Wunder

Raquel J. Palacio: Pony

Inhalt:
Silas muss hilflos mit ansehen, wie eines Nachts drei Fremde auftauchen und seinen Vater entführen. Als am nächsten Tag ein geheimnisvolles Pony vor seiner Tür auftaucht, weiß Silas, was er zu tun hat: Er begibt sich auf eine abenteuerliche Reise, um seinen Pa zu finden – eine Reise, auf der er es mit unerwarteten Gefahren, gut gehüteten Familiengeheimnissen und den Geistern der Vergangenheit zu tun bekommt. (Klappentext)

Rezension:

Vieles ist besonders an Silas, der allein mit seinem erfinderischen Vater auf einer Farm lebt. Der intelligente, aber zurückhaltende Junge hat einst einen Blitzschlag überlebt. Seit dem ist das Abbild eines Baumes auf seinem Rücken zu sehen, bei dem er vor dem Gewitter Schutz suchte. Auch sein einziger Freund ist besonders.

Ein Geist, den nur Silas selbst sehen kann. Lange sind es glückliche Tage, in denen Vater und Sohn für einen Wettbewerb versuchen, das beste Foto vom Mond zu schießen, doch eines Tages wird Silas’ Vater von zwei Männern entführt. Der Junge nimmt all seinen Mut zusammen und begibt sich auf eine Reise, nach der nichts mehr so sein wird, wie zuvor.

Der neue Roman der Jugendbuchautorin Raquel J. Palacio entführt uns in eine Zeit voller Pioniergeist, jedoch auch kurz vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs und in ein großes Abenteuer. Der mystisch angehauchte Roadtrip zu Pferde erzählt von einer Suche, auf der der kleine Protagonist nur eines finden wird. Sich selbst. Dabei verwebt die Schriftstellerin Fiktion und Realität, zusammen mit ihrer Liebe zur Fotografie. In spannend angehauchten Kapiteln erzählt die Autorin diese wundersame Geschichte, die eine gänzlich andere Tonalität anschlägt, als zuvor ihr fulminanter Debütroman.

Das muss man mögen, doch sind die Ansätze, in die Geschichte hineingezogen zu werden, von Beginn an vorhanden. Der kleine Hauptprotagonist, ein phantasiebegabtes und intelligentes Kind, hält sich nicht für mutig, wächst jedoch im Verlauf der Handlung immer wieder über sich hinaus. Palacio hat offenbar ein Händchen für sich wandelnde Kindercharaktere, mit denen sie ein Identifikationspotential schafft, welches über die gesamte Lektüre trägt.

Das ist auch notwendig. Immer wieder entstehen einzelne Längen, da Übergänge teilweise holprig wirken und die Verbindung zwischen Mystik und Realität, eingewoben in dieser fiktionalen Geschichte nicht immer stimmig daherkommt. Klar definierte Antagonisten stehen im Gegensatz zu Charakteren, die dem Zwölfjährigen im Verlauf der Handlung zu Verbündeten werden. Palacio hat mit dieser Mischung eine Geschichte geschaffen, die vom Über-sich-hinaus-wachsen ebenso erzählt, wie von der Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft, was einem mit Silas, dessen Gefühlswelten umhergeworfen werden, mitfühlen lässt.

Im Gegensatz zu “Wunder” behalten wir die Perspektive des Hauptprotagonisten bei, sein für die anderen Charaktere unsichtbarer Freund Mittenwool dient sowohl als Rat- als auch Impulsgeber. Natürlich ist, abgesehen von den mystischen Elementen, die Geschichte insgesamt sehr generisch erzählt. Wendungen wirken aus der erwachsenen Sicht heraus sehr gewollt, funktionieren jedoch im jüngeren Lesealter sicher besser. Trotzdem schafft es die Autorin sowohl Protagonisten als auch Schauplätze vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Eine Pferdegeschichte für Jungen hat man zudem ja auch nicht so häufig.

Sprachlich gibt es keinerlei Besonderheiten, dafür ganz viele Anspielungen auf Literatur oder die Geschichte der Fotografie, die die Autorin selbst im Nachwort erläutert. Jedes Kapitel wird zudem mit einem Foto eingeläutet, was das Ganze abrundet. Palacio hat mit ihrem Roman nicht das Level ihres Debüts halten können. Zu schnell verflüchtigt sich diese Geschichte, auch fehlt es diesem Western für Kinder etwas zu sehr an Tempo. Für die Zielgruppe ist dies jedoch vielleicht ausreichend.

Autorin:
Raquel J. Palacio ist das Pseudonym von Raquel Jaramillo, einer amerikanischen Verlegerin und Autorin. Sie wurde 1963 geboren und arbeitete zunächst als Art-Direktorin, Illustratorin und Buchcover Design und veröffentlichte verschiedene Kinder- und Jugendbücher, seit 2006 beim New Yorker Verlag Workman, für den sie seit dem in verschiedenen Positionen tätig war. 2013 war sie Jurymitglied des Kinder- und Jugendprogramms des Internationalen Literaturfestivals Berlin. Ein Jahr zuvor veröffentlichte sie ihr erstes eigenes Werk “Wunder”, welches in mehreren Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. 2014 wurde sie mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

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Thomas Böhm/Carsten Pfeiffer (Hrsg.): Die Wunderkammer der deutschen Sprache

Die Wunderkammer der deutschen Sprache Book Cover
Die Wunderkammer der deutschen Sprache Thomas Böhm/Carsten Pfeiffer (Hrsg.) Erschienen am: 01.09.2019 Verlag: Das kulturelle Gedächtnis Seiten: 300 ISBN: 978-3-946990-31-4

Inhalt:
Wenn es ein Wimmelbuch für Erwachsene gibt, so ist es wohl dieses. Gefüllt mit Geheimsprachen und Figurengedichten üben wir Zungenbrecher und Beschimpfungen.

Die Alchemie des Deutschen auf den Zahn gefühlt und Wortschätze mit Küchenlatein vermischt. Wo sagt man wie 6:15 Uhr und kennt ihr Schnadahüpfeln schon?

Die deutsche Sprache ist nicht nur nicht in gut dreißig Jahren zu lernen, sie steckt voller Geschichten und Wunder, die es zu entdecken gilt. Steigt ein, in diese Wunderkammer. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:
Wer eigene Kinder hat oder früher selbst eines gewesen ist (Einige erinnern sich.), kennt sie. Wimmelbücher. Bildgewaltig kommen sie daher und detailreich sowie so. Auf jeder Seite gibt es viel zu entdecken und zu bestaunen.

Nun gibt es dergleichen auch für Erwachsene, eine Art Wimmeltextbuch. Zusammengetragen und erstellt haben es Thomas Böhm und Carsten Pfeiffer vom Verlag -Das kulturelle Gedächtnis-. Gestalterisch eine Wucht, in diesem kräftigen Blau und Orange gehalten, eröffnet sich zwischen den Buchdeckeln die Vielfalt der deutschen Sprache.

Abseits jeder zum Abgewöhnen stattfindenden Rechtschreibform tut sich Seite für Seite ein Füllhorn auf. Landkarten der Sprache gibt es, auf denen man mit dem Fingern zwischen Brötchen und Schrippen etwa entlangwandern oder für den nächsten Hamburg-Trip das Nachtjargon Sankt Paulis üben kann.

Vielleicht erklimmt ein Leser des Buches den babylonischen Turm der Kriechtiere, um dann bei den Polynomen zu landen? Was waren, gleich nochmal Homonyme? Hier wird all das und noch viel mehr erklärt und beispiel-, wie meisterhaft gezeigt.

Figurengedichte sind dort zu finden. Plötzlich kann ein Leser den Fontane-Code entschlüsseln. Deutsche Sprache, schwere Sprache, zumal nach nur dreißig Jahren in aller Gänze zu erlernen, sagte einst Mark Twain. Wie heißt wo die Stechmücke?

Wie koch man mit Teekesselchen im Fundus der Wörter und welche sind eigentlich Erik Fosnes Hansen liebste? Einen irren Spaß muss es gemacht haben, diese und andere Schätze zusammenzustellen. Schwer muss die Auswahl gefallen sein.

Intensive Recherche, Lust am Stöbern und eine “Gestaltungswut”, die ihres Gleichen sucht, haben zu diesem sprachlich bunten Feuerwerk geführt, in dem Namdeutsch ebenso eine Rolle spielt, wie Seemannsprache. Wenn man so will, ist dies die witzige Variante des trögen Deutsch-Buches aus Schulzeiten oder ein Duden für Humorvolle.

Schnadahüpfln wird ein Leser nach der Lektüre ebenso kennen, neu wissen, welche Wörter das Kosovo-Albanische aus dem Deutschen übernommen hat.

Wer bis hier hin den Überblick behalten hat, wird ihn spätestens nach der Lektüre verloren oder vertieft haben, in jedem Fall aber, eine Liebe zur deutschen Sprache neu entdecken.

Autoren:
Thomas Böhm und Carsten Pfeiffer sind Herausgeber und Autoren für den Verlag -Das kulturelle Gedächtnis- und Liebhaber der deutschen Sprache. Ersterer wurde 1968 in Oberhausen geboren, lebt aber in Berlin und ist Literaturvermittler, Schriftsteller und Moderator.

Nach einer Mitarbeit für eine Literaturzeitschrift, für die er als Lektor und als Redakteur arbeitete, übernahm er die Programmleitung des Literaturhauses Köln, moderierte ein Literaturfestival, schreibt sich um Kopf und Kragen.

Carsten Pfeiffer ist Mitgesellschafter beim für das Buch verantwortlichen Verlag, war vorher bei Egmont tätig, sowie bei Cornelsen. Spezialgebiet, Marketing und Vertrieb.

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Raquel J. Palacio: Wunder – Julian, Christopher & Charlotte erzählen

Wunder - Julian, Christopher & Charlotte erzählen Book Cover
Wunder – Julian, Christopher & Charlotte erzählen Raquel J. Palacio Hanser Erschienen am: 13.03.2017 Seiten: 350 ISBN: 978-3-446-25528-9 Übersetzer: Andre Mumot

Inhalt:

Der Welterfolg „Wunder“ erzählt von Auggie, dem Außenseiter mit dem entstellten Gesicht. Nun kommen Julian, Christopher und Charlotte zu Wort. Julian, der Mobber: Eigentlich hat er keinen Grund, so gemein zu sein. Doch durch Auggies Ankunft kehren seine überwunden geglaubten Albträume zurück.

Christopher, der beste Freund: Nach seinem Umzug vermisst er Auggie, ist zugleich aber auch froh, Abstand zu haben. Und Charlotte, die empathische Willkommensfreundin: Weil sie sich für Gerechtigkeit einsetzt, soll sie sich um Auggie kümmern – und beginnt zum ersten Mal an sich zu zweifeln.

Dieses berührende Kinderbuch erzählt von echter Freundschaft und davon, wie die Begegnung mit Auggie jeden verändert. (Verlagstext)

Rezension:

Der Wunsch nach einer Fortsetzung ist die Bestätigung für Autoren, zeigt er doch, wie sehr eine Geschichte und ihre Protagonisten geliebt werden, doch ist der Wunsch zugleich auch Fluch.

Die Fortsetzung muss zwangsläufig besser werden oder wenigstens genau so gut wie der Vorgänger, anderenfalls ist die Enttäuschung groß. Raquel J. Palacio weiß, vor allem um die Einzigkeit ihres Erstlings “Wunder”, das und legt mit ihrem neuen Buch bewusst keine zweite Geschichte um August auf. Den Jungen mit dem entstellten Gesicht.

Natürlich dürsten die Fans nach weiteren Informationen über den kämpferischen Jungen, der sich Anerkennung und Akzeptanz erst erstreiten musste, doch “Julian, Christopher & Charlotte erzählen” ist eine ebenso wertvolle Parallelerzählung. Die Autorin schafft das Kunststück, obwohl die vormalige Hauptfigur hier nur Statist ist, eine facettenreiche Ergänzung vorzulegen, die Augusts Geschichte aus drei Blickwinkeln beleuchtet.

Und da wird sogar der Mobber sympathisch, der in “Wunder” den hass sämtlicher Fans auf sich gezogen hat. Nicht umsonst geistert seit dem im Internet ein Plakat mit dem Spruch herum: “Keep calm and don’t be a Julian” (“Bleib ruhig und sei kein Julian”).

Julian hat eine eigene Geschichte zu erzählen, genau so wie zwei seiner besten Freunde, die ebenfalls zu Wort kommen und so hält Palacio ihren jungen Lesern den Spiegel vor. Ohne den sonst üblich erhobenen Zeigefinger.

Auch die anderen zwei Geschichten, deren Figuren sich zwischen dem was richtig ist und dem was der leichte Weg wäre entscheiden müssen, sind einfühlsam zu lesen. Ein Buch, was einem nachdenklich, aber mit einem Lächeln zurücklässt.

Die Menschen unterteilen sich nicht in Gut und Böse. Dazwischen liegen viele Grauzonen und oft ist es hilfreich, hinter die Fassaden zu schauen. Viele sind auf dem zweiten Blick oft ganz anders, auf den ersten Eindruck sollte man sich nicht verlassen.

In kurzen einprägsamen Kapiteln, die ursprünglich als zusätzliches E-Book entstanden und nun hiermit in gebundener Form vorliegen, lässt es sich leicht in die Geschichte eintauchen und erneut stellt sich die Frage, dieses Mal aus der Sicht der damit Konfrontierten, wie weit Inklusion schon ist oder ob sie überhaupt gelingt?

Was ist eine Behinderung, was ein bloßer Makel und was eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Kinder und Jugendliche einfühlsam an ein schwieriges Thema heranzuführen, gelingt Palacio hier ein zweites Mal überragend.

Es bleibt zu hoffen, dass diese drei Erzählungen genau so erfolgreich werden und die Autorin weitere solche Werke schreiben wird.

Autorin:

Raquel J. Palacio ist eine US-amerikanische Verlegerin, Schriftstellerin und Gestalterin für Buchcover. Der Name dabei ist ein Pseudonym ihres eigentlichen Namens Raquel Jaramillo, mit dem sie bis 2012 veröffentlichte.

Die Autorin lebt mit ihrer Familie und arbeitet in New York. 2012 erschien ihr Buch “Wonder”, welches ein Jahr später ins Deutsche übersetzt wurde.

Seit 2006 arbeitet sie in verschiedenen Positionen für den Verlag Workman und war 2013 Jurymitglied beim Internationalen Literaturfestival in Berlin für die Auszeichnung des außergwöhnlichsten Buches des Kinder- und Jugendprogramms. Ihr Jugendbuch “Wunder” wurde verfilmt.

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