Skandinavien

Cecilia Sjögren: Die letzte Welle

Inhalt:

Im Altenheim “Ömheten” geschehen seltsame Dinge: Ein mysteriöser Einbruch, gefolgt von einem Todesfall wecken den Verdacht des pensionierten Polizisten Tore Lindahl: Ist sein Heimnachbar Viking wirklich auf natürliche Weise gestorben? Wer ist der Fremde, der vor dem Heim herumschleicht? Und warum will das Pflegepersonal all das geheim halten?

Bei der örtlichen Zeitung hofft Veronika Wiklund auf die große Story. Wenn sie nicht bald einen aufsehenerregenden Artikel abliefert, verliert sie den Job. Als sie von Tores Verdacht hört, sieht die Journalistin ihre Chance gekommen.

Gemeinsam beginnen die beiden zu ermitteln. Ihre Recherche deckt ein weit verzweigtes kriminelles Netzwerk auf. Musste Viking sterben, weil er davon wusste? Oder liegt die Wahrheit weiter zurück – im Inferno des Zweiten Weltkriegs, dem auch der kleine Fischerort Grisslehamn nicht entgehen konnte? (Klappentext)

Rezension:

Interviews im Umfeld des Altenheims sollen es sein, die die journalistische Praktikantin führen soll, fällt doch die Einrichtung im Zuge einer wirtschaftlichen Übernahme vor allem durch Ungereimtheiten in der Verwaltung auf. Routinearbeit, die nicht gerade genügend Stoff bietet, doch ereignet sich zeitgleich ein Todesfall, der den pensionierten Polizisten Tore Lindahl aufhorchen lässt. Der mag nicht so recht an einem natürlichen Ableben seines Zimmernachbarn glauben und begibt sich auf Spurensuche. Auch für Veronika stellen sich bald mehr Fragen als Antworten. Beide ziehen ihre Schlüsse, nicht ahnend, welche Geister der Vergangenheit sie da wecken.

Kriminalromane aus Skandinavien sind eine sichere Bank, zumal wenn sie in modernen Gewand und ohne eine gehörige Portion Melancholie daherkommen, die sämtliche Handlungen zu ersticken vermag. Stattdessen macht die Autorin Celine Sjögren in ihrem Debüt viele Handlungsstränge auf, die hauptsächlich auf zwei zeitliche Ebenen verteilt werden. Diese kann man aufgrund der Struktur des Textes noch gut auseinander halten, doch ist hier mit der Detaillierung eindeutig zu viel gewollt.

Da wäre nicht nur die eigentliche Haupthandlung, sondern auch das Zwischenspiel im Miteinander von Charakteren, die zwar viel Inhalt bringen, bei denen man sich jedoch zu schnell fragen mag, wie am Ende diese zueinander geführt werden, zudem ein Handlungsstrang eher dem Genre Kriegsroman zugeneigt ist. Auch diese Gegensätze werden nach und nach miteinander verbunden.

Cecilia Sjögren kann schreiben und weiß wenige Spannungsmomente gekonnt einzuarbeiten, doch ergeben sich aus zwischenmenschlichen Zusammenspielen zwar die Konturen der mit zunehmender Seitenzahl auch immer zahlreicheren Protagonisten, aber eben auch Längen, die man kaum ignorieren wird können. Landschaftliche und Ortsbeschreibung sind dagegen positiv hervorzuheben. Bilder vor dem inneren Auge sind garantiert. Das zusammen funktioniert am besten, wenn sich die Handlung weg vom Ausgangspunkt bewegt, fast so als würde die Dynamik mit der Ferne zum Altenheim zunehmen. Apropos Altenheim, bis jetzt dort die trostloseste Beschreibung dessen innerhalb eines Buches, welche ich gelesen habe.

Die Figuren sind gekonnt ausgestaltet und bekommen im Verlauf ihre Ecken und Kanten. Manches ist nicht wie es scheint, auch wenn in das Kitsch-Näpfchen das eine oder andere Mal zumindest der Finger hineingetaucht wurde. Momente des Augenrollens hat man da durchaus, im Gegensatz zu einem gewissen Schauer, den man bei Kriminalromanen erwarten dürfte. Der fehlt komplett. Beim Lesen des Textes neigt man dazu, Mord und andere unausweichliche Konfrontationen mit Schulterzucken hinzunehmen, was sicher auch nicht das ursprüngliche Ziel gewesen sein dürfte. Man liest diesen Krimi wie einen normalen Roman, der kein Krimi ist.

Große Überraschungen bleiben aus, zumindest wenn man bereits einiges in diese Richtung gelesen hat, trotzdem erlaubt der Schreibstil ein schnelles Vorankommen, so dass man auch über die eindeutigen Schwächen hinwegkommen und die Lektüre fix beenden wird. Wen das ausreicht, sei “Die letzte Welle” zu empfehlen.

Autorin:
Cecilia Sjögren ist Wirtschaftswissenschaftlerin und Autorin. Zum vierzigsten Geburtstag bekam sie einen Schreibkurs geschenkt, seit dem schreibt sie vor allem Kriminalgeschichten. Ihr Roman “Die letzte Welle” gewann 2022 den Krimiwettbewerb von SAGA Egmont.

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Alex Schulman: Endstation Malma

Inhalt:
Ein Zug fährt durch eine Sommerlandschaft. An Bord: ein Ehepaar in der Krise, ein Vater mit seiner kleinen Tochter, eine Frau, die das Rätsel ihres Lebens lösen will. Sie alle fahren nach Malma, einem kleinen Ort, wenige Stunden von Stockholm entfernt, umgeben von Wäldern. Und keiner von ihnen weiß, wie ihre Schicksale verwoben sind und was sie in Malma erwartet. (Klappentext)

Rezension:

Zeitebenen, aneinandergereiht wie Waggons eines Zuges, sind es, die wir verfolgen, während wir den Spuren der Protagonisten des neuen Romans von Alex Schulman verfolgen, der in einer Mischung aus Fiktion und faszinierenden Psychogram wieder einmal eine eindrückliche Erzählung aufmacht.

Nicht ganz einfach ist sie, diese Geschichte, in der wir die Figuren bis zu ihren jeweiligen Wendepunkten verfolgen. Alles läuft und entscheidet sich im fiktiven Ort Malma, wenige Stunden von Stockholm entfernt. Ein Ehepaar am Scheideweg, eine Frau auf der Suche, eine Tochter dazwischen, sie alle haben Fragen. Wird ihnen jemand diese beantworten können? Werden sie sich, teilweise selbst, überwinden?

Alex Schulman gehört zu den wohl faszinierenden zeitgenössischen Autoren Schwedens, die außerhalb des sonst so klischeehaft beliebten Krimi-Genres brillieren, schafft er es in seinen Romanen eigene Dramen mit Fiktion zu verweben. Dies gelingt so gut, dass man sich im Norden Europas zuweilen fragt, welche Szenarien quasi Erlebten entsprechen und was frei erfunden ist, macht die Erzählung zuweilen jedoch nicht immer in Gänze zugänglich.

Schwierig hineinzufinden ist es in den Text, in dem die Figuren sofort mit ihren Ecken und Kanten auffallen. Nicht einmal das Kind wirkt von Beginn an bedingungslos sympathisch, zudem sehr bald das große Thema Depression dunkle Wolken am schwedischen Firmament aufziehen lässt. Wortgewandt vermag das der Autor zu beschreiben, immer tiefer droht man dann doch zu versinken. Darauf sollte man sich nur einlassen, wenn man nicht dazu neigt, sich allzu sehr hinunterziehen zu lassen.

Leicht ist etwas anderes. Schon die Zeitebenen machen es nicht unbedingt leicht, den Überblick zu wahren, die Protagonisten tun ihrerseits das Übrige. Sie streben voneinander weg, kommen doch nicht voneinander los. Ein Familiendrama in drei Akten, auf unterschiedlichen Ebenen, bei denen man sich die Haare raufen und die Figuren eine nach der anderen schütteln möchte. Ohne zu wissen, ob man enttäuscht, wütend oder einfach nur genervt ist.

Landschaftsbeschreibungen indes kann der Autor so, wie er auch Figuren ausgestaltet, jedoch ohne Meta-Ebene. Orte, sei es nun der Bahnsteig, das Innere des Waggons oder auch Wohnungsszenen sind sehr plastisch beschrieben. Genau so stellt man sich das alles vor. Hier gelingt das Spiel mit der Sprache. Einzelne Sätze sind es, wie auch bei “Die Überlebenden”, die sich einbrennen.

Wer einmal etwas anderes als das lesen möchte, was man sonst aus dem skandinavischen Raum bekommt, ist auch mit dieser Erzählung von Alex Schulman gut bedient, wenn auch Schönheitsfehler in der B-Note diesen Roman nicht an das zuerst ins Deutsche übersetzte Werk heranreichen lassen. Dazu ist “Endstation Malma” etwas zu sperrig. Wie auch die Figuren ist diese Erzählung sehr eigen. Darauf muss man sich einlassen wollen. Nur so funktioniert es.

Autor:
Alex Schulman wurde 1976 in Hemmesdygne, Schweden, geboren und ist ein skandinavischer Schriftsteller, Journalist und Blogger. Er schreibt für diverse TV-Shows und startete im Jahr 2006 einen Blog, zudem für diverse Zeitungen und Magazine Beiträge, zuletzt moderierte er eine TV-Sendung und startete 2012 einen eigenen Podcast.

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Linda Segtnan: Das achte Haus

Inhalt:

An einem Maiabend im Jahr 1948 verschwindet die neunjährige Birgitta Sivander zwischen den Bäumen eines schwedischen waldes und kehrt nicht mehr zurück. Kurz vor Sonnenaufgang wird sie tot in einem graben gefunden. Siebzig Jahre später liest Linda Segtnan zufällig einen Zeitungsartikel über den ungeklärten Mord. Etwas veranlasst sie, Birgittas Schicksal näher zu erforschen. Sie beginnt, in Archiven zu recherchieren, doch auch vor dem Unergründlichen dieses Falls schreckt sie nicht zurück. Ihre Besessenheit wird immer größer – während gleichzeitig in ihrem Bauch Leben heranwächst. Ein Mädchen. Wie hält man es aus, ein Kind in eine Welt zu setzen, die so bodenlos grausam sein kann? Wie erträgt man die Gefahren, die eine Tochter bedrohen? (Klappentext) 

Rezension:

Es ist das wohl schrecklichste aller Szenarien, wenn dem eigenen Kind etwas angetan wird, wenn dieses plötzlich verschwindet und später tot aufgefunden wird. Welten brechen damit zusammen und nicht nur für die Eltern ist danach nichts mehr, wie zuvor. Am Ende bleiben Verzweiflung, Hilflosigkeit, Ermittlungsakten und Zeitungsartikel. Auf letzteren stößt zufällig Linda Segtnan bei der Vorbereitung einer ihrer Stadtführungen, nicht ahnend, dass bald die Recherche nach den Hintergründen sie in Abgründe stößt, denen sie sich nur schwer entziehen wird können.

Der Kriminalfall an sich gilt aus damaliger Sicht als schnell gelöst. Die schuldige Person ist schnell ausgemacht. Lücken und Differenzen, die aus heutiger Sicht kaum zu übersehen sind, werden als nichtig abgetan, doch stößt man sich unweigerlich daran, wenn man sich heute damit beschäftigt. Wurden bestimmte Aspekte zu Gunsten einer einfachen Lösung damals außer Acht gelassen, da entweder untersuchungstechnische Mittel nicht zur Verfügung oder gesellschaftliche zwänge im Wege standen? 

Mit diesem Spagat hat sich die Autorin beschäftigt und damit eine Besonderheit im Bereich des True Crime geschaffen, eben nicht nur nüchtern einen Fall nacherzählt. Segtnan wollte erfahren, warum handelnde Personen wie ermittelnde Beamte  bestimmte Entscheidungen trafen und was dies mit den Familien des Opfers, des Verdächtigen und mit ihrer Umgebung machte, zugleich schildert sie, was die Erkenntnisse mit ihr selbst machten, was dieser Fall auch Jahrzehnte später noch auszulösen vermag.

Im Wechsel zwischen den Zeiten, einmal die Nachstellung damaliger Szenen, wie sie sich abgespielt haben müssen, dann wieder wie die Recherche nach Fakten und weiterführenden Informationen in das eigene Leben hineingreifen, schildert sie diesen Kriminalfall, versucht nach und nach ein Puzzle zusammen zu setzen. Je klarer sich Konturen, Ecken und Kanten ergeben, um so unerträglicher wird es, zumal Familie und Privatleben, was sich daraus ergibt. Zunächst besteht die Recherche da nur aus dem Zusammensuchen von Zeitungsartikeln, später Archivmaterial bis hin zur Kontaktaufnahme mit Zeitzeugen und Ortsbegehungen. Nicht nur diese Schilderungen sind es, die eine Dynamik beim Lesen erzeugen, der man sich ebenso wie die Autorin kaum entziehen mag.

Linda Segtnan legt sich dabei nicht fest, stellt mehrere Perspektiven dar, um ein vielschichtiges Bild aufzuzeigen. Wie war das gesellschaftliche Gefüge der örtlichen Gemeinschaft, in deren Nähe dieses Verbrechen geschah, wie der stand der einzelnen Familien und Personen, sowohl des Opfers als auch des Verdächtigen und wie der Umgang mit beiden, der so in alle Richtungen heute nicht mehr vorkommen würde? Welche Auswirkungen hatte dies auf die Ermittlungen und wie wirkt das in der Nachbetrachtung heute?

Gegensätze werden dabei sehr detailliert herausgearbeitet. Es ist aber eben auch spannend zu erfahren, wie die Autorin mit dem Wissen umgegangen ist, und dieses verarbeitet hat, wenn auch die spiritistischen Einsprengsel manchmal ein Zu viel des Guten gewesen sind, sollte man sich doch eigentlich über die Vorgehensweise der ermittelnden Beamten aufregen, die den Fall von Beginn an in eine bestimmte Richtung gelenkt haben, ohne andere Facetten überhaupt in Betracht zu ziehen, anstatt über die Autorin selbst. 

Manchmal fragt man sich beim Lesen schon, wie ernst man die Autorin noch nehmen kann, wenn wiederholt die App erwähnt wird, die auf ihrem Smartphone aufgespielt, angeblich die Anwesenheit von Geisterwesen anzeigt. Diese Erwähnungen einmal bitte ausklammern und nach dem Lesen schnell vergessen, um den Fokus auf andere Aspekte, nämlich die Beschäftigung und Vereinnahmung des Falls, legen, dann ist “Das achte Haus” allemal eine spannende Lektüre wert.

Trotzdem mögen alle für sich bestimmte Anknüpfungspunkte finden. Fans von True Crime kommen hier auf ihre Kosten, ebenso wie an Psychologie interessierte Menschen, aber auch jene, die sich gerne mit Historie und gesellschaftliche Zusammenhänge vergangener Zeiten beschäftigen möchten. 

Es fehlt, glücklicherweise, der zu sehr melancholisch alles übertünchende Mehltau, der zumindest in der romanhaften skandinavischen Kriminalliteratur immer noch häufig anzutreffen ist. Im True Crime Bereich gleicht “Das achte Haus” in etwa Michelle McNamaras “Ich ging in die Dunkelheit”, welches die Autorin sowohl als Vorbild nennt, jedoch auch in den Folgen für McNamara als abschreckendes Beispiel. Dieser Gefahr des sich in etwas Hineinsteigern hat Segtnan förmlich versucht zu vermeiden. Ob dies ihr gelungen ist, bitte einmal selbst herausfinden.

Auf der einen Seite die Schilderung des Falls, auf der anderen die des Verarbeitungsprozesses als Kontrapunkt zeichnen sich verantwortlich für die Dynamik und das Erzähltempo, den man sich kaum entziehen kann. Als gelernte Stadtführerin kann die Autorin zudem detailreich Orte bildlich vor dem inneren Auge entstehen lassen, was dann beinahe eine gewisse literarische Qualität besitzt, ohne jedoch diesen Anspruch haben zu wollen. Zuweilen wirkt das so, als würde man den Besprechungen, Begehungen beiwohnen. So schafft die Autorin Nähe zu sich selbst und auch zum recherchierten Geschehen.

Für Fans von True Crime, die auch einmal einer anderen Herangehensweise als im englischsprachigen Raum offen gegenüberstehen, ist “Das achte Haus” als Lektüre zu empfehlen, ebenso für jene, die die sich auch mit hierzulande unbekannteren Fällen beschäftigen möchten. Der besondere Aspekt des beschriebenen Vereinahmung- und Verarbeitungsprozesses bringt noch einmal eine andere Komponente mit hinein, auf die man sich einlassen können muss.

Alleine der Zugang zu den spiritistischen Einsprengseln geht mir persönlich ab und hätte es wirklich nicht gebraucht. Viel spannender waren da die Schilderungen historischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge, für die sich dann doch alleine schon die Lektüre lohnt. Unter diesen Gesichtspunkten kann ich “Das achte Haus” empfehlen. 

Autorin:

Linda Segtnan wurde 1986 geboren und ist eine schwedische Historikerin und Autorin. Sie hat Audio-Horrorgeschichten mit historischem Bezug zu Orten in Schweden recherchiert, geschrieben und aufgenommen. Das achte Haus ist ihr erstes Buch, es erschien im schwedischen Original im September 2022. Segtnan lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Stockholm.

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Florence McLean: Serienmörder – Der Mensch hinter dem Monster

Inhalt:

Wie wird ein Mensch zum Serienmörder? Und kann man diese Entwicklung stoppen? Die Psychologin Florence McLean berichtet von dem jahrelangen Briefwechsel, den sie mit einer Reihe berüchtigter Serienmörder geführt hat – unter anderem mit Jeffrey Dahmer, der die Köpfe seiner Opfer als Souvenir in der Kühltruhe aufbewahrte, und dem “Prostituiertenmörder Arthur john Shawcross.

Mithilfe von Methoden des berühmten FBI-Profilers John E. Douglas analysiert McLean Denken, Fühlen und Handeln der 34 Täter, die zusammen Hunderte Menschenleben auf dem Gewissen haben. Und sie untersucht die Möglichkeit, potenzielle Täter zu identifizieren, bevor sie den ersten Mord begehen, indem man konventionelle Profiling-Techniken neu denkt und anwendet. (Klappentext)

Rezension:

Ursprünglich war sie nur auf der Suche nach einem Thema für ihre Diplomarbeit, am Ende jedoch stand sie in Kontakt mit einigen der schlimmsten Serienverbrecher weltweit. Aus einem Land heraus, in dem der gesellschaftlichen Struktur geschuldet, vergleichsweise wenige Mordserien geschehen, schrieb die angehende dänische Psychologin Florence McLean jene an, die unzählige Menschenleben auf dem Gewissen hatten.

Ihr Ziel, herauszufinden, ob es anhand verschiedener Kriterien möglich ist, diejenigen herauszufinden, die das schreckliche Potenzial haben, zum Serienmörder zu werden, noch bevor sie ihre ersten Verbrechen begehen und somit diese Personen vor sich selbst und nicht zuletzt die Gesellschaft zu schützen. Doch wie weit darf, muss man gehen, ohne das unmenschliche Abgründe einen vereinnehmen können?

In einer Mischung aus der Zusammenfassung psychologischer Studienarbeit und der Faszination, die das abgrundtief Böse auf uns einübt, so lange wir selbst nicht davon direkt betroffen sind, liest sich dieses Werk als vorsichtige Annäherung an eine Thematik, die je mehr man sich mit ihr beschäftigt, immer breiter gefächert und detaillierter gesehen werden muss, um wirksame Schlüsse daraus zu ziehen. Dabei beschreibt die Autorin ihren Werdegang in die Psychologie hinein und den Nutzen der Kommunikation mit den Schlüsselpersonen, um sie einmal als solche zu bezeichnen, ebenso was dies mit einem macht.

Die Beschäftigung und Kommunikation mit Serienmördern ist das eine, das Erstellen von Profilen und der Suche nach auslösenden Momenten, Gemeinsamkeiten und bedeutsamen Unterschieden ist das andere, kommt in dieser kompakten Form jedoch zu kurz, ebenso wie die darstellung der Briefwechsel selbst, wobei die Autorin auch klarstellt, dass alleine die Auseinandersetzung mit einer Person wie Arthur John Shawcross einen eigenen Bericht wert wäre.

Teilweise holprig formuliert, was an der Übersetzung liegen könnte, die ich nicht zu beurteilen vermag, beschreibt die Autorin sehr verdichtet ihre Schlussfolgerungen, was sich in Teilen zwar interessant liest, jedoch mehr Ausführungen bedarft hätte, zudem die Entscheidung, konzentriert man sich eher auf “Personengeschichte” oder geht vollendet in die psychologische Analyse. Florence McLean entscheidet sich nicht für einen der beiden Wege, so dass hier Chancen vertan werden und dieses kleine sachbuch allenfalls als Teaser sowohl in die eine als auch in die andere Richtung verwendet werden kann.

Interessant ist hier vor allem die Herausarbeitung der Unterschiede etwa zwischen dem Serienmordgeschehen in den USA und im flächenmäßig kleinsten aller skandinavischen Staaten und die Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf die reguläre Arbeit in ganz anderen psychologischen Bereichen. Wie das funktioniert ist spannend zu lesen, doch auch hier fehlen wieder Ausführungen, die anstatt Verknappung besser platziert gewesen wären.

So kann dieses Werk allenfalls Ergänzung sein oder Beginn der Beschäftigung mit dieser Thematik, zudem wäre auch eine Übertragung ihres entwickelten Modells auf andere Länder mit unterschiedlichen Kriminalstatistiken interessant gewesen. So aber bleibt nur ein Gräuseln an der Oberfläche. Die Faszination und das Interesse nimmt man Florence McLean ab, auch die fachliche Komponente. Immerhin. Reicht das jedoch, für ein Werk, was sich wirklich auch so liest wie nur ein Nebenprodukt einer fachlichen Arbeit? Entscheidet selbst.

Autorin:

Florence McLean ist eine dänische Psychologin und Autorin. Sie ist Fachärztin für klinische Psychologie, Psychotherapie und Kinderneuropsychologie und führt seit 2007 eine eigene Praxis. zuvor studierte sie Psychologie und Verhaltenswissenschaften in Aarhus und arbeitete bis 2021 u. a. in der psychologisch-pädagogischen Beratung. Sie ist Mitglied der Dänischen Gesellschaft für Psychologie.

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Johan Eklöf: Das Verschwinden der Nacht

Inhalt:

Nachtfalter umschwirren eine Straßenlaterne – wer kennt den Anblick nicht? Die vielen Lampen und Lichter auf unseren Straßen und an unseren Häusern verwirren diese lichtempfindlichen Tiere. Und erschöpft sterben sie schließlich dort, statt ihrer nächtlichen Bestimmung, der Befruchtung nachtblühender Gewächse, nachzugehen.

Der schwedische Zoologe Johan Eklöf zeigt: Alle Rhythmen der Natur sind letztlich abhängig vom Wechsel zwischen Tag und Nacht. Fällt dieser Wechsel weg wegen des künstlichen Lichts, das unsere Welt immer stärker erhellt, dann hat das gravierende Folgen. Und auch der Mensch leidet unter zu viel Licht, weil Störungen seines Schlaf-wach-Rhythmus ihn krank machen.

Das Verschwinden der Nacht zeigt eindringlich, welche Bedeutung die Dunkelheit für die Natur hat – und welche Faszination von der Nacht ausgeht. (Klappentext)

Rezension:

Während das Genre Nature Writing in den Regalen der Buchhandlungen überhandnimmt, sucht man immer öfter das ins Dokumentarisch gehende Schreiben vergebens, genauso wie absolute Dunkelheit. Die ist selbst zu nachtschlafender Zeit kaum mehr zu finden. Das Licht, welches unsere Städte erhellt, überstrahlt einen Großteil der sonst sichtbaren Sterne und bringt den Biorhythmus nicht nur von Flora und Fauna durcheinander. Johann Eklöf, der seit Jahren den Spuren von Fledermäusen folgt, begibt sich im nicht mehr ganz so durchdringenden Dunkel der Nacht auf die Suche.

Gleich zu Beginn des Sachbuchs folgen wir dem Zoologen auf den Weg zu den immer spärlicher werdenden, noch nicht vom künstlichen Licht, angestrahlten Kirchtürmen Schwedens, die eine Herberge für Fledermauskolonien bilden. Das ist auch in dem sehr mit der Natur verbundenen skandinavischen Land inzwischen eine Seltenheit. Wird ein Gebäude mit künstlichem Licht bestrahlt, verschwinden die Flügeltiere, aber auch andere haben mit der von uns geschaffenen Situation zu kämpfen.

Man weiß schon lange, dass nachtfliegende Vögel sich in besonders große Höhe bewegen, wenn der Mond an einem klaren Himmel steht und tausend Sterne zu sehen sind. In bewölkten Nächten, bei Regen und Nebel fliegen die Vögel niedriger. In diesen Fällen ist aber das Risiko besonders groß, dass die Schwärme von Licht und Gebäuden verwirrt werden.

Johan Eklöf: Das Verschwinden der Nacht

Kurzweilig, anhand zahlreicher Beispiele, beschreibt Johan Eklöf, wie die Nacht zum Tag wurde und welche Folgen dies nicht nur für Tiere und Pflanzen hat. Neben dem sich wandelnden Klima sieht er das, was Astronomen schon länger Lichtverschmutzung nennen, als einen bedeutenden Faktor an, der uns zusätzlich zum Verhängnis werden könnte. Ein Schwarzseher ist er dennoch nicht. Ausgerechnet unsere moderne Beleuchtung könnte helfen, dem entgegen zu wirken.

Immer wieder spürt man beim Lesen die Begeisterung und die Faszination für das, was den meisten von uns insgeheim noch immer unheimlich erscheint, obwohl wir schon längst nicht mehr vom Dunkel unserer Vorfahren umgeben sind. Kenntnisreich erzählt der Autor von faszinierenden Naturschauspielen, Tierbegegnungen und wie wir unser Bedürfnis nach Licht, damit Orientierung, und das der Natur miteinander vereinbaren können. Der erhobene Zeigefinger fehlt, doch dem Autor fehlt nicht viel, so dass man sich beinahe in einer Dokumentation von David Attenborugh wähnt.

Eine weitere effektive Methode, um Ökosysteme zu stören und das Gleichgewicht zwischen Beutetieren und Räubern aufzuheben, liegt in einer Veränderung der Umwelt. Wenn wir unsere Abende und Nächte heller machen, verwirren wir nicht nur den zirkadianen Rhythmus der Tiere, sodass sie nicht mehr wissen, wann sie sich verstecken und wann sie auf die Jagd gehen sollen. Wir nehmen darüber hinaus sowohl Beutetieren als auch den Räubern auch die Möglichkeit, ihre Verstecke zu tarnen.

Johan: Eklöf: Das Verschwinden der Nacht

Viel Wissen nimmt man ohnedies aus der Lektüre mit und zugleich, was uns entgeht, wenn wir die Nacht bei Licht betrachten. Hier ist die Mischung, die beim Nature Writing oft genug im philosophischen Mehltau mündet, aus persönlichen Schilderungen und der Einbindung von Fakten sehr gut funktioniert. Es wurde Zeit, dass sich diesem sonst so unbeachteten Faktor jemand annimmt.

Autor:

Johan Eklöf wurde 1973 geboren und ist ein schwedischer Zoologe und Fledermausexperte. Er arbeitet als Naturschützer und berät Behörden, Stadtplaner und Organisationen zu den Themen Nachtökologie und naturfreundliche Beleuchtung.

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Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 3 – Grabesstern

Bücher der Reihe:

Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 1 – Leichenblume

Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 2 – Narbenherz

Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 3 – Grabesstern

[Einklappen]

Inhalt:

Eigentlich wollte Journalistin Heloise Kaldan nur einen Artikel über Sterbebegleitung schreiben. Doch als sie sich mit dem todkranken Jan Fischhof anfreundet, beginnt ihr die Sache nahezugehen. Jan scheint etwas auf dem Gewissen zu haben. Seine Hinweise führen Heloise nach Jütland, an die Flensburger Förde, zu einem lange zurückliegenden Fall. Heloises guter freund Kommissar erik Schäfer ist misstrauisch: Was weiß sie wirklich über Jan Fischhof? Heloise stößt in ein gefährliches Wespennest. Kann sie ihrer Intuition trauen?

(Klappentext)

Rezension:

Was verbirgt sich gegen Ende des Lebens hinter unseren Fassaden? Sind wir bereit, reinen Tisch zu machen, uns Erleichterung für die Seele zu verschaffen?

An all dies denkt die Kopenhagener Journalistin Heloise Kaldan zunächst nicht, als sie den todkranken Jan Fischhof betreut, um für eine Artikelserie über Sterbebegleitung zu recherchieren. Seine Andeutungen jedoch, lassen sie nicht mehr los. Heloise begibt sich auf die Suche. Nicht ahnend, was und wen sie damit alles aufschreckt.

Dies ist der Auftakt des nunmehr dritten Bandes dieser temporeichen Krimireihe, die uns diesmal von Kopenhagen dicht an die deutsche Grenze führt. Hier gelten andere Gesetze als in der dänischen Hauptstadt, vor allem im Zusammenleben untereinander und so wirbelt die Protagonistin zunächst ziemlich viel Staub auf, der sich zu einem kontrastreichen Showdown hin entwickelt.

Dabei nimmt sich die Autorin zu Beginn wieder Zeit, um die Handlung aufzubauen und Bilder von den Figuren zu schaffen, die man mit all ihren Ecken und Kanten förmlich vor sich sieht. Auch die Hintergründe der Hauptprotagonistin selbst werden nochmals dargestellt, so dass man den Band unabhängig von seinen Vorgängern lesen kann, ohne Fascetten zu verlieren.

Was zunächst wie ein einziger Handlungstrang wirkt, entpuppt sich schnell als Puzzle zwischen mehreren Zeitebenen, aufgedröselt durch die Hauptfigur, aus derer Sicht die Geschichte erzählt wird. Wendungen im Verlauf sind dabei teilweise hvorzusehen, jedoch folgerichtig. Das Ende funktioniert sowohl als Abschluss dieser Trilogie, als auch als Cliffhanger für mögliche weitere Bände.

Mit zunehmender Seitenzahl, in der auch die Handlung an Tempo gewinnt, schwedischer Mehltau ist dänischen Thrillern offenbar fremd, auch wirkt dieser nicht ganz so brutal wie manch anderer, gewinnen die Figuren an Kontur. Dies auch, wenn einzelne Fragen durch die Autorin bewusst offengelassen werden.

Alleine der Abschluss wirkt etwas zu gefühlsduselig, gemäß einer Vorabendkrimiserie im Fernsehen, was nicht hätte unbedingt sein müssen. Ansonsten jedoch durchaus eine Leseempfehlung zwischen Geheimnissen der Vergangenheit, verschwiegener Gemeinschaften und Machenschaften eines Familienclans, in die man sich besser nicht einmischt.

Autorin:

Anne Mette Hancock wurde 1979 geboren und ist eine dänische Schriftstellerin. Sie studierte Geschichte und Journalismus in Roskulde, bevor sie als freie Journalistin für Tageszeitungen und verschiedene dänische Magazine im Lifestyle-Bereich arbeitete. Nach Aufenthalten in Frankreich und den USA lebt sie mit ihrer Familie in Kopenhagen. Ihre Thriller wurden bereits mehrfach übersetzt und ausgezeichnet.

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Alex Schulman: Die Überlebenden

Inhalt:

Vor zwei Jahrzehnten ging hier ein Riss durch die Welt. Jetzt kehren die Brüder Benjamin, Pierre und Nils zum ort ihrer Kindheit – ein Holzhaus am See – zurück, um die Asche ihrer mutter zu verstreuen. Eine Reise durch die raue, unberührte Natur wie auch durch die Zeit. Was ist damals wirklich passiert?

Über die verheerende Liebe einer Mutter und über drei Brüder, die einander das Leben retten: Alex Schulmans Roman “Die Überlebenden” dringt zu unseren Hoffnungen und Ängsten vor, zu unserem innigsten Wunsch nach Vergebung. Zu dem, was uns zu Menschen macht. (Klappentext)

Buchtrailer, dtv, Alex Schulman “Die Überlebenden”.

Rezension:

Flirrend rinnen die Sonnenstrahlen durch die Finger. Am Platz der Kindheit scheint die Zeit all die Jahre still gestanden zu haben. Die Plastikstühle stehen noch am gleichen Platz. Bäume, Sträucher, die kleine Hütte und das Bootshaus haben sich kaum verändert.

Lange, nachdem die Brüder ihre eigenen Wege eingeschlagen haben, finden sie dort wieder zusammen, wo sie als Jungen ihre Sommer verbracht haben. Ironischerweise ist es der Tod der Mutter, die die Geschwister miteinander konfrontiert. Lange davor hatte es den Bruch gegeben, der Nils, Benjamin und Pierre entzweite und an dem die Familie zerbrach. Risse hatten sich schon eher gezeigt. Der Erwachsene, Benjamin, stellt sich die Frage: Was ist passiert?

Er mustert seine Brüder, wahrscheinlich liebt er sie.

Alex Schulmann: Die Überlebenden

Still und leise beginnt der Erzähler in seine Kindheit einzutauchen. Er, der schon immer beobachtende, sieht seine Familie hier vor sich, an dem Ferienhaus am See, an der die heile Welt immer schon zum Greifen nah war, doch die umgebenden Eltern immer abwesend waren. Liebevolle Momente blitzen auf, doch entfliehen sie Benjamins Erinnerungen und werden von all den schlechten überdeckt.

Alex Schulman legt mit “Die Überlebenden” ein erschütterndes Debüt vor. Die Hauptprtagonisten sind seinen Geschwistern und ihm nach empfunden, einzelne Ereignisse tatsächlich wie beschrieben passiert. Unwillkürlich fragt man sich beim Lesen, wo Wahrheit und Fiktion zu trennen sind, hofft, dass es mehr Momente des Glücks als beschrieben gegeben haben mag, um im nächsten Abschnitt förmlich zu spüren, wie den hilflosen Jungen die Luft im übertragenen Sinne abgedrückt wird.

Alle ziehen sie an ihm vorbei, all die Jungen, die er gewesen ist.

Alex Schulman: Die Überlebenden

Nach außen hin wahrt die Familie, deren Mitglieder so wunderbar ausgestaltet sind, den Schein, zusammen und doch für die jeweils anderen abwesend. Nicht ist schwarz, nichts ist weiß. Grautöne beherrschen im übertragenen Sinne das Bild, die Handlung. Wut und Bestürzung auf die jeweils handelnden Personen wechseln sich Kapitel für Kapitel ab. Mit Hilfe der Sprache ist zusätzlich ein Sog entstanden, den man sich kaum entziehen kann.

Er und seine Brüder waren in einem Oberklassehaushalt aufgewachsen, und doch unterhalb des Existenzminimums.

Alex Schulman: Die Überlebenden

Die Großtaten moderner skandinavischer Literatur sind hier vereint. Zeitsprünge und das wechselseitige Zuspielen der Bälle durch die Protagonisten geben hier eine Dynamik,
die wirkt. An manchen Stellen liest man beinahe einen Kriminal-, dann wieder einen Familienroman. Der erzähler selbst gibt die Geschehnisse wieder. Er wertet nicht. Er fragt nach und kommt auf keine Antworten. Wer hat die schon?

“Eines weiß ich über Wälder”, sagte Papa. “Und zwar, dass jeder seinen eigenen Wald in sich trägt, den er in- und auswendig kennt und der ihm Geborgenheit gibt. Und einen eigenen Wald zu haben, ist das Schönste, was es gibt. Wenn du oft genug durch diesen Wald läufst, kennst du bald jeden Stein, jeden schwierigen Weg, jede umgeknickte Birke darin. Und dann ist es dein Wald, dann gehört er dir.” Benjamin blickte in das lichte Dunkel. Es fühlte sich nicht an, als wäre es seines.

Alex Schulman: Die Überlebenden

Es ist eine Geschichte über Vertrauen und über Fehler, über Brüche und Heilung, über Entscheidungen und schließlich über Leben und Tod, was wir daraus machen und für uns mitnehmen, und der Erkenntnis, das manche Risse zu tief sind, um sie zu kitten, es jedoch nie zu spät ist, es wenigstens zu versuchen.

Autor:

Alex Schulamn wurde 1976 in Hemmesdygne, Schweden, geboren und ist ein skandinavischer Schriftsteller, Journalist und Blogger. Er schreibt für diverse TV-Shows und startete im Jahr 2006 einen Blog, zudem für diverse Zeitungen und Magazine Beiträge, zuletzt moderierte er eine TV-sendung und startete 2012 einen eigenen Podcast.

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Torbjorn Ekelund: Mein Sohn und der Berg

Inhalt:

August ist sieben Jahre alt, als sein Vater Torbjorn Ekelund ihn auf eine erste große Tour in die Natur mitnimmt. Mit Rucksack und Zelt wandern sie durch magische Kiefernwälder und über felsige Pfade. Ihr Ziel: ein Berggipfel südwestlich von Oslo.

Dabei folgen sie den Spuren eines kleinen Jungen, der 122 Jahre zuvor auf der Route verschwunden ist. Ekelund sucht nach einer Erklärung, was damals passiert sein könnte und beobachtet fasziniert, wie spielerisch sein Sohn sich durch die Landschaft bewegt. Ein zärtlicher Text über unsere Verbundenheit mit den Elementen und die Beziehung zwischen Vater und Sohn. (Klappentext)

Rezension:

In der Nähe von Norwegens Hauptstadt Oslo liegt die kleine, aber doch zerklüftete und immer wieder Überraschungen bereithaltende Gebirgslandschaft des Skrim. Es ist nicht die größte unter den skandinavischen Naturlandschaften, doch betritt man sie, ist man in mitten einer der letzten ursprünglichen Gegenden Nordeuropas. Vor mehr als hundert Jahren spielte sich dort eine der schlimmsten Katastrophen ab, denen Eltern ausgesetzt sein können. Der norwegische Journalist Torbjorn Ekelund begab sich nun auf Spurensuche.

Es ist der Bericht einer faszinierenden Wanderung, die Beschreibung einer Vater-Sohn-Erfahrung und ein Stück nahezu unbekannter Geschichte, die uns hier erzählt wird. Einfühlsam nimmt der Autor seine Leserschaft mit auf eine Reise, die doch nur ein paar Tage andauert, doch deren Strapazen man beim Lesen förmlich selbst in den Knochen spüren wird.

Torbjorn Ekelund lässt sowohl die zuweilen unbarmherzige Natur des Skrim vor den Augen entstehen, nimmt uns zugleich jedoch mit, wenn er die Geschichte des kleinen Hans Torske erzählt, dabei selbst immer auf seinem Sohn ein wachsames Auge hat, der ihn auf die Reise begleitet und die Welt durch Kinderaugen erleben lässt. Für diesen ist es ein Abenteuer zwischen Vater und Sohn, mitten in der Natur. Jeder Stein wird umgedreht, jeder Stock inspiziert. Für den Vater geht es auch um die Erfahrung? Was geschah mit dem Jungen, in dem Alter seines Sohnes? Warum verirrte er sich? Was macht die Natur mit den Menschen?

Es ist ein liebevoller Bericht ohne mahnende Zeigefinger, wenn es um die Schönheit des Naturerlebnisses oder das Aufwachsen von Kindern in heutiger Zeit geht, gleichzeitig natürlich ein Gedenken an ein Stück Geschichte, welche sonst auch innerhalb der Region vor den Toren Oslos verloren ginge. Diese kleinen Erfahrungs-, Reisebericht wird man gerne lesen, nicht unbedingt erforderlich zwar, aber es schadet zumindest nicht. Nur ein Wermutstropfen bleibt. Eine Karte der Wanderung oder zumindest der Landschaft hätte gut als Ergänzung gewirkt.

Autor:

Torbjorn Ekelund wurde 1971 geboren und ist ein norwegischer Journalist und Autor. Er schreibt u. a. für die norwegische Zeitung Dagbladet und ist Mitherausgeber eines kleinen unabhängigen Buchverlags. Er begründete ein Onlinemagazin mit und veröffentlichte mehrere Bücher, die bereits in mehreren Sprachen erschienen sind.

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Peter Englund: Mord in der Sonntagsstrasse

Mord in der Sonntagsstrasse Book Cover
Mord in der Sonntagsstrasse Peter Englund Rowohlt Erschienen am: 21.04.2020 Seiten: 336 ISBN: 978-3-7371-0016-8 Übersetzerin: Maike Barth

Inhalt:

Stockholm, 1965. Der Mord an einer jungen Frau, der für die Ermittler zuerst wie ein Selbstmord aussah, löst die größte Polizeiaktion in der Geschichte des Landes aus.

Peter Englund, Histoiriker und Erzähler, schildert hochspannend einen wahren Kriminalfall und lässt gleichzeitig eine ganze Epoche, ihre Brüche und Spannungen mitsamt den Gespenstern aus der Vergangenheit lebendig werden. (Klappentext)

Rezension:

Auf eine florierende Wirtschaft gestützt richteten sich die Schweden in ihrem Sozialstaat ein, der schon bald nach dem Krieg zum Vorbild für die europäischen Nachbarn werden sollte. Die Politik schien den Spagat geschafft zu haben, zwischen der kommunistischen Utopie und den Verheißungen des Kapitalismus.

Im größten Land Skandinaviens lebte man gut in den 1960er Jahren, nach Jahren der Entbehrungen. Kaum vorstellbar war es da, dass ein grausames Verbrechen Stockholm und Umgebung in Atem halten sollte. 1965 aber, geschah genau das.

Nach einem Urlaub wurde die junge Schwedin Eva Marianne “Kickan” Granell in ihrem Haus tot aufgenommen, doch zunächst deutete nichts auf ein grausames Gewaltverbrechen hin. Die ersten untersuchenden Polizisten zogen dann auch schnell ab, doch sollte dieser Vorfall die schwedischen Ermittler jahrelang in Atem halten.

Wie konnte so etwas geschehen? Warum kam eine junge, durchaus nicht unerfolgreiche Frau ums Leben? Vor allem, wer war der Mörder? Der Historiker und Journalist Peter Englund schlüsselt einen der mysteriösesten Kriminalfälle Skandinaviens auf.

In seinem Sachbuch “Mord in der Sonntagsstrasse – Geschichte eines Verbrechens”, schildert der Autor minutiös, wie geschah, was nicht sein durfte. In einer Zeit, in der Computertechnologie noch nicht den Ermittlern zur Hilfe gereichte und die Spurenlage zunächst mehr als dürftig war, beschreibt Englund das Vorgehen der eingesetzten Kommission um den erfahrenen Polizisten G.W. Larsson, ihre Suche in alle Richtungen, und wie es ihnen gelang, einen aussichtslosen Fall aufzudröseln.

Anhand von Interviews mit Zeitzeugen, Ortsbegehungen, alten Zeitungsberichten und einsehbarer Akten zeichnet der Autor das Bild einer Gesellschaft kurz vor ihrem Umbruch und eine Tat, die die Schweden in ihren Grundfesten erschütterte.

Die Kapiteleinteilung folgt dabei dem Täter von der Begehung des Verbrechens, bis zu dessen Festnahme und Aufklärung. Immer wieder lassen Notizen des Täters am Anfang der einzelnen Abschnitte Einblicke in dessen abstruses Gedankengebilde zu, welche sich abwechseln mit den Schilderungen des Lebens von Kickan Granell, der Ermittlungsarbeiten und den gesellschaftlichen Zuständen im größten Land Skandinaviens.

Englund zeigt, mit welchen Einfallsreichtum selbst kleinsten Spuren nachgegangen wurde und in wie fern auch die Charakterzüge der am Fall arbeitenden Beamten dazu beitrugen, diesen Kriminalfall zu lösen, aber auch, vor welchen Schwierigkeiten sich die Stockholmer Polizei gestellt sah.

Entstanden ist die Dokumentation eines packenden Stückes schwedischer Kriminalgeschichte in all ihren Einzelheiten.

Mit einigen Längen, der Autor lässt die Verzweiflung der Polizisten auch seine Leser spüren, zeichnet dieses Sachbuch im Bereich True Crime einen Mordfall nach, der damalige schwedische Utopisten, die von einer neuen Gesellschaft träumten, nicht hätte sein dürfen und zumindest die Atmospäre des betroffenen Stockholmer Vorortes für immer veränderte.

Der Autor folgt den Täter auf seinen Weg zum Mord und den Ermittlern auf den ihren zu dessen Ergreifung. Der Leser wird indes sein Bild von Skandinavien korrigieren müssen, wie auch die Zeitgenossen des Opfers Kickan Granell das Land im hohen Norden Europas plötzlich anders sehen mussten.

Autor:

Peter Englund wurde 1957 im schwedischen Ort Boden geboren und ist ein skandinavischer Historiker und Schriftsteller. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Archäologie, theoretische Philosophie und Geschichte, arbeitete danach im Nachrichtendienst der schwedischen Armee.

1988 veröffentlichte er ein Buch über die Schlacht bei Poltawa, ein Jahr danach promovierte er mit einer Untersuchung des Weltbilds des schwedischen Adels im 17. Jahrhundert. Danach war er als Journalist und Korrespondent für verschiedene Zeitungen in Kriegs- und Krisengebieten tätg, veröffentlichte zahlreiche historische Werke und war u.a. Kommentator für Dokumentationen im schwedischen Fernsehen.

Seit 2009 war er Mitglied der Schwedischen Akademie, die den Nobelpreis vergibt. Ein Amt, welches er is 2015 innehatte. Mehrere seiner Werke wurden in rund zwanzig Sprachen übersetzt.

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Mattias Berg: Der Carrier

Der Carrier Book Cover
Der Carrier Autor: Mattias Berg Atrium Verlag Erschienen am: 21.02.2020 Seiten: 575 ISBN: 978-385535-039-1 Übersetzer: Steffen Jacobs

Inhalt:

Erasmus Levine hat einen Beruf, den es nur einmal gibt. Er trägt den Koffer mit den Codes, die es dem Präsidenten der USA ermöglichen, Atombomben zu zünden.

Levine gehört einer geheimdienstlichen Abteilung an, die nach 9/11 gegründet wurde, von einem Unbekannten namens “Alpha” geführt. Auf einer Reise des Präsidenten nach Stockholm kommt es zu einem Zwischenfall und Levine trifft auf Alpha. Der hat eine ganz eigene Mission. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Wenn schwedische Krimikunst auf amerikanischen Thrill-Faktor trifft, kommt unter Umständen so etwas heraus, wie das vorliegende Werk von Mattias Berg. Doch, funktioniert die Kombination von schwedischer Gelassenheit und amerikanischer Spannungslektüre überhaupt? Der neue Roman “Der Carrier” zeigt es uns.

Worum geht’s? Der Hauptprotagonist sticht zunächst durch seine ungewöhnliche Tätigkeit hervor, die dem Autoren hier als Dreh- und Angelpunkt seiner Geschichte dient. Levine ist Kofferträger des amerikanischen Präsidenten.

Nicht irgendein Koffer freilich, sondern gleich der mit den Codes, mit deren Hilfe der US-Präsident die volle Kontrolle über das Atomwaffen-Arsenal seines Landes erlangt. Was passiert aber, wenn der Kofferträger in ein Doppelspiel verschiedener Interessen gerät, selbst zur Tarnung seiner Tätigkeit ein solches betrieben hat und plötzlich nicht mehr entscheiden kann, zwischen Fremdbestimmung und eigenem Willen?

Explosiver Stoff ist die Geschichte, deren Erzählperspektive die des Hauptprotagonisten einnimmt, der lange einziger Sympathieträger der Geschichte bleiben wird. Nur hat auch der, wie die anderen eingewobenen Figuren, seine Ecken und Kanten. Zwielicht zieht sich quer durch die Zeilen.

Recht schnell entwickelt sich die Handlung, die von Beginn mehrere Stränge durchziehen, die der Leser bis zuletzt zu entwirren versuchen wird. Erst gegen Ende wird klar, wohin sich die Geschichte entwickeln wird, nachdem mehrere große Längen beim Lesen überwunden wurden.

Dabei ist der Mittelteil richtig gut geschrieben, während man zu Beginn des Buches natürlich nicht ahnen kann, worauf der Autor mit seinem Protagonisten hinaus will. Das Ende hingegen wirkt leider etwas unausgereift. Hier wäre eine Überarbeitung angebracht gewesen, wobei ich selbst mir noch im Unklaren darüber bin, wie diese auszusehen hätte.

Das Werk funktioniert als Mahnung, wie Manipulation wirken kann und welche Kraft einzelne Personen besitzen, wenn sie nur die richtigen “Hebel” bedienen. Die Geschichte gibt jedoch auch Anlass über Atomwaffen und deren Sinnhaftigkeit nachzudenken, zumal, wenn deren Kontrolle in falsche Hände gerät oder überhaupt infrage gestellt wird.

In diesem Punkt widerum ist Mattias Bergs Schreiben sehr stark.

Das Zusammenspiel zwischen skandinavischer Kriminalliteratur und amerikanischen Thrill wirkt etwas holprig, funktioniert jedoch im großen und Ganzen. Ein gelungenes Debüt, mit Potenzial nach Oben. Den journalistischen Hintergrund des Autoren merkt man besonders dann, wenn Fakten eine Rolle spielen. Und so dürfen wir gespannt sein, welche Geschichte uns der Autor als nächstes erzählt.

Autor:

Mattias Berg wurde 1962 in Stockholm geboren und ist ein schwedischer Journalist, Reporter und Schriftsteller. Für die großen schwedischen Tageszeitungen arbeitete er als investigativer Journalist. Heute leitet er die Kulturredaktion des schwedischen Radios. Mit seiner Familie lebt er in Stockholm. Dies ist sein erster Roman.

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