Politthriller

Ferdinand Schwanenburg: Machtergreifung

Inhalt:

Flüchtlingskrise, Virus-Pandemie, Terror und wachsene Kriminalität: Die Deutschen fürchten sich vor Kontrollverlust und wirtschaftlichen Abschwung. Während die etablierten Parteien Antworten schuldig bleiben, wächst in der Bevölkerung der Unmut. Immer mehr Menschen sehnen sich wieder nach einem starken Mann, der die Dinge in die Hand nimmt.

Friedrich Sehlings träumt schon lange von einem Führerstaat. Als sich die neue Deutschlandpartei gründet, wittert er seine große Chance. Schnell macht er sich zum unverzichtbaren Organisator der rechten Alternativ-Partei, unterwandert sie mit seinen Leuten und räumt jeden aus dem Weg, der seiner Mission gefährlich werden könnte. Als die Partei immer mehr Wähler gewinnt, sieht er seine Zeit gekommen: Geschickt sorgt er für Chaos und Unruhe und schmiedet einen perfiden Plan, um die Macht im Land an sich zu reißen… (Klappentext)

Rezension:

Die Bilder gleichen sich. Immer mehr Menschen verlieren das Vertrauen in die Politik und die Entscheidungsträger stehen dem mehr oder weniger hilflos gegenüber, kämpfen mit aus der Zeit gefallenen Mitteln oder sympathisieren gar mit jenen, die sich eine vollkommene Entmachtung der Demokratie wünschen. Das trifft, aus verschiedenen Gründen, die reale Welt, in der wir leben, eben so, wie im Szenario, welches dem nicht ganz unähnlich ist, welches der Autor Ferdinand Schwanenburg beschreibt, dessen Protagonisten.

Immer schnelllebiger werden die Zeiten, immer unberechenbarer die Ereignisse, immer unsicherer die Menschen, die sich dem ausgesetzt fühlen. Nährboden für Intrigen und Intriganten, Terrain für jene, die den Umsturz wollen. So beginnt der Roman “Machtergreifung” schleichend, fast langsam.

Der Autor beschreibt haarklein, wie der Prozess der Radikalisierung den deutschen Staat in den Abgrund treibt. Ganz nah ist er da an realen Personen, an der Partei, die innerhalb von wenigen Jahren in allen Landesparlamenten eingezogen und schließlich in den Bundestag hineingewählt wurde. Namen werden nicht gemeint, doch alle Lesenden werden wissen, was oder wer gemeint ist. Ein Protokoll der Machtergreifung, wie sie ablaufen könnte, wenn wir die Augen erneut verschließen.

Dabei ist das Erzähltempo zunächst vor allem eines. Extrem langsam kommt die Geschichte ins Rollen und entwickelt doch sehr schnell eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann. Die Protagonisten sind vielschichtig in ihrer Ratlosigkeit, Zielstrebigkeit, Skrupellosigkeit und Intriganz. Zuweilen sogar sympathisch, auch wenn man lesend genau weiß, dass sie das nicht sein sollten. Auch Anspielungen auf unsere Geschichte und Gegenwart gibt es zahlreiche. Der Autor führt uns hier den Spiegel vor. Seht, hier ist sie, die Gefahr. Erkennt ihr sie? Was macht ihr? Entscheidet euch.

Schwanenburg kann das gut, hat er doch selbst für die Teufel in persona gearbeitet, kennt den Politikbetrieb auch als Lobbyist und die Mechanismen der Macht bei der Bundeswehr. Sein realer Name ist verdeckt. Gut so, dieser Roman ist eine Warnung für uns, die wir fassungslos die Balken jeder Wählerumfrage beobachten oder die Prognosen am Wahltag.

Der Autor kann beschreiben, nutzt real existierende Steilvorlagen. So stellt man es sich vor, die Ränkespiele und auch die Gefahr, der unsere Demokratie ausgesetzt ist. Vieles wird ähnlich abgelaufen sein. Hoffen wir, dass der Autor im Weiteren keine Glaskugel besitzt. Der Schreibende versucht hier klarzustellen, ein: “Das haben wir nicht kommen sehen.”, ist diesmal nicht gegeben.

Autor:

Ferdinand Schwanenburg ist das Pseudonym eines deutschen Politik- und Kommunikationsberaters, der bereits für viele Politiker großer Parteien gearbeitet hat. Er war Journalist, Pressesprecher und Rüstungslobbyist und ist Reserveoffizier der Bundeswehr. Er hat tief hinter die Kulissen des Politikbetriebs und der Medienindustrie geblickt und kennt die Mechanismen der Macht. Von 2015 bis 2017 hat er für verschiedene AfD-Fraktionen gearbeitet. Heute warnt er vor den Gefahren, die von der AfD für Deutschland und unsere Demokratie ausgehen.

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Mats Strandberg: Die Überfahrt

Mats Strandberg Book Cover
Mats Strandberg Die Überfahrt Fischer Tor Erschienen am: 24.05.2017 Seiten: 507 ISBN: 978-3-596-29599-9 Übersetzerin: Antje Rieck-Blankenburg

Inhalt:

Die Passagiere an Bord der schwedischen Ostseefähre Baltic Charisma wollen vor allem eins: sich amüsieren, und zwar um jeden Preis. Ob sie nach der Liebe ihres Liebens suchen oder vor den Dämonen ihres Alltags fliehen – die Nacht ist lang, und der Alkohol fließt reichlich.

In dem ganzen Trubel bleiben die beiden dunklen Gestalten unbemerkt, die sich übers Autodeck an Bord schleichen: eine Mutter und ihr Kind. Mit ihnen betritt ein uraltes Grauen das Schiff, und es wird zur tödlichen Falle… (Klappentext)

Rezension:

Mitte der 1990er Jahre sank die Fähre Estonia vor der schwedischen Küste und brachte zahlreichen Menschen den Tod in in der eisigen Kälte der Ostsee. Auch heute noch das nationale Trauma eines landes, welches der gemeine Leser mit Bullerbü-Romantik und Ikea-Regalen assoziiert.

Zu Unrecht, denn das flächenmäßig größte aller skandinavischen Länder hat so viel mehr zu bieten. Unter anderem, wenn nordische Krimikunst auf klassischen Horror trifft, einen der grausamsten und erschreckensten Romane, welcher das Grauen in unsere Welt einbringt.

Zum Anfang ist noch alles normal, verhältnismäßig.. Die Unruhe vor der Fahrt, dass Gewusel an Kai und Anlegestelle, dem Boots-Terminal und die Gäste, die ihren Gedanken nachhängen. Vertieft in ihre ganz eigenen Probleme.

Die ewig alleinstehende und einsame Rentnerin, der Junge, der sich wünscht, dass seine Eltern, die sich auseinander gelebt haben, scheiden lassen, der Teenie, die eigentlich nicht mitfahren möchte aber dazu “gezwungen wird” oder die Freundinnen, die einfach Spaß um jeden Preis haben wollen.

Doch, mit ihnen schleicht sich jahrhundertealtes Grauen an Bord, welches die Überfahrt zu einem Kampf auf Leben und Tod machen und sie mit dem schrecklichsten aller Schicksale konfrontieren wird.

Schwedens Zeitung “Dagens Nyheter” bewarb den Krimi mit der Ettiketierung, Mats Strandberg wäre: “Dder schwedische Stephen King.”, doch ist diese Auszeichnung kaum zu halten.

Zwar ist die Geschichte in jeder ihrer einzelnen Seiten empfehlenswert, der Spannungsbogen wird kontinuierlich aufgebaut, doch gelingt der Spagat zwischen dem Großmeister der Horrorliteratur und schwedischen Krimi nur mäßig.

Das ist vollkommen in Ordnung, braucht sich Strandberg dennoch nicht dahinter zu verstecken. Tatsächlich wirkt die Art des Erzählens, die den Leser in größtmöglicher Sicherheit wiegt, um ihn dann ins kalte salzige Ostseewasser zu werfen, auch so.

Die Chraktere allesamt nachvollziehbar machen eine glaubwürdige Entwicklung zum Guten wie zum Bösen, je nach Aufteilung der Handlungsstränge, durch. Die handlungen widerum verdichten sich gegen Ende so, dass durchaus Raum für eine noch nicht geschriebene Fortsetzung besteht. So bleibt es spannend bis zur letzten Zeile.

Der Schreibstil ist nicht hochtrabend und fordernd, reicht aber für vollkommene gute Unterhaltung aus, doch muss man die Erzählstruktur aus abwechselnder Sicht der einzelnen Protagonisten mögen, sowie Blut abkönnen und akzeptieren, dass die wirklichen Vertreter ihres Genres eben nicht mit angezündeten Teelichtern leben, sondern im Blutrausch ihre Opfer in den Abgrund reißen.

Wer allzu zart besaitet ist, für den ist Mats Strandbergs Lektüre nichts, alle anderen erleben ein interessantes Stück modernen Horrors, der die moderne schwedische Literatur noch ein Stück gefahrintensiver werden lässt.

Der schwankende Fährboden ist bedingt durch den Wellengang und das Wetter, kann aber manchmal ganz andere Ursachen haben. Betet, dass ihr dann nicht an Bord seid und dem Grauen dort ausweichen müsst, wo ihr nicht ausweichen könnt. Gute Fahrt.

Autor:

Mats Strandberg wurde 1976 geboren und ist ein schwedischer Schriftsteller und Journalist. Er schreibt regelmäßig für die schwedische Zeitung Aftonbladet und veröffentlichte erstmals 2006 einen Roman.

Seine Engelsfors-Trilogie erschien ab 2011, erst sein Horrorroman “Die Überdfahrt” machte ihn jedoch auf einen Schlag bekannt. Er wurde im Bereich Jugendliteratur für den August Prize nominiert. 2004 wurde er vom schwedischen Zeitungsverband zum Kolumnisten des Jahres gewählt. Er lebt mit seinem Partner in Stockholm.

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Robert Harris: Vaterland

Vaterland Book Cover
Vaterland Robert Harris Heyne Erschienen am: 13.03.2017 Seiten: 383 ISBN: 978-3-453-42171-4 Übersetzer: Hanswilhelm Haefs

Inhalt:

Hitler hat den Krieg gewonnen. Großdeutschland, das vom Rhein bis zum Ural reicht, dominiert Europa. Ständige Partisanenkämpfe und der Kalte Krieg mit den USA zermürben das Reich.

In Berlin geschieht der brutale Mord an einem hohen Parteibonzen – und Kripo-Sturmbannführer März gerät im zuge seiner Ermittlungen gefährlich nah an die Wahrheit. (Klappentext)

Rezension:

Historische Schreckensszenarien vermögen zu faszinieren, besonders, wenn sich der Leser bewusst wird, wie leicht Ungeheuerlichkeiten hätten wahr werden können. Robert harris hat mit seinem ersten Roman ein solches Bild erschaffen und versetzt uns in die Zeit der 60er Jahre.

Auch hier stehen sich zwei Blöcke gegenübe. Auch hier gibt es einen US-Präsidenten, der Zeichen setzen möchte. Auch hier ist der Schauplatz die Stadt an der Spree. Alleine, die ausgangssituation ist eine andere als es die tatsächlich gewesenen Geschehnisse waren.

Das Dritte Reich hat den Krieg gewonnen und dominiert Europa bis hin zum Ural.

Riesige Autobahnen durchziehen das Land, Bahnen mit einer Spurbreite von 4 Metern bringen die Herrenmenschen in die entfernten Winkel des Reiches. Doch, an den Grenzen im Osten gärt es.

Immer wieder kommt es zu Anschlägen durch Partisanen, wogegen die Bevölkerung sich längst im gleichmachenden Alltag eingerichtet hat. Nur ab und zu scheren einzelne Personen aus der Masse aus. Diese jedoch, überleben in dem Staat der totalen Kontrolle nicht lange.

Eingebunden in einem, gleichsam nach Ian Kershaw klingenden Szenario, erlebt der Leser die geschichte aus der Sicht des nicht ganz so linientreuen Kripo-Sturmbannführers März, der zunächst in einem, wie es scheint, einfachen Mordfall ermittelt.

März, angezählt durch die Weigerung, der Partei beizutreten und allzu unbequem zu agieren, wird der Fall entzogen, als sich herausstellt, dass das Opfer ein einst hohes Parteimitglied der ersten Stunde gewesen ist, doch der Polizist ist neugierig. Warum sind gewisse Stellen so sehr daran interessiert, den Mordfall zu vertuschen?

Warum wird der einzige Zeuge wenig später ebenfalls ermordet? Warum gerade jetzt, kurz vor dem geburtstag des Führers und den Besuch des amerikanischen Präsidenten? Jede neue Frage wirft weitere Fragen auf. Und bald geht es nicht nur um die Beweggründe des Opfers oder seiner Täter. Bald ist auch März in allerhöchster Gefahr.

Problematisch sind historische Romane immer dann, wenn sie geschichtliche Wahrheiten so sehr mit Fiktion vermischen, dass man Lüge und Dichtung nicht mehr von einander unterscheiden kann.

Dies wird hier umgangen, denn natürlich und zum Glück ist der hier geschilderte Fall eines Sieges der Nazis über die Welt nicht eingetreten, zudem hat der autor über die Grundlage der fakten gut recherchiert. Wie hätte ien Leben im Führerstaat ausgesehen?

Wie Berlin nach einer Umgestaltung im Sinne Albert Speers? Welche realen Personen führten welche Korrespondenzen und wie hätte dies ausgesehn, im von Harris beschriebenen Falle?

Fragen, die dicht aufeinanderfolgend, ein gruseliges Szenario ergeben, welches einem beim genaueren Durchdenken kalt den Rücken herunter läuft. Der Spannungsbogen, langsam auf den ersten Seiten aufgebaut, hält und steigert sich zunehmend.

Der Leser kommt indes in der moralischen zwickmühle einen Nazi (auch wenn sich der Protagonist, wie oben erwähnt, nicht gerade als linientreu erweist) als sympathisch zu empfinden, doch auch hier sind die Hauptfiguren zumindest so wandlungsfähig, dass es gerade noch erträglich ist.

Die Nebenfiguren sind zwar teilweise brutal, bleiben aber ansonsten blaß.

Der Ausgang der Geschichte selbst ist zwar offen, jedoch durchdenk- und leider auch zum Schluss recht vorhersehbar. Trotzdem ist Harris ein sehr lesenswerter und lebendiger Roman gelungen, der gerade heute gelesen werden sollte.

In diesem Sinne kann man über kleinere Schwächen, und dies ist Meckern auf hohen Niveau, großzügig hinwegsehen. Dann bekommt man einen spannenden Historien-, Politthriller, Kriminalroman und, wenn man auch die Anmerkungen, die auf die tatsächlichen Geschehnisse hinweisen, beachtet, eine geschichtliche Lehrstunde in ihrer einprägsamsten Form.

Autor:

Robert Dennis Harris wurde 1957 in Nottingham, Engalnd, geboren und ist ein britischer Journalist, Sachbuchautor und Schriftsteller. Nach der Schule studierte er in Cambridge Englische Literatur und arbeitete zunächst als Reporter für die BBC und als politischer Redakteur für verschiedene Zeitungen.

Seinen ersten Roamn veröffentlichte er 1992 in seiner Heimat, in Deutschland fand sich ob der Thematik zunächst kein Verlag. erst 1996 wurde “Vaterland” ins Deutsche übersetzt. Mehrere seiner Werke wurden verfilmt, und mehrfach ausgezeichnet.

Die Handlungen seiner Romane sind meist geprägt durch historische Szenarien, die leicht abgewandelt werden. Harris ist verwandt mit Nick Hornby, ebenfalls Schriftsteller, und lebt derzeit in Berkshire.

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