Anwalt

Stephan Lucas: Auf der Seite des Bösen

Auf der Seite des Bösen Book Cover
Auf der Seite des Bösen Autor: Stephan Lucas Droemer Erschienen am: 02.03.2020
(Neuauflage)
Seiten: 268 ISBN: 978-3-426-30242-2

Inhalt:

Stephan Lucas steht auf der Seite des Bösen – denn er ist Strafverteidiger und verhilft Mördern, Vergewaltigern und anderen Straftätern vor Gericht zu ihrem Recht. Hier berichtet er von seinem spannenden Alltag:

Da wird ein unbescholtener Familienvater in einem harmlosen Streit zum Totschläger; ein Junge wird mit intimen Fotos erpresst, die er einer vermeintlichen Internet-Freundin geschickt hat. Der aus dem TV bekannte Anwalt erzählt von dramatischen Schicksalen und emotionalen Herausforderungen.

Wie fühlt es sich an, die Hand eines Mörders zu drücken, die zuvor eine junge Frau erwürgt hat? Wie geht man mit einem Mörder um, der einen Freispruch will? Muss man einen Vergewaltiger hassen? (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Wenn die Boulevard-Presse möglichst öffentlichkeitswirksam Strafprozesse kommentiert, ist das laut und schrill. Nicht selten wird nach einem härteren Durchgreifen der Justiz gerufen, natürlich ohne sich haarklein mit der Sachlage zu beschäftigen. Emotionale Forderungen nach der Wiedereinführung der Todesstrafe sind da nicht weit.

Doch, wie ist es eigentlich zu verkraften, nahezu täglich mit dem Bösen an sich konfrontiert zu sein?

Welche emotionalen Achterbahnfahrten muss man durchstehen, an welche Linien kann man sich halten, wenn man als Strafverteidiger Mördern, Vergewaltigern und Erpressern zu ihrem Recht verhelfen muss. Eines ist klar, sowohl den Opfern als auch den Tätern ist ein fairer Prozess geschuldet.

Der aus dem TV bekannte Rechtsanwalt zählt zu denen, die tagtäglich mit den grausamsten Fällen konfrontiert werden, die unsere Justiz zu bieten hat. Als Strafverteitiger ist Stephan Lucas ständig mit den Extremen der menschlichen Abgründe konfrontiert.

In der überarbeiteten Neuausgabe stellt er seine ihm prägensten Fälle vor und erläutert, warum z.B. Mörder fairen und genauen Prozessen unterzogen werden müssen, ja sogar Anrecht auf eine gerechte Behandlung haben, die diese selbst ihren Opfern nicht zukommen lassen haben.

Eine Stärke unseres Rechtsstaates ist es. Dies zu zulassen, der Autor macht jedoch auch deutlich, welcher Drahtseilakt damit oftmals verbunden und warum das richtig ist. Die Unantastbarkeit der Justiz sollte ein hohes Gut für alle Beteiligten sein.

Nicht selten ist es jedoch so, wie es zunächst scheint. An den exemplarischen Fällen wird dies deutlich, zumal der Zwiespalt zwischen Recht und Gerechtigkeit für beide Seiten in einem Prozess offensichtlich ist.

Der Anwaltsberuf ist nicht nur das kalte Paragraphenreiten. So wird deutlich, dass auch Steohan Lucas die sich im Gerichtssaal und in seiner juristischen Vorarbeit sich auftuenden Abgründe nicht kalt lassen. Wenn der pädophile Täter sich dem Gerichtsverfahren entzieht und hinterher vieldeutige Fotos aus Asien schickt, ist es auch für den Autoren ein Tiefschlag.

Alleine schon dem Verarbeitungsprozess des Opfers hätte man eine abgeschlossene Verhandlung samt Verurteilung des Täters geschuldet.

Dieser Zwiespalt und tägliche Spagat wird hier Zeile für Zeile gut herausgearbeitet. Gleichzeitig hätte ich mir noch mehr Fälle und Tiefe gewünscht, um die Komplexität bestimmter Sachverhalte zu verdeutlichen und auch richterliche Entscheidungen verständlicher zu machen.

Das fehlt ein wenig, ist vielleicht auch der anwaltlichen Schweigepflicht geschuldet. Die beschriebenen Prozesse sind natürlich anonymisiert und so weit abgewandelt, dass nur die Betroffenen und vielleicht die mit den Fällen befassten Juristen die wahren Fälle erkennen können. Trotzdem wäre etwas mehr Ausführlichkeit hier gut gewesen.

Stephan Lucas zeigt, dass auch sein Beruf kein reiner Schreibtisch-Job ist und der Gerichtssaal keine Bühne. Zumindest nicht immer. Er lüftet den Vorgang ein wenig und zeigt, dass hinter der Oberflächlichkeit der Medien, die nur zu gern stichwortartig Fälle der Justiz aufgreifen und dabei einen Großteil an Hintergründen unterschlagen, die notwendig sind, um richterliche Entscheidungen komplett nachzuvollziehen, auch auf der Seite des Bösen das Recht geachtet werden muss.

Schließlich gilt ein Täter bis zur richterlichen Entscheidung als unschuldig.

Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Kann man lesen.

Autor:

Stephan Lucas wurde 1972 in Frankfurt/Main geboren und ist ein deutscher Rechtsanwalt. Nach der Schule studierte er Jura und legte 1996 und 1999 seine Staatsexamina ab, erhielt seine Zulassung zm Rechtsanwalt. Nach Stationen in Heidelberg und München gründete er seine eigene Kanzlei und spezialisierte sich auf Strafrecht.

Zudem ist er im TV in mehreren Reality-Formaten zu sehen gewesen und veröffentlichte 2012 sein erstes Buch.

Stephan Lucas: Auf der Seite des Bösen Read More »

Simon Lelic: Das Kind, das tötet

Das Kind, das tötet Book Cover
Das Kind, das tötet Simon Lelic Droemer Erschienen am: 01.08.2013 Seiten: 350 ISBN: 978-3-426-19943-5

Inhalt:

Leo Curtice scheint das große Los gezogen zu haben. Der bisher wenig erfolgreiche Anwalt wird Pflichtverteidiger in einem spektakulären Fall: Ein erst zwölfjähriger Junge hat auf brutale Weise eine Elfjährige ermordet.

Wider Erwarten packt Leo der Ehrgeiz, dem Jungen wirklich helfen zu wollen. Doch er rechnet nicht mit der Hexenjagd, die nun beginnt. Und dann kommt es zur Katastrophe, die sein Leben auf immer verändern wird. (Klappentext)

Rezension:

Daniel Blake ist zwölf Jahre alt, unnahbar und Störenfried par excellence. Von mehreren Schulen geflogen, aus einer schwierigen Familie kommend, steht er nun vor den Scherbenhaufen seiner größten und widerwärtigsten Tat. Der Junge hat Blut an seinen Händen, ein ein Jahr jüngeres Mädchen ermordet.

Und Leo wird sein Pflichtverteidiger. Ein Fall, bei dem es für seinen Mandanten nichts zu gewinnen, für seine Karriere schon (oder alles zu Verlieren) gibt. Er nimmt die Herausforderung an, ihn packt der Ehrgeiz. Doch der Weg zu den Jungen führt geradewegs in die Katastrophe.

Es ist eine der großen Fragen der Gesellschaft, die immer wieder auftaucht, wenn einmal mehr ein schrecklicher Fall von Jugendgewalt an die Oberfläche dringt. Für welche Taten ist welche Strafe angemessen? Verdienen Täter, so jung sie auch sind, eine gute Verteidigung?

Wie sieht es mit ihrer Behandlung im Strafvollzug und Einrichtungen für jugendliche Kriminelle aus? Wie soll man mit ihnen umgehen, vor Gericht und auch danach? Wo liegt die Altersgrenze, sollte man diese herabsetzen, um junge Täter zu verurteilen? Und, sind nicht mindestens zwei Leben zerstört, durch eine begangene Tat? Das Leben vom Opfer und Täter?

Der Brite Simon Lelic wirft diese Fragen in den Raum und stellt sie im Rahmen eines interessant geschriebenen Romanes zur Diskussion. Ohne dabei allzu sehr sich in die Hintergründe des Täters oder dem Verhandlungsszenario, ja selbst in die Gedankengänge des Täters zu stürzen.

Hauptfigur ist der einzige wirkliche Sympathieträger Leo Curtice, Rechtsanwalt. Er, der anfangs nur seinen Job machen möchte, ordentlich und gründlich, später von der Brisanz des Falles jedoch überollt wird. Wobei nicht nur er zu Schaden kommt.

Man bekommt Mitleid mit ihm, kommt ins Zweifeln ob der gesetzlichen Regelungen, die derzeit gelten.

Wobei natürlich der Unterschied zum festlandeuropäischen Rechtsverständnis auszumachen ist. Im anglikanischen Raum stellt man den Täter an den Pranger, versucht nicht Ursachen zu finden um diese zu beseitigen, zu resozialisieren.

Der Leser wird am Ende des Romans alleine gelassen. Die Fragen sind nicht vollständig geklärt, das muss man selbstständig tun. Eine perfekte vollständige Lösung gibt es nicht. Nicht für Daniel, Leo, dem Opfer oder irgendjemanden.

Doch, die Gesellschaft muss immer wieder gezwungen werden, darüber nachzudenken. Wenn Simon Lelic dies mit seinem Roman erreicht, ist schon ein gewaltiger Schritt getan. Packend, unblutig und zum Nachdenken anregend, eine gesellschaftliche Frage anstoßend, das sind Simon Lelics Bücher, die unter die Haut gehen.

Hin- und hergerissen wird man die Geschichte verfolgen, empfindet mal für die eine, dann wieder für die andere Seite Sympathie. In wenigen Zeilen eine Grundsatzdiskussion anregend, die es zu führen gilt. Großartig.

Nur hat die Geschichten einige Längen dort, wo man sie nicht braucht. Anderswo fehlen Ausführungen, wo man sie sich wünschen würde.

Hundert bis zweihundert Seiten mehr, auch mehr Perspektivwechsel, hätten dem Roman gut getan, doch Lelic steht fast noch am Anfang seiner schriftstellerischen Karriere, von der sich der Leser nur wünschen kann, dass der Brite sie ausbaut.

Nach “Ein toter Lehrer” und “Das Kind das tötet” darf man gespannt sein, welches brisante Thema der Autor als nächstes anpackt. Wahrscheinlich wird es sich wieder lohnen.

Autor:

Simon Lelic wurde 1976 in Brighton geboren und lebt dort mit seiner Familie. Er studierte nach der Schule Geschichte und arbeitete als Journalist.

Der Brite leitet eine exportfirma und schreibt nebenher Romane. In seinem Heimatland wurde das Debüt “Ein toter Lehrer” 2010 veröffentlicht und bekam zahlreiche Preise und Nominierungen. 2013 wurde sein Roman “Das Kind das tötet” in Deutschland veröffentlicht.

Simon Lelic: Das Kind, das tötet Read More »