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W. E. B. Du Bois: “Along the color line”

Inhalt:

1936 reist der afroamerikanische Bürgerrechtler W. E. B. Du Bois nach Deutschland. Als Kritiker des Rassismus in den USA beobachtet er das Leben in der totalitären Diktatur und die Entrechtung der Juden. Seine Reportagen aus diesen Monaten erscheinen hier erstmals auf Deutsch. (Klappentext)

Rezension:

Einige Wochen nach den Olympischen Spielen 1936 begab sich der afroamerikanische Bürgerrechtler W. E. B. Du Bois auf eine Reise quer durch Europa und schrieb darüber, u. A. für den Pittsburgh Courier eine vielbeachtete Kolumne. Vor allem interessierte ihn Deutschland, welches sich zu den Sportereignissen der Welt in einem gewollt bestimmten Licht präsentiert hatte, wo jedoch Diskriminierung und Ausgrenzung des jüdischen Teils der Bevölkerung bereits auf Hochtouren lief.

Eine andere Art der Diskriminierung erfuhr der Soziologe und Journalist im Alltag seines Heimatlands, entlang der Farbenlinie, doch begann er mit seinen Artikeln bereits verschiedene Gewaltgeschichten zueinander in Beziehung zu setzen. Dieser Versuch nun, ist hier erstmals in deutscher Sprache zugänglich.

Die kompakten Artikel, die in diesem schmalen Band versammelt sind, sind Teile einer Zeitungskolumne und sollten auch so gelesen werden. Kompakte Zusammenfassungen wechseln sich ab mit ausschweifender Betrachtung kultureller und industrieller Institutionen, Auswüchse und Widersprüche, die der Autor in Bezug zu seinem eigenen Erfahrungsschatz setzt.

Offen, kontinuierlich und entschieden wird eine Kampagne des Rassenvorurteils gegen alle nichtnordischen Rassen geführt, vor allem aber gegen die Juden. Sie übertrifft an rachsüchtiger Grausamkeit und öffentlicher Herabwürdigung alles, was ich jemals erlebt habe, und ich habe vieles erlebt.

W. E. B. Du Bois: “Along the color line” – Eine Reise durch Deutschland 1936

Wie haben die Deutschen, die damals schon verschreckende Politik ihrer Regierung, dieses System aus Terror, Willkür und Hörigkeit auf den außenstehenden Betrachter gewirkt, der doch stetig befürchten musste, selbst ins Blickfeld zu geraten? Sensibel näherte sich Du Bois den Objekten seiner Betrachtung aus intellektueller Perspektive an, spricht etwa mit Wissenschaftlern und Unternehmern und schuf so ein für seine Zeitgenossen in Übersee bezeichnendes Porträt dieses brodelnden Kessels, dessen Widersprüche er sah, mit kritischer Mine und vor allem Neugier betrachtete.

Bezeichnend, der Unterschied zwischen den Beiträgen, die bereits in Deutschland schrieb und von dort auf die andere Seite des Atlantiks schickte, anders lesen sich die Artikel, die er in der Sicherheit seiner Heimat verfasste. Der Rest findet sich zwischen den Zeilen wieder. Neben dieser spannenden soziologischen Betrachtung, die eine heute sehr interessante zeithistorische Sammlung geschaffen hat, ist es jedoch auch ein Musterstück journalistischer Arbeit, was die Auswahl der Themen und seiner Gesprächspartner betrifft, aber auch die Lenkung der Lesenden auf bestimmte Punkte seiner Ausführungen. Dies in einem kompakt gehaltenen Stil, immer wieder auch die Interessenten seiner Beiträge in Bezug dazu setzend.

Der Schreibende verfolgt eine Theorie, lesend nimmt man dazu einen eigenen Standpunkt ein. Zumal vergleichende Betrachtung schon im Kontext der Gegenwart kompliziert genug ist, mit dem Abstand von heute und dem, was immer noch an gesellschaftlichen Wandlungen in Europa und Amerika durchlaufen werden muss, liest sich das sehr brisant. Ohne die historische Komponente ist das immer noch ein hoch aktuelles Dokument.

Natürlich lässt sich das nach wie vor wie eine Zeitungskolumne lesen, in ihre Bestandteile zerlegt. Mit der Einordnung und den editorischen Anmerkungen, sowie denen zum Autoren selbst, ist jedoch das Fundament vorgegeben. Diese Perspektive konnte so nur selten eingenommen werden, umso wichtiger ist ein Werk wie dieses, welches wiederum als Gegenstück zu Lebenserinnerung etwa Hans Massaquois’ gelesen werden kann, der sehr wohl Diskriminierung in Deutschland erlebt hat, wie sie Du Bois nur aus seiner Heimat kannte.

Zu Teilen erschütternd, zu Teilen bezeichnend, einen neuen Blickwinkel gebend. Das können die Texte Du Bois’ heute noch.

Autor:

William Edward Burghardt “W. E. B.” Du Bois wurde 1968 in Massachusetts geboren und war ein US-amerikanischer Historiker, Soziologe, Philosoph und Journalist, sowie in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Er starb 1963 in Ghana.

Ich verlinke hier ausnahmsweise Wikipedia, da die Biografie einfach zu interessant ist.

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Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang

Inhalt:

Brisbane, 1983: Wie wird man zu einem guten Menschen? Diese Frage treibt den 11-jährigen Eli Bell um. Auf den ersten Blick hat er nicht gerade die besten Vorbilder um sich herum: Die Mutter und der Stiefvater dealen mit Heroin, sein großer Bruder Gus spricht nicht mehr, sein Vater glänzt durch Abwesenheit, und sein Babysitter ist ein hartgesottener Ex-Häftling. Doch zwischen den Drogen und den Schmutz erfährt Eli zärtliche Liebe, aufrichtige Freundschaft und die Magie seiner Fantasie. Und je älter er wird, desto relevanter wird die Frage: Kann Brutalität durch Zärtlichkeit überwunden werden? (Klappentext)

Rezension:

Ein kleiner Teil dieser Erzählung entspricht zumindest in Ansätzen wahrer Begebenheiten, viel mehr Zeilen sind jedoch der großartigen Phantasie des australischen Journalisten Trent Dalton entsprungen, der mit “Der Junge, der das Universum verschlang”, ein beeindruckendes Debüt geschaffen hat.

Der Roman entführt seine Leserschaft in eine australische Sozialsiedlung am Rande Brisbanes, zu Beginn der 1980er Jahre und beginnt aus der Sicht des anfangs elf- oder zwölfjährigen Eli Bell, hier sind sich Klappentext und Erzählung uneinig, eine zunächst sperrige Coming-of-Age-Geschichte zu erzählen, die sich nach und nach zu einem gesellschaftskritischen Kriminalroman mausert.

Der kleine Junge stellt sich schon sehr früh Fragen, die schon von den ihn umgebenden Erwachsenen kaum zu beantworten sind. Wie wird man eigentlich ein guter Mensch? Wie bleibt man es? Können gute Menschen böse werden? Böse Menschen gut?

Eli, mit einer unglaublichen Phantasie ausgestattet, sucht nach Antworten und beobachtet seine Umgebung sehr intensiv, ohne die entsprechenden Vorbilder greifbar zu haben. Das Elternhaus ist verkorkst, der Bruder verweigert sich der Worte.

August kritzel etwas in die Luft. Das Jugendamt lehrt August schaudern.
August schreibt weiter: Lehrt Eli, nie was auszuplaudern

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang

Der Drogenhandel hat nicht nur seine Familie, sondern auch seinen Babysitter im Griff, den einzigen, zu dem er dennoch wenigstens etwas aufschauen kann. Eli versucht in dieser Umgebung aufrichtig zu bleiben, doch auch von ihm verlangt das Leben mit den Jahren Entscheidungen, die nicht nur sein Schicksal bestimmen werden.

“Ich glaube, ich verliere den Verstand, Gus”, sage ich. “Ich glaub, ich werde verrückt. Ich muss schlafen. Ich fühl mich, als würde ich in einem Traum herumgeistern, und das hier ist der Schluss, kurz vor dem Aufwachen, der Teil, der sich so richtig echt anfühlt.”
Er nicht.
“Glaubst du, ich werde verrückt, Gus?”

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang.

Schon mit den ersten Zeilen wirkt das beinahe zu viel. Schon so einige Schreibende sind daran gescheitert, so viele Themen wie handlungen in ihren Texten unterbringen zu wollen und am Ende kaum die Auflösung eines Handlungsstrangs zu schaffen. Doch Trent Dalton bündelt, schafft Atempausen in seiner Erzählung, die Konzentration erfordert. Journalistische Knappheit wechselt sich ab mit großflächigen Umschreibungen.

So gelingt ein Roman, der nicht nur auf die Kulissen hinter dem Trugbild der Vorstadtidylle aufmerksam macht, sondern gleichsam Slim Halliday, dem Houdini der Boggo Road, ein Denkmal setzt, der sich in Australien einen Namen als Ausbrecherkönig aus einem berüchtigtem Gefängnis machte und viel später tatsächlich Babysitter in der Kindheit des Autoren wurde.

“Hast du dich nie gefragt, warum du so leicht weinst, Eli?”
“Weil ich ein Weichei bin?”
“Du bist kein Weichei. Du darfst dich nie für deine Tränen schämen. Du weinst, weil es dir eben nicht scheißegal ist. Viel zu viele Leute auf dieser Welt haben Angst zu heulen, weil sie nicht zugeben wollen, dass ihnen etwas wichtig ist.”

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang

Und hier wandelt sich der Text. Aus dem nachdenklichen Kind, wird ein sinnsuchender Jugendlicher, dessen Leben in einem Abwärtsstrudel zu versinken droht, aus dem es nur ein langsames Auftauchen geben wird. Feinfühlig wandelt sich hier Coming of Age Anteil zur Gesellschaftskritik hin, zu einem packenden Kriminalroman unter der australischen Sonne. Die Erzählung selbst ist schon das Universum, dafür sogar vergleichsweise kompakt.

Der Roman wird aus der Sicht des Hauptprotagonisten erzählt. Mit ihm steht und fällt die Geschichte. Trent Dalton schafft es, dass man den Jungen greifen kann. Um ihn dreht sich alles, auch die anderen Protagonisten, von denen besonders Slim und Elis älterer Bruder mit besonders scharfen Konturen gezeichnet sind.

Dennoch reichen nur zwei größere Gegenparts aus, um der Geschichte eine stetige Dynamik zu verleihen. Dazu wunderbare Sätze, die zum Schmunzeln anregen, ein Lachen, was im Halse stecken bleibt und dann nachdenklich uns Lesende zurücklässt. Das, zudem die Sprünge muss man mögen. Ohne zu wissen, wie sich das im Original liest, in der Übersetzung wirkt der Schreibstil zumindest etwas gewöhnungsbedürftig. Es ist eben kein Roman, um sich einfach berieseln zu lassen. Dazu ist: “Der Junge, der das Universum verschlang”, zu schade.

Gleichsam seines Protagonisten erweißt sich auch der Autor als großer farbenschreiber. Schon der Untertitel im Deutschen sticht hervor. Es regt jedoch zumindest auch die Phantasie der Lesenden an.

Unser Weihnachtsbaum ist eine Zimmerpflanze namens Henry Bath. Henry Bath ist ein Ficus benjamini.

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang

Man kann den Staub der Straße schmecken, sieht den Schein, der das Sein überdeckt und die Ausweglosigkeit, die einem realen Kind wahrscheinlich alle Chancen auf ein besseres Leben verbaut hätte, wenn auch hier wieder Schicksal vom Schreibenden und Protagonisten miteinander verschmelzen. Auch mit dem Lesen der letzten Zeile wird der Text einem noch eine ganze Weile beschäftigen, wenn auch ein zwei inhaltliche Punkte wohl der Erfüllung aller Klischees dienen, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt, wenn der Rest so großartig ist.

Dieser Roman verlangt Konzentration, regt Phantasie und Gedanken an und lädt ein, die wahren Hintergründe einmal zu recherchieren, die zur Inspiration Trent Daltons gedient haben. Man wird also doch ein wenig beschäftigt sein. Und sei es nur, um den Zaunkönig zu finden.

Autor:

Trent Dalton ist ein australischer Journalist und Autor aus Brisbane. Er gewann mehrmals den “Walkley Award für Excellence in Journalism” und weitere Preise, wurde viermal zum australischen Journalisten des Jahres ernannt. “Der Junge, der das Universum verschlang”, ist sein erster Roman.

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Lone Theils: Hexenjunge

Hexenjunge Book Cover
Hexenjunge Reihe: Nora Sand (3) Rezensionsexemplar/Krimi Rowohlt Taschenbuch Seiten: 302 ISBN: 978-3-499-00002-7

Inhalt:
Auf einem Londoner Friedhof wird die Leiche eines nigerianischen Terrorismusexperten entdeckt, er wurde brutal ermordet. Kurz zuvor hatte der Professor dort ein geheimes Treffen mit Nora Sand, Korrespondentin der dänischen Zeitung Globalt.

Mit seinem Tod fehlt ihre wichtigste Informationsquelle, daher wird Nora auf etwas anderes angesetzt: die spektaktuläre Scheidung eines russischen oligarchen von einem dänischen Reality-Sternchen. Das Paar streitet öffentlich um das Sorgerecht für seinen Sohn. Als er entführt wird, stößt Nora darauf, dass beide Fälle zusammenhängen könnten. Die Suche nach der Wahrheit führt sie in die dunkelsten Winkel der Stadt. (Klappentext)

Rezension:
Schon, wenn man die Buchdeckel aufklappt, kann man bei den meisten skandinavischen Krimis den bleischweren Mehltau der Melancholie förmlich mit den Händen greifen und so habe ich mich, dementsprechend skeptisch, an die Lektüre von “Hexenjunge” gewagt.

Lone Theils konstruiert hier die Parallele zweier verlaufender Handlungen, die zunächst im ruhigen Fahrwasser der geschichte nichts miteinander zu tun haben scheinen, dann jedoch immer enger miteinander verflochten werden, bis es schließlich zum großen Knall kommt.

In der losen Aneinanderreihung begleiten die Leser die Journalistin Nora Sand im Spagat zwischen der schillendern Londoner Welt eines Londoner Oligarchen und seiner Beziehung zu einem dänischen Reality-Sternchen; hier bin ich so frei, die Formulierung aus dem Klappentext einfach zu übernehmen; und nigerianischen Terrorismus’, dessen Wirkung noch Kreise ziehen wird.

Behutsdam verwebt die Autorin beide Bestandteile dieses dritten Bandes um die Hauptprotagonistin, den man übrigens auch losgelöst von der Reihe lesen kann, und schafft damit ein spannendes Szenario, dessen Wirkung man praktisch schon mit den ersten Seiten greifen kann.

Die Handlung wird dabei behutsam aufgebaut, vom Groben ins Kleinteilige, immer aus der Sicht der hauptprotagonistin, deren Bild wie das eines Puzzels immer vollständiger wird, je mehr Teile sie miteinander in Verbindung setzen kann.

Dabei gelingt der Autorin das Kunststück, nicht zu sehr abzuschweifen, oder sich etwa in der Nebenhandlung des Privatlebens von Nora Sand zu verzetteln, so dass der Leser ganz konzentriert der Handlung folgen kann. Geschickt zeigt Lone Theils dabei die gesellschaftlichen Verquickungen auf, die beide Fälle mit sich bringen und schafft so zunächst unterschwellige spannung, die nach und nach immer klarer wird, um dann mit voller Gewalt den Leser in ihrem Bann zu ziehen.

Die Hauptprotagonisten bleibt dabei als einzige scharf gezeichnet. Alle anderen Charaktere werden nur in sofern beschrieben, wie es der Geschichte nützt. Nichts überflüssiges wird hier erzählt, dennoch gibt es genug Wendepunkte und Kontraste, um die Leserschaft in die Irre zu führen.

So nebelig wie das Cover bleibt auch zunächst die Auflösung, gleichwohl amn vom Anfang an spürt, dass Nora Sand im gegensatz zu ihrer Umgebung die richtigen Schlüsse ziehen kann, die dann übrigens nach einer Fortsetzung schreien. Die Reihe wird weitergeführt, vielleicht sogar mit Verknüpfungen zu diesem Band, gleichwohl dieser losgelöst gelesen werden kann.

Die Parallelen zur eigentlichen Arbeit der Autorin, die die Protagonisten aufweist, sind nicht von der Hand zu weisen. Tatsächlich ist auch Lone Theils als Journalistin tätig gewesen und teilt ihr Hobby ebenso mit dieser. Im nächsten Band ist daher durchaus der große “Schlag” zu erwarten.

Autorin:
Lone Theils arbeite jahrelang als London-Korrespondentin für die dänische Zeitung Politiken, sowie für diverse Fernsehsender. In 16 Ländern erschienen bisher ihre Bücher, die u.a. für das Fernsehen adaptiert werden. Zwischen Dänemark und England teilt die Autorin mit ihrer Protagonistin Nora Sand die Leidenschaft für’s Kickboxen.

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taztageintagaus – ein kurzblick

Journalisten behandeln Literatur-Blogger, besonders im Blick auf das Feuilleton, ja nicht immer freundlich, wie einige Artikel in der Vergangenheit bewiesen haben, doch eine Zeitung war mutig und ich durfte mir diese mal genauer anschauen, was meint, das Gebäude und die Redaktionskonferenz.

Grund genug für einen Kurzblick.

In Zeiten immer höherer Medienkonzentration ist es schon ein besonderes Zeichen, wenn eine Zeitung sich ein neues Gebäude leistet, doch eben dieses hat die taz gesetzt, als sie kürzlich das neue Gebäude in der Friedrichsstraße bezogen hat. Vormals in der Rudi-Dutschke-Straße beheimatet, entsteht hier, auch in Sichtweite des kompletten Gegensatzes Axel-Springer-Verlags, der in Sichtweite immer mehr Medienkonzentration anhäuft und doch auch mit schrumpfenden Leserzahlen zu kämpfen hat.

Seit 1977 über das Projekt einer linken Tageszeitung nachgedacht wurde, steht diese Zeitung für streitbaren, aber immer unabhängigen Journalismus. Doch, was macht diesen aus? Wie werden die Themen ausgewählt, nach welcher Relevanz und wie läuft eine Nachbetrachtung und Aufbereitung der Themen ab, bevor eine Zeitung in den Druck geht, bevor auf den Internetportalen der Druckmedien die neuesten Nachrichten und auch sonst Informationen erscheinen.

Immer mehr Menschen ist dies unklar, um so wichtiger ist eine Möglichkeit, die die taz ihren Lesern und auch sonst bietet. Nach Voranmeldung kann man an der Redaktionskonferenz teilnehmen und schauen, wie Journalismus funktioniert. Welche Themen waren am Vortag relevant, was ist im Laufe des Tages in Deutschland und der Welt geschehen und wie wurde das präsentiert?

Von der Konkurrenz und sich selbst. Tiefer ins Detail darf ich hier nicht gehen, kann hier aber berichten, dass ich positiv überrascht war, wie diskutiert wurde und dass es wünschenswert ist, dass gerade diese Zeitung gegenüber der Medienkonzentration verschiedener Konzerne bestehen bleibt. Auf die nächsten 40 Jahre, im neuen Gebäude an der Friedrichsstraße.


Die Unabhängigkeit der Zeitung…

Um die Unabhängigkeit einer Zeitung zu wahren, hat die Tageszeitung taz den Weg einer genossenschaftlichen Organisation gewählt. Dies funktioniert so, wie man es etwa von einigen Wohnungsgesellschaften kennt, die ähnlich funktionieren. Man hinterlegt einen Kapitalanteil, im Falle der taz 500 Euro Mindestbeitrag (Ratenzahlung ist möglich), in einem Topf und wirkt so am Erhalt der Unabhängigkeit einer zwar kleinen, aber meinungsstarken Zeitung mit.

Wer wer wissen will, hier sind noch mehr Informationen zu finden.

Die taz besichtigen, so geht’s.
Hier klicken.

Der Artikel enthält Werbung und entstand mit Unterstützung des Beworbenen. Der Betreiber des Blogs dankt für den Blick hinter die Kulissen.

Der virtuelle Spendenhut

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Matteo Corradini: Im Ghetto gibt es keine Schmetterlinge

Im Ghetto gibt es keine Schmetterlinge Book Cover
Im Ghetto gibt es keine Schmetterlinge Matteo Corradini cbj Verlag Erschienen am: 10.04.2017 Seiten: 288 ISBN: 978-3-570-40355-6 Übersetzerin: Ingrid Ickler

Inhalt:

Theresienstadt 1942: Die Nazis haben ein Lager für Juden errichtet, das zeitweise als Vorzeigelager dient. Doch es ist nur eine Station auf dem Weg in die Vernichtungslager. Inmitten dieser Hoffnungslosigkeit gründen Kinder eine Zeitschrift, um gegen das Grauen anzuschreiben.

Sie treffen sich heimlich und verfassen Berichte über das Lager. Aber sie zeichnen auch Bilder, führen Interviews oder schreiben Gedichte. Matteo Corradini bringt dem Leser auf berührende Weise das Schicksal dieser Kinder nahe. (Klappentext)

Rezension:

Nur mit Bleistift und Papier, ein wenig Tinte, ihren Worten, Zeichnungen und dem Talent zur Beobachtungsgabe haben sich die Kinder von Theresienstadt zur Wehr gesetzt. Gegen die Tyrannei und dem Vernichtungswillen der Nazis, denen sie am Ende nicht entkommen konnten, doch für ein paar Augenblicke schien die Geschichte still zu stehen.

Das Schicksal abwendbar. Die Mädchen taten dies vornehmlich mit der Inszenierung des Theaterstückes “Brundibar”, die Jungen aus dem Haus 1 Terezins schrieben gegen ihre Angst an. Sie gründeten die Zeitschrift Vedem und sammelten dort ihre Eindrücke von den Geschehnissen um sie herum.

Corradini hat sie aufgeschrieben. In Romanform Hanus Hachenburg, Petr Ginz, Jiri Volk, Zdenek Ornest, Josef Taussig (hier Josif) und anderen ein literarisches Denkmal gesetzt. Es ist ein eindrückliches Stück Literatur, zumal, wenn man sich mit Terezin und seinen Kindern beschäftigt. Der Leser weiß, dass nur wenige Kinder dem Tod der Gaskammern der Vernichtungslager entkamen.

Die mutigen Jungen, die gegen jedwedes Verbot anschrieben und kreativ Zeugnis von den Ungeheuerlichkeiten ablegten, die sie umgaben, wussten es nicht. Ahnten es nur. Und zwischendrin das kleine Glück.

Eine Kartoffelschale extra, ein geklauter Apfel, die erste Liebe, die in den Mauern der ehemaligen Garnisonsstadt keine Chance hat. Corradini beschreibt aus der Sicht eines der Jungen (Pavel Friedmann) das Treiben der Jungen. Gefühlvoll, doch der Spirale des Todes, die sich immer schneller dreht, entkommen sie nicht.

Petr Ginz ist der Mittelpunkt der Geschehnisse. Das tschechoslowakische Gegenstück zu Anne Frank. Er führte Tagebuch, welches seine Schwester Jahrzehnte nach seinem Tode in Auschwitz veröffentlichte, von den anderen Jungen blieben ebenso nur ihre Gedichte, Berichte und Zeichnungen, die sie in “Vedem” veröffentlichten.

Immer mit der Angst, von den Nazis entdeckt und dafür bestraft zu werden. Matteo Corradini tut ihnen den Gefallen und schreibt ihre Geschichte auf, so wie sie sich alltagsmäßig abgespielt haben könnte.

Es ist kein historisches Sachbuch aber an der Wahrheit, so viel wie wir aus Berichten von Überlebenden dieser Gruppe von Jungen wissen, nah dran. So nah, dass man sie, allesamt zehn bis fünfzehn Jahre alt, festhalten und retten möchte, mit dem Wissen, dass das nicht mehr geht.

Die Welt hat durch die Ermordung dieser Kinder großartige Talente verloren. Wer einmal sich die Sammlungen in Terezin anschaut, weiß, welch kreatives Schaffen selbst die Kleinsten der Nachwelt hinterlassen haben. Ohne es zu wollen, natürlich.

Für die meisten war es ein Ventil gegen die Angst, die Stimmen kindlicher Unschuld, die kein anderes Verbrechen begangen haben als jüdischen Glaubens zu sein und in dieser Zeit aufzuwachsen. Gegen Ende nimmt Corradinis ruhiger Schreibstil an Fahrt auf.

Die Geschehnisse überschlagen sich und die Jungen beginnen zu begreifen. Im original Tagebuch von Petr Ginz wird dessen Schrift immer zittriger, am Ende geht er wie viele andere in die Gaskammer Auschwitzes. Dem Autor ist es gelungen, sein Schicksal und das seiner Freunde würdig in Erinnerung zu halten und zu bewahren. Es bleibt daher zu hoffen, dass dieser Roman viele Leser finden wird.

Autor:

Matteo Corradini wurde 1975 in Italien geboren und ist ein Schriftsteller und Hebraist. Er beschäftigt sich mit der Didaktik der Shoah und arbeitet an verschiedenen Kunstprojekten. Zudem ist er Autor von Kinder- und Jugendbüchern.

Er ist Kurator für das Literatur-Festival Scrittorincitta in Cuneo/Italien und hält Kurse an verschiendenen Privatuniversitäten. Zudem organisiert er als Theaterdirektor verschiedene Musical-Inszenierungen. Er beschäftigt sich mit der Geschichte Terezins (Theresienstadt) und von Auschwitz.

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