Klima

Christian Linker: Boy from Mars

Inhalt:

Im Jahr 2099 lebt der dreizehnjährige Jonto mit seinem Großvater auf dem Mars. Als Opa Ben stirbt, muss Jonto sich auf den Weg zur Erde machen, zu seiner Mutter, die er seit zwölf Jahren nicht gesehen hat. Im Gepäck hat er das Tagebuch seines Opas voll rätselhafter Andeutungen auf eine spektakuläre Erfindung. Angeblich soll es eine Superwaffe zum Schutz des Klimas sein. Neugierig begeben Jonto und seine neuen Freunde sich auf die Suche danach. Doch sie sind nicht die Einzigen, die Interesse am Supergenerator haben … (Klappentext)

Rezension:

Das vorliegende Jugendbuch von des deutschen Autoren Christian Linker entführt uns in eine nicht allzu ferne Zukunft. Im Jahr 2099 leben Menschen nicht nur auf der Erde, auch der rote Planet ist besiedelt. In Kolonien auf den Mars leben die Pioniere und bauen dort eine neue Gesellschaft auf, nachdem die Zurückgebliebenen dabei sind, die Folgen der gerade erst beendeten Klimakriege zu überwinden. Jonto kennt kein anderes Leben als unter den Kuppeln der Marskolonien. Der Dreizehnjährige liebt seinen Großvater, mit dem er Wanderungen auf den Kratern des Planeten unternimmt und den populären Sport Gravity Dunk.

Doch als sein Opa stirbt, muss er zurück, zu seiner Mutter, die er, wie auch den Planeten Erde, nur von Bildern kennt, ohne zu ahnen, dass das größte Abenteuer ihn noch bevorsteht. Eines, welches das Leben aller verändern könnte.

In einer Mischung aus moderner Zukunftsvision und Abenteuerroman folgen wir den jungen Protagonisten Jonto auf seiner Reise zur Erde, die dort in ein rasantes Abenteuer mündet. Der Dreizehnjährige hadert dabei zunächst mit sich selbst und den Gegebenheiten, denen er zunächst nichts entgegensetzen kann und gibt damit eine perfekte Identifikationsfigur ab, wie auch die Erzählung selbst aus eine Aneinanderreihung vieler Punkte besteht, die Jugendliche beschäftigen. Der Schriftsteller Christian Linker hat damit eine interessante Mischung geschaffen, sowohl die Konfrontation mit der harten Realität der Welt der Erwachsenen darzustellen, als auch die Ängste und Befürchtungen der jungen Generation in Bezug auf Klimaveränderungen und dem Leben in der Zukunft aufzunehmen.

Ohne unlogische Brüche funktioniert die Erzählung, derer wir in kompakten Kapiteln folgen, die Vision eines Autoren, der ein Szenario erschaffen hat, dem man gerne folgen möchte, zudem immer auch ein Hauch optimistischen Untertons mitschwingt. Dazu tragen die Figuren bei, deren Weg und Handlung nachvollziehbar gestaltet ist, welche schnell Konturen bekommen. Hier ist klar, wer Sympathieträger ist. Positiv ist aber zu erwähnen, dass auch die Gründe für das Handeln der Antagonisten glaubwürdig dargestellt werden. Das erzeugt einen Sog, den man sich nicht entziehen kann. Die Ausgestaltung dieser Welt, sowohl des roten als auch des blauen Planeten, wirkt mit jeder einzelnen Zeile.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Hauptprotagonisten, der erkennen muss, dass die Zukunft der Menschen in der Vergangenheit zu suchen ist und dabei mehr als einmal vor schwierigen Entscheidungen gestellt wird, die zu groß wirken für einen Dreizehnjährigen, selbst wenn einem eine Digi-Linse zum Durchblick verhilft. Linker hat seine Figur mit Ecken, Kanten, der rastlosigkeit und gelegentlichen Stimmungsschwankungen versehen, auch das macht Jonto zu einem glaubwürdigen Protagonisten.

Der Roman wirkt in sich schlüssig, die Welt greifbar. Linkers Stärken liegen nicht nur in der Ausgestaltung seiner Figuren, auch Landschaftsbeschreibungen erzielen ihre Wirkung. Actionreiche Szenen fühlen sich beim Lesen an, einstweilen wie im Film, trotzdem gibt es in “Boy from Mars”, auch sehr ruhige, einfühlsame Momente, die die Erzählung komplettieren.

Christian Linker hat mit diesen Roman für Jugendliche einen spannenden Einstieg in die Welt der Dystopien geschaffen, zugleich Ankerpunkte zu so vielen anderen Genres und einen sympathischen Protagonisten, dessen Weg mit seinen Freunden in diesem wirklich gut ausgestalteten Stand Alone man gerne verfolgt. Und vielleicht muss sich eines Tages wirklich ein Junge auf den Weg vom Mars zur Erde machen und dabei alles verändern.

Autor:

Christian Linker wurde 1975 in Leverkusen geboren und ist ein deutscher Jugendbuchautor. Zunächst studierte er Theologie in Bonn und arbeitete freiberuflich als PR-Redakteur und als Bildungsreferent in der außerschulischen Jugendbildung. Einige Jahre war er in Köln als hauptamtlicher Diözesanvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend tätig. Sein erstes Buch erschien 1999. Sein Roman “RaumZeit” wurde 2003 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Die Bücher wurden teilweise für das Theater adaptiert. Es folgte 2018 der Jugendbuchpreis Goldene Leslie.

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John Ironmonger: Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen

Inhalt:

In dem gemütlichen Pub eines winzigen Fischerdorfes in Cornwall kommt es am Mittsommerabend zu einer folgenreichen Klimawette zwischen einem Studenten und einem Politiker. Werden bald auch die dreihundertsieben Bewohner des beschaulichen Dorfes zu spüren bekommen, wovor die Welt noch die Augen verschließt?

John Ironmonger erzählt von der dringensten Aufgabe unserer Zeit und von zwei schicksalhaft verbundenen Leben. Können aus Gegnern Verbündete werden, wenn es um unser aller Zukunft geht?
(Klappentext)

Rezension:

Fast scheint es, als ob das Genre des Klimaromans nun entgültig in die Buchhandlungen Einzug gehalten hat, ist doch die Frage, wie wir dem Wandel des Klimas begegnen, eine der drängensten unserer Zeit. Das arktische Eis schmilzt unaufhaltsam.

Die Fragen lauten nur noch, wie schnell, wie hoch wird das freigesetzte Wasser steigen und mit welchen Auswirkungen in Gang gesetzter Kettenreaktionen werden wir und künftige Generationen noch konfrontiert werden? Dies ist der gedankliche Überbau der hier vorliegenden Mischung aus Dystopie, Gesellschafts- und Politroman. Er beginnt mit einer Wette. Jene, die sie beschließen begleiten wir über ihre gesamte Lebensspanne. Wer wird am Ende Recht behalten und ist solch ein Sieg nicht gleichsam eine Niederlage?

Von Beginn an ist klar, wie die Erzählung schließen wird. Das Ende ist nicht überraschend. Spannend ist hier der Weg zum Ziel. Lesend wird man jedoch zunächst eingelullt, die Hauptprotagonisten werden vorgestellt, samt einiger sie umgebender Nebenfiguren. Die Atmosphäre des kleinen Dorfes, der als Touristenort sein Auskommen hat, ist förmlich zu greifen. Die Figuren schließt man schnell ins Herz, positioniert sich entsprechend.

Langsam kommt dann die geschichte ins Rollen, deren Handlungsfäden wir über die Jahrzehnte folgen. Zeitsprünge und Perspektivwechsel geben das Tempo vor, schließlich soll eine gesamte Lebensspanne erzählt werden. Für diese Form ist der Roman relativ kompakt, wenn auch der Autor an teilweise sehr schwülstigen Formulierungen nicht spart und mehrfach die Grenze zum Kitsch um mehr als eine Fußlänge bis ins Unglaubwürdige überschreitet. Da dies jedoch erst ab Mitte der Erzählung geschieht, kann man durchaus augenrollend darüber hinweg sehen.

So turbulent wie das Leben verläuft, so ändern sich auch die Handlungsorte der Protagonisten. Hier hat John Ironmonger ein glückliches Händchen bewiesen, diese so zu beschreiben, dass man sie sich förmlich vorstellen kann. Eben ist man noch im dörflichen Pub, dann in der Umgebung einer kargen Forschungsstation, der Unwirklichkeit unbarmherzigen Eises ausgeliefert. Mit solchen Elementen gelingt es dem Autor eine Stimmung aufzubauen, die in Sicherheit wiegend, promt die nächste Überraschung bereithält, um dann in einem anderen Moment in trügerische Stille hineinzuwechseln.

Bis auf die beiden Protagonisten, die im Verlauf der Handlung ihre Ecken und Kanten bekommen, bleiben beinahe alle, hier wiederum auch nur bis auf eine, Nebenfiguren konturlos. Ironmonger konzentriert sich zumindest hier aufs Wesentliche und tut seiner Geschichte damit einen großen Gefallen, zudem dadurch Gegensätze bereits genug ausgestaltet werden. Klar wird an einigen Stellen sehr stark überzeichnet, doch gelingen auch Verbindungen. Steckt nicht in vielen von uns der Idealismus eines Tom Horsmith, aber auch das Zögern, die Inkonsequenz eines Monty Causley?

Die Zeitsprünge sind es, die die Geschichte so besonders machen, ohne größere Lücken entstehen zu lassen. Eher sind es Handlungsmomente, die unglücklich gesetzt sind, und die Erzählung manchmal ins Stocken geraten lassen. Zu Gute halten muss man dem Autoren, dass dieser sich mit der Thematik des Klimawandels ausgiebig beschäftigt hat.

Fazit, welches man ziehen könnte, es bringt nichts den Menschen von Folgen zu erzählen, die vielleicht irgendwo andere treffen werden oder von globalen Maßnahmen zu sprechen, auf die sich ohnehin nicht die gesamte Staatengemeinschaft einigen wird.

Was bedeutet der Klimawandel für mich, für meine Umgebung, für das Land, in dem ich lebe und was kann jeder Einzelne in kleinen Schritten tun? in großen Schritten denken die wenigsten, zumal kaum Politiker, die bereits die Umfragen für die nächsten Wahlen und den nächsten Karriereschritt im Blick haben.

Dem Schreibstil hätten eine gewisse Dynamik und Tempo gut getan. So reiht sich auch dieses Werk unter vielen einen, die durchaus interessant zu lesen sind, aber schnell unter “ferner liefen” abgestellt werden können, zudem wenn man mehreres dieser Art bereits liest. Hier darf man die berechtigte Befürchtung äußern, dass der Roman untergeht, wie der vor sich hinschmelzende Eisberg. Liest man über die Thematik nicht so häufig einen Roman, hat dieser dennoch die Chance, im Gedächtnis zu bleiben.

Zu guter Letzt, die Titelfindung. Sperriger geht es kaum, zudem der Eisbär weder Auslöser noch Konsequenz ist.

Die Grundidee der Geschichte funktioniert, sowie auch die Figuren durchaus Identifikationspotential mit sich bringen, doch schießt der Autor öfter mit Formulierungen und der Ausgestaltung von Szenen übers Ziel hinaus, da helfen dann auch schöne Worte nichts. Wenn es aber hilft, den einen oder anderen, der thematische Überbau existiert ja, zum Nachdenken zu bringen, hat dieser Roman dennoch seine Berechtigung.

Autor:

John W. Ironmonger wurde 1954 in Nairobi, Kenia, geboren und ist ein britischer Schriftsteller. Zunächst studierte er Zoologie in Nottingham und Liverpool, bevor er an der Universität von Illorin, Nigeria, unterrichtete. Danach arbeitete er im Bereich der medizinischen Informatiok in Groß-Britannien. Im Jahr 1994 veröffentlichte er ein Sachbuch. 2012 folgte sein erster Roman. Seine Werke wurden mehrfach nominiert und ausgezeichnet.

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Benedikt Bösel: Rebellen der Erde

Inhalt:

Klimawandel, Artensterben und Bodendegeneration bedrohen unsere Existenz. Jede dieser Krisen ist mit den anderen verbunden und alle drei treffen sich in der Landwirtschaft. Einerseits gefährden sie diese, andererseits hat die Landwirtschaft selbst großen Anteil an der Verschärfung dieser Bedrohungen. Dass es nicht so weitergehen kann, ist offensichtlich. Die gute Nachricht: Die Transformation der Landwirtschaft könnte sie wieder zukunftsfähig, resilent machen und profitabel, gleichzeitig allen drei Megakrisen die Stirn bieten.

Benedikt Bösel, der das elterliche Gut in Brandenburg übernommen hat, zeigt, wie das funktionieren kann. In einer der landwirtschaftlich schwierigsten Gegenden Deutschlands, wo Dürre auf extrem sandigen Untergrund trifft.

(Inhalt lt. Verlag)

Rezension:

Buchtrailer Benedikt Bösel “Rebellen der Erde” (Scorpio Verlag)

Spätestens nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann die Transformation der Landwirtschaft Richtung Massenproduktion, um eine stetig wachsende, damals zudem hungrige Bevölkerung zu ernähren. Erst schleichend, dann in einem immer höheren Tempo wurden etwa Streuobstwiesen von Feldern riesiger Monokulturen verdrängt. Ein Phänomen, welches in unterschiedlicher Ausprägung weltweit zu beobachten war und deren Auswirkungen Landwirte überall zu spüren bekommen.

In der Welt und zunehmend auch unmittelbar bei uns. Extremwetterperioden vernichten Ernten, die mit immer weniger natürlichen Nährstoffen auf überdüngten Böden zurechtkommen müssen. Vielerorts wird versucht, mit Einsatz von Chemie und Pestiziden oder, wer sie sich leisten kann, teurer Technik, dagegen zu halten. Doch, wie lange geht das noch gut? Diese Frage, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, stellen sich immer mehr Landwirte. Jahr um Jahr geben immer mehr Höfe auf.

Praktisch vor der Situation bzw. der Frage, wie das elterliche Gut zukunfts- und überlebensfähig gemacht werden kann, stand Benedikt Bösel als er dieses übernahm, in einer der trockensten und damit landwirtschaftlich schwierigsten Gegenden Deutschlands. Technische Neuerungen, das war schnell klar, waren nicht zu finanzieren, von Pesitiden und Chemie wollte er sich nicht abhängig machen. Das Problem, Hitzeperioden und der nährstoffarme Boden. Könnte man zumindest an diesem arbeiten?

So viel sei schon mal verraten, dem Autor blieb keine andere Wahl als dies zu versuchen. Er beschreibt seinen Weg in die Landwirtschaft, der keineswegs vorherbestimmt und geradlinig war, doch voller Interesse und der Annahme von Herausforderungen, die sich dieser Tage stellen und zeigt, was mit Ideenreichtum und Austausch alles verwirklicht werden kann. Entstanden ist dabei ein Bericht ohne erhobenen Zeigefinger, in dem Bösel darstellt, wie etwa Forst- oder Weidewirtschaft, der Anbau von Pflanzen neu gedacht werden muss, damit auch in Zukunft landwirtschaftliche Betriebe bestehen können. Mit und trotz des Klimawandels.

Das dies nicht einfach war und Stellschrauben von Ideen anderer angepasst werden mussten, zeigt er anhand verschiedener Projekte, um seinen Betrieb, die er und sein Team im Laufe der letzten Jahre aufgebaut haben. Dargestellt werden die einzelnen Elemente moderner Landwirtschaft, die sich dort teilweise immer noch in einer Art Versuchsphase, wissenschaftlich begleitet befinden und was im Kleinen bereits funktioniert, wie die Zukunft aussehen kann. Klar ist, die traditionelle Landwirtschaft kann so wie bisher nicht mehr weitermachen, zudem immer mehr Menschen sensibler für das Klima werden und nicht zuletzt dafür, was auf ihre Teller kommt.

Bösel gelingt es, diese Geschichte von Lebensmitteln zu erzählen, die es künftig brauchen wird, zeigt, welche Ideen und Grundlagen bereits seit Jahrzehnten existieren, nur neu oder weitergedacht werden müssen für unsere Zeit. Dies tut er mit so viel Zugewandtheit und Begeisterungsfähigkeit, ohne Rückschläge oder Herausforderungen zu verheimlichen, dass sich nicht nur sein Betrieb von der Masse abhebt, sondern auch die Lektüre von der sonstigen Schwarzmalerei.

Natürlich ist das kein Patentrezept, aber immerhin eine Blaupause dessen, wie dezentrale Landwirtschaft bereits funktioniert und eine beeindruckende Wirkung innerhalb von wenigen Jahren entfalten kann. Kann es etwa gelingen, unsere Felder vielseitiger und doch profitabel zu gestalten? Wie müssen künftig landqwirtschaftliche Nutztiere in dieses System integriert werden? Kann man beinahe tote Böden helfen, sich selbstständig zu regenieren oder Wälder umbauen, dass die kranken Monokulturen auch dort der Vergangenheit angehören? Ja, sagen Bösel und sein Team und beschreiben in diesem Sachbuch das Wie.

Es ist die Verbreitung eines Konzepts gleichsam einer Zukunftsvision, die hier vorgelegt wird, jedoch nicht nur reine Theorie. Lektüretipps, die man getrost für den heimischen Garten im Kleinen anwenden kann, finden sich da ebenso wie die zahlreichen wunderbaren Illustrationen von Romina Rosa, die das Beschriebene visualisieren. So gelingt nicht nur die Mahnschrift, sondern eben auch viel Positives zu transportieren.

Mit jeder Seite Lektüre wird man beeindruckter, auch von diesem riesigen Projekt, in dem nicht nur der Autor selbst so viel Leidenschaft hineinsteckt. Inzwischen hat dies zu einer Ansammlung weiterer Projekte dort im brandenburgischen Madlitz geführt, die allesamt Landwirtschaft in ihren Facetten neu denken. Wenn dies im Kleinen so funktioniert, man stelle sich das überall in Deutschland vor. Bösel selbst hat diese Vorstellung schon. Wird sie flächendeckend real, wäre die Landwirtschaft nicht mehr Teil des Problems sondern ein großer Baustein der Lösung. Anfangen kann man dafür unbedingt mit der Lektüre.

Autor:

Benedikt Bösel wurde 1984 geboren und studierte Business Finance in Großbritannien, dann Agrarökonomik in Berlin. Er arbeitete zehn Jahre in der Finanzindustrie, übernahm später jedoch den ökologisch bewirtschafteten Hof seiner Eltern in Alt Madlitz. Die Erfahrungen aus der Wirtschaft gepaart mit den großen Herausforderung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs nutzt er, um den Beweis anzutreten, dass die Landwirtschaft zum Schlüssel für uns und nachfolgende Generationen werden kann. Mit seiner Passion konnte Bösel inzwischen zahlreiche Partner und Mitstreiter anstecken, die sein Projekt zu einer beherzten Gemeinschaftsaktion machen.

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Franziska Tanneberger/Vera Schroeder: Das Moor

Inhalt:

Das Moor ist nicht nur neblige Sumpflandschaft, wo Vögel nisten, Schild oder Torfmoose wachsen. Auch eine grüne Wiese, auf der Kühe weiden, kann sich als Moor entpuppen, wenn man genau hinschaut. Eine berührende Lektüre über einen einzigartigen Lebensraum. (Klappentext)

Rezension:

In Film oder etwa Literatur sind die seltener werdenden Moorlandschaften vom Gefühl her negativ besetzt. Dunkel und Nebeligkeit, trostloses unnützes Land war dies jahrhundertelang, bis die Menschen begangen, es urbar zu machen, zu bewirtschaften, was vor allem hieß, es trocken zu legen und landwirtschaftlich zu bebauen. In unseren Breiten gibt es sie daher kaum noch, die natürlichen Moore, in denen seltene Moose oder Tierarten, wie der Seggenrohrsänger zu Hause sind.

Andere, wie das große Wasjugan-Moor in Sibirien sind für die Wissenschaft aufgrund der politischen Ereignisse derzeit in weite Ferne gerückt. Doch es gibt auch Hoffnung für die Moore, in Mitteleuropa und weltweit. Immer mehr Menschen erkennen die wichtige Rolle der Moore als Bestandteil nachhaltigen Klimaschutzes. Für die Ökologin Franziska Tanneberger ist dies nur eine von vielen faszinierenden Facetten, die uns die Moorlandschaften bieten. Nun hat sie diese, zusammen mit der Wissenschaftsjournalistin Vera Schroeder in einem für die Thematik einnehmenden Sachbuch veröffentlicht.

Werke, die sich mit den Kapriolen der Klimakatastrophe beschäftigen, zeichnen sich zurecht ob des menschengemachten Wahnsinns durch Schwarzmalerei, verbunden mit zahlreichen erhobenen Zeigefingern aus. Fast bekommt man beim Lesen den Eindruck, dass alles ohnehin zu spät ist, jeder Fetzen guter Wille eines Einzelnen vielleicht dazu geneigt ist, das eigene Gewissen zu beruhigen, ansonsten aber kaum Auswirkungen zu haben scheint.

Tanneberger, die über ihre Profession zum Klimaschutz gekommen ist, geht die Sache anders an und berichtet zunächst von den Bestandteilen und Arten der Moorlandschaften, bevor sie einzelne Beispiele zur näheren Erläuterung hervorhebt, sowie auf die Geschichte des Zusammenspiels zwischen Mensch und Moor eingeht. Darauf aufbauend hebt sie dann, mit wissenschaftlicher Expertise unterfüttert, die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz hervor und warum es trotz der Gefährdung dieser Landschaften auch vielerorts positive Beispiele gibt, die aufzeigen, was bereits heute funktioniert und zukünftig mit den Mooren möglich sein kann.

Die positive, hier kaum melancholische Grundstimmung des typischen Nature Writing vermischt mit wissenschaftlicher Expertise ist dies, was das Werk so lesenswert macht. Handlich kompakte Kapitel laden dazu ein, sich mit einer sonst eher stiefmütterlich behandelten Thematik zu beschäftigen, ohne jetzt allzu sehr ins Theoretische abzugleiten. Man findet leicht dort hinein, um vielleicht beim nächsten Spaziergang mit anderen Augen die Umgebung zu betrachten, zumal für eine verkannte und hier selten gewürdigte Landschaftsform.

Angenehm ist die Herangehensweise der Wissenschaftlerin, die keine absolute Position bezieht, sondern in ihre Projekte immer auch die Menschen und deren unmittelbare Umgebung mitdenkt. Warum sollte ein Landwirt seine Äcker wieder vernässen? Wie damit wirtschaften? Taugt ein mit regionalen Unternehmen, Behörden und Landwirten entwickeltes Konzept auch anderswo? Wovon und wie sollen diese dann leben, zudem, wenn herkömmliche Maschinen auf einem moorastigen z. B. Kartoffelacker versinken und geeignete Technik eher Marke Eigenbau denn Serienreife sind?

Diese Arbeitsweise des Miteinander wird ebenso zwischen den Buchdeckeln verdeutlicht, wenn nicht nur anhand zahlreicher Beispiele Zusammenhänge erklärt werden, sondern auch Landwirte am Ende eines jeden Kapitels in Form eines Interviews zu Wort kommen, die hier und anderswo heute wirkliche Pionierarbeit leisten.

Ein Thema so zu transportieren und einmal zu zeigen, was bereits funktioniert und möglich ist, ja zum Teil schon umgesetzt wird, um so die Wichtigkeit zu unterstreichen, die für den Erhalt und der Wiedervenässung, nicht Renaturierung; warum dies der falsche Begriff ist, wird ebenso erklärt; ist unglaublich wohltuend und hebt dieses Sachbuch von so vielen anderen aus diesem Bereich ab. Ohne Moorleichen, dafür ganz viel Liebe für bisher verkannte Details.

Autorinnen:

Franziska Tanneberger studierte zunächst Landschaftsökologie und Naturschutz in Greifswald, arbeitete als Gutachterin bei Naturschutzprojekten in Polen und Belarus, sowie beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. 2012 kehrte sie an die Universität Greifswad zurück und leidet dort das hießige Moor Centrum. Sie forscht und berät zu wiedervernässten Mooren und wie wir sie nutzen können.

Vera Schroeder ist Journalistin und arbeitet im Wissenschaftsressort der Süddeutschen Zeitung. Sie studierte Politik und Kommunikation. Bevor Sie bei der SZ 2021 begann, war sie Chefredakteurin von NEON und Nido, sowie Begründerin von SZ Wissen.

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Thore D. Hansen: Taupunkt

Inhalt:

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat Wissenschaftler Tom Beyer das auch im Weltklimarat umstrittene Phönix-Programm entwickelt, das schwerste Eingriffe in das gewohnte Leben der Menschen nach sich ziehen würde. Kein Wunder, dass die Regierungen der Welt nichts davon wissen wollen.

Frustriert zieht sich Tom nach Deutschland zurück, wo er mit seinem Forderungskatalog an die Öffentlichkeit tritt. Damit löst er eine mediale Hetzjagd aus, die sogar sein Leben bedroht. Auch der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt mit Toms Bruder Robert spitzt sich zu. Robert ist Großlandwirt in Norddeutschland, sein Land leidet unter der Dürre, er sieht seine wirtschaftliche Existenz bedroht und verliert sich in Verschwörungstheorien.

Doch dann verändert eine nie da gewesene Hitzewelle den lauf der Geschichte. Alleingelassen auf Roberts Hof, kämpft Familie Beyer ums physische Überleben und muss sich ihren Dämonen stellen. Die Trümmer vor Augen, wissen alle, dass etwas geschehen muss … (Klappentext)

Rezension:

Unser Klima verändert sich in einem atemraubenden tempo. Irgendwann wird diese Geschwindigkeit so sehr überhand nehmen, dass wir laufen müssen, um nicht zurückzubleiben. Das erfordert schon heute Maßnahmen im Kleinen wie Großen.

Die wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten stehen uns zur Verfügung, zumindest in den Industrienationen auch das dafür notwendige Know How und Geld. Nur, die politischen Entscheidungsträger agieren zu zögerlich, entweder da sie um die nächste Wiederwahl fürchten oder von Wirtschaft und Lobbyismus getrieben, praktisch wissend der Katastrophe entgegengehen. Nur, wozu führt das?

Der vorliegende Roman aus der Feder des Politikwissenschaftlers und Soziologen setzt einige Jahre danach an, nicht mehr weit, fürchtet man berechtigterweise beim Lesen und führt uns vor Augen, was es bedeutet, wenn alle notwendigen Maßnahmen soweit aufgeweicht wurden und zwangsläufig gescheitert sind, dass auch Mitteleuropa mit den unmittelbaren Wandel des menschengemachten Klimawandels zu kämpfen hat.

Kurzweilig und auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierend entwirft der Autor ein Szenario, wie es eintreten könnte. Waldbrände an vielen Stellen in Deutschland gleichzeitig, dicht aufeinanderfolgende Dürreperioden, die auch hier Maßnahmen wie das Abstellen und Rationieren von Trinkwasser notwendig machen, flächendeckende Triage in Krankenhäusern, die aufgrund von dehydrierten Menschen vollkommen überlastet sind.

Dies ist der Raum in dem sich die Handlungsstränge dieser modernen Dystopie bewegen. Einerseits verfolgen wir hier dem Weg des Wissenschaftlers, der sowohl auf taube Ohren bei der Politik als auch bei der Öffentlichkeit stößt, die die Wahrheit nicht erträgt, andererseits mit den Dämonen der eigenen Familie. Toms Bruder ist als Landwirt direkt betroffen, bekommt die Auswirkungen unmittelbar zu spüren und leugnet dennoch, was er sieht.

In diesen Sphären bewegen wir uns im Laufe der Geschichte, in der Perspektive von Kapitel zu Kapitel wechselnd. Sehr sachlich ist das immer dann, wenn der Autor einem seiner Hauptprotagonisten praktisch “Fachvorträge” in den Mund legt.

Die Dynamik in der Geschichte entsteht jedoch vor allem durch die Konfrontation der Gegensätze in Form der unterschiedlichen Ansichten der Figuren. Wohltuend ist es, dass sich der Autor nicht nur bemüht hat, eine Seite auszuformulieren. Man kann die Gründe für das Denken der Gegenseite, hier in Figur von Toms Bruder, dadurch zumindest nachvollziehen.

Das gleicht entstandene Längen aus, führt dazu, dass man die spannende Geschichte weiterverfolgt, die innerhalb eines Zeitraums von wenigen Wochen spielt.

Auch das Wechselspiel zwischen den handlungsorten, der weltpolitischen Bühne des Weltklimarats, der Großstadt Berlin und der ländlichen Einöde tragen maßgeblich dazu bei, dass die Erzählung nicht kippt, sondern immer neue Punkte hineinbringt, die auch konsequent weiterentwickelt werden.

Der Autor hat sich in diesem Roman auf wenige Figuren konzentriert, diese auszugestalten, und zeigt dennoch gleichermaßen damit die Dramatik im Großen wie Kleinen gleichermaßen auf, während Nebenfiguren relativ blass bleiben. Diese spielen jedoch auch keine so große Rolle, als dass das entscheidend wäre. Die eine gewichtige Rolle spielenden Gegensätze sind nicht nur anhand dieser aber sehr minutiös ausgearbeitet, gerade das macht die Handlung oder die Entscheidungen der Figuren jedoch glaubhaft.

Mit den Figuren wechselt auch die erzählerische Perspektive. Fakten werden innerhalb der eingearbeiteten Vorträge eingebracht. Alleine für dieses Zusammentragen von Informationen, der plastischen Beschreibung, was dies gerade für Deutschland bedeuten kann, muss man dem Autoren Respekt zollen.

Beim Lesen hat man den Eindruck, dass Hansen immer wieder den Finger in die Wunde legen wollte, um aufzuzeigen, dass das, was heute gar nicht oder nur mit Lethargie angegangen wird, uns eines Tages auf die Füße fallen könnte, und nie dagewesene Maßnahmen erfordern würde. Und dafür ist ein Roman vielleicht die geeignetere Form. Einen solchen liest man eher als ein trockenes Sachbuch.

Der Roman ist mit all diesen Punkten sehr schlüssig, dazu spannend geschrieben. Interessant ist zudem das halboffene Ende, was zwar in seiner Ausgestaltung nicht verraten werden soll, aber auch hier wieder ein Fingerzeig des Autoren und vieler Wissenschaftler darstellt. So könnte es aussehen, wenn wir nicht aufpassen. Bei uns und nicht irgendwo anders auf der Welt, wo uns das “egal” sein könnte. Das wirkt unglaublich stark.

Ab Mitte der Erzählung gewinnt der Roman zudem gehörig an Erzähltempo, welches einem noch mehr in dieses Szenario hineinzieht, als man das zu Beginn des Lesens vielleicht ahnt. So schnell wie die Kapitel hochzählen, passend in Grad Celsius angegeben, die Anzeige des Thermometers klettert unerbittlich, so fix scheinen sich die Befürchtungen des einen Protagonisten zu bewahrheiten, wie auch ein immer bedrohlicher werdender Unterton im Text den Raum einnimmt.

Da das alles in Deutschland spielt und nicht irgendwo anders kann man sich als hier lebender Lesender gut vorstellen, wissen wir doch um staubtrockene Böden in Ostdeutschland, stetig steigende Waldbrandgefahr im Hochsommer oder Niedrigpegel in Flüssen, die für die Binnenschifffahrt oder zum Betrieb von Kraftwerken wichtig sind. Auch wegen Hitze strapazierte Straßen gab es hierzulande ja schon.

Thore D. Hansens Szenario lässt nachdenklich zurück. Möchten wir wirklich so etwas wie dieses erleben oder sollten wir nicht endlich etwas tun, klein im Privaten, groß in der Gemeinschaft. Wer mit wissenschaftlichen Studien nichts anfangen kann, diese schwer zugänglich findet, ist mit diesem wissenschaftlich unterfütterten Roman gut bedient, um Ansätze zu finden, wegen des Warums. Danach ist es vielleicht einfacher, sachlich über das Wie zu diskutieren. Wenn dazu Thore D. Hansens Text beitragen kann, ist viel gewonnen.

Autor:

Thore D. Hansen wurde 1969 geboren und ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Er studierte zunächst in Hamburg und Boston Politikwissenschaft und Soziologie, bevor er für verschiedene Tageszeitungen und Magazine in Europa zu arbeiten begann. Stationen waren u. a. Deutschland, Österreich und Spanien. Für das Magazin Tomorrow begleitete er den Aufstieg und Fall der New Economy 2001 als Wirtschaftsredakteur, bevor er als Pressesprecher verschiedener Banken arbeitete. Seit 2010 ist er vorwiegend als Schriftsteller tätig. Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland ist er seit 2019.

Nach verschiedenen Arbeiten, etwa zu den Geheimdiensten oder zur Hochfinanzkrise, veröffentlichte er 2017 die Einordnung der Biografie Brunhilde Pomsels, welche die Sekretärin Joseph Goebbels gewesen ist. Basierend auf 30 Stunden Interviewmaterial des gleichnamigen Dokumentarfilms (“Ein deutsches Leben”) nimmt er in einen historischen Vergleich Analogien der Gegenwart auf.

Immer wieder verarbeitet Hansen so hochaktuelle und diskutierte Themen in seinen Werken.

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Vanessa Nakate: Unser Haus steht längst in Flammen

Inhalt:

Vanessa Nakate wächst in Uganda auf und erlebt, wie es Jahr für Jahr heißer wird, die Ernten immer kleiner werden, Armut und Hunger zunehmen. Als sie sich 2019 mit dem Klimawandel auseinandersetzt, wird ihr klar: Wenn sie nicht handelt, wer dann?

Doch während die Schulstreiks von Fridays for Future in Europa einem farbenfrohen Happening gleichkommen, droht Streikenden in Uganda Gefängnisstrafe. Vanessa schweigt nicht! Entgegen aller Widerstände nimmt sie den Kampf gegen die Klimaerhitzung auf.

(Inhaltsangabe Kurzform)

Rezension:

Als Vanessa Nakate die Berichte über die Klima-Proteste vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2020 zu Gesicht bekommt, traut sie ihren Augen kaum. Neben all den Aktivist*innen, die sich mit ihr für Klimagerechtigkeit und -schutz einsetzen, hätte sie auf den Bildern einer großen weltweit tätigen Presseagentur zu sehen sein müssen, doch wurde sie aus dem Bild getilgt, eine Praxis, wie man sie nur mehr von Diktaturen kennt. Wieder einmal ist Afrikas Stimme unter den Klimaprotesten damit unhör- und unsichtbar gemacht wurden.

Ein Jahr zuvor hat die Uganderin zum ersten Mal von den Protesten in der westlichen Welt erfahren, um sich daraufhin selbst über den Klimawandel zu informieren, und im Rahmen ihrer Möglichkeiten, in ihrer Heimat sich für den Klimaschutz einzusetzen und die Menschen darauf aufmerksam zu machen. In Uganda ist dies mit vielen Hürden verbunden. Die Meinungsfreiheit ist eingeschränkt, Proteste nur bedingt möglich und der Willkür des Regimes ausgeliefert. Die traditionelle Rolle, die Frauen zugestanden wird, lassen kaum Entfaltungsmöglichkeiten zu. Dennoch wagt es die Autorin, zunächst nur mit Unterstützung einiger Familienmitglieder, auch in Uganda auf den Klimawandel aufmerksam zu machen und ahnt dabei nicht, welche Steine sie ins Rollen bringt.

Inzwischen gibt es ganze Bücher und reihen über den Klimawandel und Porträts der bekanntesten Gesichter der Klimabewegung, was ungemein wichtig ist und den Regierungen allerorts immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden muss. Doch Stimmen aus anderen als den westlichen regionen der Erde, sind kaum hörbar. Woran liegt das?

Die Autorin berichtet von ihrem eigenen Weg hin zu den Protesten selbst, über die Situation der Menschen in ihrem Land und die Auswirkungen, die der Klimawandel schon jetzt in Uganda hat. Nakate ist dabei durchaus kritisch mit sich selbst, stellt jedoch auch dar, was selbst vermeindlich kleine Schritte bewegen können und wie vielgestaltig Aktivismus eben auch sein kann, in Gegenden, in denen man vorsichtig mit der eigenen Meinung hausieren gehen muss.

Nun in Buchform ist diese Stimme sichtbar und damit im Fokus der westlichen Welt, , was sich manchmal spannend wie ein Krimi liest, jedoch immer wieder vor Augen führt, dass es eben auch in Afrika Menschen gibt, die sich für den Klimawandel interessieren und dagegen kämpfen wollen, dass dies jedoch teilweise anders aussehen muss, als wir dies zuweilen auf den Schirm haben, jedoch nicht aus unserem Blickfeld geraten darf.

So ist dieses Werk teils Biografie, Handreichung dafür, wie man selbst sich für Klima- und Umweltschutz einsetzen kann, egal, wie vermeintlich klein Mittel und Wege sind, aber auch Bericht der Entwicklung einer jungen Frau, die man für ihren Mut und Zielstrebigkeit nur bewundern kann. An mancher Stelle rutscht dies sehr ins Emotionale ab, was vielleicht nicht falsch ist, mich aber aus dem Lesefluss herausgebracht hat. Ich hätte mir zudem noch eine ausführlichere Erläuterung von Beispielen des Einsetzens von Klimaaktivist*innen in Afrika gewünscht, als sie die Autorin in ihrem Buch ausführt.

Dennoch ist es gut und richtig, jetzt auch diese Perspektive für alle sichtbar zu haben.

Autorin:

Vanessa Nakate wurde 1996 in Uganda geboren und ist eine ugandische Klimaschutzaktivistin, die sich u. a. für Fridays for Future engagiert. Sie wuchs in der ugandischen Hauptstadt Kampala auf und studierte Betriebswirtschaftslehre an der Makerere-Universität, seit 2019 setzt sie sich für Klimaschutz ein und nahm an mehreren Aktionen der Klimaschutzbewegung teil, zudem initierte sie eigene Projekte, wie dem Ausstatten von Schulen in Uganda mit Solarzellen, sie hält zudem Vorträge und hilft anderen sich für den Klimaschutz vernetzen.

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Richard Powers: Erstaunen

Inhalt:
Wie kann eine Familie in einer unberechenbaren Welt überleben?

Vater und Sohn allein: Der hochbegabte Robbie mit Asperger-Zügen kann den Tod der Mutter nicht verwinden. In der Schule unverstanden, will er die Mission seiner Mutter vollenden: Er malt Plakate und demonstriert auf den Stufen des Kapitols, um die Natur zu retten.

Der verzweifelte junge Vater will ihm mit ungestümer Liebe alles geben. Als Astrobiologe sind ihm die Sterne nah, und auf Wanderungen entdecken sie, dass die Wunder vor ihren Füßen liegen und sie einander brauchen. Doch was geschieht, wenn die Welt schneller endet, als unsere Zukunft beginnt? (Klappentext)

Rezension:

Gleich zu Beginn ist die Verzweiflung zu spüren, die dem Protagonisten zu schaffen macht, beschäftigt sich der Wissenschaftler Theo mit nichts weniger als der Frage nach der Entstehung des Lebens in den unendlichen Weiten des Alls. Mit seinem Team entwickelt er Modelle um sich dem Unbegreiflichen zu nähern und scheitert doch schon im Kleinen, in seinen eigenen vier Wänden.

Dort, zu Hause, bringt ihn sein neunjähriger Sohn an Grenzen. Robbie ist anders als Kinder seines Alters, begreift schneller, hoch intelligent, unverstanden von einem System, in das er sich nicht einordnen lässt, traumatisiert vom frühen Tod seiner Mutter.

Das Leben der beiden nun auf sich Gestellten ist in eine Sackgasse geraten. Nur Wanderungen in der Natur und gedankliche Reisen auf die Planetenmodelle Theos helfen, dem Alltag zu bewältigen, während sie dem Abgrund auf Erden immer näher kommen.

Richard Powers stellt die großen Fragen. Wie auch sein Kollege Jonathan Safran Foer legt er die Finger in die offenen Wunden Amerikas und zeigt die Spaltung Amerikas anhand der Themen auf, denen wir uns alle stellen müssen.

Welche Welt wollen wir unseren Kindern und Kindeskindern hinterlassen? Gibt es eine Zukunft oder müssen wir uns dem Unvermeidlichen fügen? Sollten wir nicht einmal den vermeintlich Schwächsten unsere Aufmerksamkeit schenken, denen zuhören, die sich nicht in einem System einfügen können oder es wollen?

“Dad. Ich enwickle mich zurück. Das spüre ich.”

Richard Powers: Erstaunen

Verpackt wird dies in einem dicht geschriebenen Roman, der nur oberflächlich eine durch Gedankenspiele aufgelockerte Erzählung ist, eine Coming-of-Age-Geschichte, zugleich eine, in der der Vater bereit ist, alles für seinen unverstandenen Sohn zu geben, ohne ihn selbst wirklich begreifen zu können.

Es ist auch zugleich ein Zustandsbericht Amerikas, dessen Gräben schier unüberwindbar scheinen, zwischen Ideologie und Vernunft, Kurzsichtigkeit und langfristigen Denken.

Der Autor lehnt seine Protagonisten an reale Personen an, ohne sie konkret zu benennen, doch weiß jeder mit dem Lesen der ersten Zeilen, wer wann gemeint ist, wer die Vorbilder für den tönenden Politiker darstellt oder der Jugendlichen, die zum Gesicht des Kampfes um die Zukunft für ihre Generation wird.

Kapitelweise reiht Powers die großen Fragen unserer Zeit aneinander, lässt die klare Sicht des Kindes mit der der Erwachsenen aneinander prallen, bringt jeden Hoffnungsschimmer zum Verglühen, gleichsam den sterbenden Sternen im Weltall.

“Dad, ich vermassle dir dein ganzes Leben.”

Richard Powers: Erstaunen

Kunstvoll verwebt er Gesellschaftskritik mit Darstellungen der Wissenschaft und politischem Zeitgeschehen, positioniert sich dabei so klar, dass sofort ersichtlich ist, wer die Leserschaft in seinem Heimatland sein wird, wen er, wenn überhaupt nur oberflächlich erreichen wird.

Hierzulande ist „Erstaunen“ eine vielschichtige Geschichte voller Hoffnung, viel mehr Verzweiflung, Tragik und der Bitte, wenigstens es zu versuchen, zu verstehen, was schier unbegreiflich scheint.

Glaubwürdig erscheinen dabei die handelnden Protagonisten, der Wissenschaftler, der um den Erhalt seines Projektes kämpfen muss, gleichzeitig den Spagat zwischen beruflichem Erfolg und privaten Leben versucht, der Sohn, der begreift, dass er anders ist als der Schnitt seiner Altersgenossen und zugleich erste vorpubertäre Konflikte austrägt und eine Gesellschaft, die an die Grenzen dessen gerät, was den Kitt zusammenhält, wobei auch der Autor nicht umhin kann, eine zu sehr amerikanische Sichtweise durchscheinen zu lassen.

Sprachlich ist das nicht immer der große Wurf, doch Powers schafft es, seine Leserschaft versinken zu lassen, gleichwohl dazu anzuraten ist, dies sich nicht unbedingt zu Gemüte zu führen, wenn man sich selbst in einem tieferen Loch befindet.

Autor:

Richard Powers wurde 1957 geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Zunächst studierte er Physik, wechselte dann zu Literaturwissenschaften, um anschließend als Programmierer zu arbeiten. Im Jahr 1985 veröffentlichte er seinen ersten Roman, nahm später eine Lehrtätigkeit an der University of Illinois at Urbana-Champaign an und schrieb an weiteren Werken, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde.

2019 wurde „Die Wurzeln des Lebens“ zum Wissensbuch des Jahres ausgezeichnet. Zehn Jahre zuvor hatte er eine Gastprofessur an der Freien Universität zu Berlin inne. Kennzeichen seiner Werke sind die Verarbeitung naturwissenschaftlicher und philosophischer Themen. Powers lebt in den USA.

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Nick Reimer/Toralf Staud: Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird

Inhalt:

Aprikosen aus Hamburg, öffentliche Kühlräume für Berlin. Steppenlandschaft in Brandenburg, Tigermückenplagen im Rheinland. Starkregen und Sturzfluten, Waldsterben, ausgetrocknete Seen. Der Klimawandel wird Deutschland schon bis 2050 tiefgreifend verändern. Was genau uns erwartet, beschreibt dieses Buch auf der Basis neuester Forschungserkenntnisse. (Klappentext)

Rezension:

In den letzten Jahren haben sich extreme Wetterwechsel die Klinke in die Hand gegeben. Örtlich begrenzt versinken Orte in einem Jahr für kurze Zeit im Schneechaos, während anderswo die Bewohner mit heftigen Regenfällen und Überschwemmungen zu kämpfen haben. Wieder andernorts fehlt Wasser in der Landwirtschaft und müssen die Menschen mit Hitzewellen zurecht kommen. Der Klimawandel ist keine abstrakte Bedrohung mehr. Er findet längst statt.

Nur, was bedeutet dies konkret für unser Leben. Die Journalisten und Autoren Toralf Straud und Nick Reimer haben recherchiert, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengetragen und mit Experten verschiedener Fachgebiete gesprochen. Herausgekommen dabei ist ein Blick in eine nicht all zu ferne Zukunft.

Zunächst, in diesem Sachbuch geht es nicht darum, wie Klimaschutz betrieben werden kann, also wie sich z.B. der Ausstoß von Treibhausgasen verringern lässt und hebt sich damit wohltuend von anderen vergleichbaren Werken ab. Auch wird sich nicht primär auf Ursachenforschung begeben. Hier liegt die Konzentration ganz konkret auf die Frage, wie unser Leben unter sich wandelnden Bedingungen gestaltet, wenn wir heute mit ein wenig oder viel mehr Klimaschutz beginnen würden, so dass sich die Erwärmung der Erde auf ein paar Grad begrenzen lassen würde und was dies für uns in Deutschland bedeutet.

Es wird ein Blick in die Zukunft gewährt, der als gesichert gelten darf. Da klimatische Veränderungen mit Verzögerungen ob der Ursachen auftreten, ist der Wandel, der auf uns zukommt, schon längst menschengemacht.

Hier beginnen die Autoren mit eiem Szenario, welches unser Leben im Jahr 2050 zeigt. Feingliedrig schildern Staud und Reimer, wie sich unser Leben in den Städten wandeln wird, mit welchen Problemen wir auf dem Land zu kämpfen haben werden, was die Änderungen für den Wald vor unserer Haustür etwa bedeuten, für Transportwege oder für die Landwirtschaft. Unaufgeregt übersetzen sie Studien verschiedenster Seiten, auch von Unternehmen, denen man jetzt kaum Öko-Affinität nachsagen dürfte, in ein verständliches Gesamtbild und zeigen die ersten Anzeichen auf, die uns schon heute begegnen.

Dass viele Tier- und Pflanzenarten im Regenwald oder in den Korallenriffen Fischarten durch menschliche Eingriffe und dem Klimawandel dezimiert und teilweise ausgerottet werden, bevor überhaupt die Chance bestand, sie zu entdecken, ist landläufig bekannt. Wie sieht es mit dem Überleben aber von einheimischen Insekten, den Bienen und Hummeln etwa, aus oder Vogelarten, wie den Kuckuck?

Kann ruhig aufgeklickt werden. Spoiler nur, wegen der Lesbarkeit des Haupttextes. Das Beispiel Kuckuck näher ausgeführt:

Spoiler

Der Kuckuck legt seine Eier in fremde Nester und lässt diese von den Wirtsvögeln ausbrüten. Das Küken wirft die Eier der Wirtseltern aus dem Nest und bleibt als einziges übrig. Nun ist der Kuckuck ein Zugvogel, der sich jedoch bislang nicht an die verändernden Vegetationsperioden hierzulande anpassen konnte. Hier bleiben immer häufiger Forstperioden aus, das Nahrungsangebot ändert sich. Viele Vogelarten brüten früher.

Wenn der Kuckuck aus Afrika zurückkommt, sind die meisten seiner Wirtstiere schon mit der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt. Dem Kuckuck fehlt die Möglichkeit, seine Eier dazu zu legen. Eine beliebige Auswahl hat dieser aber nicht, da er seine Eier nur zu der Vogelart legt, bei der er selbst aufgezogen wurde (und somit sichergestellt wird, dass die Eifarbe ungefähr gleich ist). In Folge geht die Anzahl der Kuckucks stetig zurück.

[Einklappen]

Welche Probleme bringen immer häufigere Wetterwechsel der Extreme in den Städten mit sich? Wird es auch in Deutschland Probleme mit dem Grundwasserhaushalt geben? Wie wird unser Wald in ein paar Jahren aussehen? Was bedeutet es für unsere Wirtschaft, Handelswege und Energieversorgung, wenn selbst große Flüsse immer weniger Wasser führen und sich die Fließgeschwindigkeit verringert? Die Autoren reihen diese und andere Fragen gleichsam einer Perlenkette aneinander und zeigen, wie bereits heute in verschiedenen Bereichen versucht wird, zu reagieren.

Nick Reimer und Toralf Staud werten dabei nicht, die Sprache wirkt zwar eindringlich, meist jedoch sehr nüchtern. Sie zeigen, warum es uns Menschen schwerfällt, in längerfristigen Zeiträumen Konsequenzen zu überdenken und warum für viele der Klimawandel zumindest noch für Deutschland kein großes Problem zu sein scheint, es jedoch dringend auf die Agenda gehört. Denn, so viel wird klar, einige der Konsequenzen werden unvermeidlich auf uns zukommen, die anderen können wir nur versuchen, abzumildern.

Es braucht solch eine nüchterne Beschreibung, wenn es darum gehen soll, Grundlage für Diskussionen und Verständnis zu schaffen, vor allem aber auch, da nicht alle Zeit, Muße und wissenschaftliche Kompetenz besitzen, um wissenschaftliche Studien in konkret formuliertes zu übersetzen. Die Autoren haben sich die Zeit genommen. Der Anhang ist eine öffentlich zugängliche und beeindruckende, unterstützende Auflistung von Quellen.

Wer sich dieses Buch zur Hand nimmt, wird danach mit anderen Augen durch den heimischen Wald gehen, durch angelegte Parks und Gärten, vielleicht auch die Dach- oder Kellerwohnung seines Wohnhauses anders betrachten. Ein nicht mit dem erhobenen Zeigefinger geschriebener Antrieb, dass wir uns ändern, ist das. Nicht mehr, nicht weniger.

Autoren:

Nick Reimer wurde 1966 geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Während der Wende 1989/90 gründete er in Freiberg die erste überregionale Umweltzeitschrift der DDR und war Mitbegründer des Neuen Forums Mittelsachsens. Nach Abschluss seines Studiums begann er 1993 ein Volontariat bei der Berliner Zeitung, arbeitete ab 1996 für die Morgenpst und 1998 als Korrespondent der taz.

Von 2000-2011 war er als Wirtschaftsredakteur für die Themen Klima und Energie zuständig und arbeitete zusätzlich für andere Medien als freier Journalist. Er erhielt, gemeinsam mit Toralf Staud, den Otto-Brenner-Preis, 2012, in der Kategorie Medienprojekte. 2014 hatte er einen Lehrauftrag für Nachhaltigkeit und Journalismus an der Universität Lüneburg.

Toralf Staud wurde 1972 geboren und ist ein freier Journalist und Buchautor. Zunächsst war er bei der Altmark Zeitung tätig, studierte dann von 1991 bis 1998 Journalistik und Philosophie in Leipzig und Edinburgh.

Währenddessen arbeitete er für die zeitung Die Zeit und diverse Medien, schließlich von 1998 an als Polit-Redakteur für Die Zeit in Hamburg und Berlin. Seine Themen sind hauptsächlich der Klimawandel und die extremen Rechten. Für seine Recherche über die staatliche Reaktion auf Gwalt in Flüchtlingsunterkünfte würde er 2016 gemeinsam mit Kollegen mit dem Reporterpreis, in der Kategorie Datenjournalismus, ausgezeichnet.

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Esther Horvath: Expedition Arktis – Die größte Forschungsreise aller Zeiten

Inhalt:

Die Vermessung einer schwindenen Welt – mit diesem Vorhaben brach die MOSAiC-Expedition in Richtung Arktis auf, in das Epizentrum des Klimawandels. Eingefroren im Eis driftete ein internationales Forschungszentrum an Bord der Polarstern durch das Nordpolarmeer, um die Klimaprozesse der Zentralarktis im Jahresverlauf zu untersuchen. Die eindrucksvollen Bilder der preisgekrönten Fotografien Esther Horvath dokumentieren dieses einzigartige Projekt, zeigen das Leben an Bord des Expeditionsschiffs ebenso wie das Arbeiten unter extremsten Bedingungen in den Forschungscamps auf dem Eis.

Begleitet von einem Vorowrt des Expeditionsleiters Markus Rex sowie den kenntnisreichen Beiträgen von Sebastian Grothe und Katharina Weiss-Tuider zeugt dieser Band von einem Meilenstein der Polarforschung und gibt bildgewaltige Einblicke in die größte Arktisexpedition aller Zeiten. (Klappentext)

Rezension:

Monatelange Vorbereitungen, Planungen, eine ungeheure Logistik gingen der größten wissenschaftlichen Expedition der Neuzeit voraus, die ein ganzes Jahr in eine der unwirtlichsten Gegenden unseres Planeten führen sollte. Kurz vorm Untergang der Sonne und einer monatelang währenden Polarnacht erreichen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihr Ziel, eine Eisscholle am Rande der Arktis, an der sie das Schiff festmachen und darauf forschen möchten. Einfrieren wollen sie sich und vom vermeintlich ewigen Eis treiben lassen. Ein ganzes Jahr der Willkür dieser immer noch wenig bekannten Welt ausgesetzt.

Esther Horvath: Expedition Arktis – Die größte Forschungsreise aller Zeiten, Prestel Verlag (Quelle: Penguin Random House, Zusatzcontent)

Die Fotografin Esther Horvath hat diese wissenschaftliche Meisterleistung von Beginn an begleitet und dokumentiert. Die Vorbereitungen, die in einer unmenschlichen Logistik von Mensch und Material mündeten, bis hin zu ihrer Ablösung durch ein neues Forschungsteam, welches die Arbeit der ersten Gruppe WissenschaftlerInnen unterschiedlichster Disziplinen fortsetzen sollte. Dem Wind und Wetter ausgesetzt, beobachtet und fotografiert sie die jenigen, die dabei helfen sollen, empfindliche biologische, geologische und chemische Prozesse zu verstehen, die zum Klimawandel führen, ihre Auswirkungen auf eine vermeintlich starre Welt und erzählt dabei mit ihren Bildern mehr Geschichten als tausend Worte es je könnten.

Wie funktioniert Wissenschaft unter Extrembedingungen, wenn jede Bewegung zum Kraftakt und Kampf wird, man von einer Sekunde auf die andere auf sich auftuende Spalten im Eis oder den zuweilen neugierigen König der Arktis, den Eisbären, reagieren muss? Wie wird geforscht? Welche Antworten erhofft man sich auf derzeit noch ungeklärte Fragen und wie sieht der zwischenmenschliche Alltag auf engsten Raum aus, wo jeder sich aufeinander verlassen können muss, im Bewusstsein, eine einmalige, nie wiederkehrende Chance zur Forschungsarbeit nutzen zu können?

Esther Horvath: Expedition Arktis – Die größte Forschungsreise aller Zeiten, Prestel Verlag (Quelle: Penguin Random House, Zusatzcontent)

Esther Horvaths Foto der Bärin mit ihrem Junges ging um die Welt und gewann den World Press Award der New York Times in der Einzelkategorie Environment, doch auch abseits dessen ermöglichen die Bilder einen Blick hinter einer Pionier- und Forschungsarbeit, wie es sie wohl kaum ein zweites Mal mehr geben wird. Fast kann man die gefrorenen Finger beim Wechseln der Kamera-Akkus spüren. Der dokumentarische Blick durch die Linse konzentriert sich dabei aufs Wesentliche und vermag zu faszinieren. Wie zerbrechlich, wie schützenswert ist doch diese Welt, die so unwirklich erscheint, für unser Leben eine große Bedeutung hat, dennoch von vergleichsweise Wenigen mit eigenen Augen gesehen werden wird.

Der Bericht vom Expeditionsleiter Markus Rex, der ebenfalls veröffentlicht wurde, gibt dies in Worten wieder. Horvath dagegen lässt Bilder sprechen, mit dazu wenig begleitenden Text. Die Zusammenstellung ist gelungen, die Auswahl der Fotos muss schwer gefallen sein und mahnt, was wir dabei sind, zu verlieren, so wir nicht aufpassen. Schon jetzt ist diese Welt eine andere als noch vor zehn Jahren, der König der Arktis durch das Wirken der Menschen fernab in seiner Expedition bedroht.

Die Wissenschaftler im Auftrag des Alfred-Wegener-Institus helfen dabei zu verstehen, was derzeit mit unserem Planeten passiert. Esther Horvath hat deren Arbeit nun für alle begreif- und nachvollziehbar gemacht. Unter den Fotosachbüchern ein wertvoller und faszinierender Beitrag.

Leseprobe des Verlags:

Fotografien:

Esther Horvath wurde 1979 in Ungarn geboren und studierte zunächst Wirtschaftswissenschaft, bevor sie zu fotografieren begann und von 2005-2007 die Digitale und Analoge Fotoschule in Budapest besuchte- Bereits 2005 nahm sie erfolgreich an einem internationalen Fotowettbewerb teil, dem weitere folgten. Zahlreiche Ausstellungen begleitete sie. 2012 studtierte sie in New York Fotografie und machte ihren Abschluss in Dokumentar- und Fotojournalismus.

Seit 2015 fotografiert sie die Polarregionen der Erde und gewann den World Press Award 2020 in der Einzelkategorie Environment. Ihre Arbeit erscheint in zahlreichen fach- und populärwissenschaftlichen zeitschriften und Magazinen weltweit.

Das Buch wurde im Rahmen der Aktion Sachbuch-Januar 2021 gelesen. #SachJan2021 #SachJan21

Die Rechte der Fotos, der Leseprobe liegen bei Verlag, Autoren und Fotografin und dürfen anders nicht verwendet oder verändert werden. Das Material stammt aus dem Presse-Zusatzcontent des Verlags und kann auf der Verlagsseite eingesehen werden. (Stand: Januar 2021)

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