Menschen

Thomas Edler: Reisebus & Pflaumenmus

Inhalt:

Jahre nach der Matura ergibt sich für die beiden Freunde Hannes und Thomas die Gelegenheit, mit einem Reisebus von Indien nach Europa zu fahren. Die Gelegenheit, aus dem Alltag auszubrechen, ist ein großes Abenteuer, doch schon bei der Einreise nach Pakistan kommt es zu Schwierigkeiten, die den gesamten Trip infrage stellen. Wenn sie es innerhalb der nächsten Tage schaffen, über die Grenze zu gelangen, waren alle Vorbereitungen umsonst.

Unterwegs auf einer Transitroute, die seit jeher Europa mit Asien verbindet, begegnen die beiden Freunden verschiedenen Kulturen, Menschen und Geschichten aus längst vergangenen Tagen. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Es ist eine dieser Gelegenheiten, die sich nur selten im Leben, vielleicht nur einmal, ergibt und so ergreifen zwei Freunde die Chance, zwischen den Kulturen zu reisen. Ihr Weg führt sie entlang einer alten Handelsroute, späteren Hippie-Trail, in umgekehrter Richtung vom rastlosen Indien wieder zurück in die Heimat nach Österreich. Unterwegs mit einem VW Bus, kommen sie mit den Menschen ins Gespräch, Einheimische und andere Reisende, lassen sich deren Geschichten erzählen und spüren einer Vergangenheit nach, die auch heute noch Tempo und Empfindungen der durchquerten Regionen bestimmt.

Den modernen Reisebericht muss der Spagat gelingen, sowohl einerseits jene mitzunehmen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, nicht zu verklären oder in Klischees zu versinken, das Fernweh wecken und die Faszination der beteiligten Akteure zu transportieren. Nichts ist schlimmer als mit rosaroter Brille zu erzählen und dabei ein Publikum zu verlieren oder gar überhaupt nicht zu gewinnen.

Eventuell kennt jeder die eine oder andere Erzählung, gar längere Foto- oder Videovorführungen im Bekanntenkreis, die im Grunde nur für den jeweils Beteiligten Erinnerungen wecken, jedoch für andere eher den Stellenwert einer Hintergrundberieselung innehaben. Dieses Phänomen lässt sich nicht selten auf Texte übertragen. Thomas Edler gelingt in seiner Mischung aus Reportage und Bericht jedoch der Drahtseilakt, die Faszination herüberzubringen und sehr einnehmend von seinem großen Abenteuer zu erzählen.

Zum einen ist da der Bericht über die Fahrt selbst und die Schilderung von Begegnungen entlang des Weges, die ergänzt werden durch Blenden in die Geschichte der bereisten Orte, sowie Einblicke den Alltag der Menschen heute. Ergänzt durch rein informative Absätze, durchmischt mit Kuriosa von landestypischen Gerichten bis hin zur Teppichkunde, ist mit “Reisebus & Pflaumenbus” das Porträt einer Reise gelungen, die man gerne nachverfolgt, zumal anhand von Fotos und der obligatorisch abgedruckten Routenkarte.

In ruhiger Tonalität erzählt Thomas Edler von einer Reise voller Unwägbarkeiten und faszinierenden Begegnungen, welche auf Gegenseitigkeit beruhen. Wohltuend hebt sich der positive Blick auf Gegebenheiten und Unterschiede hervor, immer im Vertrauen, dass der Reisetrip schon irgendwie vorangehen wird, schließlich ist man auf geschichtsträchtigen Routen unterwegs und das Gefährt hat ja den Weg in die andere Richtung auch ohne größere Probleme gemeistert.

Kurzweilig wirken die einzelnen Kapitel, in denen der Autor von den einzelnen Reiseabschnitten erzählt. Diese nehmen so ein, dass man sich gut vorstellen kann, diese Reise oder zumindest einzelne Teilstücke dieser selbst einmal nachzuvollziehen und ein Stück von dieser Faszination der beiden Freunde mitzunehmen, zumal ein gewichtiger Teil des Trips durch Länder folgt, von denen uns hier sonst nur bestimmte Bilder erreichen. Alleine deshalb schon ist dieser Bericht empfehlenswert. Entlang der einstigen altertümlichen Handeslrouten herrscht noch immer geschäftiges Treiben und lassen sich noch Abenteuer erleben.

Auch sprachlich schafft es “Reisebus & Pflaumenmus” den Bogen zwischen Bericht und Informativen zu schlagen, wenn sich auch abschnittsweise einzelne Sätze das eine oder andere Mal wiederholen. Das kann jedoch auch meinen Lesegewohnheiten geschuldet sein, ist ohnehin nur ein Abzug in der B-Note, schließlich liegt der Fokus bei dieser Art von Reportagen auch woanders. Tatsächlich wünsche ich mir mehr solche Texte, die die Faszination für andere Länder und Kulturen wecken, dabei einen Rundumblick versuchen und Lust darauf machen, selbst Abenteuer zu erleben.

Autor:

Thomas Edler wurde 1971 geboren und ist ein österreichischer Projektmanager und Autor. Zunächst studierter er in Granz Betriebswissenschaften, bevor er im Bereich der erneuerbaren Energien tätig wurde. Nebenher schreibt er Texte über die Schulzeit und über das Reisen, versucht diese mit kulturellen Erfahrungen und historischen Gegebenheiten zu verbinden. In “Reisebus & Pflaumenmus” erzählt er von seinem 2008 mit einem Freund unternommenen Trip von Indien nach Österreich.

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Barbara Demick: Buddhas vergessene Kinder

Inhalt:

Ngaba, Osttibet: Als sich ein junger Mönch mitten auf der Hauptstraße mit Kerosin übergießt und anzündet, deutet noch nichts darauf hin, dass dies eine ganze Bewegung auslösen wird. Bald darauf wird die kleine tibetische Stadt in der chinesischen Provinz Sichuan zur Welthauptstadt der Selbstverbrennungen – aus Protest gegen die Unterdrückung durch die chinesische Regierung. (Klappentext)

Rezension:

In der westlichen Welt beinahe unbeobachtet, wird dieser Konflikt an die Oberfläche gespült, wenn das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, zu sehen ist, zumal, wenn dieser von Staatsoberhäuptern hofiert und bei hoch offiziellen Anlässen gezeigt wird. Dann bleiben sich empörende, protestierende Kommentare der chinesischen Staatsführung nicht aus und der Staatengemeinschaft wird eine Auseinandersetzung in Erinnerung gerufen, die Ende der 1950er Jahre ihren Anfang nahm.

Die renommierte amerikanische Journalistin Barbara Demick und ehemalige Asienkorrespondentin der Los Angeles Times seziert dieses tragische Stück Geschichte eines Volkes, welche zuletzt eine erschreckende Form des Protests annahm und legt nach intensiver und nicht ganz ungefährlicher Recherche, dieses Portrait der jüngeren Geschichte Tibets vor.

Im Zentrum steht die Geschichte verschiedener Personen, die die Autorin anhand von Archivmaterial und Interviews, ob heimlich in Tibet selbst, bishin nach Indien oder Amerika, über Jahrzehnte verfolgt. Überschneidungen inklusive. Der Fokus wird dabei auf bestimmte Schlüsselmomente gelegt, Auslöser für Handlungen der Menschen dieses Ortes, der zum Dreh- und Angelpunkt eines leidvollen Protests wurde.

Nach allem, was Tapey geschehen war – der Mönch, der seine Selbstverbrennung zwei Jahre zuvor überlebt hatte und nun als verstümmelter Invalide in einem chinesischen Gefängniskrankenhaus dahinvegitierte und gelegentlich zu Propagandazwecken im chinesischen Staatsfernsehen vorgezeigt wurde -, hatte er eine solche Tat nicht mehr erwartet. Wer war so dumm, es noch einmal zu versuchen? Oder – wer hatte solchen Mut?

Barbara Demick “Buddhas vergessene Kinder”, 383 Seiten, ISBN: 978-3-426-28186-4, erschienen bei Droemer.

Mit Sympathie erzählt sie vom Leben der Menschen, ihren Beweggründen, Träumen und Zielen, kleinen Siegen, größeren Niederlagen, ihren Hoffnungen, aber auch von der Macht des chinesischen Staates, politischer Diskriminierung und Unterdrückung, füllt Lücken mit intensiver Eigenrecherche und zeigt anhand eines reichen Quellenverzeichnisses, wie Journalismus zu dieser Thematik auch in China selbst funktioniert, ohne zu einseitig zu berichten.

Die wechselnde Perspektive von Menschen unterschiedlicher Schichten vervollständigt dieses Werk, wobei rote Fäden immer wieder aufgegriffen werden. Das kann verwirrend sein, doch hilft es, eine klare Sicht der Ereignisse zu bewaren und Beweggründe der Menschen, sowohl der Tibeter als auch die politischen Zusammenhänge zu verstehen, die sich teilweise sehr gut von der chinesischen Staatsführung, vor der Weltöffentlichkeit, verstecken lassen.

Barabara Demick wertet nicht selbst, lässt die Personen sprechen, deren Geschichte sie erzählt und hält sich damit wohltuend zurück. Einmal etwas anderes, als man es sonst von jenseits des großen Teiches gewohnt ist und eine gute Ergänzung für all jene, die sich mit der jüngeren Geschichte Tibets beschäftigen möchte.

Dabei sollte man sich jedoch voll und ganz auf die Lektüre konzentrieren und auch kleinere Längen verschmerzen. Die Vielzahl der Lebenswege, denen die Autorin nachspürt, und nicht zuletzt die für westliche Ohren ungewohnt klingenden Namen, erfordern die gesamte Aufmerksamkeit der Leserschaft.

Autorin:

Barbara Demick ist eine amerikanische Journalistin, die zunächst 1993-1997 für den Philadelphia Inquirer arbeitete. Für ihre Reportage über einen Straßenzug in Sarajevo gewann sie mehrere Preise und war im Finale für den Pulitzer. 1996 erschien ihr erstes Buch “Die Rosen von Sarajevo. 2001 wechselte sie zur Los Angeles Times, war dort 2007-2016 Leiterin des pekinger Büros und veröffentlichte 2010 ein Werk über Nordkorea. Mit dem Human Rights Book Award wurde sie für ihre engagierten Bücher ausgezeichnet.

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Samantha Harvey: Westwind

Westwind Book Cover
Westwind Samantha Harvey Atrium Verlag Erschienen am: 18.09.2020 Seiten: 383 ISBN: 978-3-85535-077-3 Übersetzer: Steffen Jacobs

Inhalt:

England, 1491. In dem kleinen, abgelegenen Dorf Oakham bereitet man sich gerade auf die bevorstehende Fastenzeit vor, als eines Nachts ein Unglück geschieht. Thomas Newman, der wohlhabendste und einflussreichste Mann im Ort, wurde von der Strömung des Flusses mitgerissen.

Ein paar Tage später taucht seine Leiche auf. War es ein Unfall, Mord oder Selbstmord? Dies herauszufinden, obliegt dem örtlichen Priester John Reve. Während sich durch die Beichten der Dorfbewohner langsam ein Porträt der Gemeinde zusammensetzt, kommen immer dunklere Geheimnisse ans Licht. Die Schuldfrage wird immer dringlicher. (abgeänderte Inhaltsangabe)

Rezension:

Szenarien bietet die Epoche des finsteren Mittelalters genug, so dass Fans historischer Romane sicher genug Auswahl haben. Die Themen sind so vielfältig, wie die historischen Figuren, selbst, wenn man frei schreibend, sich nicht an tatsächliche Geschehnisse orientiert.

So oder ähnlich hätte es ablaufen, die Stimmung unter den Protagonisten sein können. Dieses Gefühl mit einer Geschichte bei der Leserschaft zu wecken, dabei zu unterhalten, sollte das Ziel sein. Gelingt das, ist alles gut. Und dann gibt es noch Romane, wie den vorliegenden von Samantha Harvey.

Historische Romane bieten Platz für das ganz große Kino, was man rein, den Klappentext betrachtend, erwarten darf. Ein Priester in Konfrontation mit dem Glauben, die Dorfbewohner durch den Tod eines Menschen verunsichert, der am wenigsten dafür prädestiniert zu sein schien.

Ausufernde Intrigen, temporeiche, sich überschlagende Spannungsmomente und die Düsternis der Zeit. Auf diese freut man sich, nach dem Lesen der Inhaltsangabe, der ersten Zeilen, die aus der Sicht des Hauptprotagonisten geschrieben sind. “Westwind”, bietet jedoch allenfalls nur Schmalspur.

Gleichsam wie das beschriebene Dorf ist auch in dieser Erzählung alles mehrere Nummern kleiner. Spannungsmomente können ihre Wirkung kaum eine Seite lang halten, so dass das Tempo dem eines vor sich hin plätschernden Baches gleicht.

Das ist auf der Strecke ermüdend, zumal nur die Hauptprotagonisten einigermaßen vielschichtig sind, während der Rest der Figuren relativ farblos erscheint. Die Stimmung, die Samantha Harvey erzeugen wollte, kommt hier nicht auf, zudem das Ende mich unbefriedigt zurückgelassen hat.

Liegt es am Hintergrund des gestalteten Protagonisten, dem Szenario, der Idee dahinter? Nein, aber Sprache bedingt Wirkung, Spannungsbögen halten Lesende bei der Stange. Beides setzt die Autorin auf’s Spiel, zudem hier mehr Zwiespalt innerhalb der Figurenkonstellationen gepasst hätte und vielleicht noch die eine oder andere Verwicklung mehr.

Mit dem vorliegenden hätte man weniger Seiten besser füllen können. Unter historischer Spannungsliteratur stelle ich mir anderes vor, auch als detektivischer Roman, angesiedelt im Mittelalter, ist mir das zu dünn. Leider.

Autorin:

Samantha Harvey wurde 1975 geboren und ist eine englische Autorin. Zunächst studierte sie Kreatives Schreiben und Philosophie, bevor sie ihren ersten Roman im Jahr 2009 veröffentlichte. Kreatives Schreiben unterrichtet sie zudem an der Bath Spa University, wo sie als Dozentin tätig ist.

Harvey wurde mehrfach ausgezeichnet und erhielt u.a. den AMI Literature Award. Im Jahr 2010 wurde sie von The Culture Show zu einer der zwölf besten neuen britischen Schriftstellerinnen ernannt.

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Morten Traavik: Liebesgrüße aus Nordkorea

Liebesgrüße aus Nordkorea Book Cover
Liebesgrüße aus Nordkorea Morten Traavik Suhrkamp Erschienen am: 18.05.2020 Seiten: 292 ISBN: 978-3-518-47053-4 Übersetzer: Stefan Pluschkat

Inhalt:

In den letzten zehn Jahren ist Morten Traavik mehr als zwanzig Mal nach Nordkorea gereist, dem abgeschottesten Land der Welt, als offizieller Kulturattache Norwegens. In Zusammenarbeit mit den notorisch verschlossenen Behörden gelangen ihm bahnbrechende Projekte – wie das erste Rockkonzert auf nordkoreanischen Boden – bis zum Herbst 2017, als er alle Beziehungen zum Land kappen musste.

Jetzt erzählt er, was er erlebt hat: Durch die unerwartete Freundschaft mit einem nordkoreanischen Staatsdiener dringt Traavik immer tiefer in die Irrungen und wirrungen dieses Landes ein, bis der regierung seine kontroversen und subversiven Ideen zu weit gehen… (Klappentext)

Rezension:

Man kann sich wahrlich leichtere Herausforderungen suchen, als in einem der undurchsichtigsten Ländern der Welt kulturelle Projekte anstoßen zu wollen, und doch hat der Norweger morten Traavik genau das getan. Damit gewann er einen Einblick in das Funktionieren dieses Staates, wie es wohl kaum jemanden bisher gelungen ist. Nun ist sein erstes Buch, ausgerechnet dazu, in deutscher Übersetzung erschienen. Doch, wer ist Morten Traavik eigentlich genau?

Künstler, Musiker, Regisseur, Kommentator, irgendwie treffen all diese und noch mehr Bezeichnungen auf den Skandinavier zu, der sich in jedem Fall den Verdienst gemacht hat, das abgeschottete Land, sein Regime und die Menschen, die dort leben, verstehen zu wollen. Das ist ihm in gewisser Weise gelungen.

Er erzählt von seiner Arbeit und der Tuchfühlung mit einem unberechenbaren Gegenüber, verliert dabei nicht den Blick für das Wesentliche. Wie setzt man, behutsam, Ideen um, wenn der Partner willkürlich und wechselhaft handelt, wenn dein Kontakt genau so oder noch mehr Angst hat vor den Konsequenzen, und seien diese auch nur rein hypothetisch?

So kann es schon einmal in teils slapstickhaften Situationen ausarten, sich mit einer Disco-Kugel bei einem Propagandaevent fotografieren zu lassen oder einem Ausflug in den Versuch eines Spagat Nordkoreas auf Tauchfühlung mit den sonst verhassten Kapitalismus. Mit detaillierten Kenntnissen stellt Traavik die Geschichte Koreas dar, die letztendlich in der teilung der halbinsel mündete, zeigt die Bedeutung der Kim-Dynastie auf, und das, was das Regime bis heute daraus macht. Sachlich erklärt er das Funktionieren des Unverständlichen.

Auflockert wird die Aneinanderreihung von teils unverdaulichen Eindrücken durch genau so ungewöhnliche Rezepte. Würde man mit einem Hund nach Nordkorea einreisen, wäre dies an sich eine Einführung von Lebensmitteln?

Davon abgesehen bezieht er Stellung zum Fall Otto Warmbier, versucht Lügen, Propaganda und tatsächliches Geschehen so gut, wie möglich auseinander zu halten, erklärt, warum diese Episode der Geschichte so abgelaufen ist, warum dies aus Sicht Nordkoreas kaum anders hätte funktionieren können, zumal mit Blick auf den eigenen Machterhalt.

Nicht dabei, aber an einigen anderen Stellen geht er etwas zu freundlich mit dem totalitären Staat um, worüber zu diskutieren wäre. Dazu müsste man sich jedoch selbst ein ebenso detailliertes Bild machen, wie dies der Autor getan hat.

Komödie ist Tragödie plus Zeit.

Morten Traavik: “Liebesgrüße aus Nordkorea”, Suhrkamp.

Nach diesem Motto berichtet, durchsetzt mit einem Fototeil, von einem Land, welches zwar nicht zu unterschätzen ist, aber in teilen gnadenlos überschätzt wird. Interessant, sein Einblick in die Zusammenarbeit mit den nordkoreanischen Behörden, aber auch den örtlichen Gegebenheiten , zugleich die Linkliste als ergänzende Quellen.

So gehört “Liebesgrüße aus Nordkorea” zu der wenig vorhandenen kritisch hoffnungsvollen Literatur, die es in diesem Bereich zu finden gibt, kann man lesen, sollte sich jedoch auch ergänzend mit weiterführenden Berichten, etwa Geflohener und anderer Kenner des Landes beschäftigen, um ein abgerundetes Bild zu bekommen. Alleine dieses Sachbuch mit den kurzweiligen episodenhaften und flüssig zu lesenden Abschnitten, tut dies nicht.

Autor:

Morten Traavik wurde 1971 geboren und ist ein norwegischer Reggisseur und Künstler. Er arbeitete in Russland und Schweden an kulturellen projekten und stellte in Zusammenarbeit mit dem nordkoreanischen Regime mehrere Projekte auf die Beine, die kurz vor der vollendung gestoppt wurden. Er engagiert sich gegen Landminen in Angola und Kambodscha und arbeitet über kunst- und Genregrenzen hinweg.

Ergänzungen nach der Rezension:

In seiner Jugend war der Autor Mitglied einer Gruppe von Leuten, die den Austausch mit Nordkorea wollten und wohl auch die Ideologie nicht ganz schlecht fanden, um das einmal so zu formulieren. So ist der Gedanke für die weitere Arbeit des späteren Künstlers entstanden. Nordkorea galt vor den Hungersnöten zum Teil in Skandinavien als durchaus solventer Staat.

Die Projekte später waren aber 2017 schon dem Regime zu heikel, im Blick auf die vewobenenen und sich überschneidenden Kompetenzen der einzelnen Behörden und die politische Tonlage wurde schärfer, so dass man da schon die Arbeit beendete. Wohlgemerkt, Nordkorea mit ihm. Das Buch entstand später.

Zudem, dass er sich zu Warmbier in diesem Werk ausführlich äußert und durchaus die Inszenierungen des Schauprozesses zu deuten weiß, das erzwungene falsche Geständnis, aber auch, welche Fehler der Amerikaner wohl gemacht haben könnte, dürfte den nordkoreanischen Behörden ebenso sauer aufstoßen. Traavik trennt hier ganz gut das Geschehen auf.

Wo ich Zweifel habe, ist, dass er einen doch in manchen Teilen etwas zu sehr optimistischen Blick auf die Sicht der Dinge hat.

Das müsstet ihr aber wirklich selbst lesen.

Sachliteratur, die man vielleicht zuerst gelesen haben sollte:

Rüdiger Frank: Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates

Rüdiger Frank: Unterwegs in Nordkorea – eine Gratwanderung

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Kristina Palten: Allein durch den Iran

Allein durch den Iran Book Cover
Allein durch den Iran Kristina Palten Erschienen am: 08.04.2020 Kiepenheuer & Witsch seiten: 344 ISBN: 978-3-462-05412-5 Übersetzer: Paul Berf

Inhalt:

Kristina Palten ist 31, als sie zum ersten mal das Laufen für sich entdeckt. Nach einer Lebenskrise steigert sie ihr Pensum und bricht als Ultraläuferin alle Rekorde.

Doch auch das reicht ihr irgendwann nicht mehr: Sie will ihre eigenen Vorurteile und Ängste besiegen und allein durch den Iran laufen. Mit ihrer Geschichte zeigt uns Kristina Palten, was möglich ist, wenn wir unsere Angst überwinden. (Klappentext)

Rezension:

Undurchsichtig ist für die meisten Menschen in Europa dieses Land zwischen Kaspischen Meer und Persischen Golf, ein Hort der Unterdrückung und eine Quelle des Bösen für die anderen. Doch, wie ist es den Iranern von heute in ihrem Land zu begegnen, sich einzulassen auf eine uns fremde Kultur und Lebensweise?

Kristina Palten hat den Blick über den Tellerrand gewagt und sich selbst ein Bild gemacht. So weit die Füße tragen, läuft die gelernte Ingenieurin, die zuvor ihre Stelle bei einem schwedischen Mobilfunk- und Technikkonzern aufgegeben hatte, um sich vollkommen ihrem Hobby zu widmen. Über 1800 km sind es, quer durch das Reich der Mullahs, von der türkischen bis zur turkmenischen Grenze.

Die Läuferin berichtet von einer Strecke, die ihr alles abverlangte, zugleich jedoch zeigte, dass die Wirklichkeit vielschichtiger ist, als es uns die Medienwelt mitunter vorgaukelt.

Unter den Eindruck von Veränderungen in Arbeits- und Privatleben, beginnt Palten die planungen für ihre Reise, die sie umsichtig betreibt und ausführlich beschreibt. Welche Vorsichtsmaßnahmen sind zu treffen, wie Streckenabschnitte, Übernachtungen zu koordinieren?

Wird man sie als alleinstehende Frau überhaupt unbehelligt laufen lassen, in einem Land, welches unter den Deckmantel der Religion das Leben seiner Bürger kontrolliert? Wird sie frei mit den Menschen, auf die sie trifft agieren können? Wen kann sie überhaupt vertrauen?

Mit diesen und anderen Fragen und einen vollbepackten als Gepäckhilfe missbrauchten Kinderwagen beginnt sie im Spätsommer ihre Reise, die erst zwei Monate danach am anderen Ende des Landes beendet sein wird. Und trifft dabei auf Menschen, die ein völlig anderes Bild vermitteln, als sie es selbst vor ihrer Reise hatte.

Gastfreundschaft und Neugier begegnen der Schwedin, der überall Unterkunft gewährt und Begeisterung für ihr Vorhaben, welches sie ohne offizielle Genehmigung von staatlichen Stellen umsetzt, entgegen gebracht wird. Auch die andere Seite des Gottesstaates bekommt sie natürlich zu spüren, doch mit Unterstützung von Freunden gelingt ihr etwas, was den meisten iranischen Frauen nicht vergönnt sein wird.

Es ist das beeindruckende Portrait einer Frau, welches hier in Tagebuchform veröffentlicht wurde. Kristina Palten zeigt, wie leicht es sein kann, den Blick über den Tellerrand hinaus zu öffnen, aber auch, welche Grenzen dem immernoch in unserer Welt gesetzt sind.

Die Läuferin beschreibt ihre Reise, setzt dabei den Fokus auf die Tätigkeit und vor allem, auf die Menschen, denen sie begegnet. Palten zeigt, wie es ihr gelang, Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen und in welchem Zwiespalt sich die Menschen bewegen. Einfühlsam beschreibt sie in klaren Sätzen Erlebtes, Trauriges, Ernüchterndes und Hoffnungsvolles. Schwedische Gelassenheit und Grundoptimismus traf hier auf Neugier, Offenheit, mancherlei Grenzen.

In kurzweiligen Kapiteln zeigt die Autorin jedoch, was möglich ist, wenn man Mut beweist und einander vertraut. Wenn dies gelingt, ist schon viel gewonnen.

Der Film:

Auf Teilstrecken wurde Kristina Palten von einem Kameramann begleitet. Viel filmte sie zudem selbst. Daraus entstand ein Film über einen sehr besonderen Lauf. Diesen kann man downloaden und ansehen. Hier klicken.

Trailer zum Film über Paltens Lauf durch den Iran.

Mehr Informationen, hier. Über Kristina Palten, hier klicken.

Autorin:

Kristina Palten wurde 1971 in Nordschweden geboren, ist eine Ingenieurin und hält mehrere Rekorde in Marathon- und Ultraläufen. Mit dem Plan, Ängste und Vorurteile abzubauen ist sie knapp zwei Monate, nachdem sie ihren Job aufgegeben hatte, um sich vollkommen dem Laufen zu widmen, 1840 km durch den Iran gelaufen. Von der türkischen bis zur turkmensichen Grenze.

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Per Christian Jersild: Die Insel der Kinder

Die Insel der Kinder Book Cover
Die Insel der Kinder Per Christian Jersild Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 22.05.2017 (neu) Seiten: 366 ISBN: 978-3-462-41046-4 Übersetzerin: Verene Reichel

Inhalt:

Ein elfjähriger Junge. Hungrig, wach, weit offen für alle Eindrücke. Den schwedischen Sommer soll Reine Larsson eigentlich in einem Ferienlager für Kinder verbringen, doch er hat andere Pläne. Heimlich stielt er sich davon und versucht die großen Geheimnisse der Welt zu ergründen, die jedes Kind vor der Pubertät beunruhigen.

Mit Witz, Geschick und Charme versucht er sich in der Welt der Erwachsenen zu behaupten. Die Mutter bricht ahnungslos in den Urlaub auf und Reine unternimmt Streifzüge durch Stockholm und Umgebung. Reine betreibt Forschungen ganz eigener Art und findet dabei zu sich selbst. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Anfang der 1980er Jahre wurde ein schwedischer Gesellschafts- und Coming-of-age-Roman verfilmt, der aufgrund expliziter Szenen mittlerweile wohl Skandalpotenzial hat, was jedoch nicht darüber hinweg täuscht, dass diese Geschichte der wohl größte Erfolg des schwedischen Schriftstellers Per Christian Jersild ist.

Erzählt wird ein schwedischer Sommer aus den wacheen Augen eines Kindes, der ganz eigene Pläne hat. Anstatt sich von der Mutter ins Sommerferienlager schicken zu lassen, fingiert er seine Abreise nur, bleibt aber in Stockholm und nutzt die Tage, um seine Umgebung in sich aufzusaugen.

Der letzte Sommer der Kindheit, ihn will Reine in sich aufnehmen, immer mit der Angst von den allzu nahen Vorzeichen der Pubertät überollt zu werden. Es ist das liberale Schweden der 70er und 80er Jahre, welches hier feinfühlig dargestellt wird, ebenso wie die graue Vorstadtperspektive und die damit verbundenen Ängste aus den Augen eines Elfjährigen, der lieber Kind bleiben würde, als einer der verlogenen und undurchschaubaren Erwachsenen zu werden, die ihn umgeben.

Feinfühlig beschreibt der Autor aus der Perspektive von Reine, den man als Leser einfach liebgewinnen muss, wie sich dieser zwischen verworrenen zuständen zurechtfindet und sich auf mehr oder weniger besondere Erwachsene einstellen muss.

Dabei scheint einzig und alleine reine als unschuldige, aber bereits das Kommende ahnende, Figur, ausreichend ausgearbeitet zu sein, während die Erwachsenen allesamt Negative der reinen und unschuldigen Kindheit darstellen. Kaum jemand von dieser seite dient als Identifikationsfigur, so dass sich der Leser zwangsläufig an die einzig möglich Figur heften und ihr folgen muss.

Dies ist zu wenig, wenn auch die Beschreibungen der Athmosphäre flirrender Vororte sehr eindrücklich wirken. Zu wenig erfährt man von den anderen Protagonisten. Gerne hätten die Beobachtungen Reines noch ausschweifender erzählt und beschrieben werden können. So bleibt ein Roman im halbgaren Zustand.

Da macht der Film schon viel wett, jedoch würde dieser heute so auch nicht mehr gemacht werden können. So bleiben beide Medien in diesem Falle zeitdokumente, unausgereift und nur teilweise fassbar. Schade eigentlich.

Autor:

1935 geboren, ist Per Christian Jersild ein schwedischer Schriftsteller und Arzt gewesen, der von 1960 an verschiedene Romane veröffentlichte. Ab Mitte der 1980er Jahre war er als Kolumnist für verschiedene Zeitungen tätig. Seine Romane wurden mehrfach übersetzt und teilweise verfilmt. “Die Insel der Kinder”, ist sein größter Erfolg.

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Alberto Angela: Ein Tag im Alten Rom

Ein Tag im Alten Rom Book Cover
Ein Tag im Alten Rom Autor: Alberto Angela Sachbuch Goldmann Verlag Taschenbuch Seiten: 413 ISBN: 978-3-442-15638-2

Die Welt der Antike hautnah erleben!

Was ist ein Obolus? Wie wickelt man eine Toga? Wie teuer ist ein Sklave? Und wie fühlt es sich an, den Löwen zum Fraß vorgeworfen zu werden? Alberto Angela lässt uns einen Tag lang am bunten Treiben im antiken Rom teilnehmen:

Wir werfen einen Blick in prächtige Patrizierhäuser, dampfende Kochtöpfe und venusgefällige Schlafzimmer, erleben blutige Gladiatorenkämpfe im Kolosseum und nächtliche Festgelage am Ufer des Tibers. Mit allen Sinnen tauchen wir ein in die Alltagswelt und das Lebensgefühl der Alten Römer. Das ist Geschichte, wie sie lebendiger nicht sein könnte! (Klappentext)

Rezension:

Tausende Touristen erkunden heutzutage das, was vom einstigen Mittelpunkt der antiken Welt und von einem der ersten Imperien der Geschichte übrig geblieben ist. besonders in dessen ehemaligen Zentrum sind noch zahlreiche Überreste zu bestaunen, die einen kleinen Einblick über die ehemaligen Größe des antiken Roms geben.

Doch, die Ruinen auf den Palatin, den Kaiserforen oder das Colloseum sind durch die Jahrhunderte stark in Mitleidenschaft gezogen worden, und so ist es schwer vorstellbar, wie es war, das Leben im Rom der Antike.

Der italienische Paläontologe Alberto Angela nimmt seine Leser wieder gekonnt mit auf eine einmalige Zeitreise und lässt uns einen Tag im Leben eines römischen Bürgers nachvollziehen, der im Jahr 115 n. Chr., zur Zeit Trajans lebte. Von kurz vor Sonnenauf- bis nach Sonnenuntergang streifen wir durch die Gassen des Mittelpunktes der römischen Welt und erleben den Alltag aus vielen Blickwinkeln heraus.

Wir beobachten Sklaven, die eine Villa nach einem Festgelage am frühen Morgen säubern und sehen den domus und der domina beim Ankleiden zu. Detailliert schilder der Autor, welche Unterschiede und welche Gemeinsamkeiten der Alltag in damaliger und heutiger Zeit aufweisen und begibt sich mit uns in Tempeln, in die Gladiatorenarena oder den römischen Thermen.

Akribisch werden Fragen geklärt, kurzweilig anhand von tatsächlichen Funden, wie Inschriften und Mosaiken, konstruiert, was tatsächlich passiert sein könnte. Welche gesellschaftlichen Schichten gab es im Rom der Antike?

Vor welchen problemen sahen sich Stadtherren und Politik schon damals gestellt und warum waren Toilettengänge ein Gemeinschaftserlebnis? Was spielten oder lernten römische Kinder und was landete neben Flamingo und Siebenschläfer sonst noch in den Kochtöpfen?

Erstaunen wird man darüber, was es früher schon gab und welche Lösungen die Römer für Probleme aller Art hatten, aber auch, wenn man vergleicht, wie weit die Entwicklung, ob gesellschaftlicher oder technischer Natur seitdem vorangeschritten ist. Ohne Vorkenntnisse kann man Alberto Angela gut durch die kurzweiligen Kapitel folgen, der manchmal ausschweifend erzählt, jedoch durchweg zu begeistern und interessieren vermag.

Es ist dabei kein wissenschaftliches Buch, sondern ein Werk, welches ein Thema der breiten Masse näher bringt, jedoch auf nachweisbaren Funden im Staube Roms beruht. Erlebbarer Geschichtsunterricht, der begeistert. Wer Rom aus seinen Besuchen heraus kennt, wird vieles erkennen. Wer noch nicht in der Ewigen Stadt gewesen ist, wird spätestens jetzt den wunsch verspüren, die antiken Stätten besichtigen zu können.

Die Zeitreise ist in übersichtliche Kapitel, anhand von Uhrzeiten, gegliedert. Ein Tagesablauf eben. Dazwischen immer wieder wieder Einschübe, die einen grundsätzlichen Überblick über bestimmte Fragen geben und so erklären, was z.B. ein Sesterz wert gewesen ist oder was die ersten “Wolkenkratzer” Roms gewesen sind.

So verwoben bringt der Autor eine sehr komplexe Thematik verständlich näher, auch wenn es sich nur um einen ganz gewöhnlichen Tag im Antiken Rom und dessen Blütezeit handelt. Lebendiger geht Geschichte kaum.

Autor:

Alberto Angela wurde 1962 in Paris geboren, studierte nach dem Abitur in Frankreich und in Italien Naturwissenschaften, bevor er sich weiter auf Paläontologie und Paläoanthropogie spezialisierte. Er arbeitete an verschiedenen Orten der Welt an Ausgrabungen und Forschungen und veröffentlichte mehrere in Fachkreisen anerkannte Aufsätze.

Als Wissenschaftsjournalist arbeitete er für Fernsehsender und veröffentlichte mehrere Sachbücher über die menschliche Entwicklungsgeschichte und das Alte Rom. Er ist Mitglied des Instituts für Menschliche Paläontologie in Rom.

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Leipziger Buchmesse 2019: Constanze John in der Minutenwelt Georgiens

“Wir sind Gäste in dieser Welt der Minute, Wir vergehen, und die Nächsten bleiben hier. Was wir miteinander tun, all diese freundlichen und angenehmen Dinge – das ist es doch, wofür wir leben, oder? Was, außer dem, werden sie mit in unsere Gräber legen? Nur drei Meter leinwand, nur”…

Zutisopeli/Die Minutenwelt, zitiert aus Constanze John “40 Tage Georgien”.

Es sind noch ein paar Dinge offen, die ich von der Messe mitgenommen habe, drei Interviews und Gespräche vor allem, die ich in Leipzig dieses Jahr mit verschiedenen Autoren geführt habe. Leider komme ich erst jetzt und in den nächsten Tagen wirklich dazu, diese zu sichten und werde dies hier, nach und nach, veröffentlichen. Gleich das erste Interview, welches ich vereinbart habe, veröffentliche ich jedoch in Form eines Berichts, da ich in diesem Falle noch besser meine Eindrücke schildern kann. Die anderen Interviews werde ich jedoch wirklich als solche veröffentlichen.

Das Gespräch selbst fand im Büro der Reisemission Leipzig GmbH statt, einer der vielen Veranstaltungsorte im Rahmen des Programms “Leipzig liest”. Diese Ausrichtung der Messe sorgt dafür, dass es eben eine wirkliche Publikumsmesse ist und nicht nur in den Messehallen selbst das Lesefieber gelebt wird. Und so versammelten sich in diesem Büro zahlreiche Zuhörer und Interessierte, um der Leipziger Schriftstellerin zu lauschen.

Constanze John
40 Tage Georgien – Unterwegs von Tiflis bis ans schwarze Meer
Seiten: 411
ISBN: 978-3-7701-8293-0
Verlag: mairdumont

Mit so viel Andrang hatte man beim mairdumont Verlag, bei der Reisemission selbst, wohl nicht gerechnet, am allerwenigsten, so schien es mir, die Autorin. Doch Georgien als Land eine große Unbekannte, weckt Interesse. Wir sprechen hier vom letztjährigen Gastland der Frankfurter Buchmesse, doch durch Autoren wie Nino Haratischwili ist das Land immer noch im Gespräch. Auch darüber habe ich mit Constanze John gesprochen.

Doch, zunächst drängelten sich die Zuhörer in den zwei kleinen Büroräumen und die Lesung begann mit einer Einführung in Georgiens “Minutenwelt”. Diese Zeilen, oben zitiert, eröffnen den Reisebericht, der hier schon rezensiert wurde, zeigen, wie dieses Land, gelegen am Kaukasus, tickt.

Die Autorin berichtet von ihrer Entdeckung der Faszination für die georgische Lebensart und vor allem für die Menschen und ihre Geschichten. Fotos werden gezeigt, Ausschnitte gelesen. Als sich der Trubel legt, die Lesung beendet ist, ist der Wunsch, das Land selbst einmal zu bereisen, bei vielen Zuhörern weit nach oben gerückt. Die Autorin und ich sind dann noch in den Büros geblieben und haben miteinander gesprochen.

Zwischen Supra und “Minutenwelt”, nach ihrer Lesung, Constanze John.

Wir vertiefen das in der Lesung Gesagte und kommen schnell auf die Welt des Augenblicks zu sprechen, die die Lebensart der Georgier zu bestimmen scheint. Man lebt jetzt, in diesem Moment und soll dies auch bewusst tun. Dieser Gedanke beeindruckt, wie auch die dort gelebte Gastfreundschaft. Ein Jeder wird willkommen geheißen, aufgenommen, Höhepunkt vielleicht, in das große Ritual der Supra mit einbezogen zu werden, die einen bestimmten Ablauf vorweist.

Constanze John über “40 Tage in Georgien – Unterwegs von Tiflis bis ans Schwarze Meer”.

Als dies zur Sprache kommt, ist Constanze John wieder in Gedanken bei ihren Eindrücken von ihren Reisen dorthin, und wieder auch bei den Menschen, die in hippen wandlungsfähigen Städten leben, aber auch in rauen und ursprünglichen Dorfgemeinschaften, bei einer kreativen und jungen künstlerichen Szene, aber auch bei Familien, deren Familienbiografien durch den Konflikt mit dem großen Nachbarland Russland und den abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien gebeutelt sind.

Die Autorin kommt auf Begegnungen, etwa mit den Künstler Pridon zu sprechen, der in seiner ganz eigenen “Minutenwelt” lebt, aber auch auf Momente des Glücks in Uschguli. Wer den Reisebericht gelesen hat, spürt die Sehnsucht der Autorin zu den bereisten Orten zwischen den Zeilen, beim Vortrag und auch im Gespräch hat sie das nochmals unterstrichen.

Wer Georgien einmal erlebt hat, verfällt dem wohl vollkommen. Und auch dem Humor dieses Volkes, wenn es Witze über die Armenier macht, wie es umgekehrt genau so geschieht, oder wenn mit lachenden Augen von der Entstehungslegende berichtet wird, die die Autorin im Gespräch ebenfalls nochmals hervorhebt.

Constane John hat sich Georgien über die Menschen und ihre Geschichten erschlossen.

Als Gott nämlich die Länder auf die einzelnen Völker verteilte, feierten Armenier und Georgier jeweils rauschende Feste. Als die Verteilung beendet war, blieb für die Armenier nur noch das Land der Steine übrig, die Georgier, die immer noch feierten , bekamen erst einmal nichts. Gott hatte jedoch Erbarmen und schenkte ihnen einen Flecken Erde, den er selbst für sich als Ruhesitz vorgesehen hatte. Unter einer Bedingung, nämlich, dass die georgier jeden Gast freundlich aufnehmen mussten, der zu ihnen käme. Und das tun sie bis heute.

Wie sich das auswirkt, kann man dann in Constanze Johns Reisebericht nachlesen, doch, nach ein paar Tipps gefragt, welche Orte man in diesem Land unbedingt besucht haben sollte, hat die Autorin folgende für uns Leser und Reisende:

Tblissi, als pulsierende Stadt im inneren des Landes mit abwechslunsgreichen Nachtleben.

Uschguli, das höchst gelegene Dorf Georgiens. Die Geschichte Georgiens, konzentriert auf einen Punkt. Wehrtürme als Wahrzeichen und die Kraft der natur in der Bergwelt des Kaukasus. und die Menschen, stolz und eigensinnig, die dort leben.

Wardsia, das größte von drei Höhlenklöstern Georgiens, phänomenal und eindrucksvoll.

Wenn ich etwas aus dem Buch, der Lesung selbst und dem Gespräch mit der Autorin mitgenommen habe, ist es diese Faszination für ein Land, welches man vielleicht nicht auf den ersten Blick weniger als Reiseziel, mehr als Ort der Begegnungen sehen sollte. Die macht man dort nämlich, eingenommen von der Gastfreundschaft der Bevölkerung, in den Städten und Dörfern Georgiens. Letztlich ist es das, was von solchen Erfahrungen bleibt. Vor allem in dieser “Minutenwelt”. Danke, für diesen Austausch der Autorin Constanze John und den Damen und Herren von mairdumont.

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Julia Finkernagel: Ostwärts (1)

Inhalt:

Wenn nicht jetzt, wann dann? Was passiert, wenn eine Managerin ihren Job an den Nagel hängt, den Rucksack schultert und bis in die hinterste Mongolei reist? In Rumänien wird sie fast von Peter Maffay überfahren, dafür genießt sie in Georgien Gastfreundschaft 2.0 (Promille). Sie gerät in die Fänge des russischen Geheimdienstes, isst Suppe auf Tadschikisch (ohne Löffel!) und versucht sich als kirgisische Schwiegertochter in der Sommerjurte. Ach ja – und dreht darüber mit ihrem Kameramann eine launige TV-Serie. Alles zum ersten Mal.

Ein wunderbar geistreiches wie humorvolles Buch über echte premieren, die ein oder andere Panne und das große Glück vom Unterwegs-Sein. (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Julia Finkernagel: Ostwärts 1 – Ostwärts oder wie man mit den Händen Suppe isst, ohne sich nachher umziehen zu müssen

Julia Finkernagel: Ostwärts 2 – Immer wieder Ostwärts oder wie man in der Transsibirischen Eisenbahn duscht, ohne seekrank zu werden

[Einklappen]

Rezension:

Bei Filmen bin ich immer vorsichtig, wenn der Trailer die Höhepunkte vorwegzunehmen scheint, bei Büchern geht es mir mit Klappentexten ebenso, wobei da die Wahrscheinlichkeit irgendwie höher zu sein scheint, dass sich die beschriebene Geschichte vollkommen anders entwickelt. Diese Inhaltsangabe klang witzig und genau nach dem, was heute im Internet zahlreich angeklickt wird. Spontane Reiseerlebnisse für den Moment festgehalten, nur eben in Buchform. Und es funktioniert.

Julia Finkernagel hat eigentlich als Managerin am Frankfurter Flughafen gearbeitet, bevor sie sich ein Sabbatjahr nahm und seit dem für den MDR in die verschiedensten Winkel der Erde reist. Mit Kamera- und Tonmann gilt es, die Geschichten der Menschen zu ergründen, die dort leben und die Zuschauer zu Hause in fremde Welten zu entführen. Alltag mal anders und immer darauf bedacht, spontane Ereignisse mitzunehmen. Keine Reisereportage im klassischen Sinn. So entpuppte sich “Ostwärts” zu einem der erfolgreicheren Formate des MDR.

Doch, wie waren die Anfänge und wie lernte Julia Finkernagel, wie Fernsehen funktioniert? Dies und natürlich ihre kuriosen Erlebnisse in den Ländern, die sie als erstes bereiste, beschreibt sie mit humorvollen Blick in ihrem Buch “Ostwärts oder wie man lernt, mit den Händen Suppe zu essen, ohne sich nachher umziehen zu müssen” und reiht Kuriositäten, Erlebnisse und Menschen so aneinander, dass man das Gefühl hat, die Autorin auf der Reise zu begleiten, zudem Erlebnisse zu erfahren, die es nie schafften, gesendet zu werden.

Nichts ist statisch oder faktenlastisch, als Reiseführer ist das Buch nicht zu gebrauchen, eher als Erfahrungsbericht, den man trotzdem einiges für sich mitnehmen kann. “Krieg und Frieden” taugt zum Beispiel nicht nur als Lektüre, sondern auch (Bücherfreunde festhalten!) als Toilettenpapier, wenn man nichts anderes hat und wenn man Hunger hat, ist man Plov.

Schriftstellerisch ist der Reisebericht, der in kurzweiligen und übersichtlichen Kapiteln über Polen, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, bis nach Georgien, Russland, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und in die mongolische Steppe wird, zwar kein großer Wurf, aber um so amüsanter und nachdrücklicher zu lesen. Reisen erweitert schließlich den horizont und warum nicht einmal ein eher etwas ungewöhnliches Ziel in seine To-do-Liste aufnehmen?

Wie funktioniwert Fernsehen und wie leben die Menschen fernab touristischer Standardrouten in dennoch reiseinteressanten Ländern? Wie viel Promille muss man bekommen, um eine georgische Tischrunde zu überstehen und warum wechselt der Tee in Tadschikistan mehrfach das Gefäß, bevor er getrunken wird? Dies alles und noch viel mehr, mit Appetit auf bulgarischen Schopska-salat und, na ja, eben Plov im Reisebericht der etwas anderen Art, auch wenn man wissen möchte, wie man in der weiten Steppe Pipi macht, ohne gesehen zu werden. Na dann, gute Reise.

Autorin:

Julia Finkernagel ist eine deutsche Moderatorin, Drehbuchautorin, Redakteurin und Drehbuchautorin. Nach der Schule studierte sie zunächst Kommunikationsdesign und arbeitete am Frankfurter Flughafen im Bereich der Planung des flugbetriebes. 2007 nahm sie sich ein Sabbatjahr und bereiste die Welt.

Auf die Berichte, die sie zunächst per E-Mail versendete, wurde der MDR aufmerksam, so begann die Geschichte der Dokumentationsreihe “Ostwärts – mit den Rucksack der Sonne entgegen”, die bis 2014 gesendet wurde. Seit dem arbeitet sie zudem als producerin für verschiedene Fernsehformate und wurde 2011 zudem für ein Qualifizierungsprogramm für Filmschaffende ausgewählt. 2016 war Finkernagel Mitglied der Jury der Biberacher Filmfestspiele. Dies ist ihr erstes Buch.

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Constanze John: 40 Tage Armenien

40 Tage Armenien Book Cover
40 Tage Armenien Reisebericht Mairdumont Taschenbuch Seiten: 376 ISBN: 978-3-7701-8298-5

Inhalt:
Die preisgekrönte Autorin Constanze John gibt Einblicke in die Gesellschaft, Mythologie und Geschichte des heutigen Armenien. Trampend von Kloster zu Kloster oder mit Bus, Marschrutka und Taxi zu archäologischen Grabungsstätten, zyklopischen Festungsanlagen und ins vulkanisch geprägte Hochland. Eine Reise in eines der ältesten christlichen Länder der Welt, das Land der Steine, an der Grenze zwischen Christentum und Islam, zwischen Europa und Asien. (Klappentext)

Rezension:
Reiseberichte lese ich persönlich zwar gerne, fasse sie aber mehr als kritisch mit den Fingerspitzen an. Das liegt an meiner Berufswahl und der nahezu täglichen Konfrontation mit den deutschen Blick, der am liebsten in die Ferne schweift, aber im Grunde Deutschland in Kleinformat in seinem Hotelzimmer haben möchte. Das funktioniert nicht einmal im nahen europäischen Ausland. Wie sieht es dann mit einer uns hierzulande geradezu unbekannten Region aus?

Über Armenien weiß der Durchschnittsdeutsche wahrscheinlich so gut wie nichts. Unseren mitteleuropäischen Nachbarn wird es kaum anders ergehen, warum also dorthin reisen? Constanze John hat sich aufgemacht, um Land und Menschen zu entdecken, die sich einem erst auf den zweiten oder dritten Blick erschließen, einem dann jedoch in ihre Herzen schließen. Quer durch’s Land reist sie mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln durch das “Land der Steine” und nimmt sich 40 Tage Zeit den Menschen Armeniens zu begegnen.

Streifzüge durch die Geschichte nimmt sie ebenso auf, wie sie zahlreiche Legenden Armeniens sammelt und den besonderen Bedingungen nachspürt, die Armenien so einzigartig machen. Spielball der großen Nachbarstaaten, das Drama um den Völkermord 1915 sitzt immernoch tief im Bewusstsein, sowie den geologischen Gegebenheiten und schwierigen poltischen wie wirtschaftlichen Sackgassen, in der sich die meisten Armenier befinden. Dieses Gebräu ist empfindlich, trotzdem ist der Optimismus und der Glaube an die Zukunft des Landes ungebrochen.

In kurzweiligen und abwechslungsreichen Kapiteln begleiten wir die Autorin durch ein überraschend vielschichtiges Land, welches mit als ältestes christliches Gebiet gelten darf und entdecken, wie ein Brot zum Nationalsymbol avanciert, Literatur gelebt wird und der Blick ins Positve trotz zahlreicher Rückschläge gelingen kann. Die Autorin zeigt sich dabei nicht unkritisch, jedoch mit genauer Beobachtungsgabe und fast ist es so, als würde man selbst die Kloster oder einen armenischen Markt betreten, über Literatur und Archäologie mit den Einheimischen diskutieren und die vielseitige Landschaft bestaunen.

Man erfährt viel, nimmt wie die Autorin die Freundlichkeit und das Wissen der Menschen um ihr Land auf, bekommt gerade zu Lust, dieses Land zu entdecken. Landkarten zu Beginn eines jeden kapitels dienen der Orientierung, gleichzeitig das Quellenverzeichnis mit ergänzenden Literaturhinweisen, etwa auf Franz Werfels “Die vierzig Tage des Musa Dagh”, welches die traurige Seite der Geschichte Armeniens im Gedächtnis der Menschen konserviert hat.

Dieser Reisebericht ist kein neutraler Reiseführer, sondern eine Ermunterung, auf die Menschen zuzugehen, die dort leben. So und nicht anders sollte man dies lesen und vielleicht als eines der nächsten Reiseziele Armenien ins Auge fassen. Es wäre kein Fehler.

Autorin:
Constanze John wurde 1959 in Leipzig geboren und ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie studierte nach der Schule Germanistik, Geschichte und Pädagogik an der Universität zu Leipzig, lebte zeitweilig in Rostock und absolvierte ein Fernstudium am Literaturinstitut Leipzig von 1984-1987. Seit 1998 ist sie freiberufliche Schriftstellerin, veröffentlichte jedoch seit 1987 Gedichte, sowie ein Werk über Sagen der Region Zwickau.

Seit 2012 leitet die Autorin die Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche im Haus des Buches Leipzig. Für Deutschlandfunk und Deutschlandradio erarbietete sie mehrere Reisereportagen. Mehrere Auslandsreisen bildeten die Grundlage für ihre Veröffentlichungen im DuMont-Reiseverlag über Armenien und Georgien. Die Autorin wurde mehrfach ausgezeichnet.

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