist verheiratet mit dem Schriftsteller Navid Kermani.

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Hermann J. Roth: Grün – Das Buch zur Farbe

Inhalt:

Die Farbe Grün zeigt sich überraschend vielfältig. Sie symbolisiert und zelebriert wie keine andere das Leben, den Neubeginn und das Wachstum. Ob Blattgrün, grüne Hoffnung, “grün hinter den Ohren”, grüne Patina, leuchtende Smaragde, Kermit der Frosch oder British Racing Green – hier versammeln sich alle Schattierungen einer schillernden Farbwelt.

Dieses zauberhafte Sammelsurium spannt den Bogen von der jahrtausendealten Faszination der alten Ägypter für die Farbe Grün bis hin zu aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit und grüne Politik. Grün hat eine magische Anziehungskraft – und dies ist das ultimative Buch zur Farbe. (Klappentext)

Rezension:

Die Grüne Himbeereule ist alles andere, nur keine Eule und eine Grüne Hochzeit hat nur bedingt etwas mit der Grünen Hölle zu tun. Die Welt der Farbe Grün, sie ist umfassend, faszinierend und vielschichtig zu gleich. Schon die Menschen im Alten Ägypten zerrieben Malachit-Gestein für grünen Lidschatten. Leuchtende Smaragde waren den indischen Mogulherrschern Symbol für Reichtum und Macht. Heute steht die Farbe Grün wie keine andere für das schützenswerte Leben, die Umwelt und Nachhaltigkeit.

Der Pharmazeut und Künstler Hermann Josef Roth hat sich aufgemacht, den Pinsel in die Hand genommen und erkundet mit uns die faszinierende Welt einer Farbe in all ihren Schattierungen. Unterhaltsam aufbereitet, lädt er dazu ein, eine Farbe zu entdecken, die nicht nur für Hoffnung oder Wachstum steht, auch in Kunst, Philosophie, Literatur und Musik immer wieder Akzente setzt.

Welchen Rang hat in Ministerien die grüne Tinte und was war gleich nochmal “Der grüne Orgasmus”? Der Autor sortiert, ordnet ein und erklärt, als Ergebnis einer großen Rechercheleistung, die in einem umfangreichen und kreativen Nachschlagewerk mündete. Ein Duden zur Farbe, wo gibt es das schon?

Roth lädt dazu ein, zu stöbern, hintereinander weg zu lesen, selbst zu recherchieren und quer durch die Themenbereiche zu blicken, die unsere Welt umfassen. Ohne das grüne Chlorophyll, dass die Farbe der Pflanzen bedingt, welches die Fotosynthese anregt, gäbe es keinen Sauerstoff und damit kein Leben auf der Erde. Und auch nicht dieses wunderbare ganz in Grün gehaltene Sammelsurium.

Autor:

Hermann Josef Roth wurde 1929 in Eisenberg/Pfalz geboren und ist ein deutscher Pharmazeut, Hochschullehrer und Künstler. zunächst studierte er Pharmazie in Würzburg und promivierte 1956. 1961 wurde er habilitier. Zwischen 1966-83 war er Direktor des Pharmazeutischen Instituts der Universität Bonn, bis 1981 zudem Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft.

Von 1983-1994 wirkte er zudem in Tübingen und erlangte Bekanntheit als Autor und Mitautor zu Büchern über u.a. Arzneistoffe, Stereochemie von Arzneistoffen. Seit 1972 beschäftigte sich Roth zudem mit Malerei und Grafik. Er erhielt das Bundesverdienstkreuz und wurde mit der Caspar-Borner-Medaille der Universität Leipzig ausgezeichnet.

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Björn Stephan: Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau

Inhalt:

Sommer, 1994. Sascha Labude ist ein etwas verträumter 13-Jähriger, der einzigartige Worte sammelt. Sein Leben ist relativ ereignislos, also abgesehen davon, dass das alte Land untergegangen und Saschas Vater verstummt ist und sein bester Freund Sonny so berühmt werden will wie Elton John.

Doch dann zieht Juri in die Siedlung, ein Mädchen, das alles über das Universum weiß und ganz anders ist als Sascha – nämlich mutig. sogar so mutig, es mit den schlimmsten Schlägern der Siedlung aufzunehmen. (Klappentext)

Rezension:

Der Brief, er liegt schon länger auf dem Schreibtisch des einstigen Kindes, wird geöffnet. Erinnerungen durchfluten Jenni, die nun junge Frau, die bis dahin erfolgreich verdrängt hat, was damals passierte. Die Perspektive wechselnd, Leserin und Leserschaft reisen zurück, in eine Zeit, in der sich alles veränderte, nichts blieb, wie es vorher war.

Beinahe zu ruhig beginnt das Autorendebüt, was uns Leserschaft hier vorliegt und wird doch immer schneller, heftiger werden, mit jeder Zeile, die uns in die Geschichte einsaugt. Wir begleiten den Hauptprotagonisten, der sich selbst für nicht sichtbar für seine Umgebung hält, durch die Tage.

Selbst die Schläger, die im selben Treppenaufgang wohnen, wie er, beachten Sascha nicht. Dem verträumten Jungen, der noch blasser neben seinem besten Freund wirkt, ist dies nur Recht. Seinen größten Schatz hütet er in einem unscheinbaren Heft. Wörter, die es nur einmal auf der Welt in einer einzigen Sprache gibt und die nur dort eine bestimmte Bedeutung haben. Sascha sammelt sie, hält fest, um sich an etwas zu halten. So kann es bleiben.

Tut es nicht. Diesen Sommer wird sich das Lebend es Jungen schlagartig ändern, wie auch die Welt um ihn herum sich ändert. So beobachtet der/die Lesende den Hauptprotagonisten, der zunächst Beobachter, dann Akteur der Ereignisse ist.

Vielschichtig sind die Protagonisten um ihn herum, die Beschreibungen Björn Stephans tun ihr übriges, um sofort den typischen Geschmack des damals angesagten Kaugummis im Mund zu haben und die flirrende Umgebung der Plattenbauten zu spüren, die den Handlungsort prägen. Der Autor indes hat sich hier viel vorgenommen.

Er erzählt von der Zeit zwischen Kindheit und Jugend, von Freundschaft und erster Liebe, von Beobachtung und Irrtum, Angst, Mut und dem Erkennen, dass nichts ist, wie es scheint.

Stephan gelingt es kunstvoll, nicht nur Zeitsprünge zu verbinden, sondern auch Klippen des Kitsches zu umschiffen, einmal haarscharf, zudem mehrere Enden unterzubringen. Jeder Strang wird zu Ende erzählt. Lücken werden durch das Kopfkino gefüllt, besonders gegen Ende eine kleine Herausforderung für die Leserschaft.

Ein Roman, der auf vergleichsweise wenigen Seiten so viel zu erzählen hat und auf mehreren Ebenen die Lesenden nachdenklich zurücklässt, dabei sprachlich schön geschrieben ist, bleibt. So wie die Wörter in Saschas Heft.

Autor:

Björn Stephan wurde 1987 in Schkeuditz geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Aufgewachsen in Schwerin, studierte er zunächst in Berlin Geschichte und Politikwissenschaft und besuchte anschließend die Henri-Nannen-Schule in Hamburg. Er schreibt für die Zeit, die Süddeutsche Zeitung, arbeitet als freier Reporter. Seine Texte und Reportagen wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Sozialpreis und dem Reporterpreis. Im Jahr 2021 erschien sein erster Roman. Der Autor lebt in München.

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Alexander Gorkow: Die Kinder hören Pink Floyd

Inhalt:

Die 70er Jahre. Eine Vorstadt. Das Westdeutschland der letzten Baulücken, der verstockten Altnazis, der gepflegten Gärten. Die Kriegskräuel sind beiseite geschoben, zum Essen geht es in den Balkan Grill, die Einbauküche daheim überzeugt durch optimale Raumnutzung. Für den 10-jährigen Jungen aber ist es eine Welt der Magie, der geheimen Kräfte, des Kampfs des Bösen gegen das Gute.

Der Leitstern des Jungen in diesem Kampf ist die große Schwester – das Kind Nr. 1 der Familie. Sie ist herzkrank und sehr lebenshungrig. Mit trockenem Humor und großer Aufsässigkeit stemmt sie sich gegen alle Bedrohungen, nicht zuletzt mithilfe der vergötterten Band Pink Flyd aus dem fernen London, den Kämpfern gegen das Establishment, deren Songs alles zum Glänzen bringen. (Inhaltsangabe des Verlags)

Rezension:

Vor einem großen Teller Leckereien zu sitzen, sich da und dort etwas herauszunehmen, zum Mund zu führen und plötzlich aus einem wunderschönen Traum geholt zu werden. Wer kennt dieses Gefühl nicht? Der Wecker holt einem zurück aus dem Schlaraffenland und daheim wartet nur der geschmacklose Kaffee und das pappige Toastbrot. Was für ein Start in den Tag. So in etwa erging es mir hier beim Lesen einer Geschichte, bei der das Positivste der Klappentext ist. Dann folgt lange nichts.

Geschichten vom Aufwachsen, von Selbstfindung, Verwirklichung, dieses Coming of Age, funktionieren an sich immer. Protagonisten aus dem Alltag gegriffen, wie Du und ich, ein wenig langweilig zwar, aber gerade das macht sie sympathisch, leben ihren Alltag und die Leserschaft begleitet sie auf ihrem Weg. Ein wenig “Stand by me” (Stephen King), ein wenig Biografie, gegossen in einem schönen Roman, der zudem ein wenig davon wiedergibt, wie die Gesellschaft, das Leben, zu jener Zeit ausgesehen hat, irgendetwas Undefinierbares, was einem beim Lesen in den Bann zieht. Solche Erzählungen machen glücklich, nachdenklich, traurig, zu weilen Spaß.

Hier hat man sie, die Protagonisten, die allesamt langweilig in einem aufregenden Jahrzehnt vor sich herleben, deren Alltag man ein Stück begleiten darf und eine Hauptfigur, die nicht weniger als das alte, oder junge, Ego des Autoren sein dürfte. Zutaten für einen Roman, die sonst immer funktionieren. Nur, hier nicht.

Die Sprache spröde, der Erzählstil sehr trocken, selbst der Titel dient nur der Einordnung im Zeitcholorit. Ersetze den Band-Namen und du weißt, in welchem Jahrzehnt der Roman spielt, was in jedem Jahr sein könnte. Passieren tut nichts. Es gibt hier keinen Dreh- und Angelpunkt, wie etwa die Mondlandung als erste, der Selbstfindungsprozess als zweite Ebene im Roman “Der Sommer meiner Mutter”, von Ulrich Woelk, der hier einmal als positives Beispiel herhalten darf. Diese Erzählung liegt bei mir schon länger zurück und ich erinnere mich an Einzelheiten, Details. Hier beginne ich schon jetzt zu verdrängen.

Der derart spröde Erzählstil macht den Eindruck nicht unbedingt besser. Man neigt dann zum Abschweifen, zum Überfliegen, zum Gähnen, verdrängt das Gelesene. Mich beschleicht das Gefühl, aus der Geschichte hätte man mehr herausholen können. Vielleicht gefällt so etwas Verlässliches aber auch vielen. Toastbrot halt. Schmeckt nach nichts, bleibt aber im Magen.

Autor:

Alexander Gorkow wurde 1966 in Düsseldorf geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Er studierte Mediävistik, Germanistik und Philosophie und war von 1995-1998 Landtagskorrespondent bei der Süddeutschen Zeitung. 2002 übernahm er deren Samstagsausgabe und ist seit 2009 Leiter der Seite Drei der SZ. Im Jahr 2003 veröffentlichte er seinen ersten Roman, 2007 den zweiten und erhielt den Deutschen Reporterpreis für seine 2012 erschienee Reportage “USA”, zusammen mit dem Fotografen Andreas Mühe.

2017 erschien sein Roman “Hotel Laguna”.

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Stephan Orth: Couchsurfing 1 – Couchsurfing im Iran

Inhalt:

Es ist offiziell verboten. Trotzdem reist Stephan Orth als Couchsurfer kreuz und quer durch den Iran, schläft auf Dutzenden von Perserteppichen, erlebt irrwitzige Abenteuer – und lernt dabei ein Land kennen, das so gar nicht zum Bild des Schurkenstaates passt. Denn die Iraner sind nicht nur Weltmeister in Sachen Gastfreundschaft, sondern auch darin, den Mullahs ein Schnippchen zu schlagen. (Klappentext)

Rezension:

In der westlichen Welt weiß man kaum mehr über den Iran als das, was die Hauptnachrichten berichten. Der Streit um die Nutzung von Kernenergie, das theokratisch-strenge Regime der Mullahs, Menschenrechtsverletzungen und das verbissene Durchsetzen streng religiös-bergündeter Vorschriften. Andere Themen kommen kaum bis gar nicht zur Sprache. Und so hat sich Stephan Orth aufgemacht in ein Land voller unbekannter Faktoren und muss gleich bei der ankunft am Flughafen erste Vorurteile revidieren. Er lässt sich auf die Menschen des Landes ein, fernab der Politik, die doch immer wieder in das Leben der Bevölkerung eingreift. Hinterverschlossenen Türen aber können die Iraner sie selbst sein. Und das ganz anders als es auf den ersten Blick scheint.

Mit “Couchsurfing im Iran” hat der Autor hier keinen politischen Lagebericht geschrieben, sondern eine vielschichtige Sammlung der Eindrücke der Menschen in diesem Land. Stephan Orth zeigt auf, was selbst in einem Land möglich ist, welches von einer brutalen menschenverachtenden Diktatur beherrscht wird und wie die Bevölkerung sich wehrt. Momentan noch passiv im Privaten, doch Orth zeigt auf, dass die Vorstellungen der Iraner irgendwann dafür sorgen können, dass sich die Situation zu ihren Gunsten ändert. Der Anfang ist bereits gemacht, in winzigen Schritten.

Stephan Orth beschreibt das Leben der Menschen dort, ihren Alltag, ihre Vorstellungen und Ideen, Gedanken und die kleinen Rebellionen des Alltags, wenn sich eine Gruppe junger Iraner ewa zu Fesselspielen trifft oder Polizisten bestochen werden, damit keine Razzia der Sittenwächter wärend einer Hochzeitsfeier stattfindet, wenn Studenten von Amerika träumen oder das Kopftuch wie zufällig ein Stück verrutscht.

Es ist hier ein wunderbar positives Buch, was für ein unscheinbares düsteres Land Interesse wecken vermag. Fernab der nüchternen politischen Berichte. Der Iran ist ein relativ junges Land, die Mehrheit der Bevölkerung ist unter 40 Jahre alt und wartet nur auf eine sichere Chance aus den Zwängen und Vorgaben auszubrechen und ihr Leben und Land zu verändern. Orth zeigt, dass die Veränderung in den Köpfen bei vielen schon längst begonnen hat. Im gesamten Iran. Ein Buch über Vorurteile, die in sich zusammenfallen, ein Buch über Kontraste und vor allem über die Menschen, ihr Leben und ihre Träume.

Autor:

Stephan Orth wurde 1979 geboren und arbeitet als Redakteur im Reiseressort bei Spiegel Online. Seit 2003 ist er bereits als Couchsurfer unterwegs, hatte Besucher aus aller Welt und traf Gastgeber in mehr als dreißig Ländern. Orth ist Autor mehrerer Bücher und Reisereportagen, die mehrfach mit dem Columbus-Preis ausgezeichnet wurden.

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