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Eddie Jaku: Der glücklichste Mensch der Welt

Inhalt:

“Mein lieber neuer Freund, meine liebe neue Freundin,

ich lebe jetzt schon ein Jahrhundert lang und weiß, was es heißt, dem Bösen ins Antlitz zu blicken. Ich habe die größten Übel der Menschheit gesehen, das Grauen der Todeslager, den Versuch der Nazis, mein Leben und mein ganzes Volk auszulöschen. Doch heute betrachte ich mich als den glücklichsten Menschen der Welt. In all meinen Jahren habe ich gelernt: Das Leben kann schön sein, wenn wir es schön machen. Ich will dir meine Geschichte erzählen.”

Eddie Jaku

(Klappentext)

Rezension:

Was macht es mit einem Menschen, wenn man ihn mehrmals durch die Hölle auf Erden schickt? Wenn dieser nicht weiß, ob er vor Schmerz, Hunger, Kälte, Grausamkeit und abgrundtiefer Gewalt den nächsten Tagen, den nächsten Abend erleben wird? Der Holocaust-Überlebende Eddie Yaku erzählt es uns.

Eddie Yaku wurde 1920 als Abraham Salomon Jakubowicz in Leipzig geboren und begann erst im hohen Alter seine bewegende geschichte zu erzählen. Hundert Jahre nach seiner Geburt hat er sie zu Papier gebracht und nun liegt sie in übersetzter Form vor, in dem Land, welches ihn einst jedwedes Recht zum Leben absprach.

Doch Jaku hegt keinen Groll, sondern blickt positiv auf das Leben. Bemerkenswert bei all dem, was er durchmachen und erleiden musste. Er erzählt von der Machtergreifung der Nazis in Deutschland ebenso, vom Verstecktwerden und Verstecktsein, von Lüge und Verrat, dem Ausgeliefertsein in der Hölle auf Erden, aber auch vom kleinen Glück, welches half, den Willen zum Überleben zu bewahren.

Wenn du heute die Gelegenheit dazu hast, bitte, geh nach Hause und sag deiner Mutter, wie sehr du sie liebst. Tu es für deine Mutter. Und tu es für deinen neuen Freund Eddie, der es seiner Mutter nicht mehr sagen kann.

Eddie Jaku: Der glücklichste Mensch der Welt

Holocaust-Biografien gibt es inzwischen viele zu lesen. Wichtige Zeitzeugen-Berichte sind dies, die, so sie noch nicht geschrieben sind, festgehalten werden müssen. In ein paar Jahren schon, sind die Erzählenden nicht mehr, doch wird man diese Dokumente in Zukunft benötigen, um zu erinnern und nicht zu vergessen.

Eddie Yakus Bericht ist dabei eines der positiveren, die man sich erlesen kann. So viel Einfühlsamkeit, auch Fragen erwartet man kaum beim Lesen. Unterteilt ist die Biografie in Maximen, die ihm im jeweiligen Lebensabschnitt geholfen haben, sich zu orientieren und zu überleben.

Alleine dies ist schon sehr besonders, zudem die direkte Ansprache. Fast wirkt es so, als säße man dem Autoren gegenüber und würde einem Vortrag über dessen Leben lauschen. Alles wird plastisch, die kleinen und großen Momente des Grauens, aber auch des Glücks. Es ist die Biografie eines besonderen Menschen, der sich nie besonders nahm, ein Dokument, welches mahnt, ohne mahnend zu wirken.

Ein beeindruckender Mensch. Auch dessen Geschichte sollte nicht vergessen werden.

Den Anfang macht dieser Bericht.

Autor:

Eddie Yaku wurde 1920 in Leipzig als Abraham Salomon Jakubowicz geboren und machte eine Ausbildung zum Feinmechaniker, bevor er 1938 von den Nazis in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert wurde. Nach Flucht und Versteck in den Niederlanden und Belgien wurden er und seine Familie nach Auschwitz deportiert, seine Familie ermordet. 1950 wanderte er nach Australien aus, wo er seit dem lebte. Er gründete zusammen mit anderen Überlebenden das Sidney Jewish Museum.

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Veit Etzold: Clara Vidalis 8 – Höllenkind

Inhalt:

Es ist ein einmaliges Ereignis für den vatikan und ganz Rom: die Verbindung der alten römischen adelsfamilien Sforza und Visconti durch eine prunkvolle Hochzeit in der Sixtinischen Kapelle. Doch plötzlich krümmt sich die Braut vor Schmerz, und auf ihrem strahlend weißen Hochzeitskleid erblühen große rote Flecke. Bevor irgendjemand eingreifen kann, bricht sie tot zusammen.

Der zuständige Ermittler des Vatikans, Commendatore Adami, ahnt, dass er allein in diesem außergewöhnlichen Fall nicht weiterkommt. In Rom kursiert schon länger der Name einer Patho-Psychologin, die bereits in einen Fall von Satanismus involviwert gewesen war: Clara Vidalis vom LKA Berlin … (Klappentext)

Reihenfolge der Bücher:

Veit Etzold: Clara Vidalis 1 – Final Cut

Veit Etzold: Clara Vidalis 2 – Seelenangst

Veit Etzold: Clara Vidalis 3 – Todeswächter

Veit Etzold: Clara Vidalis 4 – Der Todenzeichner

Veit Etzold: Clara Vidalis 5 – Tränenbringer

Veit Etzold: Clara Vidalis 6 – Schmerzmacher

Veit Etzold: Clara Vidalis 7 – Blutgott

Veit Etzold: Clara Vidalis 8 – Höllenkind

[Einklappen]

Rezension:

Schon beim Lesen der ersten Zeilen des hier vorliegenden Thrillers möchte man an ein Eigenleben der Protagonisten glauben. Wie sonst ist dieser neue Fall von Clara Vidalis zu erklären, der nun aus der Feder Veit Etzolds vorliegt?

Vorab, die Geschehnisse sind im Klappentext zur Genüge beschrieben. Mehr muss man nicht verraten. Es sei jedoch festgestellt, dass man die vorangegangenen Bände der Reihe nicht gelesen haben muss, um der Geschichte, insbesondere den Hauptprotagonisten folgen zu können.

Der Autor hat die Einführung in seine Geschichten mittlerweile perfektioniert und legt auch hier wieder den Fokus auf die eigentliche Handlung, wenn auch Kenntnisse aus anderen Bänden zumindest Anspielungen erkennen lassen. Bemerkungen der Protagonisten in Bezug auf vergangene Fälle sind mit Sternchen-Verweis zu den anderen Werken der Reihe versehen.

Es ist ein moderner Thriller, der kompakt und vor allem in schnellen Erzähltempo kaum Atempausen lässt, nachdem die Geschichte ins Rollen gekommen ist. Dabei verfolgen wir mehrere zunächst unabhängige Handlungsstränge, die erst nach und nach ein Gesamtbild ergeben. Im Gegensatz zu manch anderen Werken, greifen diese schlüssig ineinander und auch Wendungen werden sinnvoll zu Ende geführt. Cliffhanger gibt es zahlreiche.

Das Leben war eine Hölle, die bis zum Tod ging.

Veit Etzold: Clara Vidalis 8 – Höllenkind

Besonders plastisch wird es für die jenigen, die den Vatikan und seine Gebäude, die sie umgebende Stadt Rom und vielleicht auch das ferne Florenz schon einmal mit eigenen Augen gesehen haben. Veit Etzold zieht mit seinen Beschreibungen die Lesenden förmlich in diese Szenarien. Die Protagonisten, nicht nur die Hauptfiguren sind wunderbar differenziert ausgestaltet und vielseitig.

Fast wirkt es, als würde man sich mit den Protagonisten im gleichen Raum befinden. Man fühlt das römische Kopfsteinpflaster, die Erhabenheit der römischen Villen in jeder einzelnen Zeile, sowie die menschlichen Tragödien ihrer Protagonisten, die der Autor so wunderbar in Szene setzt. Gekonnt im Wechsel von Handlungssträngen und Orten.

Mit einem überraschenden Twist, auf dem ich beim Lesen nicht im Leben gekommen wäre, setzt Etzold zudem den Grundstein für weitere Geschichten um Clara Vidalis, einer Reihe, die wohl nur dann beendet wird, wenn dem Autoren die Ideen ausgehen. Zumindest aktuell wirkt es nicht so, als ob dies der Fall wäre.

Autor:

Veit Etzold wurde 1973 in Bremen geboren und ist ein deutscher Schriftsteller, zudem Hochschullehrer für marketing. Nach seiner Ausbildung studierte er Anglistik, Kunstgeschichte, Medienwissenschafen und General Management in Oldenburg, London und Barcelona. Im jahr 2005 promovierte er in Medienwissenschaften.

Neben Belletristik verfasst er Sachbücher in diesem Bereich. An der Hochschule Aalen unterrichtet er Storytelling, marketing und Positionierung. 2010 wurde sein erster Thriller veröffentlicht. Bei Bastei Lübbe und Droemer Knaur erfolgten weitere. Bekannt ist er für seine Reihe um die Berliner Kriminalkommissaren Clara Vidalis. Etzold lebt in Berlin.

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Olga Grjasnowa: Die Macht der Mehrsprachigkeit

Inhalt:

Immer mehr menschen sprechen ganz selbstverständlich mehr als eine Sprache. Diese Tatsache spiegelt nicht zuletzt die wachsende Vielfalt der Biografien in unserer Gesellschaft wider. Für Olga Grjasnowa ist Mehrsprachigkeit eine persönliche, vor allem aber eine gesellschaftliche Bereicherung, die auch vonseiten der Politik viel mehr wertgeschätzt und gefördert werden sollte. (Klappentext)

Rezension:

Immer engmaschiger sind die Menschen untereinander vernetzt. Wir kommunizieren über Zeitzonen und Ländergrenzen in Echtzeit miteinander, schauen Serien und Filme im Originalton, nutzen Apps, um uns auf Reisen zu verrständigen, lesen Bücher im Original und nutzen Englisch als die neue Lingua franca. Doch, warum ist das so? Was macht Sprache mit uns? Was bedeutet es für unser Leben und unsere Identität, zwischen mehreren Sprachen beliebig wechseln zu können?

Warum wird wertgeschätzt, wer etwa Englisch oder Französisch beherrscht, weniger geachtet, wer auf Arabisch oder Türkisch kommunizieren kann? Weshalb ist Monolinguisierung ein modernes Phänomen und warum wird nur diese staatlich gewünscht und gefördert, während im Privaten oft nach der Beherrschung von mehreren Sprachen gestrebt wird. Was macht das Verwenden immer besserer und komplexerer Übersetzungsprogramme mit uns? Die Schriftstellerin Olga Grjasnova beschäftigt sich in diesem komplexen Essay mit den vorliegenden Fragen.

Auf überschaubarer Seitenzahl stellt sie sich Fragen, die im Leben von immer mehr Menschen eine stetig wachsende Rolle spielt, arbeiten die meisten von uns doch für multinationale Unternehmen oder kommunizieren quer durch die Welt miteinander, zudem stellen uns auch wachsende globale Herausforderungen, Krisen durch Hungersnöte oder politischer Wandel vor der Herausforderung, aufeinander zuzugehen und miteinander zu kommunizieren.

Offenkundig gelten bestimmte Sprachen als erstrebenswert und andere als Gefahr. Das hat natürlich nichts mit den Sprachen selbst zu tun, dafür aber sehr viel mit unserer Gesellschaft.

Olga Grjasnowa: Die Macht der Mehrsprachigkeit – Über Herkunft und Vielfalt

Die Antworten auf diese Fragen sind nicht einfach zu geben, doch die Autorin verfolgt anhand der Biografien, innerhalb ihrer Familie, interessante Denkansätze, die es sich lohnt, sie weiter zu verfolgen, zumal gerade die Politik einen gegenteiligen Weg geht, den sie für fehlerhaft hält. Dagegen argumentiert sie sehr differneziert und zeigt, welche Vorteile es hat, mehrsprachig zu sein und wie kritisch der Begriff Muttersprache heute gesehen werden kann. Auch auf Irrwege der deutschen Politik, wie eine fehlgeleitete Aktion in Bezug auf Sprachen des deutschen Ministeriums des Inneren geht sie ein.

Wenn man in der Lage war, sie zu lesen, gehörte man nicht zu Deutschland. Man stand dann unter einem Generalverdacht. Sind sie legal hier? Haben Sie das Recht, hier zu sein? Sind Sie sich sicher? Woher kommen Sie? Wann gehen Sie zurück? Sie verstehen das Plakat, das wir extra für Sie aufgehängt haben – Sie gehören nicht dazu. Gewiss nicht.

Olga Grjasnowa in “Die Macht der Mehrsprachigkeit – Über Herkunft und Vielfalt”, Dudenverlag, über die Plakataktion des deutschen Ministeriums des Inneren.

Was anderswo in der Welt für normal gehalten wird, beginnt sich langsam auch hier durchzusetzen, zumindest im privaten Bereich. Olga Grjasnowa zeigt Vor- und Nachteile auf, argumentiert für das Multilinguale und beschreibt, warum das gegeneinander Aufwiegen von Sprachen, das Werten ein eher in Europa vorkommendes Phänomen ist, welches andernorts schlicht nicht existiert.

Mag man zu Beginn des Lesens vielleicht noch denken, dass diese komplexe Fragestellungen nicht auf so wenigen Seiten zur Diskussion gestellt werden können, beweist die Autorin, dass dies funktioniert und das Mehrsprachigkeit schon als sinnvoll betrachtet werden darf, gleichwohl man vielleicht selbst nur in der Lage ist, auf einer Reise einen Kaffee zu bestellen. Immerhin können bereits wenige Sätze in einer anderen Sprache der Zugang zu Menschen bedeuten. Dann ist der erste Schritt schon getan.

Autorin:
Olga Grjasnowa wurde 1984 in Baku geboren und ist eine deutsche Schriftstellerin. 1996 kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland, wo sie 2005 zunächst Kunstgeschichte und Slawistik in Göttingen studierte, dann jedoch ans Deutsche Literaturinstitut Leipzig wechselte, um Literarisches Schreiben zu studieren. Nach mehreren Studienaufenthalten im Ausland beendete sie ihr Studium in Berlin. Sie ist Mitglied des PEN-Zentrums und des Goethe-Instituts. Im Jahr 2012 erschien ihr erster Roman.

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Jule Paul: Taschen voller Sand

Inhalt:

Endlich wieder Zeit für die Familie, denkt Johann, Mitte 60 und beruflich erfolgreich als Anwalt tätig. Wie in den Jahren zuvor geht es mit der Familie nach Österreich. Was als glückliche Ferienzeit beginnt, entwickelt sich von Tag zu Tag problematischer. Ausgelöst durch eine zufällige Begegnung mit einem 11-jährigen Jungen, beginnt er über das eigene Leben nachzudenken. Der Ansturm der Erinnerungen wird mächtiger, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit intensiver. Warum ist er der Mittelmäßigkeit seines Alltags nicht entflohen? Warum holt ihn gerade jetzt die eigene Mutlosigkeit ein? Auch mit Mitte 60 muss es nicht zu spät sein. (angepasster Klappentext)

Rezension:

Ja, was soll ich sagen? Ich habe mich wieder einmal auf ein literarisches Gebiet begeben, mit dem ich mich nach wie vor schwer tue. Nur, weil ich beratungsresistent gegenüber meinen eigenen bisher gemachten Erfahrungen bin, die ich damit schon gemacht habe und weil es zufällig in meiner Buchhandlung erhältlich war. Ich habe mit “Taschen voller Sand”von Jule Paul tatsächlich ein Selfpublishing-Werk gelesen.

Selfpublishing krankt meines Erachtens oft genug daran, dass zwar die Schreibenden schnell zu einer Veröffentlichung kommen, jedoch an den falschen Ecken und Enden gespart wird. Vor allem das Lektorat bleibt dabei oft auf der Strecke, von der Suche nach Logikfehlern einmal ganz abgesehen. der Hintergedanke, dass es schon Gründe haben wird, warum eine Geschichte keinen Verlag findet, schwebt als Gedanke immer mit. Bei mir. Hier haben wir jedoch eine Erzählung vorliegen, die ohne großartiges World-Building auskommt, Protagonisten als Dreh- und Angelpunkt beinhaltet, wie wir sie alle aus dem realen Leben kennen und eine geschichte, wie sie so oder ähnlich tatsächlich passieren kann.

Hauptprotagonist ist Johann, Mitte sechszig, ein erfolgreicher Anwalt, der den Urlaub mit seiner Familie, wie in jedem Jahr, in der österreichischen Bergwelt zwischen Wanderungen und Hotelpool verbringen möchte. Seine Frau, Tochter und der farblose Schwiegersohn mögen diese berechenbaren Ferien, wenigstens aber seinem Enkel möchte Johann aus der Gleichförmigkeit ziehen und eine gemeinsame Basis schaffen, wozu es außerhalb des Urlaubs bisher nicht genug Gelegenheit gegeben hatte. Dabei treffen beide auf dem elfjährigen Lasse, der allein durch seine Anwesenheit alle Gewissheiten des gestandenen Mannes zum Einsturz bringt. Johann beginnt sein Leben zu überdenken. Welche Schlüsse wird er ziehen?

Die Hauptfigur ist fascettenreich gestaltet, dazu im Kontrast stehend, die anderen Protagonisten beinahe farb- und kontrastlos. Diese Gegensätze wirken zu Teilen sehr gewollt, zum anderen wie der Mehltau eines Vorabendfilms des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. das muss man mögen, wenn man sich auf diese Erzählung einlässt, kann sich dann zurücklehnen und berieseln lassen. Die Sympathien liegen von Beginn an bei nur wenigen Personen, die den vorhersehbaren Handlungsstrang tragen.

Das ist nicht schlecht geschrieben, ein Lektorat hat diese Geschichte wohl gesehen, dennoch möchte man einige Figuren gerne gewaltsam aus ihrer gleichförmigkeit herausnehmen und schütteln. Sehr schön, dass sich die Autorin hier für eine kompakte Erzählweise entschieden hat und einem halb offenen Ende, um nicht noch einen sehr kitschigen Schluss verfassen zu müssen. Diese Zurücknahme tut gut. Ansonsten ist die Melancholie der vepassten Chancen die bestimmende Thematik. Weiter passiert nicht viel. Eine Erzählung wie ein kleines Bergdorf. Überschaubare Gipfel, große unerreichbare Berge. Betulichkeit. Man erwartet nichts. Das bekommt man.

Autorin:

Jule Paul wurde 1961 geboren und arbeitete als Kellnerin, Buchhändlerin und Sekretärin, bevor sie Rechtswissenschaften studierte. Heute arbeitet sie als Juristin in Berlin.

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Sasha Filipenko: Der ehemalige Sohn

Inhalt:

Wie fühlt sich ein junger, lebenshungriger Mann in Belarus? Eine hochaktuelle Geschichte über die Sehnsucht nach Freiheit. Eigentlich sollte Fransisk Cello üben fürs Konservatorium, doch lieber genießt er das Leben in Minsk. Auf dem Weg zu einem Rockkonzert verunfallt er schwer und fällt ins Koma. Alle, seine Eltern, seine Freundin, die Ärzte, geben ihn auf. Nur seine Großmutter ist überzeugt, dass er eines Tages wieder die Augen öffnen wird. Und nach einem Jahrzehnt geschieht das auch. Aber Zisk erwacht in einem Land, das in der Zeit eingefroren scheint. (Klappentext)

Rezension:

Immer mehr Menschen drängen Richtung U-Bahn-Schacht, als ein Unwetter über sie hereinbricht und schieben die anderen vor sich her. Schutz suchen sie. Immer enger wird es im Tunnel, immer weniger Luft bekommen jene, die sich schon im Inneren befinden. Noch, als der Schacht voll ist, bewegen sich die Massen, die ersten werden niedergetrampelt, förmlich zerquetscht. Am Ende des Tages wird es unzählige Verletzte geben und zu viele Tote. Auch der jugendliche Cello-Schüler Franzisk ist unter den Opfern und wird darauf hin zehn Jahre lang im Koma liegen. Als er wieder erwacht, ist die Welt eine andere und doch stehengeblieben.

Leise kommen die Romane von Filipenko daher, um die Lesenden dann in einem Strudel von Gefühlen zu werfen, dem man sich kaum entziehen kann. Dies ist so, auch im zweiten Roman aus der Feder des belarussischen Schriftstellers Sasha Filipenko, der es auch hier versteht, seine Leserschaft mitzureißen. Er erzählt von Belarus damals und heute, von Trostlosigkeit und Tristesse, von der Hoffnungslosig- und Müdigkeit der Menschen und dem Glauben daran, was wäre, wenn doch noch das Unmögliche geschieht.

“… Verzeihen Sie, wenn ich unhöflich bin, aber Sie sind schon ein wenig mühsam, das ist, verdammt nochmal das Leben. Ihr Enkel ist tot! Tot, verstehen Sie? Finden Sie sich damit ab. Er ist tot. Wenn Ihnen dieses Wort nicht in den Kopf hineingeht, dann vielleicht >krepiert<. Es ist aus mit ihm. Er ist gestorben. Das Gehirn ihres Enkels wird nie wieder funktionieren, nie, hören Sie mich?” “Wissen Sie was, Herr Doktor? Lecken Sie mich am Arsch!”

Sasha Filipenko: Der ehemalige Sohn

Dabei ist der Hauptteil des Romans sehr düster gehalten. Nur ganz wenige positiv besetzte Protagonisten begegnen hier vielen Unsympathen, denen man im realen Leben lieber ausweichen sollte. Wer in die Geschichte um Franzisk eingesogen wird, muss das über sehr weite Strecken aushalten können, wird immer nur kurz mit wenigen Funken Hoffnung für die Figuren entlohnt. Filipenko, der auf Russisch im Nachbarland über die Stadt seiner Kindheit schreibt, greift hier die brodelnde Stimmung seiner Heimat auf, beschreibt diese aus der Sicht des Ausgewanderten, des Entfernten und doch ganz nahen Beobachters.

Bevor er seine Leserschaft ins kalte Wasser einer Stadt wirft, deren Obere der dort lebenden Bevölkerung längst das Herz herausgerissen haben, stimmt er seine Leser im Vorwort darauf ein. Die Übersetzerin Ruth Altenhofer ordnet, sortiert und erklärt im Nachwort, wie viel Sasha Filipenko eigentlich an Themen gelungen ist, auch zwischen den Zeilen zu verarbeiten, egal ob dies geschichtliche und politische Ereignisse in Belarus betrifft oder die jenigen, die grausame Paten standen, für die Geschehnisse des Romans.

Die Angst floss aus seinem Körper ins Haus. Die Angst war in seiner Wohnung und in der Wohnung gegenüber, hier, überall, in der ganzen Stadt.

Sasha Filipenko: Der ehemalige Sohn

Der Autor zeigt einem lebenshungrigen Protagonisten, der aus dem Alltag herausgerissen und umgeworfen wurde, aber auch, dass es sich lohnt, für sich selbst zu kämpfen, übertragen, dass vielleicht auch der Kampf der jungen Menschen in Belarus für eine Zukunft ihres Landes, für Freiheit und Demokratie, eines Tages Früchte tragen wird. Gäbe es das Nachwort nicht, müsste man vieles davon zwischen den Zeilen lesen, dort wird es denen, die das nicht können, erklärt.

Die Grundstimmung der Erzählung macht das fortlaufend geschriebene Werk nicht gerade zu einer einfachen Lektüre, zumal diese einem nachdenklich und bedrückt zurücklassen wird. Filipenko beeindruckt und legt im Gegensatz zu seinem Debüt, welches vergleichsweise leise daherkam, noch einmal eine Schippe drauf. Großartig ist das, gleichsam ein Cellospiel in Worten.

Autor:

Sasha Filipenko wurde 1984 in Minsk geboren und ist ein weißrussischer Schriftsteller der auf Russisch schreibt. In seiner Wahlheimat St. Petersburg studierte er nach einer abgebrochenen Musikausbildung Literatur und widmete sich der journalistischen Arbeit, war Drehbuch-Autor, Gag-Schreiber für eine Satire-Show und Fernsehmoderator.

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Stephen King: Später

Inhalt:

Der kleine Jamie Conklin wächst in Manhattan als Sohn einer Literaturagentin auf und wirkt wie ein ganz normaler Junge. Doch der Junge hat ein Geheimnis, er kann die Geister kürzlich Verstorbener sehen und mit ihnen sprechen. Die Toten selbst müssen seine Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Als der lukrativste Autor seiner Mutter Tia kurz vor Vollendung eines lang ersehnten Abschlussbandes stirbt, nutzen beide Jamies Gabe. Mit dem Befragen der Toten rufen sie jedoch ungewollte Dämonen hervor. (Inhaltsangabe lt. Verlag)

Rezension:

Gäbe es einen Preis für nichtssagende Klappentexte, der Heyne-Verlag hätte ihn diesmal bekommen und so muss hier die Inhaltsangabe der Umschlagseite herhalten, um einen Eindruck vom neuesten Werk aus der Feder Stephen Kings zu bekommen.

Wieder einmal konfrontiert der Großmeister der amerikanischen Horrrorliteratur ein Kind als Hauptprotagonisten mit dem Übernatürlichen. Wieder einmal beginnt ruhig, was mit fortschreitender Seitenzahl in immer tiefere Abgründe rutscht.

Aus der Ich-Perspektive des kleinen Hauptprotagonisten wird die Geschichte erzählt, die im Vergleich zu anderen Werken Stephen Kings regelrecht kompakt ausfällt. Das Grundgerüst ist, wie so oft, ein kindlicher Hauptprotagonist, der mit der Gabe des Übernatürlichen ausgestattet, eine Geschichte ins Rollen bringt und in immer höherem Erzähltempo diesen sämtliche Nerven abverlangen wird, die es zu behalten gilt.

Die Erzählung selbst liest sich flüssig und eignet sich für ungeübte King-Leser als Einstieg in die Welt der Horror-Literatur. Dazu notwendige Elemente sind nur sehr dossiert vorhanden. Gestandene Fans des Autors, die eine Geschichte im Stil von “Es” oder der Novelle “Die Leiche” erwarten, werden trotz gewisser Parallelen wahrscheinlich eher enttäuscht sein.

Eher Roman mit leichten Gruselelementen, benötigt King hier nicht lange, um gewisse Sympathieträger herauszuschälen und diese nicht nur mit Jamies Gabe zu konfrontieren. Tatsächlich bringt der Autor subtil Themen wie die Korruption innerhalb der amerikanischen Polizei, Alkoholismus. Drogen und Inzest unter, verlangt dabei seiner Leserschaft Einiges ab, zumal hier die Konzentration auf Weniger der Geschichte gut getan hätte.

Diese hätte ein paar hundert Seiten mehr vertragen können, gleichzeitig aber ist man dann doch froh, nur diese wenigen durchstehen zu müssen. Wahrscheinlich wäre hier ein Mittelweg angebracht gewesen. Hier wollte der Autor zu viel, auf zu geringer Seitenzahl. Themen werden nicht auserzählt, sind vielmehr Grundlagenelemente des Handlungsstrangs, der konsequent aus Jamies Perspektive fortgeführt wird. Das Ende wirkt gezwungen.

Ob das an der Übersetzung liegt, müssen Andere entscheiden. So aber wirkt die Erzählung halbgar. Lesbar? Ja. Aber nichts, was man nicht unbedingt muss.

Autor:

Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Vor allem für seine Horror-Romane bekannt, gilt er als einer der kommerziell erfolgreichsten und meistgelesenen Gegenwartsautoren. Er studierte Englisch und arbeitete kurze Zeit als Lehrer, verkaufte bereits Kurzgeschichten und veröffentlichte 1973 seinen ersten Roman. Weitere folgten, die in mehreren Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt wurden. Stephen King wurde für sein Werk ausgezeichnet, u. a. mehrfach mit dem Bram Stoker Award.

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Francois Conrad: Warum Deutsch bellt und Französisch schnurrt

Inhalt:

Warum klingt Deutsch so (schön) hart, Englisch vornehm und Französisch so wahnsinnig charmant? Alle, die gern auf Reisen sind, haben sich diese Fragen bestimmt schon einmal gestellt. Begleiten Sie unsere Protagonisten Horst und Strumpf auf ihrer großen Europareise und entdecken Sie Unterhaltsames zur deutschen Aussprache im europäischen (Sprach-)Vergleich. Woran liegt es, dass “Banane” leichter auszusprechen ist als “Schnaps”? Und was hat es mit dem Knacklaut im Deutschen auf sich? Gehen Sie mit uns auf eine spannende Sprach- und Erkenntnisreise! (Klappentext)

Rezension:

Schon Mark Twain philosophierte über die schwere Erlernbarkeit der deutschen Sprache. Auch heute gilt sie als Herausforderung für die jenigen, die die Geheimnisse dieser ergründen wollen. Andere Sprachen, so scheint es, sind dabei einfacher zu lernen, zu sprechen sowie so und hören sich auch angenehmer an? Doch, woran liegt das? Weshalb wird Deutsch oftmals mit dem Bellen eines Schäferhundes verglichen, wogegen man dem Italienischen einen besonders melodischen Klang nachsagt? Der Sprachwissenschaftler Francois Conrad unternimmt einen Erklärungsversuch in Form einer fiktiven Sprachreise, quer durch Europa.

Sprachen unterliegen einem stetigen Wandel, haben gemeinsame Familien und grenzen sich im Laufe der Geschichte sehr schnell voneinander ab. Merkmale bilden sich heraus, verschwinden. Zudem bedienen sich Sprachen Begriffen aus anderen und machen sich diese zu Eigen. Wie funktioniert das genau? Worin liegen Vor- und Nachteile für Hörende und Sprechende? Weshalb etwa gelingt es Franzosen auf Biegen und Brechen nicht, ein H auszusprechen? Weshalb versuchen wir im deutschen Namen so auszusprechen, wie sie im Original lauten, während in anderen Ländern ein Name konsequent der Sprachgewohnheit untergeordnet wird?

In kurzen verständlichen, doch ständige Konzentration fordernde Kapitel, stellt der autor hier dar, weshalb dies so ist und warum das vermeintlich hart klingende Urteil über unsere Sprache nichts unbedingt mit unserer jüngeren Geschichte zu tun hat. Er zeigt Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu anderen Sprachen auf, lässt seine Protagonisten diese anhand einfacher Beispiele erläutern und lädt zum Mitsprechen ein. Weshalb gehen im Französischen Wörter nahtlos ineinander über und was hat das luxemburgische Eichhörnchen für Vorteile, wenn es sich aus zwei Sprachen bedient?

Hintereinander weglesen empfiehlt sich nicht, da trotz des geringen Umfangs viel Information untergebracht wurde. Zwar hilft die Form einer fiktiven Geschichte die Thematik nicht ganz so trocken erscheinen zu lassen, doch muss man alle Konzentration aufbieten, um nicht durcheinander zu komemn und steht damit fast vor dem gleichen Problem, wie ein Sprachlernender. Trotzdem, wer sich für Linguistik, für Phonetik interessiert, sei dieses Buch zum Einstieg einmal empfohlen. Unsere Sprache und auch, dass andere Sprachen vielleicht schöner klingen, jedoch auch ihre Vor- und Nachteile haben, sieht man dann vielleicht mit anderen Augen.

Autor:

Francois Conrad ist Sprachwissenschaftler an der Leibniz Universität Hannover. In Luxemburg aufgewachsen, studierte er ebendort, sowie in Bamberg und Prag Sprachwissenschaften. Im Jahr 2019 wurde er Norddeutscher Science Slam Meister und Deutscher Vize-Meister. Aktuell beschäftigt er sich mit dem Mythos um das “beste” Hochdeutsch in Hannover

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Petra Reski: Als ich einmal in den Canal Grande fiel

Inhalt:

Der Fischer, der Opernarien schmettert. Der Conte, der gegen die Gondelserenaden kämpft. Der Gemüsehändler, der inmitten von Touristenströmen um seine Existenz bangt. Petra Reski kennt sie noch, die alten Venezianer und die Geheimnisse dieser Stadt, sie zeichnet ein wehmütiges Bild von Venedig, dessen Ausverkauf an den reinen Kommerz beschlossene Sache zu sein scheint. Ihr Buch ist ein leidenschaftlicher Erfahrungsbericht aus dem Sehnsuchtsort Venedig – der fasznierendsten Stadt der Welt. (Klappentext)

Rezension:

“Siamo solo quattro gatti.”, wir sind nur noch vier Katzen, raunen sich die Alteingesessenen mitunter zu, wenn sie sich begegnen. Immer weniger gibt es von ihnen, in der Lagunenstadt Venedig, in der das Leben immer teurer wird, traditionsreiche Geschäfte zugunsten der Touristenmassen verschwinden. In einem Schaufenster einer Apotheke wird die stets sinkende Einwohnerzahl angezeigt. Nie werden es mehr.

Da, um die Ecke, wurde wieder eine Wohnung aufgegeben, um es in ein Airbnb zu verwandeln, die Stadtoberen verscherbeln derweil Palazzo um Palazzo oder versenken Milionen von Euro in zweifelhaften Bauprojekten. Es ist ein bitterer Blick auf eine Stadt, die dem Untergang geweiht scheint, den die Journalistin und Autorin Petra Reski hier aufzeigt, eine, die sich 1989 für eine Reportage nach Venedig kam, sich verliebte und blieb.

Sie kennt sie noch, die Gemüsehändler, die Handwerker, die Gondolieri, die Fischer, die von der Politik auf das Festland verdrängt werden. Tourismus als Allheilmittel, die bröckelnden Bauten als Fassade, die alten Einwohner, sie stören dabei nur. Die Autorin nimmt ihre Leserschaft mit, durchstreift enge Gassen und Kanäle, fällt dabei auch schon mal ins Wasser. Sie erzählt von ihren Lieben, die Lagune selbst und dem Venezianer, der die Geschichte der Stadt in jedem Holzbalken, in jeder Fliese sieht, und von den Problemen, die kein Tourist sehen kann. Für den ist Venedig längst das Disneyland Italiens.

Bei aller Liebe herrscht der journalistisch kritische Blick vor. Reski beschreibt alle Fascetten des Lebens in der Lagunenstadt und ihre Annäherung an ihre Bewohner. Viele Aspekte werden aufgeführt, Bauprojekte gezeigt und vor allem geschildert, wie Venedig über Jahrzehnte, erst schleichend, dann immer schneller, dem Kommerz zum Opfer gefallen ist. Nach der Lektüre wird man kaum mehr dorthin reisen können, zumindest nicht ohne Bedenken oder anderen Blick als der Otto-Normal-Tourist. Es ist ein melancholischer, verletzlicher Zustandsbericht, der hier vorliegt. Von Kapitel zu Kapitel streifen wir durch Kanäle, Straßenzüge, Plätze und Stadtviertel und begegnen venezianischen Originalen und allen, die sich dafür halten.

Das alte Venedig ist arg bedroht. Plätze, fernab der Touristenmassen gibt es nicht mehr. Restaurants und Bars, die die traditionellen Gerichte der Venezianer anbieten, passen sich dem Massengeschmack an oder müssen schließen. Die Politik macht ihren Bürgern das Leben schwer und zwingt sie in Trabantenstädte. Die letzten Venezianer kämpfen einen fast aussichtslosen Kampf voller Hürden. Petra Reski gibt ihnen eine Stimme und erzählt davon.

Autorin:

Petra Reski wurde 1958 geboren und ist eine deutsche Journalistin und Autorin. Nach ihrem Studium der Romanistik und Sozialwissenschaften in Trier, Münster und Paris besuchte sie die Henri-Nanneen-Schule und begann 1988 als Redakteurin im Auslandsresort des Magazin Stern zu arbeiten. Seit 1991 lebt sie in Venedig und schreibt für deutschsprachige Magazine. Über die Mafia schrieb sie mehrere Reportagen, vor allem aber Romane, um juristischen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Emma-Journalistinnen-Preis 2010.

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Torbjorn Ekelund: Mein Sohn und der Berg

Inhalt:

August ist sieben Jahre alt, als sein Vater Torbjorn Ekelund ihn auf eine erste große Tour in die Natur mitnimmt. Mit Rucksack und Zelt wandern sie durch magische Kiefernwälder und über felsige Pfade. Ihr Ziel: ein Berggipfel südwestlich von Oslo.

Dabei folgen sie den Spuren eines kleinen Jungen, der 122 Jahre zuvor auf der Route verschwunden ist. Ekelund sucht nach einer Erklärung, was damals passiert sein könnte und beobachtet fasziniert, wie spielerisch sein Sohn sich durch die Landschaft bewegt. Ein zärtlicher Text über unsere Verbundenheit mit den Elementen und die Beziehung zwischen Vater und Sohn. (Klappentext)

Rezension:

In der Nähe von Norwegens Hauptstadt Oslo liegt die kleine, aber doch zerklüftete und immer wieder Überraschungen bereithaltende Gebirgslandschaft des Skrim. Es ist nicht die größte unter den skandinavischen Naturlandschaften, doch betritt man sie, ist man in mitten einer der letzten ursprünglichen Gegenden Nordeuropas. Vor mehr als hundert Jahren spielte sich dort eine der schlimmsten Katastrophen ab, denen Eltern ausgesetzt sein können. Der norwegische Journalist Torbjorn Ekelund begab sich nun auf Spurensuche.

Es ist der Bericht einer faszinierenden Wanderung, die Beschreibung einer Vater-Sohn-Erfahrung und ein Stück nahezu unbekannter Geschichte, die uns hier erzählt wird. Einfühlsam nimmt der Autor seine Leserschaft mit auf eine Reise, die doch nur ein paar Tage andauert, doch deren Strapazen man beim Lesen förmlich selbst in den Knochen spüren wird.

Torbjorn Ekelund lässt sowohl die zuweilen unbarmherzige Natur des Skrim vor den Augen entstehen, nimmt uns zugleich jedoch mit, wenn er die Geschichte des kleinen Hans Torske erzählt, dabei selbst immer auf seinem Sohn ein wachsames Auge hat, der ihn auf die Reise begleitet und die Welt durch Kinderaugen erleben lässt. Für diesen ist es ein Abenteuer zwischen Vater und Sohn, mitten in der Natur. Jeder Stein wird umgedreht, jeder Stock inspiziert. Für den Vater geht es auch um die Erfahrung? Was geschah mit dem Jungen, in dem Alter seines Sohnes? Warum verirrte er sich? Was macht die Natur mit den Menschen?

Es ist ein liebevoller Bericht ohne mahnende Zeigefinger, wenn es um die Schönheit des Naturerlebnisses oder das Aufwachsen von Kindern in heutiger Zeit geht, gleichzeitig natürlich ein Gedenken an ein Stück Geschichte, welche sonst auch innerhalb der Region vor den Toren Oslos verloren ginge. Diese kleinen Erfahrungs-, Reisebericht wird man gerne lesen, nicht unbedingt erforderlich zwar, aber es schadet zumindest nicht. Nur ein Wermutstropfen bleibt. Eine Karte der Wanderung oder zumindest der Landschaft hätte gut als Ergänzung gewirkt.

Autor:

Torbjorn Ekelund wurde 1971 geboren und ist ein norwegischer Journalist und Autor. Er schreibt u. a. für die norwegische Zeitung Dagbladet und ist Mitherausgeber eines kleinen unabhängigen Buchverlags. Er begründete ein Onlinemagazin mit und veröffentlichte mehrere Bücher, die bereits in mehreren Sprachen erschienen sind.

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Christa von Bernuth: Tief in der Erde

Inhalt:
Ein entführtes Mädchen. Ein Grab im Wald. Und ein Dorf, das bis heute schweigt.

Oberbayern, 1981: Die zehnjährige Annika Schön ist mit dem Fahrrad auf dem Heimweg, doch sie kommt nie zu Hause an. Nach Tagen des qualvollen Wartens macht die Polizei einen erschütternden Fund…

In ihrem True-Crime-Roman, inspiriert von einem spektakulären Fall, der die Republik erschütterte, begibt sich Christa von Bernuth auf die Suche nach der Wahrheit. (Klappentext)

Rezension:
Als im Jahr 1981 ein kleines Mädchen auf ihrem Nachhauseweg entführt wurde, ahnte niemand, dass sich der Vorfall später zu einem der rätselhaften und unheimlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte entwickeln sollte. Das Kind wurde nur wenig später tot aufgefunden. Der Prozess der Aufarbeitung dauert bis heute an.

Ich höre nichts außer meinem eigenen panischen Keuchen, einem kläglichen, heißeren Stöhnen, das nicht zu mir zu gehören scheint. Ich versuche mich zu bewegen und stoße mit dem Kopf, mit dem Rücken und mit der linken Schulter auf etwas Hartes, aber doch nicht so hart wie Beton. Holz.“

Christa von Bernuth: Tief in der Erde

Zu viele Personen haben sich an den Ermittlungen beteiligt. Noch immer gibt es ungeklärte Fragen oder zumindest solche, die Zweifel am Tatgeschehen erkennen lassen. Der Versuch, einen solch polarisierenden Fall zu fiktionalisieren, ist ein schmaler Grad, der selten genug gut gelingt.

Die Journalistin und Autorin hat dies dennoch gewagt und so ist aus der Idee einer Reportage um den Fall Ursula Herrmann ein packender Kriminalroman entstanden, der nicht nur seinen Protagonisten den Atem nimmt. Das Tatgeschehen abgeändert, die Personenanzahl verdichtet, entwickelte die Autorin einen spannenden Handlungsbogen, der über zwei Zeitebenen die Leserschaft mitnimmt.

Das unmittelbare Geschehen vor und nach der Entführung bildet das Grundgerüst der Geschichte und nimmt dabei die Lesenden mit in den kleinen Ort in Oberbayern, in dem danach nichts mehr so sein sollte, wie zuvor.

Hier konzentriert sich die Autorin auf die aufreibende Ermittlungsarbeit, deren Schwierigkeiten und Fallstricke sie verarbeitet, wie auch die zum Himmel schreiende Verzweiflung der Angehörigen. Von Bernuth spielt gekonnt mit den Emotionen der Leserschaft. Man kann dies jedoch auch beinahe dokumentarisch lesen. Wer sich nur ein wenig mit dem Tatgeschehen auskennt, weiß Wahrheit und Fiktion mühelos zu unterscheiden.

Der darauf aufbauende Handlungsstrang verfolgt die Protagonistin Julia Neubacher, die als Gerichtsreporterin einer regionalen Zeitung den wieder aufgerollten Prozess zwanzig Jahre später verfolgt. Ihre Beobachtung und Interaktion mit dem inzwischen erwachsenen Bruder des Opfers treiben die Handlung beider Linien voran und verdichten sich zu einem immer schneller verlaufenden Geschehen, welches selbst Julia nicht unberührt lässt.

Hier sind vor allem die Parallelen zur Autorin Christa von Bernuth spannend, die selbst als Journalistin den Fall in einer Reportage aufarbeiten wollte und dabei alle Recherchemöglichkeiten nutzte, die ihr zur Verfügung standen.

Dies verwebt sie gekonnt in ihrem Roman, in dem selbst die Nebenfiguren nicht konturlos bleiben und gekonnt eingesetzt werden, um die Handlung voranzutreiben oder die Gefühlswelt und Verzweiflung zu verdeutlichen, in der die unmittelbare Umgebung des Opfers sich befindet.

“Hey Frosch.”
Er ist zusammengezuckt, weil die Stimme wie aus dem Nichts kam.
“Hey Frosch. Glück gehabt.”

Christa von Bernuth: Tief in der Erde

Im Genre True Crime ist „Tief in der Erde“ eine der Geschichten, die funktionieren und dabei einladen, selbst zu recherchieren. Was waren der Antrieb, das Motiv, die Beweggründe der Täter? Wer war das überhaupt? Was macht solch ein Schlag mit den Angehörigen? Bis hin zur Frage, wie Kompetenzgerangel die Ermittlungsarbeit zum Negativen beeinflussen kann, all dies berücksichtigt die Autorin in ihrem packenden Roman.

Ein Fall, der tiefe Wunden gerissen hat, die nie vollständig verheilen werden, wurde hier spannend verarbeitet und wird die Lesenden immer mehr für sich einnehmen. Das bleibt so, bis zur letzten Zeile. Eine unbedingte Leseempfehlung gibt es dafür.

Hintergrund:

Christa von Bernuth über ihren Roman “Tief in der Erde”. (Buch-Trailer des Verlags)

Die Vorlage: Der Fall Ursula Herrmann (Wikipedia.de)

Autorin:

Christa von Bernuth ist eine deutsche Schriftstellerin und Journalistin. Sie wurde 1961 geboren und hat nach ihrem Abitur in Schondorf am Ammersee in München Germanistik und Französisch studiert, arbeitete nach ihrer Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München für diverse Zeitschriften und Magazin.

1999 veröffentlichte sie ihren ersten Kriminalroman. Mehrere ihrer Werke wurden bereits fürs Fernsehen verfilmt und in einige u. a. Ins Schwedische, Niederländische und Russische übersetzt. Zudem arbeitet von Bernuth für das Magazin Echte Verbrechen. Mit ihrer Familie lebt sie in München.

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