Usbekistan

Julia Finkernagel: Ostwärts (1)

Inhalt:

Wenn nicht jetzt, wann dann? Was passiert, wenn eine Managerin ihren Job an den Nagel hängt, den Rucksack schultert und bis in die hinterste Mongolei reist? In Rumänien wird sie fast von Peter Maffay überfahren, dafür genießt sie in Georgien Gastfreundschaft 2.0 (Promille). Sie gerät in die Fänge des russischen Geheimdienstes, isst Suppe auf Tadschikisch (ohne Löffel!) und versucht sich als kirgisische Schwiegertochter in der Sommerjurte. Ach ja – und dreht darüber mit ihrem Kameramann eine launige TV-Serie. Alles zum ersten Mal.

Ein wunderbar geistreiches wie humorvolles Buch über echte premieren, die ein oder andere Panne und das große Glück vom Unterwegs-Sein. (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Julia Finkernagel: Ostwärts 1 – Ostwärts oder wie man mit den Händen Suppe isst, ohne sich nachher umziehen zu müssen

Julia Finkernagel: Ostwärts 2 – Immer wieder Ostwärts oder wie man in der Transsibirischen Eisenbahn duscht, ohne seekrank zu werden

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Rezension:

Bei Filmen bin ich immer vorsichtig, wenn der Trailer die Höhepunkte vorwegzunehmen scheint, bei Büchern geht es mir mit Klappentexten ebenso, wobei da die Wahrscheinlichkeit irgendwie höher zu sein scheint, dass sich die beschriebene Geschichte vollkommen anders entwickelt. Diese Inhaltsangabe klang witzig und genau nach dem, was heute im Internet zahlreich angeklickt wird. Spontane Reiseerlebnisse für den Moment festgehalten, nur eben in Buchform. Und es funktioniert.

Julia Finkernagel hat eigentlich als Managerin am Frankfurter Flughafen gearbeitet, bevor sie sich ein Sabbatjahr nahm und seit dem für den MDR in die verschiedensten Winkel der Erde reist. Mit Kamera- und Tonmann gilt es, die Geschichten der Menschen zu ergründen, die dort leben und die Zuschauer zu Hause in fremde Welten zu entführen. Alltag mal anders und immer darauf bedacht, spontane Ereignisse mitzunehmen. Keine Reisereportage im klassischen Sinn. So entpuppte sich “Ostwärts” zu einem der erfolgreicheren Formate des MDR.

Doch, wie waren die Anfänge und wie lernte Julia Finkernagel, wie Fernsehen funktioniert? Dies und natürlich ihre kuriosen Erlebnisse in den Ländern, die sie als erstes bereiste, beschreibt sie mit humorvollen Blick in ihrem Buch “Ostwärts oder wie man lernt, mit den Händen Suppe zu essen, ohne sich nachher umziehen zu müssen” und reiht Kuriositäten, Erlebnisse und Menschen so aneinander, dass man das Gefühl hat, die Autorin auf der Reise zu begleiten, zudem Erlebnisse zu erfahren, die es nie schafften, gesendet zu werden.

Nichts ist statisch oder faktenlastisch, als Reiseführer ist das Buch nicht zu gebrauchen, eher als Erfahrungsbericht, den man trotzdem einiges für sich mitnehmen kann. “Krieg und Frieden” taugt zum Beispiel nicht nur als Lektüre, sondern auch (Bücherfreunde festhalten!) als Toilettenpapier, wenn man nichts anderes hat und wenn man Hunger hat, ist man Plov.

Schriftstellerisch ist der Reisebericht, der in kurzweiligen und übersichtlichen Kapiteln über Polen, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, bis nach Georgien, Russland, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und in die mongolische Steppe wird, zwar kein großer Wurf, aber um so amüsanter und nachdrücklicher zu lesen. Reisen erweitert schließlich den horizont und warum nicht einmal ein eher etwas ungewöhnliches Ziel in seine To-do-Liste aufnehmen?

Wie funktioniwert Fernsehen und wie leben die Menschen fernab touristischer Standardrouten in dennoch reiseinteressanten Ländern? Wie viel Promille muss man bekommen, um eine georgische Tischrunde zu überstehen und warum wechselt der Tee in Tadschikistan mehrfach das Gefäß, bevor er getrunken wird? Dies alles und noch viel mehr, mit Appetit auf bulgarischen Schopska-salat und, na ja, eben Plov im Reisebericht der etwas anderen Art, auch wenn man wissen möchte, wie man in der weiten Steppe Pipi macht, ohne gesehen zu werden. Na dann, gute Reise.

Autorin:

Julia Finkernagel ist eine deutsche Moderatorin, Drehbuchautorin, Redakteurin und Drehbuchautorin. Nach der Schule studierte sie zunächst Kommunikationsdesign und arbeitete am Frankfurter Flughafen im Bereich der Planung des flugbetriebes. 2007 nahm sie sich ein Sabbatjahr und bereiste die Welt.

Auf die Berichte, die sie zunächst per E-Mail versendete, wurde der MDR aufmerksam, so begann die Geschichte der Dokumentationsreihe “Ostwärts – mit den Rucksack der Sonne entgegen”, die bis 2014 gesendet wurde. Seit dem arbeitet sie zudem als producerin für verschiedene Fernsehformate und wurde 2011 zudem für ein Qualifizierungsprogramm für Filmschaffende ausgewählt. 2016 war Finkernagel Mitglied der Jury der Biberacher Filmfestspiele. Dies ist ihr erstes Buch.

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Erika Fatland: Sowjetistan

Sowjetistan Book Cover
Sowjetistan Erika Fatland Suhrkamp Erschienen am: 06.03.2017 Seiten: 511 ISBN: 978-3-518-46752-6 Übersetzer: Ulrich Sonneberg

Inhalt:

Erika Fatland über Sowjetistan – Eine Reise durch Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan.

Mit ihrer fulminanten Reisereportage über die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens öffnet Erika Fatland uns die Tür zu einem fernab gelegenen Teil der Welt voller beeindruckender geschichten, skurriler Begebenheiten und überraschender Einblicke.

Sie erzählt von Samarkand und Dschingis Khan, von Brautraub und der Kunst der Adlerjagd, von korrupten Despoten, marmornen Städten und riesigen Goldstatuen, die sich mit der Sonne drehen. (Klappentext).

Rezension:

Es sind Länder zwischen den Stühlen. Genau so wie das Heimatland der Autorin, eher noch weniger, wird auch über die Länder Zentralasiens kaum berichtet. Abgeschottet zwischen Russland, Pakistan, Afghanistan und China liegend, die jede Aufmerksamkeit auf sich ziehen, bilden die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken einen weißen Fleck auf vielen Landkarten.

Früher abgeschottet, viele Städte aufgrund geheimer Militärprogramme der Sowjets auf den Karten nicht verzeichnet, regieren heute quasi Diktatoren die Länder, deren Landstrich auch heute allenfalls für das Verschwinden des Aralsees bekannt ist.

Der größten menschengemachten Naturkatastrophe in dieser Region, abgesehen von den Atomtests im Kalten Krieg.

Erika Fatland hat sich aufgemacht und versucht hinter die Fassade despotischer Diktaturen zu blicken und die Menschen kennenzulernen, deren Geschichte vom blühenden Handel auf der Seidenstraße erzählen kann aber auch von mongolischen Heerführern a la Dschingis Khan.

Wie lebt es sich heute in einer Region, die immer noch mit dem Erbe ihrer jüngeren Geschichte zu kämpfen hat, deren Berwohner am Rande des wirtschaftlichen Existenzminimums ums Überleben kämpfen, unterdrückt von Machthabern, deren Karrieren noch in den letzten Tagen der Sowjetunion begann?

Gibt es sie noch, die sagenumwobene Gastfreundschaft der Steppen- und Bergvölker, die längst großteils sesshaft geworden sind?

Wie sieht sie aus, die Gegenwart zwischen Orient und Okzident und welche Zukunft hält das Leben für das bunte Völkergemisch bereit, die sich heute an ihren Grenzen das Leben schwer machen, früher mit der eisernen Hand Moskaus unter Kontrolle gehalten worden?

Erika Fatland lässt sich darauf ein und nimmt ihre Leser mit auf eine reise ins Unbekannte. Sie blickt hinter schroffen und falschen Fassaden, stellt fest, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, auch wenn die Diktatoren als ebenso vergoldete Statuen auf sie herabblicken und der Wettkampf um den höchsten Fahnenmast mit Eifer betrieben wird und der einzige Gewinner dabei eine westliche Herstellerfirma ist.

Zwischen staatlichen Aufpassern und Wettkämpfen, resignierenden Archäolgen und vom Pferd fallenden Despoten versucht sie das Geheimnis von Samarkand und Taschkent zu ergründen, den Schein Astanas aufzudecken, reist zwischen Aschgabat und Duschanbe.

Der Blick der Autorin gilt dabei immer den Menschen der Region. Ungeschönt berichtet sie über das harte Leben der Menschen, deren Zukunft ungewiss ist und abhängig von den großen Nachbarstaaten, die sie umgeben. In ihren Heimatländern ist diese jedenfalls nicht zu finden.

Die Jungen wandern aus, richten ihren Blick nach Moskau oder in den Westen Europas, die Alten arrangieren sich mit den Verhältnissen und träumen von vergangenen Zeiten als man noch zu einer Großmacht gehörte.

Erika Fatland versucht die Hintergründe unverstellt darzulegen, die dazu führen, dass es immer noch Brautraub gibt und die Länder isoliert vom Weltgeschehen beinahe vor sich hin vegetieren. Herausgekommen dabei ist ein Blick auf das Besondere, auf den Alltag einer Region, die es noch zu entdecken gilt.

Einfühlsam ohne Verklärung berichtet Erika Fatland von einer Region, in der die Zukunft alles andere als sicher ist und doch, je nach Staat unterschiedlich verlaufen kann.

Dort kann alles passieren, ist sie sich sicher und beschreibt episodenhaft die Geschichte dieser Landstriche, durchsetzt von gesellschaftlichen Exkursen und immer wieder auch der Beschreibung von kuriosen Ereignissen, vor allem aber von Menschen.

Unverstellt wünscht man sich mehr solcher unaufgeregter und neugieriger Reisereportagen, wie die von Fatland, der dies mit “Sowjetistan” mehr als gelungen ist. Diese Momentaufnahme, aufgelockert durch mehrere Karten und Fotoaufnahmen, hilft uns zu verstehen.

Doch, wer wirklich begreifen möchte, muss sich mit Sack und Pack selbst aufmachen, die Region zu erkunden. Wer keine Gelegenheit dazu hat, hat mit “Sowjetistan” einen wunderbaren Einblick in das Leben in einer faszinierenden Landstrich gewonnen.

Autorin:

Erika fatland wurde 1983 in Hausgesund/Norwegen geboren und ist eine norwegische Schriftstellerin und Ethnologin. Nach der Schule studierte sie in Kopenhagen und Oslo Anthropologie und schrieb ihre Abschlussarbeit über die Nachwirkungen des Geiseldranas von Beslan in Nordossetien.

Danach arbeitete sie 2008-2009 am Norwegischen Institut für Internationale Angelegenheiten. 2009 schrieb sie ein Kinderbuch und kehrte im Jahr darauf nach Beslan zurück um ihre Arbeit über Beslan fortzusetzen. Ihr Buch darüber erschien in Norwegen 2011.

Im Herbst 2012 veröffentlichte sie ein Buch über die Terroranschläge in Norwegen und machte sich zwei Jahre später auf, die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens zu besuchen. Für die Reisereportage wurde Erika Fatland mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt in Oslo.

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