Kleinstadt

Stephen King: Die Leiche

Inhalt:

In einer heißen Sommernacht brechen der zwölfjährige Gordie und seine drei Freunde in die Wälder Maines auf. Die Leiche eines vermissten Jungen soll dort irgendwo an den Bahngleisen liegen. Schon bald erfahren sie, dass Monster nicht etwa unter dem Bett oder im Schrank auf einen lauern, sondern sich in jedem von uns verstecken. (Klappentext)

Rezension:

Der letzte Sommer der Kindheit hält mitunter Magisches bereit und das eine oder andere große Abenteuer. Dies ist es, was der Schriftsteller Stephen King 1982 in seiner Novelle „Die Leiche“ beschrieben hat und auch in einigen seiner anderen Geschichten hier ebenso zur Perfektion getrieben hat. Melancholisch angehaucht ist die Erzählung, in der der Großmeister
amerikanischer Literatur Realität mit Fiktion verwoben hat.

Schnell findet man hinein und beginnt sozusagen einen Roadtrip zu Fuß, aus der Sicht des zwölfjährigen Hauptprotagonisten Gordie, der sich mit seinen Freunden auf den Weg
macht, um die Leiche eines gleichaltrigen Jungen zu finden, der in der Gegend verunglückt sein soll.

Die Aussicht auf den Fund, eine Bande älterer Jugendlicher trüben die Ereignisse, zudem hat jeder der vier sein Päckchen zu tragen, was zumeist mit den älteren Brüdern oder der Familienbande allgemein zusammenhängt. Auf den Weg, der unbewusst zum Ziel selbst wird, kommen Ängste, Hoffnungen und Träume zum Vorschein. Besonders der Hauptprotagonist und sein bester Freund Chris werden über sich hinauswachsen müssen. Gelingt das?

Ich versuchte nicht, ihm etwas anderes zu erzählen. Man erschrickt, wenn man erfährt, dass ein anderer, und sei es ein Freund, genau weiß, wie schlecht es um einen bestellt ist.

Stephen King: Die Leiche

Kurz gesagt, ja. Stephen Kings Fähigkeiten, sich mehr oder weniger in vielen literarischen Genres zu bewegen, dürfte mittlerweile unbestritten sein, doch diese Novelle ist unter seinen Werken, natürlich neben „Es“ ein Klassiker, auf den man sich einlassen kann. Auch hier schafft der Autor wieder ein Gefüge von Kindern und lässt unterschiedliche Charaktere aufeinanderprallen, dies innerhalb eines sensiblen kleinstädtischen Gefüge, welches man wohl schon damals zu den abgehängten Regionen Amerikas zählen dürfte.

Über einen Zeitraum von einigen Tagen erstreckt sich die Geschichte, die mit Rückblenden und nicht zuletzt der Phantasie des erzählenden Hauptprotagonisten breiter aufgefächert wird. Zudem wird aus dem Off erzählt, sozusagen aus der Vogelperspektive des Erwachsenen, der die Geschehnisse der Vergangenheit reflektiert.

Das funktioniert wunderbar, wobei besonders die Konstruktion der Gegensätze gelungen ist. Die befreundeten Kinder, noch unschuldig, neugierig einerseits, die jedoch mehr verstehen, als die meisten Erwachsenen glauben, die der Jugendlichen, die bereits abgehängt sind, bevor sich ansatzweise Chancen auftun könnten.

Freunde kommen und gehen wie Kellner im Restaurant, oder ist das bei euch anders? Wenn ich jedoch an den Traum denke, an die Leichen im Wasser, die mich erbarmungslos herabziehen wollen, dann erscheint es mir richtig, dass es so ist. Ein paar ertrinken, das ist alles. Es ist nicht fair, aber es passiert. Ein paar ertrinken.

Stephen King: Die Leiche

Interessant hierbei übrigens die Parallele zur späteren Verfilmung „Stand by me“, deren Kinderdarsteller real schablonenartig ähnliche Schicksalsschläge erleiden müssen, wie sie auch der Autor für seine Protagonisten erdacht hat. Wer die Verfilmung kennt, es ist beinahe so, wenn auch nur marginal, als hätte Stephen King etwas vorweg genommen, um dies dann zu verarbeiten. Auf ein paar seiner Kindheitserlebnisse, die sich dort wiederfinden, trifft auch das zu.

Trotzdem liest sich das leicht, die Handlung ist nachvollziehbar, sowie auch die Charaktere der einzelnen Protagonisten bis hin zu den Nebenfiguren wunderbar ausgestaltet sind, was lt. Rezensionen einiger neuerer Werke von Stephen King dort nicht immer der Fall ist.

Abwechslung bringen die Einschübe in Form von Geschichten, die der Hauptprotagonist seinen Freunden erzählt etwa, und später als Schriftsteller zu Papier bringen wird. Auch dies ist ein wiederkehrendes Element. Der kindliche Protagonist ist später Schriftsteller. Auch ein manchmal unvorhersehbarer Autor hat eben seine Schablonen und Motive, die immer wieder funktionieren und ja, mitunter auch erwartet werden.

Wechsel, Rückblenden und Einschübe erhöhen hier die Spannung einer Geschichte, bei der man schnell ahnt, wie sie ausgehen könnte, was jedoch nicht stört, da diese Coming of Age Erzählung damit spielt und den Bogen nicht überreizt. Tatsächlich wird man in ein Amerika hinengezogen, welches es noch vor gar nicht allzu vielen Jahren gab. Alleine schon dafür lohnt es sich. Hier können alle etwas für sich herausziehen.

Wir wussten genau, wer wir waren und wohin wir wollten. Es war herrlich.

Stephen King: Die Leiche

Wer gerne Coming of Age, Roadtrips (zu Fuß) liest, liegt hier ebenso richtig, wie jene, die sich einfach vom Setting begeistern lassen oder vom Aufeinanderprallen gegensätzlicher Charaktere, wenn auch mein Bild der Figuren durch die Schauspieler geprägt wurde. Den Film sah ich nämlich zuerst, ohne zu wissen, auf welchen Roman dieser beruht. Macht hier nichts. Die Umsetzung ist super, ohne qualitative Abstriche.

Zurück zur Novelle. Die funktioniert so ziemlich für alle. Jugendliche und Erwachsene. Letztere erinnern sich gleichsam an den Sommer, den sie als den letzten ihrer Kindheit definieren dürften, an all die kleinen und großen Abenteuer, Schwierigkeiten und Probleme, denen man ausgesetzt war, wogegen jüngere Lesende an die Hauptprotagonisten altersbedingt einfach nah dran sind. Zudem, was hier im amerikanischen Nirgendwo stattfindet, könnte man auch mühelos in ein bayerisches Kuhdorf und Umgebung dieser Zeit verfrachten. Das würde wohl ähnlich funktionieren.

Diese Geschichte aus der Feder Stephen Kings, der noch viele weitere folgen sollten (und hoffentlich noch folgen werden), ist zudem ein wenig herausgestellt, da sie keine
übernatürlichen Elemente enthält und statt Horror eher unterschwelligen Grusel, und das auch nur ganz leicht. Das hat mir sehr gut gefallen. So kann es dafür nur eine klare Leseempfehlung geben.

Autor:

Stephen Edwin King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren und ist ein US-amerikanischer schriftsteller. Unter verschiedenen Pseudonymen und unter seinem eigenen Namen verfasste er vor allem Horror-Literatur, aber auch zahlreiche Kurzromane. Seine Bücher wurden in über 50 Sprachen übersetzt, womit King zu den meistgelesensten und kommerziell erfolgreichsten Autoren der Gegenwart zählt.

Nach der Schule studierte er Englisch, unterrichtete in diesem Fach und arbeitete in verschiedenen Berufen, bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte. Sein Werk “Carrie” erschien 1974 in deutscher Übersetzung als erstes Werk von King. Zahlreiche seiner Werke wurden verfilmt.

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Andreas Moster: Kleine Paläste

Inhalt:

Mehr als dreißig Jahre haben sich die früheren Nachbarskinder Hanno Holtz und Susanne Dreyer nicht gesehen. Als jugendlicher verließ Hanno die heimatliche Kleinstadt urplötzlich, nun ist er zurückgekehrt, um sich nach dem Tod der Mutter um den Vater zu kümmern. Unsicher streift er durch eine Welt, die im näher und fremder nicht sein könnte. Susanne sieht ihm dabei zu.

Seit Jahrzehnten hat sie das Haus der Familie Holtz nicht aus den Augen gelassen. Als sie Hanno ihre hilfe anbietet, treffen Erinnerungen an ein Fest im Sommer 1986 aufeinander. Niemand blieb damals unversehrt – und niemand kann nun verhindern, dass immer mehr Licht durch die Risse der kleinen Paläste dringt. (Klappentext)

Rezension:

Das Haus herausgeputzt, den Sohn vor versammelter Nachbarschaft dazu angetrieben, sein Instrumentenspiel vorzuführen. Schiefe Töne, schiefe Blicke. Des Nachbarsmädchens und der Nachbarn, jene Gemeinschaft, die sich allesamt näher sind als sie glauben und doch wie Geier einander umkreisen. Nur keine Schwäche zeigen. Nur die Fassade wahren. Keinen Blick dahinter zulassen.

Der Übersetzer und Schriftsteller Andreas Moster hat sie geschrieben, diese Erzählung, die nach und nach unter die Haut geht, niemanden unberührt lässt. Es ist ein leiser Roman, zumindest zu Beginn beinahe unscheinbar. Langsam ist das Erzähltempo, doch schon die ersten Kapitel fordern die Lesenden heraus.

Perspektiven wechseln ebenso abrupt, wie Zeitebenen, ohne dass dies besonders gekennzeichnet wäre. Nur in der Draufsicht bemerkt man, wer wen beobachtet. Erinnerungen werden aus der Sicht der Protagonisten, alles kreist um die beiden Hauptfiguren, die nach und nach das Puzzle der Vergangenheit freisetzen, klarer.

Dieser Gesellschaftsroman zeigt die typische Dynamik einer Kleinstadt auf, in der alle einander zu kennen glauben und doch, einmal aufgedeckt, nichts mehr ist, wie es mal war. Die Fallhöhe der Protagonisten, in die der Autor mit immer schnelleren wechseln, die jedoch allesamt nachvollziehbar bleiben, ist unglaublich hoch.

Die Lesenden beobachten, was über Jahrzehnte zwischen den beiden Hauptfiguren unausgesprochen bleibt. Als würde man direkt in deren Umgebung sein und einem Konflikt beiwohnen, der nur sie etwas angeht. Hölzern, fast linkisch, scheu begegnen sie sich zunächst und spielen sich ein. Ein Team wider Willen und doch willens. Mit inneren ungelöst aufgestauten Konflikten.

Sprachlich ist das so unscheinbar ausgearbeitet, dass einzelne Sätze einem mit einer Wucht überfallen, die man nicht erwartet, die einem nachdenklich werden lassen. Was wäre, wenn Unaussprechliches in unserer unmittelbaren Nachbarschaft geschehen würde?

Was würde passieren? Wie würden Verhältnisse sich neu ordnen? Welche Bindungen wären nicht mehr zu kitten? Was wäre für immer zerstört? Wie hätte man eingreifen, bestimmte Dinge verhindern können? Große Fragen, die Protagonisten beginnen zu Beginn der Geschichte die Verarbeitung.

Jeder Handgriff am pflegebedürftigen Vater Hannos, jeder Handgriff am renovierungsbedürftigen Elternhaus steht symbolisch dafür. Der leise Schrei, der hätte laut sein sollen, aber nie die Chance dazu hatte, so zu werden. Andreas Moster ist das Kunststück gelungen, dies auf Papier zu bringen.

Autor:

Andreas Moster wurde 1975 in der Pfalz geboren und ist ein deutscher Übersetzer und Schriftsteller. Zunächst studierte er Englische Philologie, Geschichte und Kommunikationswissenschaften und arbeitete danach als freier Übersetzer. 2017 erschien sein erster Roman “Wir leben hier, seit wir geboren sind”. Er lebt mit seiner Familie in Hamburg.

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Kyle Perry: Die Stille des Bösen

Inhalt:

Das Verschwinden einer Gruppe Teenager in der abgeschiedenen Wildnis der tasmanischen Berge versetzt das Städtchen Limestone Creek in Alarmbereitschaft. In den Achtzigern sind hier schon einmal junge Mädchen verschollen, und die Legende des Hungermanns verfolgt die Gemeinde noch immer.

Als schließlich die übel zugerichtete Leiche eines der Mädchen am Fuß eines Berges gefunden wird, fällt der Verdacht auf wilde Tiere. Doch Detective Badenhorst ist skeptisch – warum ist die Leiche barfuß? Und wie kommen ihre Schuhe auf den Gipfel des Felsens, fein säuberlich zugeschnürt? (Klappentext)

Rezension:

Jeder Ort hat seine ihm ganz eigenen Geheimnisse und nicht alle legen wert darauf, entdeckt zu werden und so quält sich ein kleiner Ort inmitten Tasmaniens mit der grausigen Legende des Hungermanns, der der Meinung der Einheimischen nach, in den 1980er Jahren mehrere Mädchen hat verschwinden lassen. Als plötzlich erneut mehrere Teenager verschwinden und die Geister der Vergangenheit geweckt zu sein scheinen, werden Ereignisse von ungeheurer Tragweite in Gang gesetzt.

Er hockt in den Bergen versteckt, um zu töten.
Er hockt in den Höhlen versteckt, um zu warten.
Der Hungermann, der Hungermann,
er steht auf kleine Mädchen,
auf die hübschen Gesichter aus unserem Städtchen.
Glaub ja nicht, was die Erwachsenen sagen,
der Hungermann wird’s wieder wagen.
Drum geh ich da oben nie allein durch den Wald,
sonst kommt der Hungermann und macht mich kalt.

Kyle Perry: Der Hungermann

So beginnt das Thriller-Debüt des australischen Sozialarbeiters Kyle Perrys, der seine Leserschaft in die magische und auch harte Welt der größten Insel Australiens mitnimmt und auf eine Berg- und Talfahrt sondergleichen schickt. Dabei hält sich der Autor nicht großartig mit einer ausführlichen Einführung der Protagonisten auf. Zu umfangreich ist die Seitenzahl.

Man wird später noch genug Zeit haben, die Charaktere kennen zu lernen. Die Geschichte beginnt sofort mit der auslösenden Handlung und setzt sich in einem immer höheren Erzähltempo fort. Der Schreibstil wirkt zunächst hölzern, je mehr die Protagonisten durch Perry geformt werden, um so feingliedriger jedoch wird die Handlung, die aus Sicht der Charaktere kapitelweise erzählt wird.

Dabei hat sich der Autor viel vorgenommen. Erzählt wird von der Eigensinnigkeit der Kleinstadtbewohner ebenso, wie von den Gegensätzen zwischen Einheimischen und Fremden, ganz normalen Teenager-Problemen und Erscheinungen unserer Zeit in ihren schrecklichsten Formen. Das funktioniert, da Perry in seinem Debüt nichts an Schilderungen ausspart, die Handlung jedoch nur gerade so ausbreitet, wie es notwendig ist, den Geschehnissen zu folgen und ansonsten bis beinahe zum Ende im Unklaren zu bleiben.

Die Protagonisten sind mit Ecken und Kanten versehen, bleiben fast durchgehend glaubwürdig. Nur zum Ende hin wirkt die Geschichte eine Spur zu dick aufgetragen. Da merkt man das Debüt dann doch, ansonsten wird ein Spannungsbogen von Beginn an gezogen, den man mit leichtem Schauer verfolgt. Pluspunkt, Perry bleibt in seinen Schilderungen von Gewalt zurückhaltend, setzt diese nur dort, wo es für die Handlung notwendig und folgerichtig erscheint. Ansonsten ist „Die Stille des Bösen“ ein Psychothriller mit hohem Kriminalromananteil.

Wem dies liegt, kann sich gerne auf die Spuren des Hungermanns begeben. Mit aller Vorsicht.

Autor:
Kyle Perry lebt in Tasmanien und arbeitet als Therapeut und Sozialarbeiter in verschiedenen Highschools, Jugendeinrichtungen und Entzugskliniken. Er stammt aus der Gegegnd der Great Western Tieras, die in seinem Debüt eine bedeutende Rolle spielen. “Die Stille des Bösen” ist sein Erstlingswerk.

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Alexander Gorkow: Die Kinder hören Pink Floyd

Inhalt:

Die 70er Jahre. Eine Vorstadt. Das Westdeutschland der letzten Baulücken, der verstockten Altnazis, der gepflegten Gärten. Die Kriegskräuel sind beiseite geschoben, zum Essen geht es in den Balkan Grill, die Einbauküche daheim überzeugt durch optimale Raumnutzung. Für den 10-jährigen Jungen aber ist es eine Welt der Magie, der geheimen Kräfte, des Kampfs des Bösen gegen das Gute.

Der Leitstern des Jungen in diesem Kampf ist die große Schwester – das Kind Nr. 1 der Familie. Sie ist herzkrank und sehr lebenshungrig. Mit trockenem Humor und großer Aufsässigkeit stemmt sie sich gegen alle Bedrohungen, nicht zuletzt mithilfe der vergötterten Band Pink Flyd aus dem fernen London, den Kämpfern gegen das Establishment, deren Songs alles zum Glänzen bringen. (Inhaltsangabe des Verlags)

Rezension:

Vor einem großen Teller Leckereien zu sitzen, sich da und dort etwas herauszunehmen, zum Mund zu führen und plötzlich aus einem wunderschönen Traum geholt zu werden. Wer kennt dieses Gefühl nicht? Der Wecker holt einem zurück aus dem Schlaraffenland und daheim wartet nur der geschmacklose Kaffee und das pappige Toastbrot. Was für ein Start in den Tag. So in etwa erging es mir hier beim Lesen einer Geschichte, bei der das Positivste der Klappentext ist. Dann folgt lange nichts.

Geschichten vom Aufwachsen, von Selbstfindung, Verwirklichung, dieses Coming of Age, funktionieren an sich immer. Protagonisten aus dem Alltag gegriffen, wie Du und ich, ein wenig langweilig zwar, aber gerade das macht sie sympathisch, leben ihren Alltag und die Leserschaft begleitet sie auf ihrem Weg. Ein wenig “Stand by me” (Stephen King), ein wenig Biografie, gegossen in einem schönen Roman, der zudem ein wenig davon wiedergibt, wie die Gesellschaft, das Leben, zu jener Zeit ausgesehen hat, irgendetwas Undefinierbares, was einem beim Lesen in den Bann zieht. Solche Erzählungen machen glücklich, nachdenklich, traurig, zu weilen Spaß.

Hier hat man sie, die Protagonisten, die allesamt langweilig in einem aufregenden Jahrzehnt vor sich herleben, deren Alltag man ein Stück begleiten darf und eine Hauptfigur, die nicht weniger als das alte, oder junge, Ego des Autoren sein dürfte. Zutaten für einen Roman, die sonst immer funktionieren. Nur, hier nicht.

Die Sprache spröde, der Erzählstil sehr trocken, selbst der Titel dient nur der Einordnung im Zeitcholorit. Ersetze den Band-Namen und du weißt, in welchem Jahrzehnt der Roman spielt, was in jedem Jahr sein könnte. Passieren tut nichts. Es gibt hier keinen Dreh- und Angelpunkt, wie etwa die Mondlandung als erste, der Selbstfindungsprozess als zweite Ebene im Roman “Der Sommer meiner Mutter”, von Ulrich Woelk, der hier einmal als positives Beispiel herhalten darf. Diese Erzählung liegt bei mir schon länger zurück und ich erinnere mich an Einzelheiten, Details. Hier beginne ich schon jetzt zu verdrängen.

Der derart spröde Erzählstil macht den Eindruck nicht unbedingt besser. Man neigt dann zum Abschweifen, zum Überfliegen, zum Gähnen, verdrängt das Gelesene. Mich beschleicht das Gefühl, aus der Geschichte hätte man mehr herausholen können. Vielleicht gefällt so etwas Verlässliches aber auch vielen. Toastbrot halt. Schmeckt nach nichts, bleibt aber im Magen.

Autor:

Alexander Gorkow wurde 1966 in Düsseldorf geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Er studierte Mediävistik, Germanistik und Philosophie und war von 1995-1998 Landtagskorrespondent bei der Süddeutschen Zeitung. 2002 übernahm er deren Samstagsausgabe und ist seit 2009 Leiter der Seite Drei der SZ. Im Jahr 2003 veröffentlichte er seinen ersten Roman, 2007 den zweiten und erhielt den Deutschen Reporterpreis für seine 2012 erschienee Reportage “USA”, zusammen mit dem Fotografen Andreas Mühe.

2017 erschien sein Roman “Hotel Laguna”.

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Stephen King: Das Institut

Das Institut Book Cover
Das Institut Stephen King Heyne Erschienen am: 09.09.2019 Seiten: 768
ISBN: 978-3-453-27237-8
Übersetzer:
Bernhard Kleinschmidt

Inhalt:

Der Spielplatz war von einem mindestens drei Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben. An zwei Ecken sah Luke Kameras. Sie waren so verstaubt, dass sie wahrscheinlich lange nicht gereinigt wurden. Hinter dem Zaun war nichts als Wald, meistens Tannen…

Was immer das Institut darstellte, es stand also inmitten eines alten Waldes, inmitten von nirgendwo. Was den Spielplatz anging, war Lukes erster Gedanke: Wenn es einen Gefängnishof für Kinder im Alter von sechs bis sechszehn gäbe, dann sähe der exakt so aus. (Klappentext)

Rezension:

Es ist die Geschichte, die man vom amerikanischen Großmeister des Horrors erwartet und dennoch enthält “Das Institut” für seine Leser wieder Überraschungen bereit, die einem erstaunen und erschaudern lassen. Zunächst jedoch setzt Stephen King auf ein altes funktionierendes Rezept, eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen als Protagonisten als Sympathiefiguren in Szene zu setzen und strickt eine phantastische Coming-of-Age-Geschichte, wie es die Spezialität des Autoren von “Es” oder der Novelle “Die Leiche” (“Stand by me”) geworden ist.

Im Zentrum des Ganzen, Luke Ellis, ein zwölfjähriger Junge, hochintelligent, der bereits die Zulassung für zwei amerikanische Universitäten in der Tasche hat und eines Nachts entführt und in eine mysteriöse Einrichtung verbracht wird, wo er zusammen mit anderen Kindern grausame Tests durchlaufen muss. Wozu ist zunächst nicht klar, doch der Junge merkt bald, dass nach einer gewissen Anzahl von Untersuchungen Kinder verschwinden und nicht mehr zurückkehren. Ihm wird klar, dass er fliehen muss. Doch, dies ist bisher niemanden gelungen.

“Meinst du, unser Erinnerungsvermögen ist ein Segen oder ein Fluch?”

Luke Ellis, Hauptprotagonist von “Das Institut”.

Der zweite Hauptstrang dieser sich mit zunehmender Seitenzahl immer rasanter gestaltenden Erzählung, geht es um Tim, einen ehemaligen Polizisten, der als eine Art Nachtwächter in einem verschlafenen Nest anheuert, um mit der Vergangenheit abzuschließen und sich neu zu orientieren. Später führen beide Handlungsstränge zusammen, zu einem fulminanten Showdown, dessen Ausgang hier nicht verraten werden soll.

Stephen King gelingt es hier, zwei sympathische Hauptprotagonisten zu schaffen, die zunächst alleine und später gemeinsam sich gegen das Böse stellen müssen. Was das ist und wozu dies dient, ist zu Beginn nicht klar, spielt jedoch auch keine Rolle, doch hat der Autor genügend Material zu einer Erzählung zusammen verflochten, was zeigt, wozu dieser eigentlich fähig ist.

Verschwörungstheorien, die bröckelnde Fassade amerikanischer Kleinstädte, der Hillbilly-Faktor, der die Atmosphäre schafft und eine Gruppe von Kindern, die in einem besonderen Moment zu ungewöhnlichen Mitteln greifen müssen, um nicht nur sich zu retten. Daraus ist eine interessante und vielschichtige Geschichte entstanden, die einem kaum loslässt. Keine Seite ist hier zu viel oder zu wenig geschrieben worden.

Doppelperspektisch erzählt, lullt Stephen King seine Leser zunächst ein, um Zeile zu Zeile Horrorelemente einfließen und wirken zu lassen, wenn gleich sich solche Elemente im Gegensatz zu anderen Werken von ihm wohl in Grenzen halten. Eine schlüssige Handlung ist es, welche diesen Pageturner auszeichnet, wo auch Wendungen gelingen, an denen andere Schriftsteller scheitern würden. Zudem ist auch die Handlung der Gegenseite verständlich und nachvollziehbar aufgebaut.

Der Autor, dessen Geschichte vielleicht etwas zu sehr amerikanische Elemente verpackt, hat hier ein Meisterwerk geschaffen, welches ein wenig unter dem Handwerk des Übersetzens zu leiden hatte. Hätte es Verlag und Übersetzer ein Bein abgebrochen, als Fußnote Begriffe wie “Nachtklopfer” zu erklären?

Nur die wenigsten Leser außerhalb Amerikas dürften damit etwas anzufangen wissen. Zur Information, damit ist eine Position etwas unterhalb eines Nachtwächters gemeint. So etwas sorgt für Atmosphäre, stört jedoch ein wenig beim Lesefluss.

Kurzatmig, folgeschnell ist die Handlung, die mit zunehmender Seitenzahl an Tempo gewinnt und eine Sogwirkung zeigt, derer man sich kaum zu entziehen weiß. Stephen King verlässt sich darauf jedoch nicht allein, sondern schafft ein Gedankenkonstrukt zwischen amerikanischer Einöde und Verschwörungstheorien, die einem die Schauer den Rücken hinunterlaufen lassen.

Der Autor zeigt damit, dass er immer noch in der Lage ist, eine grandiose Geschichte zu schreiben. Ich würde sogar soweit gehen, “Das Institut” eine moderne Version von “Es” zu nennen, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Querverweise zu anderen Werken von King nicht ausgenommen, wobei jetzt keine Kenntnisnahme notwendig ist, um in die Ungeheuerlichkeiten dieses Romans abzutauchen.

Der Großmeister des amerikanischen Horrors mit einer Geschichte wie “Es” und einem zwölfjährigen Protagonisten, der über sich hinauswachsen muss. Ungeachtet des Mikros und der kleinen Kamera da drüben an der Wand lohnt es sich, diese zu verfolgen.

Zur Leseprobe: hier klicken

Autor:

Stephen Edwin King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Unter verschiedenen Pseudonymen und unter seinem eigenen Namen verfasste er vor allem Horror-Literatur, aber auch zahlreiche Kurzromane.

Seine Bücher wurden in über 50 Sprachen übersetzt, womit King zu den meistgelesenen und kommerziell erfolgreichsten Autoren der Gegenwart zählt. Nach der Schule studierte er Englisch, unterrichtete in diesem Fach und arbeitete in verschiedenen Berufen, bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte. Sein Werk „Carrie“ erschien 1974 in deutscher Übersetzung als erstes Werk von King. Zahlreiche seiner Werke wurden verfilmt.

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Kent Haruf: Abendrot

Abendrot Book Cover
Abendrot Kent Haruf Diogenes Erschienen am: 23.01.2019 Seiten: 415 ISBN: 978-3-257-07045-3

Inhalt:

Holt, eine Kleinstadt im Herzen Colorados. Zwei alte Viehzüchter müssen den Wegzug ihrer Ziehtochter verkraften. Ein Ehepaar kämpft in seinem verwahrlosten Trailer um ein Stückchen Würde und um seine Kinder.

Ein elfjähriger Junge kümmert sich rührend um seinen kranken Großvater. So hart das Schicksal auch zuschlägt – die Menschen in Holt sind entschlossen, dem Leben einen Sinn abzutrotzden. Und begegnen einander dabei neu. (Klappentext)

Rezension:

Die Geschichte ist, wie bei so vielen Romanen schnell erzählt, zumal genau betrachtet nicht gerade viel passiert. Verschiedene Protagonisten leben ihren Alltag in einer fiktiven amerikanischen Kleinstadt nebeneinander her, haben mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen und Wege überkreuzen sich nur gelegentlich.

Man kennt sich, trifft aufeinander, hat ansonsten nicht viel für einander übrig. Irgendwie ist das alles bekannt und schon einmal da gewesen. Warum also, sollte man diese Erzählung lesen?

Zunächst einmal sind die Protagonisten doch nicht so eintönig, wie es auf den ersten Blick scheint. Kent Haruf hat Typen geschaffen, die mit ihren Ecken udn Kanten den Leser bei Stange halten. Zudem schafft es der Spannungsbogen dann doch, das Interesse wachzuhalten. Was könnte interessanter sein, als das ganz normale Leben?

Das wirkt um so mehr, als wir von allen Seiten mit Krimis im Fernsehen oder actionbeladener Literatur beworfen werden. Sehr schön, dass es da Autoren wie Kent Haruf gibt (in seinem Falle “gab”), die uns in eine vergleichsweise heile Welt entführen, die jedoch nur auf den ersten Blick ohne Risse erscheint.

Tatsächlich sind die dargestellten Gräben teilweise sehr tief. Auch Alltagsprobleme sind sehr schön dargestellt. Das wirkt besonders durch harufs unambitionierte und einfache Schreibweise, die nochmal das Setting unterstreicht, in dem sich der Roman bewegt. Die Charaktere wachsen einem ans Herz.

Sie haben dann auch übrigens schon einen Weg hinter sich. Der Roman ist Teil einer Reihe, die sämtlich im fiktiven Ort Holt spielt, was aber nichts zur sache tut. Zwar kann man an Kent Haruf sehr schön sehen, wie Übersetzungspolitik funktioniert, zugänglich gemacht wird zunächst das, was am ehesten auf den jeweiligen Markt funktioniert, dennoch ist “Abendrot” auch so lesbar.

Gefühlt steht die Geschichte für sich alleine, kann auch als Einzelband gelesen werden. Man findet schnell hinein, in die Geschichte und gewinnt die Charaktere lieb. Das ist schon ausreichend, um der Handlung zu folgen. Darum geht’s ja irgendwie. Dennoch möchte man mehr über Holt und seine Protagonisten erfahren. Vielleicht erbarmt sich ja Diogenes noch der restlichen Bücher.

Autor:

Kent Haruf wurde 1943 in Pueblo, Colorado geboren und war ein US-amerikanischer Schriftsteller. Er unterrichtete Englisch an einer Highschool wurde später Gastdozent an der Southern Illinois University. Sein erster Roman erschien 1984 und erhielt den Whting Award.

Neben Kurzgeschichten, veröffentlichte er weitere Erzählungen um die fiktive Kleinstadt Holt. 1999 stand sein Werk auf der Shortlist des National Book Award for Fiction. Seine Romane wurden teils verfilmt, teils als Theaterstücke auf die Bühne gebracht. Zu Harufs Ehren findet in seiner Heimatstadt seit 2017 ein literarisches Festival statt. Er starb 2014 in Salida, Colorado.

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Andreas Stammkötter: Goldkehlchen

Goldkehlchen Book Cover
Goldkehlchen Andreas Stammkötter Gmeiner Verlag Erschienen am: 04.02.2013 Seiten: 278 ISBN: 978-3-8392-1380-3

Inhalt:

Im Umfeld des Thomanerchors ereignen sich seltsame Dinge: Das Grab Johann Sebastian Bachs in der Leipziger Thomaskirche wird geöffnet, die rechte Hand des Komponisten verschwindet.

Am nächsten Morgen erkranken einige Chormitglieder und die österlichen Feierlichkeiten müssen erstmals in der 800-jährigen Geschichte der Thomaner abgesagt werden. Die Kommissare Kroll und Wiggins tappen zunächst im Dunkeln, bis sich zwei junge Sänger in die Ermittlungen einmischen… (Klappentext)

Rezension:

Eine Geschichte, die alle Zutaten hat. Eine gute Vorlage in Form von nachvollziehbaren Lokalkolorit, logisch handelnde und sich entwickelnde Protagonisten, eine spannende Thematik und ein Schreibstil, der einem nicht schon nach ein paar Seiten eben diese überfliegen lässt.

So könnte Andreas Stammkötters Krimi, der sich die Messestadt als Dreh- und Angelpunkt ausgesucht hat, einer der ganz Großen sein, die Leipzigs Literaturbetrieb zu bieten hat. Doch “Goldkehlchen” ist allenfalls ein Krimi wie ein im Stimmbruch befindlicher Thomaner.

Dabei beginnt die Geschichte an sich vielversprechend. Das Grab von Johann Sebastian Bach, Leipzigs “Hauskomponisten” sozusagen, wird aufgebrochen, Teile des Gebeins werden entwendet und anschließend werden zudem auch noch so viele Thomaner krank, dass man in der Stadt an der Pleiße darüber nachdenken muss, erstmals die kirchlichen Osterfeierlichkeiten abzusagen.

Eine verwirrte und ahnungslose Polizei, zwei halbstarke Sänger, die Detektiv spielen und mehr herausfinden, als ihnen lieb sein kann, all das hätte schon gereicht, rutscht dann jedoch trotz des anhaltend flüssigen Schreib- und Erzählstils soweit ab, dass der Funke nicht überspringen mag.

Tatsächlich wechseln etwa zur Hälfte die Hauptprotagonisten so, dass es fast so scheint, als würde aus einem Jugendbuch plötzlich der Erwachsenen-Krimi, den der Autor eigentlich schreiben wollte, wobei letzterer das Ziel des Autoren gewesen ist. Nur sollte man sich vielleicht von Anfang an für eines der beiden Genrezweige entscheiden.

Retten tut jedoch der Fokus auf die städtische High-Society, zu der die Mitglieder der Thomaner, und die Eltern der Kinder, die zumindest in der Stadt leben, auf jeden Fall gehören und der Blick auf deren Abgründe, sowie die überaus vowitzigen und schlauen Youngsters, die für die Goldkehlchen ermitteln und den Polizisten Wiggins und Kroll den Rang ablaufen.

Das hat wirklich Spaß gemacht, auch wenn natürlich der Chor allenfalls nur noch für die Geschichte der Stadt eine Bedeutung hat, wo längst nur noch zu den Festtagen die Thomanerkirche einigermaßen gefüllt sein dürfte. Darum geht’s hier aber nicht.

Doch aus Grabschändung, Familienproblemen, “Attentaten” auf die kleinen Sänger, hätte man so viel mehr machen könnnen, so dass dieser Krimi leider nur im Mittelfeld anzusiedeln ist. Zumal das Leipziger Kolorit Hintergrundkulisse bleibt und auch kaum Funken überspringen lässt. Da gibt es andere Geschichten, in denen dieses besser zur Geltung kommt.

An sich sehr schade.

Autor:

Andreas Stammkötter wurde 1962 in Bottrop geboren und ist seit 1993 in Leipzig als Rechtsanwalt tätig. Er ist auf Bau-, Architekten- und Vergaberecht spezialisiert.

Er war viele Jahre als Dozent an der Fachschule für Bauwesen in Leipzig tätig und ist zudem Vorsitzender der deutschen Gesellschaft für Baurecht, für die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt. Er schreibt Artikel für verschiedene Fachzeitschriften und Autor mehrerer Krimis mit dem Handlungsort Leipzig.

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Christian Frascella: Sieben kleine Verdächtige

Sieben kleine Verdächtige Book Cover
Sieben kleine Verdächtige Christian Frascella Frankfurter Verlagsanstalt Hardocver Seiten: 319 ISBN: 978-3-627-00198-8

Inhalt:

Sie waren alle etwa zwölf Jahre alt, als sie beschlosssen, die Bank von Roccella, ihrer kleinen Stadt auszurauben. (Klappentext)

Rezension:

Die Welt ist ein Dorf. Zumindest für Italien scheint diese Regelung zu gelten. Vor allem, wenn man Christian Frascella liest. Der schnürt sämtliche Klischees über sein Heimatland in eine Geschichte zusammen und lässt seine Protagonisten allesamt auf ihre Hosenböden fallen.

Dazu kommt dann noch eine Prise Mafia und organisiertes Verbrechen, das Gegen- und Nebeneinander zwischen Arm und reich, Pädophilie und dem Zusammenhalt oder Auseinandertriften italienischer Familienclans. Das ist der Stoff für Abenteuer rund um den Stiefel im Mittelmeer, hier konzentriert auf absurde Weise in einer kleinen italienischen Dorfgemeinschaft.

Dabei ist sie allerdings gut erzählt. Der Leser wird sofort von den sieben Hauptfiguren, die zwölfjährigen Billo, Cecconi, Corda, Gorilla, Raccani, Lonica und Fostelli eingenommen, die zunächst einmal mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben. Da gibt es den todkranken Vater, ebenso wie die verarmte Gewerkschafter-Familie oder auch schlicht das Damoklesschwert der Versetzungsgefährdung in die nächste Klassenstufe.

Aus all den Problemen heraus, kann nur ein Banküberfall und die daraus sich ergebenden Geldsummen für jeden helfen und so planen die vorwitzigen Kids einen kleinen ganz großen Überfall, wie ihn Süditalien lange nicht gesehen hat.

Doch, zunächst muss dafür “Speckbacke” in sich verliebt gemacht werden. Die Tochter des Barbesitzers ist die Schlüsselfigur im Plan der glorreichen Sieben, deren Aktivitäten jedoch noch ganz andere Gestalten auf sich aufmerksam machen.

Sämtliche Kriminelle scheinen plötzlich aus den Erdlöchern aufzutauchen, zu allem Überfluss auch noch der “Mexikaner”, der vor Jahren die illiegalen Geschäfte des Ortes kontrollierte und dessen Ruf immer noch Angst und Schrecken verbreitet.

Jeden der Jungs wird langsam klar, welches Pulverfass sie geöffnet haben. Plötzlich scheint der Plan ungeheuerliche Dimensionen und Folgen anzunehmen. Packend und spannend, sehr fließend liest sich diese Erzählung, deren einnehmende Protagonisten man sogleich lieb gewinnt. Man fühlt mit jedem Einzelnen der Kinder mit. Am Ende jedoch ist dies alles zu dick aufgetragen.

Nicht nur, dass die Aneinanderreihung solch extremer Zufälle und persönlicher Katastrophen so scheint als hätte sich alles Unglück auf ein kleines unbedeutendes italienisches Dorf konzentriert, alleine dass manche Erzählstränge dann nicht in all ihrer Konsequenz weitergeführt werden.

Irgendwie beschleicht das Gefühl, dass man an manchen Stellen dann doch noch mehr hätte erfahren wollen, detailliertere Beschreibungen noch ausführlicher.

Bei so viel Pech haben die Kinder zum Ausgleich aber auch eine ungehörige Portion Glück, welches vielleicht für Junge Leser verhindert, dass die Geschichte allzu sehr ins Negative abdriftet, die Erzählung jedoch etwas unglaubwürdig werden lässt.

Insgesamt aber ein amüsant geschriebenes und vor allem für Kinder und Jugendliche sicher lohnendes Werk, welches sich schnell lesen lässt.

Für nordeuropäische Ohren werden die Namen anfangs etwas ungewohnt klingen und leicht durcheinander gebracht werden aber auch das legt sich mit zunehmender Seitenanzahl. Wer den Weg der sieben kleinen Verdächtigen verfolgt, braucht sich um die Zukunft Italiens keine Sorgen zu machen.

Autor:

Christian Frascella wurde 1973 geboren und ist ein italienischer Schriftsteller. Bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte, arbeitete er ain verschiendenen jobs als Militäringenieur, Fabrikarbeiter und Telefonist.

Sein Debütroman “Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe” erschien 2012 in Deutschland und wurde für den Jugendliteraturpreis nominiert, zuvor war er 2009 in Italien für den Premio Viareggio nominiert, Italiens bedeutensten Literaturpreis. Aktuell hat er sechs Romane veröffentlicht, von denen drei ins Deutsche übersetzt wurden.

Christian Frascella: Sieben kleine Verdächtige Read More »