Roman

Howard Buten: Burt

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Burt Howard Buten btb Erschienen am: 01.01.1997
(antiquarisch)
Seiten: 155 ISBN: 3-442-72110-5 Übersetzerin: Christiane Buchner

Inhalt:

Burt kommt ins Heim für verhaltensgestörte Kinder, da “etwas Schreckliches” mit Jessica angestellt hat, wie der Erwachsenen sagen. Nun sitzt er im Beruhigungszimmer, da er das Bücherregal des Psychiaters umgeworfen hat, statt auf dessen Fragen zu antworten. Hier schreibt er seine Geschichte an die Wand.

Eines Tages trifft er dort einen Mann, der ihn keine quälenden Fragen stellt, der seine Ängste teilt und Verständnis für die sehnsucht des Jungen nach Jessica hat. Ganz langsam fasst Burt Vertrauen zu dem Mann, der seinen brennenden Wunsch, wie ein erwachsener Mensch behandelt zu werden, wider Erwarten ernst nimmt. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Nach dem Lesen der ersten Zeilen wird schnell, welch gewaltiges Werk hier vorliegt, mit dem der Kinderpsychiater Howart Buten größere Bekanntheit außerhalb des medizinischen Raums erlangte. Schon die ersten Worte haben es in sich, um so mehr der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte erst nach und nach enthüllt wird.

Erzählt wird sie aus Sicht des achtjährigen Hauptprotagonisten, der sich nach einem, laut der Erwachsenen, “schrecklichen Vorfalls” in einem Heim für psychisch gestörte Kinder wiederfindet und sich gegen die ablehnende Haltung des ihn behandelnden Arztes völlig verschließt. Dessen althergebrachte Methoden stoßen bei Burt an Grenzen, die nur ein jüngerer Kollege mit seiner unkonventionellen Art nach und nach aufbrechen kann. Schritt für Schritt schält sich auch für die Leser der Grund heraus, weshalb der Protagonist sich nun in dieser geschlossenen Einrichtung befindet.

Wie ich fünf war, habe ich mich umgebracht.

Howard Buten: Burt

Ein Roman wie ein Schrei ist es, den uns der Autor hier vorgelegt hat. Die Perspektive eines achtjährigen, sehr ernsten Kindes einnehmend, führt dieses die Leser durch die Geschichte. Schnell, melancholisch und verdichtet wird hier eine Coming of Age Geschichte voller Sehnsucht und Liebe, Melancholie erzählt, über das erschütterte Grundvertrauen eines kleinen Menschen in seine unmittelbare Umgebung.

Abschnittsweise wechseln hier Zeitebenen, sowie die Sichtweisen der greifbaren erwachsenen Protagonisten, hier vor allem die mit ihren Behandlungsmethoden konkurrierenden Ärzte, welche klare Sympathie- und Antipathiepole schaffen. Diese Gegensätzlichkeit nach und nach klar herauszuarbeiten, ist eine der Stärken des Autoren, der zudem eine bemerkenswerte Arbeit geschaffen hat, wenn man bedenkt, dass sich gerade erst zur Entstehungszeit des Werkes viel in der Behandlung der Kinder- und Jugendpsychiatrie begonnen hat zu verändern.

Howard Buten schafft es hier, mit Burt einen kindlichen Sympathieträger zu schaffen, der in dieser Erzählung für Erwachsene funktioniert und bleibt dabei sehr ernst seiner erfundenen Figur als auch den Lesern gegenüber. Klar und deutlich merkt man hier, dass die Erfahrungen seiner Arbeiten mit Kindern in diesem Roman eingeflossen sind, zudem welche Wirkung verschiedene Herangehensweisen haben können.

Die gesamte Handlung spielt sich schlüssig auf einer Ebene ab, zumal auch am gleichen Ort, wobei in Rückblenden wir Burts Weg Richtung Katastrophe (so die Erwachsenensicht) verfolgen können. Gleichsam tritt der Autor jedoch mit dieser Erzählung auch dafür ein, Kindern ebenso die Gefühle Erwachsener zu zu gestehen. Auch das war Anfang der 1990er Jahre, zumal im englischsprachigen Raum noch nicht weit verbreitet.

Ich habe im Schlafanzug dagestanden. Ich habe in das Zimmer von meinen Eltern geschaut, aber es war dunkel. Ich habe gehorcht, aber ich habe überhaupt nichts gehört. Und dann hab ich was gesagt, da uf dem Gang ganz leise: Ist denn da keiner?

Howard Buten: Burt

Nachhaltig beeindruckt, beinahe bedrückt geht ein Lesender aus dieser Lektüre und wird foh darüber sein, wenn auch vielleicht Burts Tat unterschiedlich gewertet wird, je nach Moralvorstellung, dass der medizinisch psycholgische Ansatz heute ein anderer ist als noch vor ein paar Jahrzehnten.

Wenn das ein Punkt ist, und wenn Buten es schafft, für Kinder wie Burt eine basis des Verständnisses zu schaffen, wenigstens ihnen zuhören zu können, dann ist schon viel gewonnen. In diesem Sinne auch heute noch eine brandaktuelle Lektüre. Für alle anderen ein sehr bewegender Roman.

Autor:

Howard Buten wurde 1950 in Detrot, Michigan, geboren und ist ein amerikanischer Autor. Als Psychologe arbeitete er lange mit autistischen Kindern, zudem betätigt er sich auch als Clown und schriftsteller. Sein erstes Buch wurde 1981 geboren und 1994 verfilmt. Ende der 1990er jahre wurde sein Werk schließlich auch ins Deutsche übersetzt. als Therapeut und klinischer Psychologe arbeitet er in Frankreich, wo auch die meisten seiner Werke erschienen. Seine Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet.

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Ulrike Ulrich: Während wir feiern

Während wir feiern Book Cover
Während wir feiern Ulrike Ulrich Piper/Berlin Verlag Erschienen am: 06.07.2020 Seiten: 272 ISBN: 978-3-8270-1408-5

Inhalt:

Ein einziger Tag. Symbolisch aufgeladen. Während die einen feiern, kämpfen andere um die Existenz. In ihrem kaleidoskopartig aufgebauten Roman erzählt Ulrike Ulrich klug, anspielungsreich und mit großem Witz von dem, was hier und jetzt passiert, und davon wie auch kleine Entscheidungen unsere Leben und die der anderen beeinflussen. (Klappentext)

Rezension:

Wie in jedem Jahr feiert die deutsche Sängerin Alexa am Abend des Schweizer Nationalfeiertages ihren Geburtstag mit einer Dachparty, leider noch ohne Einbürgerungsbescheid. Doch, in diesem Jahr scheinen sich die Ereignisse schon vorher zusammen zu brauen und schließlich zu überschlagen.

So beginnt der zunächst ruhig erscheinende Roman, der quasi einer Zustandsbeschreibung der in die Schweiz Eingewanderten gleicht und das nicht zu knapp. Einwanderung, Einbürgerung, Heimat ist das große Thema, Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Ulrike Ulrich legt mit klaren Worten den Finger in die Wunde der Diskussion, zeigt die Ungleichbehandlung verschiedener Suchender auf und verwebt die Handlungsstränge bis hin zu einem großen Finale.

Sprachlich fein gearbeitet, wechseln sich schnelle stakkatohafte Sätze mit langsamen beschaulichen Abschnitten ab, die im Perspektivwechsel die Geschichte um Alexa und ihres Bekanntenkreises erzählen. Die Hauptprotagonisten sind vielschichtig ausgearbeitet, mit all ihren Grautönen und Problemen, die nicht zu kurz abgehandelt werden und doch die Lesenden nicht über Gebühr strapazieren.

Aufhänger dabei ist das traditionelle Guggisberglied, ein Schweizer Volkslied, welches das Thema des sich stetig drehenden Mühlrads zum Ausdruck bringt, welches sich wiederum auf die einzelnen Handlungsstränge übertragen lässt.

Interpretation des Guggisberglieds von Stephan Eichner.

Eigentlich hat er am meisten Angst davor, dass es wächst, wenn er davon spricht. Dass es größer wird. Und es könnte gut sein, dass sie es größer machen wird. Dass ihr Blick, ihre Fragen, ihre Art, damit umzugehen, dazu beitragen werden, dass er es nicht mehr kontrollieren kann. Und was dann?

Aus Ulrike Ulrich “Während wir feiern”, Berlin Verlag, 272 Seiten, ISBN: 978-3-8270-1408-5.

Der Roman selbst ist durch Absätze und Leerzeilen, Perspektivwechsel gegliedert, lässt sich so auch ohne Kapiteleinteilung leicht in kurze Abschnitte gliedern und leicht lesen. Zwar wechseln sich schnell und langsam zu lesende Abschnitte ab, dies passt jedoch zu den jeweilig erzählenden Protagonisten. Deren Handlungsstränge bauen logisch aufeinander auf, laufen erst getrennt und werden nach und nach verknüpft.

Ulrike Ulrich lässt Welten und Sichtweisen aufeinander prallen, zeigt, wie unsere Entscheidungen das Leben anderer Personen beeinflusst und dass jede Feier zu einem “Tanz auf den Vulkan” werden kann, zumal man die Gedanken der Hauptprotagonistin ganz leicht auf die Autorin selbst übertragen kann. Ähnlicher Hintergrund, Migrationsgeschichte, Sozialisierung.

Der Erzählstil lässt dies vermuten, auch ihre gegenteiligen Ansichten zu den rechten Rändern der Gesellschaft, die es auch in der Schweiz mit ihrer direkten Demokratie gibt. So ist dieser Roman ein Stück Literatur, welches die Frage in den Mittelpunkt stellt, welche Entscheidungen wir treffen wollen und warum, mit der Aufforderung den Einfluss dieser auf andere Leben zu überdenken und zu hinterfragen.

Wer nicht so weit denkt, findet dabei immer noch eine schöne, lesenswerte Geschichte, im heutigen Zürich spielend. Und das soll ja nicht unansehlich sein.

Autorin:

Ulrike Ulrich wurde 1968 in Düsseldorf geboren und ist eine schweizerisch-deutsche Schriftstellerin. Zunächst studierte sie Germanistik, Kunstgeschichte und Kommunikationswissenschaft, bevor sie im Bereich Kommunikationslinguistik arbeitete. Nach Aufenthalt in Wien, lebt sie seit 2004 in Zürich. Sie schreibt Prosa, Lyrik, Drehbücher, Kolumnen und Hörspiele, ist zudem als Herausgeberin für Anthologien tätig.

Die Autorin, die 2004 ihr erstes Buch veröffentlichte, ist Mitglied des Schriftstellerverbandes “Autorinnen und Autoren der Schweiz”, sowie des Deutschschweizer PEN-Zentrums. Ulrichs Werke wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit den Walter-Serner-Preis im Jahr 2010.

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Chris McGeorge: Der Tunnel

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Der Tunnel – Nur Einer kommt zurück Chris McGeorge Droemer Knaur Erschienen am: 04.05.2020 Seiten: 346 ISBN: 978-3-426-22709-1 Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet

Inhalt:

Sechs junge Leute, seit Jahren beste Freunde, fahren mit dem Boot in Englands längsten Kanaltunnel – ein Abenteuer in beklemmender Dunkelheit. Als das Boot am anderen Ende des Tunnels wieder auftaucht, sind fünf der Freunde spurlos verschwunden. Der sechste, Matthew, ist bewusstlos. er beteuert seine Unschuld, ist aber der einzige Verdächtige in diesem mysteriösen Fall, bei dem sich die Presse erstaunlich bedeckt hält. Was ist während der Fahrt geschehen? (Klappentext)

Rezension:

Beklommenheit breitet sich in denen aus, die eine Fahrt unterhalb des Penninengebirges wagen, von Masden nach Diggle im nördlichen England. Dort befinden sich die Standedge-Tunnels, eine wagemutige Leistung britischer Ingenieurskunst, die den Transport von Waren und Menschen in der Region vereinfachen sollte. Doch, was ist, wenn in den zum teil stillgelegten Röhrren plötzlich Menschen verschwinden? Nun hat der englische Autor Chris McGeorge diesen Gedanken heraus einen düsteren Thriller gestrickt.

Aus der Perspektive des mittelmäßig erfolgreichen Autoren Robin Ferringham wird die Geschichte erzählt, derer eine reale geografische Situation zugrunde liegt. Robin Ferringham, gerade dabei, wenig erfolgreich das spurlose Verschwinden seiner Frau zu verarbeiten, erhält einen mysteriösen Anruf aus einem Gefängnis im nördlichen England.

Am anderen Ende der leitung, ein des Mordes an fünf Menschen Verdächtiger, der behauptet Informationen zu den Vorfall zu besitzen, der Robins Leben auf ewig veränderte und nebenbei unschuldig zu sein, an dessen, was man ihm vorwirft.Ttrotz aller Zweifel begibt sich der Protagonist nach Masden und entdeckt nicht nur die verstörenden Tunnel und eine trauernde Dorfgemeinschaft, wird jedoch bald selbst Teil eines mörderischen Spiels.

Die große Zeit englische Kriminalliteratur ist vorbei, möchte man meinen, jedenfalls wenn man diese Art von Literatur sich zu Gemüte führt. Tatsächlich hat der zunächst spannend und auf realen Gegebenheiten aufgebaute Thriller so einige Schwächen, die die positiven Seiten schnell in den Hintergrund rücken.

Die realen Gegebenheiten bieten zunächst eine Steilvorlage für hochspannende Storys, die man praktisch nur noch einfügen muss, sind dabei noch die Protagonisten und ihre Motive detailreich ausgearbeitet, würde ein solches Werk funktionieren. Die Hauptprotagonisten hier sind anfangs farblos, hier hat der Autor jedoch im Laufe des schreibens nachgebessert, für die imens wichtigen Nebencharaktere gilt dies jedoch nicht. So richtig klar wird bis zum Ende weder Motiv noch sonstiger Beweggrund, auch der Rätselfaktor bleibt nicht durchgehend bis zum Ende erhalten. Ein netter Versuch.

Pluspunkte Chris McGeorges sind Schreib- und Erzählstil, denn dies kann der Autor, wenn auch der Spannungsbogen hin und wieder gibt, doch hin und wieder gibt. “Der Tunnel”, lässt sich fließend lesen, kommt mit kurzen, dicht aufeinander folgenden Kapiteln daher. Nicht auf der Habenseite ist jedoch die Tatsache, dass die reale Geschichte der Tunnel interessanter wirkt, als die herumgewobene Geschichte.

Zudem wirkt zu oft das Konstrukt wie ein bleiender Mehltau, der bereits mehrfach erzählt wurde. Auch kann man hier kein einheitliches Tempo erkennen. Entweder man baut die Handlung in immer schneller aufeinander folgenden Schritten auf, bleibt in einer gemächlichen Schrittfolge oder erzählt rasant. Hier jedoch gibt es mehrere Brüche, die man selbst als ungeübter Krimileser merkt und Übergänge, die nicht gerade als nahtlos zu bezeichnen sind.

Die Bezeichnung Thriller ist eine Entscheidung, die man treffen kann. Für mich ist es jedoch ein klassisch ortsgebundener Krimi, der es nicht für geübte Leser schafft, sich aus der schieren Masse an Büchern gleicher Art herauszuheben. Wer relativ selten in diesem Genre liest, mag Chris McGeorges Geschichte mit Gewinn sich zu Gemüte führen. Alle anderen sollten es sich überlegen. Hier ist eher auf folgende Werke von Chris McGeorge zu hoffen.

Autor:

Chris McGeorge öebt in Durham und studierte Kreatives Schreiben an der City University of London. Er ist Teil einer Amateurtheatergruppe. Vorbilder sind Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle.

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James Gould-Bourn: Pandatage

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Pandatage James Gould-Bourn Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 02.05.2020 Seiten: 382 ISBN: 978-3-462-05364-7 Übersetzer: Stephan Kleiner

Inhalt:

Danny Maloony hat es schwer. Ein Glückspilz war er noch nie, aber seitdem seine Frau vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, läuft gar nichts mehr glatt.

Sein Sohn Will hat aufgehört zu sprechen, Danny verliert den Job, und als ihm auch noch sein Vermieter mit Rausschmiss droht, kauft er von seinem letzten Geld ein Pandakostüm, um als Tanzbär Geld zu verdienen. Doch tanzen kann er leider auch nicht… (Klappentext)

Rezension:

Dass auch eine grobe Schreibarbeit zu einer wundervollen und berührenden Geschichte führen kann, beweist James Gould-Bourn, der mit seinem Debütroman “Pandatage” eine einfühlsame Erzählung zu Papier gebracht hat. Hauptprotagonist ist der alleinerziehende Danny Maloony, der mit Haushalt, traumatisierten Sohn und seiner eigenen Trauer zu kämpfen hat, nachdem seine Frau bei einem Unfall ums Leben gekommen ist.

Seit dem scheint ihm nichts mehr zu gelingen. Von einem auf den anderen Tag steht der Bauarbeiter beinahe vor dem Nichts. Auf der anderen Seite sein Sohn Will, der ebenso trauert, nicht mehr spricht, in der Schule zum Punchingball der Klassenschläger geworden ist, sich emotional immer mehr von Danny entfernt. Danny sieht in einem Pandakostüm schließlich die Chance auf bessere Tage. Doch, auch das erweist sich als einfacher als gedacht.

Nicht gerade fein ausgearbeitet ist diese Erzählung einer Vater-Sohn-Geschichte, tatsächlich ist der Schreibstil eher platt, die Protagonisten bis auf die beiden Hauptcharaktere sehr einseitig konstruiert und auch der Humor dürfte nicht jedermanns Sache sein. Dennoch hat James Gould-Bourn eine Geschichte geschrieben, die zu berühren mag. In ihrer Gesamtheit ist sie stimmig.

Das war Pandamonium!

James Gould-Bourn: Pandatage, Roman von Kiepenheuer & Witsch.

Das Klischee, dass sonst immer, wenn von Alleinerziehenden die Rede ist, von einer Mutter-Kind-Beziehung gesprochen wird, wird aufgebrochen, stehen doch Männer in dieser Situation vor den gleichen Problemen, auch der Umgang mit Trauer ist hier sehr schön dargestellt, zudem welche Bedeutung Menschen haben, die einfühlsam für einem auch in schlechten Zeiten da sind.

Der Humor des Autors ist speziell, wer sich jedoch darauf einlässt, entdeckt einen nachdenklich schwermütigen Roman, der immer genau dann aufgebrochen wird, wenn den Lesern die Last der Protagonisten förmlich zu erdrücken droht.

Ich wünschte, ich wäre gestorben, mit Mum zusammen, weil ich lieber tot wäre, als allein mit dir zu sein.

James Gould-Bourn: Pandatage. Roman von Kiepenheuer & Witsch.

Das wäre wiederum feinfühlig.

Die Stärke dieser Schreibarbeit liegt hier eindeutig im Beginn und Mittelteil. Der Schluss ist fast zu schnell erzählt. Hier hätte etwas mehr Ausgestaltung der Geschichte gut getan und nur mit den Blick, dass es praktisch egal sein kann, wie man sein Geld verdient, kann man die Auflösung gelten lassen. In der Realität halte ich das für schwierig.

Der Wortwitz und die Protagonisten, die man von der ersten Seite an liebgewinnt, machen “Pandatage” zu einem lesenswerten Roman über Trauer, familie, Freundschaft, Glauben und Zuversicht, der in seiner Gesamtheit ein stimmiges Bild abgibt und funktioniert, da James Gould-Bourn diesen Stil von Beginn bis zum Ende durchhält.

Kurzweilige, flüssig zu lesende Kapitel aus wechselnder Perspektive, zeigen was möglich und dass es durchaus richtig ist, an “Pandatage” zu glauben. Eine lesenswerte Erzählung in Pandakostüm.

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Katja Brandis: Woodwalkers 6 – Tag der Rache

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Tag der Rache Reihe: Woodwalkers – 6 Kinderbuch Arena Verlag Hardcover Seiten: 341 ISBN: 978-3-401-60397-1

Inhalt:

Es ist so weit! In den Rocky Mountains beginnt der Sommer und mit ihm die Abschlussprüfungen für Carag.

Doch das Lernen fällt dem Pumajungen schwer, denn Millings Großer Tag der Rache steht unmittelbar bevor. Verzweifelt versuchen Carag und seine Freunde, die Menschen vor Millings Verbündeten zu schützen. Schnell steht für Carag, seine Menschenfamilie und die Clearwater Hogh alles auf dem Spiel. Wird es den Verteidigern gelingen, rechtzeitig hinter Millings Geheimnis zu kommen und die gefährlichen Gegner zu stoppen? (Klappentext)

Reihenfolge der Reihe:

Woodwalkers 1 – Carags Verwandlung

Woodwalkers 2 – Gefährliche Freundschaft

Woodwalkers 3 – Hollys Geheimnis

Woodwalkers 4 – Fremde Wildnis

Woodwalkers 5 – Feindliche Spuren

Woodwalkers 6 – Tag der Rache

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Rezension:

Fernab aller Gender-Debatten muss man in den Regalen der Buchhandlungen so manches Mal suchen, wenn man gute Bücher, Romane für Jungen finden möchte.

Zwar gibt es auch in diesem Bereich immer mehr, aber gefühlt gegenüber der für die Zielgruppe der Leserinnen ausgelegte Literatur immer noch zu wenig und so stechen neue Buchreihen, wie die „Woodwalkers“ der Münchener Autorin Katja Brandis wohlwollend heraus. Davon abgesehen können sie natürlich dennoch von beiden Geschlechtern gelesen werden.

„Woodwalkers – Der Tag der Rache“, ist der Finalband dieser abenteuer- und actiongeladenen Serie, in der die jungen Gestaltwandler, Carag und seine Freunde, nicht nur den Abschlussprüfungen des Jahrgangs entgegen bibbern, sondern sich zudem auf den kommenden Schlag ihres Erzfeindes Andrew Milling vorbereiten müssen.

Mehr sei vom Inhalt kaum verraten, nur, dass es auch hier wieder zu dramatischen Entwicklungen und Wendungen kommt, die so einige Stunden fesselnden Lesestoff versprechen. Der über die Bände hinweg kontinuierlich aufgebaute und konsequent gehaltene Spannungsbogen, aus der Ich-Perspektive Carags erzählt, die feinen Charakterzeichnungen, die sich hier als durchaus wandlungsfähig, nicht nur im Sinne ihrer zwei Gestalten, zeigen, tun ihr übriges, um als runde Sache gelten zu können.

Carag, Holly, Brandon und die anderen sind den Lesern ans Herz gewachsen und so fern man gerade nicht altersgemäß zur Zielgruppe gehört, ahnt man während des Lesens zwar, wohin das alles führen und wie die Geschichte enden wird, für die jüngere Leserschaft aber, ist es ein Lesegenuss ohne geringste Abstriche.

Gestützt auf die Legenden der amerikanischen Urvölker, hat die Autorin hier kunstvoll die Idee der Gestaltwandler augfgegriffen, so dass man zwangsläufig die Welt Carags und seiner Freunde liebgewonnen hat. Wer darin noch ein wenig verweilen möchte, kann mitgewachsen, dies in der demnächst erscheinenden Jugendbuchreihe „Seawalkers“, es wird nass, tun.

Alles in allem hat mich diese Reihe von Anfang an überzeugt. Besonders auffällig ist hier vielleicht zu erwähnen, dass an sich keiner der Zwischenbände schwächelt und man nicht mit dem Gefühl zurückgelassen wird, dass irgendetwas fehlen würde.

Ohne erhobenen Zeigefinger hat die Münchener Autorin Themen wie Charaktereigenschaften verarbeitet und gezeigt, dass auch gerade auf den deutschen Kinderbuchmarkt sich Perlen verstecken können, die mitunter auch über Altersgrenzen hinweg funktionieren.

Es hat Spaß gemacht, den Weg Carags auf Puma- und anderen Fährten zu folgen, von denen man nach diesem letzten Band gerne Abschied nimmt. Wer die Autorin bis dato nicht auf den Schirm hatte, sowie ihre zahlreichen Pseudonyme, der sollte dies spätestens mit diesen Band. Davon abgesehen lohnt es sich vielleicht, sein Haustier mal etwas genauer zu beobachten. Vielleicht ist das ja mehr Mensch als man denkt.

Autorin:

Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und drei Katzen in der Nähe von München.

katja-brandis.de/biografie

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Katja Brandis: Woodwalkers 5 – Feindliche Spuren

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Feindliche Spuren Reihe: Woodwalkers – 5 Kinderbuch Arena Verlag Hardcover Seiten: 314 ISBN: 978-3-401-60380-3

Inhalt:

Zurück an der Clearwater High wartet ein neues Abenteuer auf Carag: Das Berufspraktikum geht los und der Pumajunge schließt sich einem Ranger an. Dabei haben er und seine Freunde gerade eigentlich ganz andere Sorgen. Ihr Widersacher Andrew Milling und seine Anhänger planen einen Großen Tag der Rache und schaden den Menschen schon jetzt, wo sie nur können.

Um Schlimmeres zu verhindern, gründen Carag und seine Freunde den Secret-Ranger-Club. Aberkönnen sie Milling so wirklich aufhalten? Und wo steckt eigentlich Frankie? (Klappentext)

Reihenfolge der Reihe:

Woodwalkers 1 – Carags Verwandlung

Woodwalkers 2 – Gefährliche Freundschaft

Woodwalkers 3 – Hollys Geheimnis

Woodwalkers 4 – Fremde Wildnis

Woodwalkers 5 – Feindliche Spuren

Woodwalkers 6 – Tag der Rache

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Rezension:

Kaum den letzten Kampf einigermaßen überstanden, in Zuge dessen Carags Freund, der Otter-Gestaltwandler Frankie spurlos verschwunden ist, haben die jungen Wandler kaum Zeit zum atmen. Nicht nur, dass der Gegenbesuch aus Costa Rica sich ankündigt und promt für einige Aufregung sorgt, auch in der näheren Umgebung stehen die Zeichen auf Sturm.

Überall gibt es plötzlich Sabotageakte gegen die Menschen und auch das näherrückende Berufspraktikum bereitet den Gestaltwandlern Kopfzerberechen. Dazu schwebt über Carags Kopf das Damoklesschwert der Aussprache mit seinen Pflegeeltern und irgendwo ist auch noch sein Gegenspieler Andrew Milling, der immer mehr an Einfluss und Macht zu gewinnen scheint. Ein ruhiges Schülerleben ist irgendwie anders.

Dies ist der Auftakt zum großem Finale der Woodwalker-Reihe von Katja Brandis, der wieder einmal zeigt, dass auch Kinderbücher durchaus spannend und vor allem gut unterhalten können. Detailliert entwickelte Charaktere, die auch in den fortgesetzten Bänden für Überraschungen gut sind, treffen hier aufeinander.

Schön auch, dass diese langsam mit ihren jungen Lesern mitwachsen. Und so schlägt sich Carag eben nicht nur von Abenteuer zu Abenteuer, sondern steht plötzlich auch vor sehr privaten Fragen und Entscheidungen, die den erwachsenen Lesern ein Schmunzeln abverlangen dürften, ziemlich nah aber an der Zielgruppe sein dürften.

Das ist amüsant zu lesen, zumal die Autorin auch in diesem Band ihr Leserpublikum durchgehend ernst nimmt.

Wunderschöne klare Sprache, versetzt mit so tollen Ausrücken wie „Eulendreck!“, verpackt in sehr kurze Kapitel mit zahlreichen Cliffhangern, aufgelockert durch die sehr schönen Zeichnungen von Claudia Carls, macht diese Reihe auch mit den vorliegenden Band zu einem Kleinod im Kinderbuchregal.

Man merkt, dass die Autorin ihr Manuskript niemand Geringeren als den eigenen Sohn zum Lesen gegeben und der Arena-Verlag hierbei ein ebenso glückliches Händchen bewiesen hat. Da freut man sich doch auf die Fortsetzung, die nur nicht mit der höchsten Punktzahl bewertet wird, da ich hier noch Luft nach Oben lassen möchte.

Schließlich wird noch ein Band geschrieben und gerüchteweise wird es vielleicht auch ein Sequel zur Reihe geben. Wer weiß das schon?

Mir hat es außerordentlich gut gefallen und solche Bücher sind überhaupt der Grund, weshalb sich auch als Erwachsener ein Blick in die Kinderecke der Buchläden lohnt. Eltern haben hier eine spannende und altersgerechte geschichte zum Vor- und Mitlesen, der Verlag damit sicher einen Fuß vor allem in die Zimmer von Jungen, die statistisch weniger als Mädchen lesen und für Bücher schwerer zu begeistern sind.

Nichts destotrotz haben natürlich auch Mädchen genug Identifikationsfiguren unter den Woodwalkers“, derem spannenden Finale entgegengefiebert werden darf.

Autorin:

Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und drei Katzen in der Nähe von München.

katja-brandis.de/biografie

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Katja Brandis: Woodwalkers 1 – Carags Verwandlung

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Carags Verwandlung Reihe: Woodwalkers – 1 Kinderbuch Arena Verlag Hardcover Seiten: 268 ISBN: 978-3-401-60196-0

Inhalt:

Auf den ersten Blick sieht Carag aus wie ein normaler Junge. Doch hinter seinen leuchtenden Augen verbirgt sich ein Geheimnis: Carag ist ein Gestaltwandler. Aufgewachsen als Berglöwe in den Wäldern lebt er erst seit Kurzem in der Menschenwelt. Das neue Leben ist für ihn so fremd wie faszinierend.

Doch erst als Carag von der Clearwater High erfährt, einem Internat für Woodwalker wie ihn, verspürt er ein Gefühl von Heimat. In Holly, einem frechen Rothörnchen, und Brandon, einem schüchternen Bison, findet er Freunde. Und die kann Carag gut gebrauchen – denn sein neues Leben steckt voller Gefahren … (Verlagstext)

Reihenfolge der Reihe:

Woodwalkers 1 – Carags Verwandlung

Woodwalkers 2 – Gefährliche Freundschaft

Woodwalkers 3 – Hollys Geheimnis

Woodwalkers 4 – Fremde Wildnis

Woodwalkers 5 – Feindliche Spuren

Woodwalkers 6 – Tag der Rache

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Rezension:

Gute Bücher für Jungen gibt es inzwischen mehrere, doch sind es noch zu wenig. Um so erfreulicher ist es, dass der Arena-Verlag nun mit “Woodwalkers” gleich eine Reihe veröffentlicht, zudem einer deutschen Autorin die Chance gibt, diese Nische zu betreten. Und das ist Katja Brandis mit “Woodwalkers” hervorragend gelungen.

Der Auftakt der Geschichte, der Protagonist hin- und hergerissen zwischen den Welten, muss sich entscheiden und bringt damit ein Stein ins Rollen, der die Leser fesseln und bis zur letzten Seite halten wird. Ein Kinderbuch mit einer gut erzählten, ernsten aber auch wunderschönen Erzählung, lieben doch alle Kinder Tiere. Doch, worum geht es?

Carag ist dreizehn Jahre alt und auf den ersten Blick ein typischer Junge. Wirre braune Haare, klare Augen und sportlich lebt er, seit er bei einer Polizeistation aufgetaucht ist und vorgibt, sich an seine Vergangenheit nicht zu errinnern, bei einer Pflegefamilie.

Die ahnt natürlich nicht, dass mit dem Gedächtnis von “Jay”, wie sie ihn nennen, alles in bester Ordnung ist und sich einen Puma ins Haus geholt haben. Denn auch das ist Carag. Ein Gestaltswandler, zwischen den Welten, der sich für die der Menschen entschieden hat, später aber feststellen muss, dass doch nicht alles Gold ist, was glänzt.

Erst, als er von einem Internat erfährt, in dem auch andere Gestaltwandler leben und unterrichtet werden, wird er heimisch und findet Freude. Ein Rothörnchen namens Holly und Brandon, ein schüchterner Bison. Und die braucht er auch. Denn mit dem ersten Tag auf der neuen Schule hat er nicht nur Freunde, denn von Anfang an hat er gefährliche Gönner und noch gefährlichere Feinde.

Spannung von Beginn bis zur letzten Seite. Dies ist Katja Brandis hervorragend gelungen. Ein Kinderbuch, was mehrere Themen sinn- und phantasievoll verknüpft, dabei weder oberlehrerhaft, noch gewollt witzig rüber kommt und man auch noch als Erwachsener Spaß hat, darin zu lesen.

Um so mehr freut es, dass dies nur der Auftakt ist und die Geschichte um die Woodwalkers weiter erzählt wird. Eine Reihe, die es sich lohnt, verfolgt zu werden. Vom stimmig gestalteten Cover bis hin zu den Illustrationen in den Büchern und einer Geschichte, die begeistert, hat dieses Buch alles. Nur eine Frage muss der Leser sich selbst beantworten. Welches Tier bist du?

Autorin:

Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und drei Katzen in der Nähe von München.

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Autoreninterview mit Katja Brandis: hier klicken

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Stephen King: Das Institut

Das Institut Book Cover
Das Institut Stephen King Heyne Erschienen am: 09.09.2019 Seiten: 768
ISBN: 978-3-453-27237-8
Übersetzer:
Bernhard Kleinschmidt

Inhalt:

Der Spielplatz war von einem mindestens drei Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben. An zwei Ecken sah Luke Kameras. Sie waren so verstaubt, dass sie wahrscheinlich lange nicht gereinigt wurden. Hinter dem Zaun war nichts als Wald, meistens Tannen…

Was immer das Institut darstellte, es stand also inmitten eines alten Waldes, inmitten von nirgendwo. Was den Spielplatz anging, war Lukes erster Gedanke: Wenn es einen Gefängnishof für Kinder im Alter von sechs bis sechszehn gäbe, dann sähe der exakt so aus. (Klappentext)

Rezension:

Es ist die Geschichte, die man vom amerikanischen Großmeister des Horrors erwartet und dennoch enthält “Das Institut” für seine Leser wieder Überraschungen bereit, die einem erstaunen und erschaudern lassen. Zunächst jedoch setzt Stephen King auf ein altes funktionierendes Rezept, eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen als Protagonisten als Sympathiefiguren in Szene zu setzen und strickt eine phantastische Coming-of-Age-Geschichte, wie es die Spezialität des Autoren von “Es” oder der Novelle “Die Leiche” (“Stand by me”) geworden ist.

Im Zentrum des Ganzen, Luke Ellis, ein zwölfjähriger Junge, hochintelligent, der bereits die Zulassung für zwei amerikanische Universitäten in der Tasche hat und eines Nachts entführt und in eine mysteriöse Einrichtung verbracht wird, wo er zusammen mit anderen Kindern grausame Tests durchlaufen muss. Wozu ist zunächst nicht klar, doch der Junge merkt bald, dass nach einer gewissen Anzahl von Untersuchungen Kinder verschwinden und nicht mehr zurückkehren. Ihm wird klar, dass er fliehen muss. Doch, dies ist bisher niemanden gelungen.

“Meinst du, unser Erinnerungsvermögen ist ein Segen oder ein Fluch?”

Luke Ellis, Hauptprotagonist von “Das Institut”.

Der zweite Hauptstrang dieser sich mit zunehmender Seitenzahl immer rasanter gestaltenden Erzählung, geht es um Tim, einen ehemaligen Polizisten, der als eine Art Nachtwächter in einem verschlafenen Nest anheuert, um mit der Vergangenheit abzuschließen und sich neu zu orientieren. Später führen beide Handlungsstränge zusammen, zu einem fulminanten Showdown, dessen Ausgang hier nicht verraten werden soll.

Stephen King gelingt es hier, zwei sympathische Hauptprotagonisten zu schaffen, die zunächst alleine und später gemeinsam sich gegen das Böse stellen müssen. Was das ist und wozu dies dient, ist zu Beginn nicht klar, spielt jedoch auch keine Rolle, doch hat der Autor genügend Material zu einer Erzählung zusammen verflochten, was zeigt, wozu dieser eigentlich fähig ist.

Verschwörungstheorien, die bröckelnde Fassade amerikanischer Kleinstädte, der Hillbilly-Faktor, der die Atmosphäre schafft und eine Gruppe von Kindern, die in einem besonderen Moment zu ungewöhnlichen Mitteln greifen müssen, um nicht nur sich zu retten. Daraus ist eine interessante und vielschichtige Geschichte entstanden, die einem kaum loslässt. Keine Seite ist hier zu viel oder zu wenig geschrieben worden.

Doppelperspektisch erzählt, lullt Stephen King seine Leser zunächst ein, um Zeile zu Zeile Horrorelemente einfließen und wirken zu lassen, wenn gleich sich solche Elemente im Gegensatz zu anderen Werken von ihm wohl in Grenzen halten. Eine schlüssige Handlung ist es, welche diesen Pageturner auszeichnet, wo auch Wendungen gelingen, an denen andere Schriftsteller scheitern würden. Zudem ist auch die Handlung der Gegenseite verständlich und nachvollziehbar aufgebaut.

Der Autor, dessen Geschichte vielleicht etwas zu sehr amerikanische Elemente verpackt, hat hier ein Meisterwerk geschaffen, welches ein wenig unter dem Handwerk des Übersetzens zu leiden hatte. Hätte es Verlag und Übersetzer ein Bein abgebrochen, als Fußnote Begriffe wie “Nachtklopfer” zu erklären?

Nur die wenigsten Leser außerhalb Amerikas dürften damit etwas anzufangen wissen. Zur Information, damit ist eine Position etwas unterhalb eines Nachtwächters gemeint. So etwas sorgt für Atmosphäre, stört jedoch ein wenig beim Lesefluss.

Kurzatmig, folgeschnell ist die Handlung, die mit zunehmender Seitenzahl an Tempo gewinnt und eine Sogwirkung zeigt, derer man sich kaum zu entziehen weiß. Stephen King verlässt sich darauf jedoch nicht allein, sondern schafft ein Gedankenkonstrukt zwischen amerikanischer Einöde und Verschwörungstheorien, die einem die Schauer den Rücken hinunterlaufen lassen.

Der Autor zeigt damit, dass er immer noch in der Lage ist, eine grandiose Geschichte zu schreiben. Ich würde sogar soweit gehen, “Das Institut” eine moderne Version von “Es” zu nennen, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Querverweise zu anderen Werken von King nicht ausgenommen, wobei jetzt keine Kenntnisnahme notwendig ist, um in die Ungeheuerlichkeiten dieses Romans abzutauchen.

Der Großmeister des amerikanischen Horrors mit einer Geschichte wie “Es” und einem zwölfjährigen Protagonisten, der über sich hinauswachsen muss. Ungeachtet des Mikros und der kleinen Kamera da drüben an der Wand lohnt es sich, diese zu verfolgen.

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Autor:

Stephen Edwin King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Unter verschiedenen Pseudonymen und unter seinem eigenen Namen verfasste er vor allem Horror-Literatur, aber auch zahlreiche Kurzromane.

Seine Bücher wurden in über 50 Sprachen übersetzt, womit King zu den meistgelesenen und kommerziell erfolgreichsten Autoren der Gegenwart zählt. Nach der Schule studierte er Englisch, unterrichtete in diesem Fach und arbeitete in verschiedenen Berufen, bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte. Sein Werk „Carrie“ erschien 1974 in deutscher Übersetzung als erstes Werk von King. Zahlreiche seiner Werke wurden verfilmt.

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Bücher gegen das Vergessen #04

Bücher gegen das Vergessen sollen uns geschichtliche Ereignisse vor Augen führen, für die wir nicht unbedingt die Verantwortung tragen, aber dennoch verantwortlich sind, sie nicht zu vergessen. Abseits von Rezensionen soll hier eine Auswahl vorgestellt werden.

Takis Würger: Stella

Das Literatur heute noch großflächig wirken kann, zeigt sich immer dann, wenn wieder einmal ein Werk erscheint, welches die Emotionen kochen lässt. Nichts anderes passierte, als der Hanser Verlag den vorliegenden Roman von Takis Würger veröffentlichte. Man hätte meinen können, ein Beben wäre durch die Landschaft der gedruckten Wörter gegangen. Viele reißerische Artikel und Beiträge sind erschienen, ob der fiktionalen Verarbeitung eines grausamen historischen Geschehens.

Grundlage von “Stella” ist die Geschichte von Stella Goldschlag, die im Berlin des Nationalsozialismus durch die Gestapo gezwungen wurde, als Jüdin andere Juden aufzuspüren und sie zu verraten. Um ihre Eltern zu retten, schließlich auch, um sich selbst am Leben zu erhalten und weil sie keinen Ausweg mehr aus diesem Teufelskreis sah. Über hundert Menschen soll die echte Stella, deren Ruf als “blondes Gift” unter den sich versteckenden Juden Berlins bald die Runde machte, so verraten haben. Traurig und erschreckend zugleich.

Takis Würger “Stella”
Hanser Verlag,
221 Seiten, Hardcover,
ISBN: 978-3-446-25993-5

Was nun diesen Roman so besonders macht, ist die fiktionale Verarbeitung des schon für sich unglaublichen Stoffes, in Verbindung mit einer Liebesgeschichte. Darf man das? Die historische Wahrheit so verändern, dass man teilweise Sympathie für jemanden empfindet, der so viele Leben auf dem Gewissen hat, dass einem die Galle hochkommen müsste?

Ich war skeptisch.

Zuerst hatte ich das Buch von Peter Wyden, Sachbuch wohlgemerkt, gelesen, welches in den 1990er Jahren erschien und dann lange Zeit vergriffen war. Selbst die englische Ausgabe konnte man teilweise nur zu Mondpreisen erwerben, doch kaum hatte Takis Würger vorgelegt, stieg auch das Interesse an der Hintergrundgeschichte, so wurde das Buch im Steidl Verlag neu aufgelegt.

Abgesehen davon, dass der Verlag die Chance hat verstreichen lassen, das Sachbuch des mittlerweile verstorbenen Autoren auf der Leipziger Buchmesse parallel zu Würgers Roman vorzustellen, war dies ein erschreckend erzähltes Stück Geschichte mit der Frage, wie weit würde man gehen, wenn man seine liebsten Vertrauten und sich selbst am Leben erhalten möchte? Was tun, wenn die Grenze einmal überschritten ist?

Ich war in diese Stadt gekommen, weil ich dachte, es sei wichtig, dass ich die Gerüchte von der Wahrheit trenne, und jetzt floh ich vor ihr.

Der Hauptprotagonist in Takis Würgers Roman “Stella”.

Peter Wyden, einst Mitschüler Stellas, interviewte sie Jahre nach dem Krieg. Immer wieder ging er der Frage nach, wie passieren konnte, was nicht hätte passieren dürfen. Warum lieferte Stella so viele Juden an die Gestapo aus, selbst als die Gründe dafür wegfielen? Oder, fielen sie je ganz weg?

Peter Wyden “Stella Goldschlag – Eine wahre Geschichte”
Link zur Rezension.

Nun also, Takis Würger, der daraus einen Roman gemacht hatte und zurück zur Ausgangsfrage. Darf man das?

Inzwischen bin ich der Meinung, ja. Man darf, zumindest in dieser Form. Der Autor hat seine Geschichte um tatsächliches Geschehen gewebt. Auszüge der Prozessakten, Aussagen der Opfer von Stella Goldschlags Verrat, durchbrechen und ergänzen sichtbar die fiktionale Handlung. Wahres Geschehen gut unterscheidbar, eingewoben und auch eingeordnet. Takis Würger war so klug, ein Personenregister hintenan zu stellen, um einzuordnen, was mit den Vorbildern der Protagonisten tatsächlich geschehen ist. Auch eine Quellenangabe seiner Recherchen fehlt hier nicht.

Alle Aufregung umsonst oder vielleicht auch nicht. Das muss ein Leser für sich selbst entscheiden. Ich muss für mich ein ganzes Stück Kritik zurücknehmen, sage aber auch, dass man sich wirklich auch mit der Hintergrundgeschichte, der echten Stella Goldschlag beschäftigen sollte, wenn man sich den Roman zu Gemüte führt. Vieles wird man wiedererkennen. Vieles wird nachvollziehbarer.

Und, einiges regt zum Nachdenken an.

Inhaltsangabe des Romans

Ein junger Mann kommt 1942 nach Berlin. In einer Kunstschule trifft er eine Frau. Die beiden werden ein Paar. Eines Morgens klopft sie an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht, und sagt: “Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt.” (Klappentext)

Über den Autor von “Stella”

Takis Würger wurde 1985 geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Nach der Schule arbeitete er als Helfer in einem Entwicklungshilfeprojekt in Peru, bevor er Volontär bei der Münchener Abendzeitung wurde und die Henri-Nannen-Schule besuchte.

Als Redakteur arbeitete er bei der Zeitschrift Der Spiegel und berichtete u.a. aus Afghanistan und der Ukraine. 2017 wurde sein erster Roman veröffentlicht. Für seine Arbeit wurde Würger mehrfach ausgezeichnet.

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Oskar Roehler: Der Mangel

Der Mangel Book Cover
Der Mangel Oskar Roehler ullstein Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 170 ISBN: 978-3-550-20038-0

Inhalt:

Vom Übergang einer Mangelgesellschaft, in der es von allem zu wenig gab, in eine Konsumgesellschaft, die den Menschen ihre Würde raubt.

Vom Großwerden einer Gruppe von Kindern in den Sechszigern, den Anstrengungen der Väter, Wohlstand oder zumindest eine Illusion davon zu erschaffen.

Von den Rückschlägen, die sie erleiden. Von den Sorgen und Existenzängsten der Mütter und das Gegenbild dazu, der Ausweg aus Mangel und Überfluss zugleich: die Kunst als Rettungsanker für das Überleben. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Der namenlose Junge beobachtet die Erwachsenen, die daran scheitern, eine Illusion von Wohlstand Wirklichkeit werden zu lassen und daran zu Grunde gehen, zerbrechen. Mit Gleichaltrigen trollt er durch die noch nicht fertige Neubausiedlung am Rande eines Dorfes, gräbt sich durch Schlamm und Lehm, versinkt sprichwörtlich in seiner eigenen Welt.

Zu Beginn ist er ein Vorschulkind, welches um sich herum alles aufnimmt, später versucht, mit den Mitteln der Kunst zu überleben, beinahe wie einst die Mütter und Väter um ihn herum, zu scheitern droht.

Beindruckend ist diese Novelle, deren Handlung der Leser wie einen kunstfollen Kurzfilm vor dem inneren Auge ablaufen sieht. Nicht von ungefähr kommt dieser Effekt, ist doch der Autor Oskar Roehler selbst Filmregisseur und Drehbuchautor.

Der Protagonist, Vorschulkind, Kind, früher Jugendlicher ist das alte Ego des Autors, der Eindrücke in sich aufsaugt, wie ein Schwamm. Kurz und prägnant sind die Sätze, messerscharf und folgerichtig, wie die Beobachtungen selbst.

In der Erzählung fühlt man mit dem Handelnden, der begreift, dass es da draußen in der großen weiten Welt noch etwas anderes geben muss, dass die Chancen, die sich ihm bieten, jedoch noch weniger als rar gesät sind.

Röhler verbildlicht hier Trost- und Perspektivlosigkeit, die Zeit des Wirtschaftswunders, die überall ankommt, nur nicht dort. Die Zeitspanne umreißt die ersten Jahrzehnte der bundesrepublikanischen Gesellschaft, mit allen Möglichkeiten, vielmehr jedoch mit allen Fallstricken.

Der Protagonist bleibt dabei immer in der Position des Schwachen, ständig am Rand des Abrgund stehend, selbst, als er beginnt, sich daraus zu kämpfen. Trost nur in der Welt der Kunst, der Sprache.

Roehlers Stil, diese Geschichte eine lehmhafte Schwere angedeihen zu lassen, ist gewöhnungsbedürftig. Schön zu lesen, doch plätschert die Trostlosigkeit wie voluminöse Regentropfen nur so dahin. Die Atmosphäre ist düster, die ganze Zeit über, kaum Hoffnungsschimmer.

Um das zu lesen, sollte man in der richtigen Stimmung sein. Für depressive Gemüter ist das nichts.

Es ist eine kompakte Erzählung mit dem Effekt eines Günter Grass, der mit Worten zu faszinieren oder verschrecken mochte. Dazwischen gibt es nichts, sozusagen luftleerer Raum.

Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Kunst als zweifelhafter Rettungsanker. Und immer wieder Dreck, Schlamm, Feuchtigkeit, Lehm. Graue, braune Masse, aus der man etwas erschaffen oder in die man versinken kann.

Doch, muss das zwischen zwei Buchdeckeln sein?

Autor:

Oskar Roehler wurde 1959 geboren und ist ein deutscher Filmregisseur, Journalist und Autor. Nach seinem Abitur ist er als Autor für Drehbücher tätig und wurde ab 1990 als Spielfilmregisseur bekannt. Sein erfolgreichster Film war “Die Unberührbaren”, der u.a. mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde.

Roehler gehört zu den Gründungsmitgleidern der Deutschen Filmakademie, 2003. Im Jahr 2011 veröffentlichte er einen autobiografischen Roman, den er auch verfilmte. 2018 verfilmte er den Roman “HERRliche Zeiten” des umstrittenen rechten Schriftstellers Thor Kunkel.

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