Crime

Linda Segtnan: Das achte Haus

Inhalt:

An einem Maiabend im Jahr 1948 verschwindet die neunjährige Birgitta Sivander zwischen den Bäumen eines schwedischen waldes und kehrt nicht mehr zurück. Kurz vor Sonnenaufgang wird sie tot in einem graben gefunden. Siebzig Jahre später liest Linda Segtnan zufällig einen Zeitungsartikel über den ungeklärten Mord. Etwas veranlasst sie, Birgittas Schicksal näher zu erforschen. Sie beginnt, in Archiven zu recherchieren, doch auch vor dem Unergründlichen dieses Falls schreckt sie nicht zurück. Ihre Besessenheit wird immer größer – während gleichzeitig in ihrem Bauch Leben heranwächst. Ein Mädchen. Wie hält man es aus, ein Kind in eine Welt zu setzen, die so bodenlos grausam sein kann? Wie erträgt man die Gefahren, die eine Tochter bedrohen? (Klappentext) 

Rezension:

Es ist das wohl schrecklichste aller Szenarien, wenn dem eigenen Kind etwas angetan wird, wenn dieses plötzlich verschwindet und später tot aufgefunden wird. Welten brechen damit zusammen und nicht nur für die Eltern ist danach nichts mehr, wie zuvor. Am Ende bleiben Verzweiflung, Hilflosigkeit, Ermittlungsakten und Zeitungsartikel. Auf letzteren stößt zufällig Linda Segtnan bei der Vorbereitung einer ihrer Stadtführungen, nicht ahnend, dass bald die Recherche nach den Hintergründen sie in Abgründe stößt, denen sie sich nur schwer entziehen wird können.

Der Kriminalfall an sich gilt aus damaliger Sicht als schnell gelöst. Die schuldige Person ist schnell ausgemacht. Lücken und Differenzen, die aus heutiger Sicht kaum zu übersehen sind, werden als nichtig abgetan, doch stößt man sich unweigerlich daran, wenn man sich heute damit beschäftigt. Wurden bestimmte Aspekte zu Gunsten einer einfachen Lösung damals außer Acht gelassen, da entweder untersuchungstechnische Mittel nicht zur Verfügung oder gesellschaftliche zwänge im Wege standen? 

Mit diesem Spagat hat sich die Autorin beschäftigt und damit eine Besonderheit im Bereich des True Crime geschaffen, eben nicht nur nüchtern einen Fall nacherzählt. Segtnan wollte erfahren, warum handelnde Personen wie ermittelnde Beamte  bestimmte Entscheidungen trafen und was dies mit den Familien des Opfers, des Verdächtigen und mit ihrer Umgebung machte, zugleich schildert sie, was die Erkenntnisse mit ihr selbst machten, was dieser Fall auch Jahrzehnte später noch auszulösen vermag.

Im Wechsel zwischen den Zeiten, einmal die Nachstellung damaliger Szenen, wie sie sich abgespielt haben müssen, dann wieder wie die Recherche nach Fakten und weiterführenden Informationen in das eigene Leben hineingreifen, schildert sie diesen Kriminalfall, versucht nach und nach ein Puzzle zusammen zu setzen. Je klarer sich Konturen, Ecken und Kanten ergeben, um so unerträglicher wird es, zumal Familie und Privatleben, was sich daraus ergibt. Zunächst besteht die Recherche da nur aus dem Zusammensuchen von Zeitungsartikeln, später Archivmaterial bis hin zur Kontaktaufnahme mit Zeitzeugen und Ortsbegehungen. Nicht nur diese Schilderungen sind es, die eine Dynamik beim Lesen erzeugen, der man sich ebenso wie die Autorin kaum entziehen mag.

Linda Segtnan legt sich dabei nicht fest, stellt mehrere Perspektiven dar, um ein vielschichtiges Bild aufzuzeigen. Wie war das gesellschaftliche Gefüge der örtlichen Gemeinschaft, in deren Nähe dieses Verbrechen geschah, wie der stand der einzelnen Familien und Personen, sowohl des Opfers als auch des Verdächtigen und wie der Umgang mit beiden, der so in alle Richtungen heute nicht mehr vorkommen würde? Welche Auswirkungen hatte dies auf die Ermittlungen und wie wirkt das in der Nachbetrachtung heute?

Gegensätze werden dabei sehr detailliert herausgearbeitet. Es ist aber eben auch spannend zu erfahren, wie die Autorin mit dem Wissen umgegangen ist, und dieses verarbeitet hat, wenn auch die spiritistischen Einsprengsel manchmal ein Zu viel des Guten gewesen sind, sollte man sich doch eigentlich über die Vorgehensweise der ermittelnden Beamten aufregen, die den Fall von Beginn an in eine bestimmte Richtung gelenkt haben, ohne andere Facetten überhaupt in Betracht zu ziehen, anstatt über die Autorin selbst. 

Manchmal fragt man sich beim Lesen schon, wie ernst man die Autorin noch nehmen kann, wenn wiederholt die App erwähnt wird, die auf ihrem Smartphone aufgespielt, angeblich die Anwesenheit von Geisterwesen anzeigt. Diese Erwähnungen einmal bitte ausklammern und nach dem Lesen schnell vergessen, um den Fokus auf andere Aspekte, nämlich die Beschäftigung und Vereinnahmung des Falls, legen, dann ist “Das achte Haus” allemal eine spannende Lektüre wert.

Trotzdem mögen alle für sich bestimmte Anknüpfungspunkte finden. Fans von True Crime kommen hier auf ihre Kosten, ebenso wie an Psychologie interessierte Menschen, aber auch jene, die sich gerne mit Historie und gesellschaftliche Zusammenhänge vergangener Zeiten beschäftigen möchten. 

Es fehlt, glücklicherweise, der zu sehr melancholisch alles übertünchende Mehltau, der zumindest in der romanhaften skandinavischen Kriminalliteratur immer noch häufig anzutreffen ist. Im True Crime Bereich gleicht “Das achte Haus” in etwa Michelle McNamaras “Ich ging in die Dunkelheit”, welches die Autorin sowohl als Vorbild nennt, jedoch auch in den Folgen für McNamara als abschreckendes Beispiel. Dieser Gefahr des sich in etwas Hineinsteigern hat Segtnan förmlich versucht zu vermeiden. Ob dies ihr gelungen ist, bitte einmal selbst herausfinden.

Auf der einen Seite die Schilderung des Falls, auf der anderen die des Verarbeitungsprozesses als Kontrapunkt zeichnen sich verantwortlich für die Dynamik und das Erzähltempo, den man sich kaum entziehen kann. Als gelernte Stadtführerin kann die Autorin zudem detailreich Orte bildlich vor dem inneren Auge entstehen lassen, was dann beinahe eine gewisse literarische Qualität besitzt, ohne jedoch diesen Anspruch haben zu wollen. Zuweilen wirkt das so, als würde man den Besprechungen, Begehungen beiwohnen. So schafft die Autorin Nähe zu sich selbst und auch zum recherchierten Geschehen.

Für Fans von True Crime, die auch einmal einer anderen Herangehensweise als im englischsprachigen Raum offen gegenüberstehen, ist “Das achte Haus” als Lektüre zu empfehlen, ebenso für jene, die die sich auch mit hierzulande unbekannteren Fällen beschäftigen möchten. Der besondere Aspekt des beschriebenen Vereinahmung- und Verarbeitungsprozesses bringt noch einmal eine andere Komponente mit hinein, auf die man sich einlassen können muss.

Alleine der Zugang zu den spiritistischen Einsprengseln geht mir persönlich ab und hätte es wirklich nicht gebraucht. Viel spannender waren da die Schilderungen historischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge, für die sich dann doch alleine schon die Lektüre lohnt. Unter diesen Gesichtspunkten kann ich “Das achte Haus” empfehlen. 

Autorin:

Linda Segtnan wurde 1986 geboren und ist eine schwedische Historikerin und Autorin. Sie hat Audio-Horrorgeschichten mit historischem Bezug zu Orten in Schweden recherchiert, geschrieben und aufgenommen. Das achte Haus ist ihr erstes Buch, es erschien im schwedischen Original im September 2022. Segtnan lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Stockholm.

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Florence McLean: Serienmörder – Der Mensch hinter dem Monster

Inhalt:

Wie wird ein Mensch zum Serienmörder? Und kann man diese Entwicklung stoppen? Die Psychologin Florence McLean berichtet von dem jahrelangen Briefwechsel, den sie mit einer Reihe berüchtigter Serienmörder geführt hat – unter anderem mit Jeffrey Dahmer, der die Köpfe seiner Opfer als Souvenir in der Kühltruhe aufbewahrte, und dem “Prostituiertenmörder Arthur john Shawcross.

Mithilfe von Methoden des berühmten FBI-Profilers John E. Douglas analysiert McLean Denken, Fühlen und Handeln der 34 Täter, die zusammen Hunderte Menschenleben auf dem Gewissen haben. Und sie untersucht die Möglichkeit, potenzielle Täter zu identifizieren, bevor sie den ersten Mord begehen, indem man konventionelle Profiling-Techniken neu denkt und anwendet. (Klappentext)

Rezension:

Ursprünglich war sie nur auf der Suche nach einem Thema für ihre Diplomarbeit, am Ende jedoch stand sie in Kontakt mit einigen der schlimmsten Serienverbrecher weltweit. Aus einem Land heraus, in dem der gesellschaftlichen Struktur geschuldet, vergleichsweise wenige Mordserien geschehen, schrieb die angehende dänische Psychologin Florence McLean jene an, die unzählige Menschenleben auf dem Gewissen hatten.

Ihr Ziel, herauszufinden, ob es anhand verschiedener Kriterien möglich ist, diejenigen herauszufinden, die das schreckliche Potenzial haben, zum Serienmörder zu werden, noch bevor sie ihre ersten Verbrechen begehen und somit diese Personen vor sich selbst und nicht zuletzt die Gesellschaft zu schützen. Doch wie weit darf, muss man gehen, ohne das unmenschliche Abgründe einen vereinnehmen können?

In einer Mischung aus der Zusammenfassung psychologischer Studienarbeit und der Faszination, die das abgrundtief Böse auf uns einübt, so lange wir selbst nicht davon direkt betroffen sind, liest sich dieses Werk als vorsichtige Annäherung an eine Thematik, die je mehr man sich mit ihr beschäftigt, immer breiter gefächert und detaillierter gesehen werden muss, um wirksame Schlüsse daraus zu ziehen. Dabei beschreibt die Autorin ihren Werdegang in die Psychologie hinein und den Nutzen der Kommunikation mit den Schlüsselpersonen, um sie einmal als solche zu bezeichnen, ebenso was dies mit einem macht.

Die Beschäftigung und Kommunikation mit Serienmördern ist das eine, das Erstellen von Profilen und der Suche nach auslösenden Momenten, Gemeinsamkeiten und bedeutsamen Unterschieden ist das andere, kommt in dieser kompakten Form jedoch zu kurz, ebenso wie die darstellung der Briefwechsel selbst, wobei die Autorin auch klarstellt, dass alleine die Auseinandersetzung mit einer Person wie Arthur John Shawcross einen eigenen Bericht wert wäre.

Teilweise holprig formuliert, was an der Übersetzung liegen könnte, die ich nicht zu beurteilen vermag, beschreibt die Autorin sehr verdichtet ihre Schlussfolgerungen, was sich in Teilen zwar interessant liest, jedoch mehr Ausführungen bedarft hätte, zudem die Entscheidung, konzentriert man sich eher auf “Personengeschichte” oder geht vollendet in die psychologische Analyse. Florence McLean entscheidet sich nicht für einen der beiden Wege, so dass hier Chancen vertan werden und dieses kleine sachbuch allenfalls als Teaser sowohl in die eine als auch in die andere Richtung verwendet werden kann.

Interessant ist hier vor allem die Herausarbeitung der Unterschiede etwa zwischen dem Serienmordgeschehen in den USA und im flächenmäßig kleinsten aller skandinavischen Staaten und die Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf die reguläre Arbeit in ganz anderen psychologischen Bereichen. Wie das funktioniert ist spannend zu lesen, doch auch hier fehlen wieder Ausführungen, die anstatt Verknappung besser platziert gewesen wären.

So kann dieses Werk allenfalls Ergänzung sein oder Beginn der Beschäftigung mit dieser Thematik, zudem wäre auch eine Übertragung ihres entwickelten Modells auf andere Länder mit unterschiedlichen Kriminalstatistiken interessant gewesen. So aber bleibt nur ein Gräuseln an der Oberfläche. Die Faszination und das Interesse nimmt man Florence McLean ab, auch die fachliche Komponente. Immerhin. Reicht das jedoch, für ein Werk, was sich wirklich auch so liest wie nur ein Nebenprodukt einer fachlichen Arbeit? Entscheidet selbst.

Autorin:

Florence McLean ist eine dänische Psychologin und Autorin. Sie ist Fachärztin für klinische Psychologie, Psychotherapie und Kinderneuropsychologie und führt seit 2007 eine eigene Praxis. zuvor studierte sie Psychologie und Verhaltenswissenschaften in Aarhus und arbeitete bis 2021 u. a. in der psychologisch-pädagogischen Beratung. Sie ist Mitglied der Dänischen Gesellschaft für Psychologie.

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Karoline Klemke: Totmannalarm

Inhalt:

Herr Matzke vergewaltigt fünf Frauen, sitzt seit dreißig Jahren in Haft, fühlt sich aber unschuldig. Herr Knieriemen missbraucht seine kleine Nichte. Er genoss ihn, diesen Moment, in derm er endlich selbst ohne Angst sein konnte. Frau Krüger, die ihr Baby, den kleinen “Murkel”, totgeschlagen hat, will nie wieder Opfer sein – auch nicht hinter Gittern.

Meisterhaft erzählt die forensische Psychologin und Psychotherapeutin Karoline Klemke von erschütternden Begegnungen im Maßregelvollzug. Die Geschichten führen die Brutalität und die beweggründe der Täter vor Augen. Sie spiegeln aber auch, wie die Psychotherapeutin um Kontrolle kämpft und um Fassung ringt – im festen Willen zu helfen. Intensive Einblicke in eine geschlossene Welt. (Klappentext)

Rezension:

In den Welten zwischen Realität und Fiktion gelingt der Spagat häufig genug nicht. Gerade bei sehr sensiblen Themen scheitern Schreibende oft genug und kippen entweder zu sehr ins Kitschige oder aber wirken so abgehoben, dass die Lektüre kaum mehr möglich ist. Die Psychotherapeutin Karoline Klemke hat sich dennoch daran gewagt, eine für die Mehrheit der Gesellschaft vorwiegend im Dunklen liegende Thematik diese zugänglich zu machen. Herausgekommen dabei ist das Gegenteil eines literarischen Sachbuchs, über die Abgründe in den Köpfen hinter Gittern.

So schwer wie die Zuordnung des Genres fällt, so ist auch das Erzählte kaum verdaulich. Die Autorin nimmt uns mit in eine abgeschlossene Welt der Mörder, Sexualstraftäter, die aus unterschiedlichsten Beweggründen heraus ihre kaum in Worte zu fassenden Taten begangen haben, zu denen jene Zugang finden müssen, die darüber entscheiden, wie viel Menschsein noch in diesen steckt und wer vielleicht noch eine Chance auf ein Leben da draußen hat, ohne erneut eine Gefahr für die Gesellschaft zu sein.

Da die Realität manchmal zu grausam ist und ja, auch weil die Arbeit mit Patienten gewissen Richtlinien unterliegt, wird fiktionalisiert und so liegt hier ein Roman vor, der abgeändert von den Erfahrungen der Autorin mit ihrer Arbeit erzählt, in Form der Gestalt der fiktiven Psychotherapeutin Christiane Richter, die frisch aus dem Studium ihre Arbeit im Maßregelvollzug aufnimmt. Künftig soll auch sie entscheiden, bei wem Chancen auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft bestehen und wie dies zu bewerkstelligen ist. Doch wie macht man das, immer einen Finger in der Nähe des Alarmknopfs haltend?

Lesend hangeln wir uns von Fall zu Fall, dringen in die Köpfe derer ein, denen wir nie begegnen wollen und erleben gleichzeitig sowohl bei diesem das Wechselbad der Gefühle als auch bei der Hauptprotagonistin selbst, die von Seite zu Seite mehr Konturen bekommt. Anfangs blass und unsicher wirkt die Figur immer mehr fassbar, doch steigert sich damit auch die Fallhöhe für den Charakter, der merkt wie er selbst von dieser Tätigkeit verändert wird. Immer wieder steht die Frage im Raum: Wie hält man das nur aus?

Die einzelnen Fälle sind sehr kompakt, kapitelweise dargestellt, zudem verwoben mit den privaten Herausforderungen der Protagonistin, die schon bald auch außerhalb ihrer Arbeit glaubt, der berufliche Blick verändere die Wahrnehmung. Gerade in der Ausformulierung dieser und anderer Kippmomente liegt die Stärke der Autorin, die permanent trotz relatiiv ruhigem Erzähltempo die Spannung hochzuhalten versteht.

Der Part der Antagonisten ist von Beginn an klar, hier ist die Veränderung zum Guten oder zum noch Schlechteren, die Spiegelung des Gegenübers und die Reaktion sehr interessant, übrigens auch in dem Sinne, was das mit jenen macht, die das Buch zur Hand nehmen. Sind bestimmte Reaktionen aus ihrer Sicht heraus nicht logisch und folgerichtig, so schlimm die Konsequenzen auch sind? Stimmt man nicht hier und da überein, würde man sich in die einzelne Figur hineinversetzen? Diese Gedanken bleiben, so schnell wie sie kommen, im Halse stecken. Allein, dass die Autorin sie heraufbeschwören kann, zeigt ihre Erzählkunst.

Handlungsort bedingt könnte das ganze an ein Kammerspiel erinnern. Nur der Humor fehlt, tatsächlich ist sehr viel Sachkenntnis in den Roman eingeflossen. Unweigerlich wird man sich fragen, welche der Geschichten wahr sind, welche erfunden, welche details verändert wurden, um ein Thema zu fassen, welches einem sonst durch die Finger rinnt. Wer weiß sonst schon, wie die Arbeit mit Straftätern aussieht, welche Ziele erreichbar sind und was passiert, wenn das Schlimmste eintritt, was man sonst zu verhindern sucht?

Immer ist es dieses Gegenüberstellen der Protagonistin mit zumeist einer anderen Figur, Rollenverteilung ohne Zweifel. Ersterer wird, wie in der Realität der aktive Part in diesem Roman seit. Der Informationsstand von uns Lesenden ist stets der gleiche, aber eben auch das Umhergeworfen werden, welches um so heftiger wird. Auf Überraschungsmomente ist man gefasst und wird dennoch von ihnen überrumpelt. Der Roman beleuchtet einige sehr interessante aspekte der therapeutischen Arbeit unter erschwerten Bedingungen, immer wieder durchsetzt von Zeitsprüngen und Rückblenden, die eine ganz eigene Dynamik entwickeln.

Man gewinnt ein klares Bild davon und ist am Ende heilfroh, sich nicht näher damit beschäftigen oder konfrontieren zu müssen. So sehr zieht die Erzählung Karoline Klemkes einem in den Bann, so real wirkt der Schauplatz, der zum Hauptteil das kleine Büro der Protagonistin ist.

Zwischen der Kriminalliteratur und spannenden, oft genug effekthaschender True Crime Büchern, dazu noch Romanen, steht “Totmannalarm” irgendwie dazwischen und doch außerhalb, wozu nicht nur die Sachkenntnis der Autoerin beiträgt, was das ganze lesenswert macht, wenn man sich an die Lektüre denn heran traut. Wer das tut, denkt jedoch über die Arbeit von Psychotherapeuten hinterher anders, kann sogar vielleicht einzelne Entscheidungen nachvollziehen, wie sie zustande gekommen sind, was vorher so nicht möglich war. Wenn nur ein Bruchteil dieser Zeilen davon solch eine Wirkung erzielt, hat sich die Lektüre schon gelohnt.

Autorin:

Karoline Klemke wurde 1973 geboren und ist eine deutsche Psychologin und Psychotherapeutin. Nach dem studium betreute sie obdachlose jugendliche und arbeitete von 2002-2007 in einer Klinik für Forenische Psychiatrie. Nach ihrer Approbation als Psychologische Psychotherapeutin wurde sie für kriminalprognostische Gutachten herangezogen und arbeitete mit Gruppen im Bereich Verhaltenstherapie. Seit 2011 betreibt sie eine psychotherapeutische Praxis in Berlin, war zudem als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forensisch-therapeutischen Ambulanz der Berliner Charite tätig. Dies ist ihr erster Roman.

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Florence Aubenas: Er ist keiner von uns

Inhalt:

Ein Dorf in der französischen Provinz, Dezember 2008. Um 8:30 Uhr schließt Catherine Burgod die kleine Postfiliale in der Dorfmitte auf. Eine halbe Stunde später ist sie tot, mit achtundzwanzig Messerstichen brutal ermordet. Die aufgebrachte Bevölkerung sucht einen Schuldigen, und der Verdacht fällt auf den Fremden im Dorf …

Nach jahrelanger Recherche erzählt die preisgekrönte Journalistin Florence Aubenas die Geschichte dieses bis heute ungelösten Kriminalfalls – atmosphärisch, packend und erschütternd. (Klappentext)

Rezension:

Eigentlich ein vergleichsweise belangloser Kriminalfall, ist der im französischen Monreal-la-Cluse geschehene Mord an einer Postangestellten ein Geschehen, welches bis heute viel mehr Fragen aufwirft als beantwortet werden können, zumal der für lange Zeit Hauptverdächtige kurz vor einer letzten Gegenüberstellung spurlos verschwand.

Die Journalistin Florence Aubenas hat recherchiert und nicht nur ein Ermittlungsporträt erstellt, auch ein spannend zu lesendes Psychogram eines Menschen, der tiefer kaum fallen konnte.

Hierzulande kaum bekannt, dürfte dieser Fall in Frankreich ein paar Wellen geschlagen haben, ist der des Mordes Hauptverdächtige kein geringerer als der für seinen Film “Le petit criminel” 1991 mit dem Cesar ausgezeichnete Jungschauspieler Gerald Thomassin, dessen Biografie schon zuvor mit zahlreichen Hindernissen und Stolpersteinen gespickt war.

Aufgrund von Drogen- und Beziehungsproblemen verschlug es ihn später in den Ort, der Jahre später zum Schauplatz eines Verbrechens werden sollte, was die Region erschüttern sollte. Aufgrund von getätigten Aussagen und Formulierungen Thomassins selbst, rückt dieser schnell in der stetig kleiner werdenden Liste der Hauptverdächtigen, was eine über Jahre andauernde Dynamik ins Rollen bringen sollte.

Die Autorin rollt den Fall auf und beleuchtet von allen Seiten die Biografie Thomassins und die Dynamik eines Geschehens, welche eine örtliche Gemeinschaft auseinanderbrechen ließ und nicht nur ein Leben zerstörte. Beinahe an der Grenze zum Roman schlüsselt Aubenas Ereignisse auf, sucht Wendepunkte und Puzzleteile zusammen zu setzen.

Dabei streift sie die Abgründe der Gesellschaft, ebenso den Kontrast zur gegensätzlichen französischen Filmwelt, aber eben auch die Innereien einer Justiz- und Ermittlunsgarbeit, die zwangsläufig irgendwann auf die Stelle tritt, wenn alle Spuren und Indizien kaum handfeste Ergebnisse zu Tage befördern.

Vor allem versucht sie einen Charakter zu verstehen, welcher schon zu Zeiten seines schauspielerischen Schaffens für die ihn Umgebenden kaum zu fassen gewesen sein muss, beschäftigt sich jedoch auch mit der gegenüberstehenden Seite. Was macht dies mit den Angehörigen, denen man das Liebste nimmt? Welche Sichtweisen entstehen, wenn man die für selbstverständlich wahrgenommene Sicherheit herausnimmt?

Sehr sachlich, ruhig geht die Journalistin hier vor, so dass man das Gefühl hat, ohne die Quellenlage freilich genau zu kennen, dass hier intensiv recherchiert und befragt wurde. Vom Stil her kann man diese Reportage den Büchern Asne Seierstads zuordnen oder Michelle McNamara, die ebenfalls zu Fällen ihrer Heimatländer recherchierten.

Vieles bleibt aufgrund der Informationslage dennoch im Verborgenen, so musste Aubenas ergänzen und Schlüsse ziehen. Wirklich gelöst wurde der Fall nie, wenn auch gegen Ende der Ermittlungen sich ein neues, anderes Bild ergab als dies zunächst schien.

Wer sich mit dem französischen Film etwas tiefgehender beschäftigt, wird um die Geschichte des Schauspielers Gerald Thomassin und seine Verwicklungen in diesem Kriminalfall wohl früher oder später kaum drum herumkommen. Für andere mag die beschriebene Dynamik oder Arbeit des Rechts- und Justizsystems eines anderen Landes ein interessanter Aspekt sein, sowie die psychologische Komponente oder gesellschaftliche Wahrnehmung.

Der Schreibstil, oder die Übersetzung haben hier ein paar Längen entstehen lassen, zumal man gen Ende lesend genauso ratlos sein wird, wie Angehörige, ermittelnde und die Journalistin selbst. Wird dieser Fall jemals gänzlich gelöst werden können?

Autorin:

Florence Aubenas wurde 1961 in Brüssel geboren und ist eine französische Journalistin. In Paris studierte sie bis 1984 an der Journalistenschule “Centre de formation des journalistes” und arbeitete anschließend bei einem Wirtschaftsmagazin.

Seit 1986 ist sei bei der Zeitung “Liberation” tätig und war als Kriegs- und Krisenreporterin in Ruanda, Kosovo und Afghanistan im Einsatz. Über den Völkermord von Ruanda und über die Globalisierung schrieb sie viel beachtete Bücher. 2010 wurde ihr im Stile Günter Wallraffs veröffentlichter Bericht über die Erfahrungen als Putzfrau in Frankreich ein Beststeller, der auch ins Deutsche übersetzt wurde.

Während ihrer Arbeit in Bagdad wurde sie entführt und erst nach fünf Monaten Geiselhaft wieder freigelassen. Ihre literarisch aufgearbeiteten Recherchen wurden mehrfach ausgezeichnet.

Auch interessant:

Wikipedia-Eintrag zu Gerald Thomassin

Dokumentation über den Kriminalfall (französisch)

Trailer zu “Le petit criminel” mit Gerald Thomassin

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Milan Zimmermann: Murder Suicide – Der inszenierte Tod

Inhalt:

Eine junge Mutter erstickt ihre fünf Kinder und springt danach vor einen Zug; ein betagter Rentner ersticht seine demente Frau und tötet sich selbst mit einer Plastiktüte über dem Kopf; beim Landeanflug auf einen Flughafen bringt ein Pilot eine Passagiermaschine mit 174 Menschen zum Absturz. Und jedes Mal trauert und schweigt eine fassungslose Öffentlichkeit.

Milan Zimmermann, Experte für erweiterte Suizide, hat Dutzende solcher Fälle untersucht. Er blickt hinter die Mauer des Schweigens und kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Viele solcher Verbrechen könnten verhindert werden. (Klappentext)

Rezension:

Zu Recht schwer greifbar ist in unserer Gesellschaft die Thematik der erweiterten Suizide, gibt es doch keine einheitlichen Kriterien, nach denen eine Tat als solcher eingestuft wird. Nein, weltweit definiert man die Merkmale sog. erweiterter Suizide anders. Einheitliche Datenbanken und Maßnahmen, um dergleichen zu verhindern, sind so kaum möglich. Was ein Mord ist und wie mit Tat und Tätern wird, weiß man vielleicht. Angebote zur Prävention von Suiziden sind schon weniger bekannt. Wie sieht es da im Zwischenbereich aus? Nicht viel besser. Der Neurologe Milan Zimmermann setzt mit seinem Sachbuch hier nun an und füllt eine wichtige Lücke.

Wer nun glaubt, eine Aneinanderreihung von Fallbeispielen vor sich zu haben, der irrt. Im sehr nüchtern gehaltenen Stil versucht der Autor hier Unterscheidungsmerkmale näherzubringen und unterschiedliche Kategorien erweiterter Suizide darzustellen.

Sehr sachlich geht er dabei vor allem auf neurologische und psychische Komponenten ein, aber auch auf den Blick der Gesellschaft, sowie derer, die diese Taten begehen. Zimmermann stellt dar, warum gerade die medizinische Betrachtung sehr komplex und nicht nur systembedingt sehr komplex und voller Widrigkeiten steckt, was zuweilen sehr ausschweifend und so detailliert geschieht, dass man sich als Laie schon arg konzentrieren muss, um mitzuhalten. Fallbeispiele gehen da schnell unter. Die Kapitel sind themabedingt sehr ausführlich gehalten, wobei es durchaus gelingt, Unterschiede herauszustellen. Trotz allem empfiehlt sich langsames Lesen.

Nachdem begriffliche Unterschiede ausführlich betrachtet, medizinisch und gesellschaftlich beleuchtet sind, werden Präventionsmaßnahmen im Einzelnen und zum Schluss nochmals zusammenfassend dargestellt. Hiermit ist dann die Relevanz gegeben, die die ernste Natur des Werks unterstreicht, die Ausführungen unterstreicht und vielleicht sogar in der Lage versetzt, aufmerksamer gegenüber der eigenen Umgebung zu sein und zu verhindern, bevor es zum Schlimmsten kommt.

Wir müssen endlich von einer Stigmatisierung psychiatrischer Erkrankungen wegkommen.

Milan Zimmermann: Murder Suicide – Der inszenierte Tod

An manchen Stellen wären mehr Fallbeispiele wünschenswert gewesen, vielleicht die medizinisch-psychologischen Ausführungen in einem Kapitel gebündelt, um die Lektüre weniger anstrengend zu gestalten. Auch der Schreibstil hätte nicht ganz so schwer sein dürfen, wenn es schon die Thematik nicht ist. Hier kommt der Mediziner, der Wissenschaftler durch, der den Sachverhalt ergründen und näherbringen möchte. Das zumindest muss man anerkennen. Überhaupt ist es wichtig, dass einmal erweiterte Selbstmorde überhaupt zur Sprache gebracht werden, zudem mit dem Ziel, vielleicht einen Beitrag zu ihrer Verhinderung zu leisten.

Am Informationsgehalt und der Recherchequalität liegts nicht, eher an der Gliederung, die entweder anders oder kleinteiliger hätte ausfallen können und am sehr nüchtern gehaltenen Schreibstil, der doch nicht wenig an Konzentration verlangt. Dass die Thematik selbst kein Wohlfühlthema ist, versteht sich von selbst. So aber sollte man ohnehin nicht da herangehen. Wer sich etwas ernsthafter mit Kriminalistik abseits vom beinahe unterhaltenden True Crime beschäftigen möchte, sich auch für psychologische Komponenten davon interessiert, für jene ist die Lektüre empfehlenswert. Alle anderen sollten sich aber in jedem Fall das letzte Kapitel zu Gemüte führen.

Autor:
Milan Zimmermann ist seit 2016 Neurologe an der Universitätsklinik Tübingen und forscht am Hertie Institute for Clinical Brain Research über neurodegenerative Erkrankungen. Zuvor hat er am Institut für Rechtsmedizin der Berliner Charite mit seiner Arbeit über erweiterte Suizide promoviert. Er betreibt einen YouTube-Kanal MediKuss, der medizinisches Wissen auf leicht verständliche Weise vermittelt, zudem ist er nebenberuflich als Privatdozent tätig.

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Florian Schwiecker/Michael Tsokos: Eberhardt & Jarmer 2 – Der 13. Mann

Inhalt:

Ein Mann. Eine Leiche. Ein Abgrund.
Rocco Eberhardt kann kaum glauben, was den unscheinbaren Timo Krampe in seine Anwaltskanzlei führt: Timo wollte mit seinem Freund Jörg einen Skandal von enormer Sprengkraft aufdecken, doch nun ist Jörg verschwunden. Emordet, wie Rechtsmediziner Justus Jarmer angesichts der Wasserleiche auf seinem Tisch vermutet.

Und auch Timos Leben scheint in Gefahr, denn seine Enthüllung ist wahrlich brisant: Im Rahmen des Granther-Experiments hatten Berliner Jugendämter noch bis 2003 Pflegekinder bewusst an pädophile Männer vermittelt – auch Timo und Jörg. Und die Verantwortlichen sitzen inzwischen an den Schalthebeln der Macht… (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Rezension:

Ein rechtsmedizinisch, nur angehauchter, Justiz-Krimi ist das, was diesmal die Autoren Florian Schwiecker und Michael Tsokos vorgelegt haben, der jedoch um so spannender daherkommt, wie auch die Anlehnung an reale Geschehnisse hoch brisant ist.

Wieder enstpannt sich ein zunächst relativ harmloser, dennoch düster erscheinender Fall um das ungleiche Ermittler-Duo, den Rechtsmediziner Justus Jarmer, der eine aus einem Berliner Kanal geborgene Leiche obduzieren muss, und Strafverteidiger Rocco Eberhardt, der diesmal in die Verlegenheit kommt, ein Opfer mit einer unglaublichen Geschichte vertreten zu müssen. Beide Fälle sind schnell einer und der wirbelt genug Staub auf, dass nicht nur die beiden Hauptprotagonisten sich bald einem gewaltigen Sturm gegenüber sehen.

Dabei ist der Erzählstil, wie auch schon mit Auftakt der Reihe, weiterhin sehr ruhig, wenn auch zahlreiche Thriller-Elemente, wie Kapitel, erzählt aus den verschiedenen Sichtweisen der handlungsgebenden Figuren, vorhanden sind und genug Wendungen, um Lesende zu verwirren und aufs Glatteis zu führen.

Dabei gelingt den Schreibenden die Protagonisten mit einer genügenden Prise Realität auszustatten und sich entlang von Geschehnissen zu hangeln, die dennoch genügend verfremdet und abgewandelt wurden, wie man anhand des Nachworts erfährt. Schließlich ist nichts grausamer als die Realität.

Spannend ist hier die psychologische Komponente der Figur Timo Krampe herausgearbeitet, genau so, wie die des zuerst unscheinbar bleibenden Gegenspielenden. Dessen Identität und Rolle wird schnell klar, nur beinahe zu schnell. Mit wenigen Kapiteln rückt das Taktieren der Protagonisten in den Vordergrund, woraus eine interessante Dynamik entsteht.

Nicht ganz so detailliert sind gerichtsmedizinische Elemente, weshalb dieser Krimi durchaus, wenn auch mit Vorsicht, jene sich zu Gemüte führen können, die es nicht ganz so blutig mögen. Insgesamt kann man den beiden Autoren zuschreiben, einen Band geschrieben zu haben, der nicht schwächer ist als der erste, an Erzähltempo zulegt und Lust macht, auf weitere Fälle (die ansonsten unabhängig voneinander gelesen werden können).

Autoren:

Michael Tsokos wurde 1967 in Kiel geboren und ist ein deutscher Rechtsmediziner und Professor an der Charite Berlin. Seit 2007 leitet er dort das Institut für Rechtsmedizin und das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin-Moabit. Zudem ist er als Autor von Sachbüchern und Thrillern, oft in Kombination mit anderen Autoren tätig.Seit 2014 engagiert er sich als Botschafter des Deutschen Kindervereins.

Florian Schwiecker wurde 1972 in Kiel geboren und ist vom Beruf Strafverteidiger. 2017 erschien sein erster Thriller. Für eine Zeitung schreibt er regelmäßig eine Thriller-Kolumne.

Der Autor lebt in Berlin.

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Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 3 – Grabesstern

Bücher der Reihe:

Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 1 – Leichenblume

Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 2 – Narbenherz

Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 3 – Grabesstern

[Einklappen]

Inhalt:

Eigentlich wollte Journalistin Heloise Kaldan nur einen Artikel über Sterbebegleitung schreiben. Doch als sie sich mit dem todkranken Jan Fischhof anfreundet, beginnt ihr die Sache nahezugehen. Jan scheint etwas auf dem Gewissen zu haben. Seine Hinweise führen Heloise nach Jütland, an die Flensburger Förde, zu einem lange zurückliegenden Fall. Heloises guter freund Kommissar erik Schäfer ist misstrauisch: Was weiß sie wirklich über Jan Fischhof? Heloise stößt in ein gefährliches Wespennest. Kann sie ihrer Intuition trauen?

(Klappentext)

Rezension:

Was verbirgt sich gegen Ende des Lebens hinter unseren Fassaden? Sind wir bereit, reinen Tisch zu machen, uns Erleichterung für die Seele zu verschaffen?

An all dies denkt die Kopenhagener Journalistin Heloise Kaldan zunächst nicht, als sie den todkranken Jan Fischhof betreut, um für eine Artikelserie über Sterbebegleitung zu recherchieren. Seine Andeutungen jedoch, lassen sie nicht mehr los. Heloise begibt sich auf die Suche. Nicht ahnend, was und wen sie damit alles aufschreckt.

Dies ist der Auftakt des nunmehr dritten Bandes dieser temporeichen Krimireihe, die uns diesmal von Kopenhagen dicht an die deutsche Grenze führt. Hier gelten andere Gesetze als in der dänischen Hauptstadt, vor allem im Zusammenleben untereinander und so wirbelt die Protagonistin zunächst ziemlich viel Staub auf, der sich zu einem kontrastreichen Showdown hin entwickelt.

Dabei nimmt sich die Autorin zu Beginn wieder Zeit, um die Handlung aufzubauen und Bilder von den Figuren zu schaffen, die man mit all ihren Ecken und Kanten förmlich vor sich sieht. Auch die Hintergründe der Hauptprotagonistin selbst werden nochmals dargestellt, so dass man den Band unabhängig von seinen Vorgängern lesen kann, ohne Fascetten zu verlieren.

Was zunächst wie ein einziger Handlungstrang wirkt, entpuppt sich schnell als Puzzle zwischen mehreren Zeitebenen, aufgedröselt durch die Hauptfigur, aus derer Sicht die Geschichte erzählt wird. Wendungen im Verlauf sind dabei teilweise hvorzusehen, jedoch folgerichtig. Das Ende funktioniert sowohl als Abschluss dieser Trilogie, als auch als Cliffhanger für mögliche weitere Bände.

Mit zunehmender Seitenzahl, in der auch die Handlung an Tempo gewinnt, schwedischer Mehltau ist dänischen Thrillern offenbar fremd, auch wirkt dieser nicht ganz so brutal wie manch anderer, gewinnen die Figuren an Kontur. Dies auch, wenn einzelne Fragen durch die Autorin bewusst offengelassen werden.

Alleine der Abschluss wirkt etwas zu gefühlsduselig, gemäß einer Vorabendkrimiserie im Fernsehen, was nicht hätte unbedingt sein müssen. Ansonsten jedoch durchaus eine Leseempfehlung zwischen Geheimnissen der Vergangenheit, verschwiegener Gemeinschaften und Machenschaften eines Familienclans, in die man sich besser nicht einmischt.

Autorin:

Anne Mette Hancock wurde 1979 geboren und ist eine dänische Schriftstellerin. Sie studierte Geschichte und Journalismus in Roskulde, bevor sie als freie Journalistin für Tageszeitungen und verschiedene dänische Magazine im Lifestyle-Bereich arbeitete. Nach Aufenthalten in Frankreich und den USA lebt sie mit ihrer Familie in Kopenhagen. Ihre Thriller wurden bereits mehrfach übersetzt und ausgezeichnet.

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Mein Rückblick durch’s Bücherjahr 2021

Immer wieder stelle ich fest, dass gerade in, sagen wir, fordernden Zeiten, mir Bücher einen besonderen Halt geben. Mit dem Lesen einiger Seiten auf den Weg zur Arbeit oder vor Hochfahren des Büro-Laptops im Home Office starte ich in den Tag, abends auf den Nachhauseweg in der U-Bahn schaufel ich mir mit Büchern den Kopf frei und komme auf andere Gedanken. So habe ich dieses Jahr viele Bücher für mich entdecken können, mehr gelesen als etwa im Jahr 2020, erstaunlicherweise mit vergleichsweise wenigen Totalausfällen. Nur einen Abbruch hatte ich auf den Zähler. Darum soll es heute aber nicht gehen. 2021 war für uns alle anstrengend genug. daher habe ich mich dazu entschlossen, meinen Rückblick auf die Lese-Highlights des Jahres zu beschränken und die anderen Werke aus meinem Gedächtnis zu verdrängen. Wer diese sich noch einmal zu Gemüte führen möchte, den bleibt nichts übrig, als die Rezensionen zu durchstöbern. Hier soll es heute nur um die Highlights gehen. Über die Flops sprechen wir zu oft.

Eine Top 10 auszuwählen, ist mir dabei nicht gelungen, so zeige ich ganze zwanzig Bücher, die ich in positiver Erinnerung habe. Von der Belletristik bis zum Sachbuch, von der Neuerscheinung bis zur Backlistliteratur ist alles dabei. Natürlich könnte ich noch viel mehr Werke nennen, aber ihr kennt den Ausdruck: “Das sprengt den Rahmen!”. 🙂

Während Björn Stephan mich mit seinem Schreibdebüt, einem sensiblen Coming of Age Roman, überraschen konnte, entführte mich Esther Horvath gleich zu Beginn des Jahres in die eisigen Gefilde der Arktis. Sie begleitete die bis dato größte von den Forschern des deutschen Alfred-Wegner-Instituts angeführte Polarexpedition, auf dem Eisbrecher “Polarstern” und brachte beeindruckende Fotos mit nach Hause, die sie in diesem Bildband versammelt hat. Stephan Orth nahm seine LeserInnen dagegen in ein nahezu noch unbekanntes Land. Saudi-Arabien. Immer, Auge und Auge mit Scheichs und Kamelen. Unvergessen natürlich, das Interview, welches ich mit ihm führen durfte.

Christa von Bernuths Kriminalroman “Tief in der Erde”, der auf wahre Begebenheiten eines spekatkulären Falls der bundesdeutschen Kriminalgeschichte beruht, gehört im Bereich True Crime zu meinen Highlights, wie auch Sasha Filipenko, der mit seinem Roman “Der ehemalige Sohn” tief in die belarussische Gesellschaft Einblick nehmen lässt. Noch nie habe ich einen, über weite Strecken, so deprimierenden Roman gelesen, der jedoch sehr eindrucksvoll zu lesen ist und deshalb definitiv zu meinen Highlights zählt. Olga Grjasnowas Essay über den Nutzen von Mehrsprachigkeit war nichtminder aufschlussreich.

Genau so wie ich Olga Grjasnowas Ausführungen zur Mehrsprachigkeit empfehlen kann, möchte ich allen Natasha A. Kellys Essay über Rassismus ans Herz legen. Hier beschreibt sie, woher Rassismus kommt, wie das wirkt und wie wir dieses strukturelle Problem lösen können. Ihr Werk hatte in jedem Fall den Preis für die am schwersten zu schreibende Rezension gewonnen. So oft habe ich, glaube ich, selten, nach den richtigen Worten gesucht. Khue Pham beeindruckte mit ihrem halbbiografischen Roman einer über die Welt verstreuten, ursprünglich aus Vietnam stammenden Familie und Stefanie vor Schulte mit einer sprachlich so anspruchsvollen erzählung, die ihres Gleichen sucht.

Familiengeschichten oder Coming of Age dominierten bei mir im Bereich der Belletristik und so kann ich auch Alex Schulman “Die Überlebenden”, wie auch das Debüt von janina Hecht “In diesen Sommern” zu meinen Highlights zählen. In beiden Romanen geht es um Kindheiten und den nicht ganz so einfachen Umgang damit, im Erwachsenenalter, während Ariel Magnus in seinem Roman “Das zweite Leben des Adolf Eichmanns”, den eben genannten wieder lebendig werden lässt, bis zu seiner Entführung und Verhaftung durch Agenten des israelischen Geheimdiensts Mossad. Spannend und erschreckend zugleich , einmal diese Perspektive einzunehmen.

Wie bekommen wir die Fragestellungen und Probleme, die sich gerade jetzt klar und deutlich zeigen, in den Griff? Wo liegen die Stellschrauben im Gesundheitssystem und unserer Gesellschaft? Was muss sich ändern, da Applaus nicht genug ist? Diese Fragen stellt der Journalist David Gutensohn und zeigt, wie Lösungen aussehen können und was in winzigkleinen Schritten schon jetzt passiert oder, wo es noch viel zu tun gibt. Frank Vorpahl entwirrt derweil Mythos und Wirklichkeit um Heinrich Schliemann und Xose Neira Vilas’ Novelle “Tagebuch einer Kindheit in Galicien” war genau so erschreckend, wie düster, wie hoffnungsvoll.

Der Historiker Uwe Wittstock zeigt in seinem romanhaft anmutenden Sachbuch “Februar 33 – Der Winter der Literatur”, wie schnell Kunst und Kultur von den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme vereinnahmt wurden und Schriftsteller, wie Künstler, ins Abseits gedrängt oder für ideologische Zwecke ausgenutzt wurden. Das Werk zählt wohl bei so Einigen zu den Highlights, wie vielleicht auch “Shuggie Bain” von Douglas Stuart, eine traurigere und trostlosere Version und Mischung aus “Billie Elliott” oder Frank McCourts “Die Asche meiner Mutter”. Fast möchte man die Hauptfigur aus den Roman herausziehen, und sie vor allem Übel der Welt beschützen.

Last, but not least. Karsten Krogmann und Marco Seng konstruierten in ihrem Sachbuch “Der Todespfleger” die Geschichte des Krankenpflegers Niels Högel, der zum größten Serienmörder der deutschen Nachkriegsgeschichte avancieren sollte, zeigen die Mühlen der Justiz auf, eben so wie deren Schlagkraft, während Roman Deininger und Uwe Ritzer noch einmal Olympia 1972 aufleben lassen, welches so anders werden sollte, als die Spiele der Nazis 1936, und dann doch durch einen Terroranschlag in ihren Grudnfesten erschüttert wurden. Nach zwei Sachbüchern, zu guter Letzt ein wunderschöner Roman, “Heaven”, von Mieko Kawakami, über Mobbing und zarter Freundschaft.

Das waren sie nun, meine zwanzig Highlights des Jahres, die ich um noch weitere Werke hätte ergänzen können, doch lade ich euch natürlich ein, im Rezensionsverzeichnis nach Herzenslust zu stöbern, nach diesen oder nach anderen Werken, nicht nur Highlights, aber eben auch. Es hat mir wieder großen Spaß gemacht, so vielschichtig, auch für euch, zu lesen und ich freue mich auf das kommende Lesejahr, was hoffentlich genau so abwechslungsreich und spannend werden wird.

Vielleicht ist ja das eine oder andere Werk, auch für euch, dabei?

Bis zum nächsten Jahr. Nicht vergessen, wir lesen uns.

Viele Grüße,

findo.

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Kurzblick: Thriller goes Graphic Novel – Frank Schmolke und Sebastian Fitzeks “Der Augensammler”

Von den einen Kritiker werden die Bücher dieses Autoren regelmäßig in die Tonne gekloppt, für mich waren sie der Zugang zu einem Genre, welches ich vorher nicht einmal mit der Kneifzange angefasst hätte. Davor gab es für mich nur entweder Romane und Erzählungen oder Sachbücher. Krimis und Thriller kamen erst mit den Büchern von Sebastian Fitzek hinzu und werden heute von mir sehr gerne und regelmäßig gelesen. Begonnen hat es bei mir mit seinem Werk “Das Kind”, welches ich lesen wollte, bevor der gleichnamige Kinofilm zu sehen war, der als nettes Gimmick einen Abspann mit einer Länge jenseits von Gut und Böse hatte, da sich in einer Aktion Fans dort haben eintragen lassen können und so ist dann auch mein Name dort zu finden.

Es hatte dann auch keinen anderen Grund, bis zum Ende dieses Abspanns im Kino sitzen zu bleiben, für einen Film, den man ansonsten das Low Budget Label ansieht, wenn auch mit Christian Traeumer damals ein hervorragender Kinderdarsteller gefunden wurde. Mittlerweile funktioniet das Gesamtpaket Fitzek, Gott sei Dank, nicht nur zwischen den Buchdenkeln, sondern auch auf der Leinwand. Die danach erschienenen Verfilmungen waren insgesamt stimmiger und haben bisher viel besser funktioniert. Das Buch, der Thriller “Das Kind”, ist dennoch sehr lesenswert.

Da Sebastian Fitzek jedoch sehr umtriebig ist und für viele Ideen offen, ist man nun den nächsten Schritt gegangen und hat nun einen anderen, ebenfalls sehr spannenden Thriller einmal grafisch umgesetzt. Der Zeichner Frank Schmolke zeichnete in düsteren Farben die Geschichte des Augensammlers nach, der Frau und Kind verschwinden lässt, das Boulevard in Aufruhr versetzt und mit seinen Ultimaten Berlin in Atem hält. Und den Ex-Polizisten Alexander Zorbach, der zusammen mit Alina Gregoriev, einer blinden Physiotherapeutin, im Gegensatz zur Polizei, die einzige brauchbare Fährte hat. Doch Zorbach, nun als Polizeireporter tätig, steckt da bereits tiefer drin, als ihm lieb ist.

Berlin, der Schauplatz vieler Geschichten von Sebastian Fitzek. (@Splitter-Verlag)

Mehr möchte und kann ich von der Handlung nicht verraten, auch wenn ich gerne mehr erzählen würde. Über den Zeichenstil von Frank Schmolke, der die Geschichte sowohl von den Farbtönen als auch von den Bildern her interessant umgesetzt hat, lässt sich dafür um so mehr sprechen. Vergleichsweise farbenfroh hat der Zeichner den Auftakt von Fitzeks Geschichte umgesetzt, wenn auch schon auf den ersten Seiten starke Kontraste wirken. Die Bilder, die beim Lesen des Thrillers im Kopf hängen bleiben, und es ist hier auch schon ein wenig her, dass ich das “Original” gelesen habe, wurden hier umgesetzt. Jede Szene hat ihren eigenen “Grundton” und ganz düster ist hier fast grau-schwarz. Wer also die Graphic Novel sich abends zu Gemüte führen sollte, müsste einmal für ausreichende Beleuchtung sorgen, sonst könnte das für die Augen vielleicht etwas zu anstrengend wirken.

Einige Figuren habe ich mir etwas anders vorgestellt, als sie in der Vorstellung von Frank Schmolke existieren. Es ist jedoch so, dass ich mit dieser ganz gut leben kann. Da trifft es sich dann auch, dass sowohl Sebastian Fitzek diese Geschichte weiter geschrieben hat, als auch Frank Schmolke am Ende durchaus das Fernglas (dieser Ausdruck ist jetzt bewusst gewählt) für eine Fortsetzung als Graphic Novel offen lässt. Das wäre zumindest mein Wunsch.

Zuletzt, hat es denn funktioniert, einen Thriller als Graphic Novel zu adaptieren? Ein klares -Ja- von mir. Über die hervorragende Farb-, Papier- und Bindungsqualitä des Splitter-Verlags brauchen wir auch nicht zu sprechen. Die ist gegeben. Aufpassen sollte man dennoch, zumindest wer die limitierte und durchnummerierte Ausgabe haben möchte. Die ist auf 1000 Exemplare beschränkt enthält Zusatzmaterial und einen exklusiven Kunstdruck von Frank Schmolke und zum Zeitpunkt dieses Beitrages verlagsvergriffen. Die “einfache” Ausgabe, unten verlinkt, sollte aber inzwischen zu haben sein, wenn sie auch in meiner Stammbuchhandlung ebenfalls verspätet angeliefert wurde. Für Thriller-Fans, aber auch sonst, einen Blick wert. Oder auch zwei. Mit den Augen, die man so hat.

Sebastian Fitzek:

Sebastian David Fitzek wurde 1971 in Berlin geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Er arbeitet in der Programmdirektion eines Berliner Radiosenders und studierte Jura bis zum ersten Staatsexamen. Er promovierte in Urheberrecht und arbeitete als Programmdirektor für verschiedene Radiostationen Deutschlands. 2006 erschien sein erster Psychothriller “Die Therapie”, welches promt ein Bestseller wurde und als bestes Krimi-Debüt für den Friedrich-Klauser-Preis nominiert wurde. 2012 wurde sein Roman “Das Kind” verfilmt. Merkmale seiner Bücher sind bestimmte Gimmicks zu seinen Büchern, wie wieder auftauchende Personen oder Extras in Form von Links oder Videos, auch sucht er Wege abseits der üblichen Wasserglas-Lesungen. 2016 feierte Fitzek zehnjähriges Autorenjubiläum. Seine Bücher werden für’s Theater adaptiert, eine weitere Verfilmung ist in Arbeit. Fitzek wird in 24 Sprachen übersetzt.

Frank Schmolke:

Frank Schmolke wurde 1967 in München geboren und ist ein deutscher Illustrator, Maler und Comic-Zeichner. 1994 begann er als Zeichner in einer Agentur zu arbeiten, seit 1999 ist er freiberuflich tätig. Schmolke ist Mitbegründer der Münchner Comicmagazine Tentakel und Comicaze und publizierte in seinem eigenen Verlag “Edition Spaceboy” seit 1994 eigene Comics, arbeitet zudem zusätzlich für verschiedene andere Verlage und u. A. im Bereich 3D-Animationsfilm. 2019 wurde er mit den Rudolph-Dierks-Award ausgezeichnet.

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Michael Tsokos: Paul Herzfeld 3 – Abgetrennt

Inhalt:

Rechtsmediziner Dr. Paul Herzfeld ist zurück am Sektionstisch. Sofort wird er mit einem Fall konfrontiert, der ihn in seine eigenen Reihen führt. Gestohlene Leichenteile tauchen auf, darunter ein Arm mit einer seltenen, aber symbolträchtigen Tätowierung: einer schwarzen Sonne. Genau diesen Arm hatte Herzfeld schon einmal seziert. Der Rechtsmediziner ist alarmiert: Verkauft einer seiner Kollegen Leichenteile?

Voreilige Schlüsse würden den Ruf der Kieler Rechtsmedizin gefährden, also ermittelt der smarte Rechtsmediziner auf eigene Faust und wird von einem skrubellosen Täter vor spektakulärer Kulisse in eine tödliche Falle gelockt. Währenddessen lässt auch Herzfelds Todfeind Prof. Volker Schneider nichts unversucht, um sich an ihn zu rächen. (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Michael Tsokos/Sebastian Fitzek: Paul Herzfeld – Abgeschnitten (Stand Alone)

Michael Tsokos: Paul Herzfeld 1 – Abgeschlagen

Michael Tsokos: Paul Herzfeld 2 – Abgefackelt

Michael Tsokos: Paul Herzfeld 3 – Abgetrennt

[Einklappen]

Rezension:

Gleichwohl ungefähr im selben Universum angesiedelt, wie die Schreibarbeiten von Sebastian Fitzek oder Veit Etzold, liegt mit “Abgetrennt” ein weiterer, vergleichsweise ruhig daherkommender Thriller aus der Feder von Deutschlands bekanntesten Rechtsmediziners vor, der an Spannung nichts vermissen lässt.

Wieder einmal begibt sich hier Dr. Paul Herzfeld auf Spurensuche, am und fernab des Sektionstischs und auch diesmal mündet das ganze in einem aufsehenerregenden Showdown.

Nach dem spekatkulären Verschwinden seines ehemaligen Vorgesetzten und Erzfeindes Volker Schneider beginnt Paul Herzfeld nach einer Auszeit seine Arbeit am Rechtsmediznischen Institut in Kiel wieder aufzunehmen und wird kurz darauf mit einem mysteriösen Fall auf den Sektionstisch konfrontiert.

Der Titel des Thrillers ist hier Programm. Die sich daraus für den Hauptprotagonisten ergebenden Fragen stehen zu Beginn einer immer rätselhafteren Handlung.

Michael Tsokos, Deutschlands profiliertester Rechtsmediziner kann nicht nur Fachartikel schreiben und seine Expertise in spektakulären Fällen zur Verfügung stellen. Mit seinen Thrillern und kurzweiligen Sachbüchern hat er mittlerweile zur Popularität der Rechtsmedizin abseits aufmerksamkeitsheischender US-Krimiserien begetragen.

Dennoch sind seine Thriller nicht minder spannend und auch dieser Band, den man unabhängig lesen kann (Dem Rezensenten, sprich: mir, fehlt Band Zwei.), lässt nichts von dem vermissen, was man von dem Autoren erwarten kann.

Nicht ganz so wendungsreich wie etwa bei Sebastian Fitzek wird hier eher der Fokus auf die Ermittlungsarbeit am Sektionstisch gelegt. Das muss man mögen. Wer detaillierte Beschreibungen von Sektionen, Gerüchen und Geräuchen, wenn etwa der Arm vom Körper abgetrennt wird, nicht lesen mag, sollte die Finger davon lassen. Alle anderen werden ohnehin genau das erwarten.

Während die ersten Thriller von Michael Tsokos sich vergleichsweise hölzern laßen, Wechsel zu abrupt und so manches Mal nicht gerade nachvollziehbar waren, ist der Autor offenbar mittlerweile in Übung und legt flüssig zu lesende Schreibarbeiten vor, in der keine roten Fäden, Hautfetzen oder Blutspuren verloren gehen.

Nur am Ende merkt man es hier dann doch, dass Tsokos für gewöhnlich etwas anderes macht als zu schreiben. Hier wäre ein etwas anderer Schreib- oder Erzählstil von Vorteil gewesen. Nichts destotrotz bleibt dann doch der überwiegend mit Spannung aufwartende Handlunsgverlauf in Erinnerung, in der mal der Hauptprotagonist uns Lesenden einen Schritt voraus ist, um dies dann wieder umzukehren.

Drei Handlungsstränge führen hier zu einem Showdown, bei den man schwanken mag, ob dies dann doch nicht zu viel des Guten ist oder genau das richtige Maß trifft. Die Ausarbeitung der Protagonisten, die ausführliche Beschreibung gerichtsmedizinischer Spurensuche, hier entfaltet Michael Tsokos noch einmal sein ganzes Potenzial, die kurzweiligen Kapitelwechsel und der logische Aufbau entschädigen jedoch für kleinere Mängel, die dann kaum mehr erwähnenswert erscheinen.

Es lohnt sich also, darauf zu warten, was Michael Tsokos uns als nächstes auf den Sektionstisch legt. Das nächste Mal vielleicht kein Arm.

Autor:

Michael Tsokos wurde 1967 in Kiel geboren und ist ein deutscher Rechtsmediziner und Professor an der Charite in Berlin. Er leitet seit 2007 das dortige Institut für Rechtsmedzin, gleichzeitig das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berrlin-Moabit. Zudem ist er Leiter der Gewaltschutzambulanz der Charite.

1998-99 nahm er an der Exhuminierung und Identifizierung von Leichen aus Massengräbern des Bosnienkrieges und im Kosovo teil, 2004-05 war er im Auftrag des Bundeskriminalamtes zur Identifizierung der Tsunami-Opfer in Thailand täig. Er ist Autor mehrerer Fachzeitschriften, populärer Sachbücher und Mitautor mehrerer Thriller. Seit 2014 ist er Botschafter des Deutschen Kindervereins. Tsokos lebt mit seiner Familie in Berlin.

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