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Rita Mielke: Als Humboldt lernte, Hawaiianisch zu sprechen

Inhalt:

Seit Jahrhunderten haben sich Abenteurer, Missionare und Forscherinnen aufgemacht, um unbekannte Welten zu entdecken. Der Naturforscher Georg Forster landete auf Tahiti. Die sprachwissenschaftlerin Luise Hercus lernte die Kultur der Aborigines in Australien kennen. der Kaufmann Isaac reiste im Auftrag Karls des Großen ins ferne Bagdad. Und immer begegneten die Weitgereisten dort Menschen, mit denen sie sich nicht verständigen konnten.

Doch neugierig und einfallsreich, wie sie waren, gelang es ihnen, mit ihrem Gegenüber ins Gespräch zu kommen. Dieses Buch handelt vom Sprechen und Zuhören, von pantomimischen Gesten, von handgeschriebenen Wortlisten und Grammatiken – und immer wieder von der Begegnung unterschiedlicher Welten und dm Zauber der Sprache. (Klappentext)

Rezension:

Man kann über alles reden. Vorausgesetzt, man hat oder findet eine gemeinsame Sprache. Außerhalb ihrer Heimat stießen Menschen seit jeher an die Grenzen der Fähigkeit zur verbalen Kommunikation. Mit ihrer Sprache kamen sie irgendwann nicht weiter. Die Sprache des Gegenüber beherrschten sie nicht und waren ihrer größten Möglichkeit beraubt, einander ihre Gedanken, Gefühle, Fragen oder Wünsche auszudrücken. Der Fähigkeit zur Kommunikation, dieses kostbaren Rohstoffs beraubt, war dies nicht nur ärgerlich, sondern bedeutete eine tiefgehende Kränkung.

Die großen Forschungs-, Handels- und Entdeckungsreisende vergangener Jahrhunderte, die diese Erfahrungen machten, mussten andere Wege finden, sich auszudrücken. Die sprachwissenschaftlerin und Autorin Rita Mielke erzählt von ihnen, sowie von dramatischen Begegnungen und Schicksalen und Biografien jener, die Strategien zum Erlenen neuer Sprachen finden mussten und dabei ein enorm kreatives Potenzial freisetzten, um einander zu verstehen.

In 42 Kapiteln berichtet die Autorin vom Gegenüber der elaborierten Sprachen der alten Welt, gegenüber jenen unbekannten, zu denen zunächst der Zugang fehlte. Kurz jeweils, werden die Biografien jener umrissen, deren Sprache Gegenstand des jeweiligen Kapitels ist, immer auch mit Kartenmaterial versehen und nicht zuletzt einer hübschen Übersicht ausgewählter eingewandeter Wörter, sowohl aus z. B. der deutschen Sprache in die jeweilige andere, als auch umgekehrt. So nutzen wir etwa, etwas abgewandelt, das tonganesische tapu als Tabu, die Maori das Wort aihanapana, was nichts anderem als dem deutschen Begriff Eisenbahn entspricht.

Sprache ist aber immer auch, so die weitere Darstellung der Autorin, eng mit der Geschichte und den Schicksalen derer verknüpft, die sie nutzen, nicht zuletzt nimmt sie nicht selten sehr eigentümliche Wege. Viele von ihnen, die es noch vor ein paar hundert Jahren gab, sind heute arg bedroht oder können nur noch in Bruchstücken vor dem Aussterben bewahrt werden. Andere existieren nur mehr in Form von Wortlisten, seltener noch als Tonaufzeichnung.

Rita Mielke lädt ein, zu einer Reise durch die Welt der Sprachen, heftet sich an die Fersen großer Entdecker und längst vergessener Namen, deren sehnlichster Wunsch es war, ihr Gegenüber zu ver verstehen und miteinander zu kommunizieren. Die Tragik mancher damit so eng verknüpfter Biografien wird eben so dargestellt, wie das Wissen um Sprache, und warum es so wichtig ist, diese zu bewahren. Das geschieht kurzweilig anhand übersichtlicher Kapitel.

Das grafisch aufwendig gestaltete Werk lädt zum Stöbern ein, aber auch zum Hintereinanderweglesen, wobei Konzentration wichtig ist. Sehr viel Informationsmaterial versteckt sich in den manchmal so unscheinbar wirkenden Texten. Dioe Autorin hat hier ein Sammelsurium zusammengestellt, welches sicher nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, aber Achtung zeigt vor jenen, die längst vergessene oder stark bedrohte Sprachen gesprochen haben und jenen, die verstehen wollten.

Dabei werden nicht nur die Beweggründe der Entdeckenden dargestellt, sondern auch immer einzelne Lebensläufe der jeweilig Sprechenden herausgestellt, um so ein Andenken zu schaffen, bevor auch deren Sprachbegegnung in Vergessenheit zu geraten droht, auch wie genau die Entdecker und Forschungsreisende etwa Sprachen erlernten, wenn deren Gegenüber die eigene nicht sprach.

Die Sammlung reiht sich positiv in die Lexika-Reihe des Duden-Verlags ein und lädt ein zum Stöbern und Entdecken, auf dass die nächste Begegnung mit Menschen, die der eigenen Sprache nicht mächtig sind, mit anderen Augen gesehen, einander zu verstehen noch mehr wertgeschätzt wird. Wenn diese Publikation dazu einen Beitrag leisten kann, hat sie ihr Ziel erreicht.

Autorin:

Rita Mielke ist Autorin und Sprachwissenschaftlerin beim Duden-Verlag.

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Roman Deininger/Uwe Ritzer: Die Spiele des Jahrhunderts

Inhalt:

Raus aus den Schatten der NS-Zeit, den Wiederaufbau geschafft – 1972 herrscht Aufbruchsstimmung und die Olympischen Spiele in München sollen der Welt das neue, lässige Deutschland zeigen. Als ein Fest der Demokratie, als Gegenentwurf zur martialischen Propaganda 1936 in Berlin. Unter den verwegenen Zeltdach verkörpern Schwimmer Mark Spitz, die junge Gold-Springerin Ulrike Meyfarth und die Sprinterin Heide Rosendahl mitten im Kalten Krieg den Traum vom friedlichen Miteinander. Dann setzt palästinensicher Terror alledem ein grausames Ende. Doch: “The Games must go on.”

Roman Deininger und Uwe Ritzer erzählen eine große Geschichte, die beinahe 100 Jahre umfasst und sich in den beiden Wochen der Olympischen Spiele dramatisch verdichtet. Virtuos und höchst unterhaltsam entfalten sie das funkelnde Panorama einer ganzen Epoche. (Klappentext)

Rezension:

Als am 05. September Attentäter das Gelände des olympischen Dorfes stürmten und Mitglieder der israelischen Mannschaft in Geiselhaft nahmen, die Befreiung dieser aufgrund eines mangelhaften Sicherheitskonzeptes dramatisch scheiterte, schien die Welt für einen Moment stillzustehen. Deutschland hielt den Atem an. Heitere Spiele hatten es sein sollen, schon die Architektur des Stadions ein kompletter Gegenentwurf zum architektonischen Brutalismus von Berlin 1936.

Zunächst ging diese Rechnung der Organisatoren auch auf. Dramatische Duelle zwischen Sportlern und Sportlerinnen zweier Systeme waren zu bestaunen, im Fernsehen zum ersten Mal in Farbe. In der Politik riecht es nach Aufbruch. Die Blokaden der Olympischen Spiele der Achtziger Jahre waren noch nicht zu erahnen, die Kommerzialisierung des Sports und Dopingskandale noch kleinteilig. Doch, 27 Jahre später kamen wieder Juden auf deutschem Boden ums Leben. Die Journalisten Roman Deininger und Uwe Ritzer begaben sich auf Spurensuche. Was bleibt von den Spielen, die Aufbruch signalisieren sollten und zum Fest am Abgrund wurden?

Wer die Ereignisse der Olympischen Spiele 1972 verstehen und im historischen Kontext einordnen möchte, muss zurückblicken. Die beiden Autoren tun dies und beginnen mit den Ereignissen um 1936, die zur Orientierung der Organisatoren werden sollten, wie man Deutschland keinesfalls der Welt präsentieren wollte. Alles sollte anders werden und so heften sich die Journalisten mithilfe einer Reihe von längeren Interviews und Archivmaterial an die beteiligten Personen der Spiele der Bundesrepublik, um so flirrende Wochen des Sports wieder aufleben zu lassen.

Deininger und und Ritzer zeigen, wie es den Organisatoren gelang, die Olympischen Spiele nach München zu holen und wie zum letzten Mal mehrheitlich AmateursportlerInnen, nicht Profis, gegeneinander antraten, auch im Wettstreit zweier Systeme. Dabei ist das beschriebene Ende nicht das Attentat selbst oder eben die gescheiterte Befreiung der Geiseln, sondern der Ausblick auf die Zeit nach Olympia mit den Folgen von 1972.

Vor dem geistigen Auge lassen die Autoren legendäre Zweikämpfe, kleine und manchmal große Dramen und Momente wieder auferstehen. Sie schaffen es, selbst jene in den Bann zu ziehen, die nicht unbedingt sportbegeistert sind (mich), um so mehr wird das dann ebenfalls beschriebene Drama des Attentats deutlich. Immer wieder geben Deininger und Ritzer Einblicke in die Psyche der Athleten, Angehörigen und Organisatoren, zeigen Widersprüche zu den Ansprüchen auf, mit denen sich nicht nur die Politik, auch und insbesondere das Internationale olympische Komitee konfrontiert sah.

Eine detailreiche Übersicht der Ereignisse ist dies, die sich jedoch nicht im Kleinklein verliert und einen entscheidenden Moment auch deutscher Geschichte festhält. Aufgrund des Entlanghangelns anhand einzelner Biografien haben die Journalisten hier verdeutlicht, wie sehr die Olympischen Spiele 1972 zum Brennglas von Ereignissen überall auf der Welt wurden und warum ausgerechnet in München der größte anzunehmende Alptraum Realität wurde. Aufgelockert ist dies mit einem Bildteil zu Beginn eines jeden Kapitels, fassbar durch die abschnittsbezogene Gestaltung des Textes, der gar nicht anders kann als unter die Haut zu gehen.

In München trafen die Welt, die Freude und der Tod aufeinander. Roman Deininger und Uwe Ritzer über dies und was daraus folgte.

Autoren:

Roman Deininger wurde 1978 in Ingolstadt geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Nach einem Studium der Politischen Wissenschaft, Amerikanischen Kulturgeschichte und Theaterwissenschaft in München, begann er 2004 ein Doktoratsstudium der Politikwissenschaft mit Forschungsaufenthalten in den USA. Nach seiner Dissertation wurde er 2009 in Wien promoviert und arbeitete als freier Jorunalist für verschiedene Zeitungen und Magazine, seit 2007 für die Süddeutsche Zeitung in verschiedenen Positionen. Er veröffentlichte eine vielbeachtete Biografie Markus Söders und erhielt dafür 2017 den Theodor-Wolff-Preis.

Uwe Ritzer wurde 1965 in Franken geboren und ist ein deutscher Journalist. Nach einem Volontariat bei den Nürnberger Nachrichten war er von ^993 bis 2004 Lokalredakteur bei dem Weißenburger Tagblatt, ab 1998 freier Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung. mit investigativen Recherchen, etwa zur Schmiergeldaffäre Siemens, erlangte er größere Bekanntheit und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Nannenpreis, den Wächterpreis und 2013 mit den Helmut-Schmidt-Journalistenpreis.

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Kurzblick: Thriller goes Graphic Novel – Frank Schmolke und Sebastian Fitzeks “Der Augensammler”

Von den einen Kritiker werden die Bücher dieses Autoren regelmäßig in die Tonne gekloppt, für mich waren sie der Zugang zu einem Genre, welches ich vorher nicht einmal mit der Kneifzange angefasst hätte. Davor gab es für mich nur entweder Romane und Erzählungen oder Sachbücher. Krimis und Thriller kamen erst mit den Büchern von Sebastian Fitzek hinzu und werden heute von mir sehr gerne und regelmäßig gelesen. Begonnen hat es bei mir mit seinem Werk “Das Kind”, welches ich lesen wollte, bevor der gleichnamige Kinofilm zu sehen war, der als nettes Gimmick einen Abspann mit einer Länge jenseits von Gut und Böse hatte, da sich in einer Aktion Fans dort haben eintragen lassen können und so ist dann auch mein Name dort zu finden.

Es hatte dann auch keinen anderen Grund, bis zum Ende dieses Abspanns im Kino sitzen zu bleiben, für einen Film, den man ansonsten das Low Budget Label ansieht, wenn auch mit Christian Traeumer damals ein hervorragender Kinderdarsteller gefunden wurde. Mittlerweile funktioniet das Gesamtpaket Fitzek, Gott sei Dank, nicht nur zwischen den Buchdenkeln, sondern auch auf der Leinwand. Die danach erschienenen Verfilmungen waren insgesamt stimmiger und haben bisher viel besser funktioniert. Das Buch, der Thriller “Das Kind”, ist dennoch sehr lesenswert.

Da Sebastian Fitzek jedoch sehr umtriebig ist und für viele Ideen offen, ist man nun den nächsten Schritt gegangen und hat nun einen anderen, ebenfalls sehr spannenden Thriller einmal grafisch umgesetzt. Der Zeichner Frank Schmolke zeichnete in düsteren Farben die Geschichte des Augensammlers nach, der Frau und Kind verschwinden lässt, das Boulevard in Aufruhr versetzt und mit seinen Ultimaten Berlin in Atem hält. Und den Ex-Polizisten Alexander Zorbach, der zusammen mit Alina Gregoriev, einer blinden Physiotherapeutin, im Gegensatz zur Polizei, die einzige brauchbare Fährte hat. Doch Zorbach, nun als Polizeireporter tätig, steckt da bereits tiefer drin, als ihm lieb ist.

Berlin, der Schauplatz vieler Geschichten von Sebastian Fitzek. (@Splitter-Verlag)

Mehr möchte und kann ich von der Handlung nicht verraten, auch wenn ich gerne mehr erzählen würde. Über den Zeichenstil von Frank Schmolke, der die Geschichte sowohl von den Farbtönen als auch von den Bildern her interessant umgesetzt hat, lässt sich dafür um so mehr sprechen. Vergleichsweise farbenfroh hat der Zeichner den Auftakt von Fitzeks Geschichte umgesetzt, wenn auch schon auf den ersten Seiten starke Kontraste wirken. Die Bilder, die beim Lesen des Thrillers im Kopf hängen bleiben, und es ist hier auch schon ein wenig her, dass ich das “Original” gelesen habe, wurden hier umgesetzt. Jede Szene hat ihren eigenen “Grundton” und ganz düster ist hier fast grau-schwarz. Wer also die Graphic Novel sich abends zu Gemüte führen sollte, müsste einmal für ausreichende Beleuchtung sorgen, sonst könnte das für die Augen vielleicht etwas zu anstrengend wirken.

Einige Figuren habe ich mir etwas anders vorgestellt, als sie in der Vorstellung von Frank Schmolke existieren. Es ist jedoch so, dass ich mit dieser ganz gut leben kann. Da trifft es sich dann auch, dass sowohl Sebastian Fitzek diese Geschichte weiter geschrieben hat, als auch Frank Schmolke am Ende durchaus das Fernglas (dieser Ausdruck ist jetzt bewusst gewählt) für eine Fortsetzung als Graphic Novel offen lässt. Das wäre zumindest mein Wunsch.

Zuletzt, hat es denn funktioniert, einen Thriller als Graphic Novel zu adaptieren? Ein klares -Ja- von mir. Über die hervorragende Farb-, Papier- und Bindungsqualitä des Splitter-Verlags brauchen wir auch nicht zu sprechen. Die ist gegeben. Aufpassen sollte man dennoch, zumindest wer die limitierte und durchnummerierte Ausgabe haben möchte. Die ist auf 1000 Exemplare beschränkt enthält Zusatzmaterial und einen exklusiven Kunstdruck von Frank Schmolke und zum Zeitpunkt dieses Beitrages verlagsvergriffen. Die “einfache” Ausgabe, unten verlinkt, sollte aber inzwischen zu haben sein, wenn sie auch in meiner Stammbuchhandlung ebenfalls verspätet angeliefert wurde. Für Thriller-Fans, aber auch sonst, einen Blick wert. Oder auch zwei. Mit den Augen, die man so hat.

Sebastian Fitzek:

Sebastian David Fitzek wurde 1971 in Berlin geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Er arbeitet in der Programmdirektion eines Berliner Radiosenders und studierte Jura bis zum ersten Staatsexamen. Er promovierte in Urheberrecht und arbeitete als Programmdirektor für verschiedene Radiostationen Deutschlands. 2006 erschien sein erster Psychothriller “Die Therapie”, welches promt ein Bestseller wurde und als bestes Krimi-Debüt für den Friedrich-Klauser-Preis nominiert wurde. 2012 wurde sein Roman “Das Kind” verfilmt. Merkmale seiner Bücher sind bestimmte Gimmicks zu seinen Büchern, wie wieder auftauchende Personen oder Extras in Form von Links oder Videos, auch sucht er Wege abseits der üblichen Wasserglas-Lesungen. 2016 feierte Fitzek zehnjähriges Autorenjubiläum. Seine Bücher werden für’s Theater adaptiert, eine weitere Verfilmung ist in Arbeit. Fitzek wird in 24 Sprachen übersetzt.

Frank Schmolke:

Frank Schmolke wurde 1967 in München geboren und ist ein deutscher Illustrator, Maler und Comic-Zeichner. 1994 begann er als Zeichner in einer Agentur zu arbeiten, seit 1999 ist er freiberuflich tätig. Schmolke ist Mitbegründer der Münchner Comicmagazine Tentakel und Comicaze und publizierte in seinem eigenen Verlag “Edition Spaceboy” seit 1994 eigene Comics, arbeitet zudem zusätzlich für verschiedene andere Verlage und u. A. im Bereich 3D-Animationsfilm. 2019 wurde er mit den Rudolph-Dierks-Award ausgezeichnet.

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Peter James: Roy Grace 14 – Er will dein Ende

Inhalt:

Schon seit längerem läuft es für Kipp Brown richtig schlecht. Er ist zwar ein erfolgreicher Geschäftsmann, aber auch ein lausiger Roulettespieler. Deshalb hätte das Fußballspiel im neuen Stadion von Brighton eine schöne Abwechslung werden können. Doch genau hier beginnt sein schlimmster Albtraum. Sein Sohn wird entführt. (Klappentext)

Bücher der Reihe:

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Peter James: Roy Grace 14 – Er will dein Ende

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Rezension:

Geschichten, die wie ein TV-Krimi für Samstagabend aufgebaut sind, kranken an der Vorhersehbarkeit der Handlung und der einseitigen Ausgestaltung der Figuren, die nicht über die handelsüblichen Klischees hinauskommen. Auch das Unterbringen zahlreicher Handlungsstränge ist nicht immer vorteilhaft, zumal holzschnittartige Schreibweise nicht unbedingt dazu beiträgt, den Lesefluss immer aufrecht zu erhalten.

Zunächst zum Inhalt. Der Klappentext nimmt Bezug auf den wichtigsten Handlungsstrang, doch Peter James schöpft hier aus den Vollen und bringt praktisch so nebenbei das Wirken einer gewachsenen Parallelgesellschaft, ebenso Clan-Kriminalität und eine Bombendrohung unter, was zu Beginn mehr als wirr wirkt, doch nach und nach zu einer sinnvollen, wenn auch etwas übertreibenden Handlung zusammengeführt wird. Dabei wird diese je nach Kapitel aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, so dass mal der Autor, mal die Figuren selbst, mal wir Lesenden immer einen Schritt im Voraus sind.

Das funktioniert gut und bringt mit zunehmender Seitenzahl ordentlich Tempo in den Verlauf, führt aber auch dazu, dass Übergänge nicht selten sehr abrupt wirken und dies dem Lesefluss schadet. Zudem sind einzelne Punkte durchaus vorhersehbar. Ein großer Pluspunkt dennoch ist, dass man diesen Band auch ohne die Vorgänger zu kennen, sich zu Gemüte führen kann.

Einen Handlungsstrang weniger vielleicht, ein paar Seiten mehr und die Figuren etwas filigraner ausgearbeitet, hätten der Geschichte gut getan. Der Schreib- und Erzählstil trägt zwar zu einem gewissen Lesefluss bei, auch das Register hinten, welches einige Begriffe der britischen Polizeihierarchie klärt, ist nicht unnütz, doch schon zu oft hat man sich schon diese Krimis nach Schema F zu Gemüte geführt. Hier passiert nichts neues, so dass diese Geschichte zwar unterhält, aber das gewisse I-Tüppfelchen vermissen lässt.

Das ist vielleicht das Einzige, was sich nur ergibt, wenn man die bisher erschienen Bände kennt. Die Kennzeichnung des Verlags als Thriller wirft auch Fragen auf, eher ist dies ein Krimi mit thrillerhaften Elementen, diese sind jedoch eben sparsam gesät.

Autor:

Peter James wurde 1948 in Brighton geboren und ist ein britischer Schauspieler, Drehbuchautor, Filmproduzent und Schriftsteller. Nach dem Studium arbeitete er in verschiedenenen Jobs, danach in den 1970er Jahren als Filmproduzent und gründete eine eigene Produktionsfirma. Seit 1981 betätigt er sich als Autor, im Jahr 2005 begann er seine Arbeit an der Krimi-Reihe Roy Grace, die in mehreren Sprachen übersetzt wurde. Zudem betätigt er sich als Produzent für Theaterstücke.

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Christa Dürscheid: Wie sagt man wo?

Inhalt:

Unsere deutsche Sprache ist außerordentlich reich an Variationen in Wortwahl und Grammatik oder regionalen Ausprägungen. Wir reden von Schuhbändeln, Schuhsenkeln oder Schuhriemchen. Wir schreiben Soße, Sosse oder Sauce und sagen, je nach lokaler Verortung, “Ich erinnere sie gut” oder “Ich erinnere mich gut an sie“.

Hat’s noch mehr solcher Beispiele? dieses Buch sammelt über 300 anregende Einblicke in sprachliche Phänomene und zeigt, wie vielfältig das Deutsche im Gesprochenen, im Geschriebenen und über Grenzen hinweg sein kann. (Klappentext)

Rezension:

Über 500.000 Stichwörter umfasst das Universalwörterbuch der Deutschen Sprache, ergänzt mit Angaben zur Herkunft dieser, der Grammatik oder der Aussprache , hinzu kommen zahlreiche Varianten der rechtschreibung, der Wörter im Kommunikationsverhalten, des Wortschatzes und der Grammatik, die sich regional unterschiedlich gestalten kann. So ergeben sich für den einen oder anderen Begriff zahlreiche Varianten, deren Sammlung zur Sisyphosarbeit ausarten kann, doch wie kam diese überhaupt zustande? Die Sprachwissenschaftlerin Christa Dürscheid begab sich auf Spurensuche.

Was sagt ihr, wenn ihr das Endstück eines Brotlaibs meint oder den Überrest eines gegessenen Apfels benennen wollt? Seht ihr die Sache durchweg oder durchwegs positiv? Gebt ihr der Polizei eine Persons- oder eine Personenbeschreibung?

Geordnet wie ein Lexikon hat die Autorin eine handliche Übersicht einer auswahl von Begriffen und Bezeichnungen erstellt, die sich häppchenweise lesen lassen, durchsetzt mit Grafiken, die das ganze auflockern. Diese zeigen immer den gesamten deutschsprachigen Raum, einschließlich der Schweiz, Österreich und der Region der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Wissenzuwachs dabei garantiert. Die eine oder andere regionale Sprachbarriere wird geknackt.

Diese Übersicht empfiehlt sich zu verwenden, wie ein Lexikon. Hintereinander weglesen scheint auf den ersten Blick zu funktionieren, wird hier jedoch zu schnell trocken, auch mag natürlich nicht alles immer von gleichem Interesse sein. Manche Erklärungen wünscht man sich zudem ausführlicher, ansonsten könnte es passieren, dass man ins Ziel eines ABC-Schützen gerät, der einem zum Mond schießt. Möchte man doch beides nicht.

Für meine Begriffe hätte die Ansammlung von Begriffen noch ausführlicher, die eine oder andere Auflockerung mehr eingefügt werden können. Zudem hat mir das rezensionsbedingte Hintereinanderweglesen hier eher ein Bein gestellt als eine eingängige lektüre unterstützt, die es ja eigentlich sein soll. Mit Lesen a la Lexika funktioniert es besser.

Autorin:

Christa Dürscheid wurde 1959 in Kehl-Kork geboren und ist eine deutsche Linguistin. Sie lehr an der Universität Zürich, Philosophische Fakultät und hat den Lehrstuhl für Deutsche Sprache, Abteilung Linguistik inne. Nach dem Studium bis 1981 in Deutsch, Französisch und Erziehungswissenschaften in Freiburg und Köln promovierte sie 1988. Nach Gastaufenthalten in Prag und Budapest, dem Institut für Fremdsprachen der Nanjing-Universität in China, sowie weiteren Universitäten war sie Lehrbeauftragte in Köln.

Von 1999 bis 2000 war Dürscheid als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Stuttgart, danach als Hochschuldozentin für Deutsche Sprache, Literatur und ihre didaktik in Münster tätig. Nach einer Vortragsreise in Südkorea folgte sie dem Ruf der Universität Zürich. 2002 erhielt sie den Konrad-Duden-Preis. Sie forscht zur Linguistik und Syntax der deutschen Sprache, sowie zum Sprachgebrauch und der Variantengrammatik des Standarddeutschen.

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Christian Hardinghaus: Die verlorene Generation

Inhalt:

Hitlers letztes Aufgebot war minderjährig. Aufgepeitscht durch Kriegspropaganda glaubten viele Hitlerjungen, sie könnten den Endsieg noch herbeiführen und Deutschland vor dem Untergang bewahren. Als Luftwaffenhelfer, im Volkssturm und in Panzervernichtungstrupps kämpften zuletzt selbst 14-jährige als Lückenfüller und Kanonenfutter. Alleine in den letzten Kriegswochen fielen über 60.000 Kindersoldaten. Die Überlebendenden leiden bis heute an verdrängten Kriegstraumata und konnten oder wollten nie darüber sprechen. Am Ende ihres Lebens berichten dreizehn Zeitzeugen von ihren Kindheitserlebnissen während erbarmungsloser Kämpfe oder zermürbender Gefangenschaft. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

In den Trümmern des Dritten Reiches kämpften zuletzt nur noch die Jüngsten, zumeist ums nackte Überleben. Noch halbe Kinder, waren sie das letzte Aufgebot des NS-Regimes, chancenlos und auf verlorenen Posten. Die auf zerstörung getrimmte Kriegspropaganda gepaart mit der teilweise naiven Sicht Pubertierender, die sich für unverwundbar hielten, führte dazu, dass diese sowjetischen oder amerikanischen Soldaten mitunter schmerzliche Verluste zufügten.

Am Ende mussten diese entscheiden, was mit den Halbwüchsigen, die in Fantasieuniformen mit viel zu großen Stahlhelmen steckten, geschehen sollte. Nicht wenige kamen in Kriegsgefangenschaft, wo für viele sich das Grauen fortsetzte. Der Historiker Christian Hardinghaus hat sich, nach den Soldaten und Frauen im Zweiten Weltkrieg nun der dritten Gruppe, der als Kindersoldaten eingebundenen Minderjährigen angenommen. Die Geschichten dreizehn von ihnen, sind nun für die Nachwelt festgehalten.

Ein wichtiger Bestandteil der Erforschung von Zeitgeschichte ist das Festhalten von Erlebnisberichten, das Recherchieren von Tagebüchern und das Führen von Interviews. Lange war dies bei den Kindersoldaten des Zweiten Weltkriegs nicht möglich, zum Einen, da Aufarbeitungsprozesse zu weilen einseitig verlaufen, zum anderen da Verarbeitungsprozesse mitunter langwierig verlaufen. erst in jüngster Zeit wird aufgearbeitet und zugehört.

Viele Veröffentlichungen, etwa von Tagebüchern aus Kriegskindertagen, gab es in den letzten Jahren und doch wird der Gruppe, die das NS-Regime für seine Zwecke ganz zuletzt noch missbrauchte, kaum Beachtung geschenkt. Die Kinder und Jugendlichen nämlich, die im Rahmen willkürlich zusammengewürfelter Volkssturm-Einheiten gegen die Übermacht alliierter Soldaten ankämpfen musste, während um ihnen herum der Staat in seine Bestandteile zerfiel. Die Wahrnehmung der Zeitzeugen darüber, unterscheidet sich dabei zuweilen deutlich von der nachfolgender Generationen.

Christian Hardinghaus hat daher vor allem eines, Gespräche geführt, zugehört und nachgefragt. Wie in seinen anderen Werken zuvor hinterfragt er zunächst die Erinnerungskultur und wie eine Annäherung, hier an die ehemaligen deutschen Jugendlichen im Zweiten Weltkrieg gelingen kann, welche Bandbreite vor allem jahrgangsmäßig dies umfassen muss und welche Nachfragen nicht außen vor gelassen werden können.

Diese stellt er jeweils am Ende dieser so entstandenen Kurzbiografien, die vor allem die Jugendzeit der Befragten ausführlich behandeln. Eingeführt werden ihre Geschichten durch die Darstellung der jetzigen Lebenssituation, um so Zugang dazu zu finden.

Der Autor wertet dabei nicht oder hält sich zumindest großteils damit zurück, zeigt die Dynamik des NS-Terrors in Form ihrer Propaganda und jahrelanger Indoktrination, aber auch, was die Haltung der sie umgebenden Erwachsenen, ob nun Eltern, Lehrer oder Soldaten ausmachen konnte, wie zuweilen ein Schritt zur Seite Leben oder Tod bedeutete. Hardinghaus lässt die Zeitzeugen erzählen, ungeschönt nehmen diese kein Blatt vor den Mund und sprechen auch dabei die weniger bekannten Kapitel an, etwa von den Zuständen im Rheinwiesenlager für Kriegsgefangene der Alliierten.

Sachlich und konzentriert wirken die mit Fotos durchsetzten Berichte, zuweilen erstaunlich nüchtern, dann wieder ins Emotionale kippend, was vielleicht dem zeitlichen Verarbeitungsprozess geschuldet ist. Auch dieser wird immer kurz dargestellt. Die Wertung, wenn eine solche denn möglich ist, erfolgt dann durch die Lesenden, die mit Informationsgewinn aus der Lektüre gehen werden. Mit diesem Band, der aus dem Pool ausgewählter Zeitzeugenberichte entstanden ist, denen sich Hardinghaus bedienen konnte, ist das Bild abgerundet und sollte auch gelesen werden.

Ein wichtiger und zur weiteren Diskussion anregender Beitrag zur Aufarbeitung ist das, der herausgestellt werden kann, jedoch nicht für sich alleine stehen sollte. Für mein Interesse an der Thematik hätten es jedoch ruhig noch mehr Berichte sein können. Vielleicht wird ja das Bild noch durch kommende Lektüre ergänzt werden?

Autor:

Christian Hardinghaus wurde 1978 in Osnabrück geboren und ist ein deutscher Historiker, Schriftsteller und Fachjournalist. Nach seinem Studium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft (Film und TV) promovierte er an der Universität Osnabrück im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung. Im gleichen Jahr absolvierte er den Lehrgang Fachjournalismus an der Freien Journalismusschule. 2016 erwarb er zudem den Abschluss für das gymnasiale Lehramt in den Fächern Deutsch und Geschichte. Er ist Autor zahlreicher Sachbücher und Romane. Hardinghaus lebt in Osnabrück.

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Michael Tsokos: Paul Herzfeld 3 – Abgetrennt

Inhalt:

Rechtsmediziner Dr. Paul Herzfeld ist zurück am Sektionstisch. Sofort wird er mit einem Fall konfrontiert, der ihn in seine eigenen Reihen führt. Gestohlene Leichenteile tauchen auf, darunter ein Arm mit einer seltenen, aber symbolträchtigen Tätowierung: einer schwarzen Sonne. Genau diesen Arm hatte Herzfeld schon einmal seziert. Der Rechtsmediziner ist alarmiert: Verkauft einer seiner Kollegen Leichenteile?

Voreilige Schlüsse würden den Ruf der Kieler Rechtsmedizin gefährden, also ermittelt der smarte Rechtsmediziner auf eigene Faust und wird von einem skrubellosen Täter vor spektakulärer Kulisse in eine tödliche Falle gelockt. Währenddessen lässt auch Herzfelds Todfeind Prof. Volker Schneider nichts unversucht, um sich an ihn zu rächen. (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Michael Tsokos/Sebastian Fitzek: Paul Herzfeld – Abgeschnitten (Stand Alone)

Michael Tsokos: Paul Herzfeld 1 – Abgeschlagen

Michael Tsokos: Paul Herzfeld 2 – Abgefackelt

Michael Tsokos: Paul Herzfeld 3 – Abgetrennt

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Rezension:

Gleichwohl ungefähr im selben Universum angesiedelt, wie die Schreibarbeiten von Sebastian Fitzek oder Veit Etzold, liegt mit “Abgetrennt” ein weiterer, vergleichsweise ruhig daherkommender Thriller aus der Feder von Deutschlands bekanntesten Rechtsmediziners vor, der an Spannung nichts vermissen lässt.

Wieder einmal begibt sich hier Dr. Paul Herzfeld auf Spurensuche, am und fernab des Sektionstischs und auch diesmal mündet das ganze in einem aufsehenerregenden Showdown.

Nach dem spekatkulären Verschwinden seines ehemaligen Vorgesetzten und Erzfeindes Volker Schneider beginnt Paul Herzfeld nach einer Auszeit seine Arbeit am Rechtsmediznischen Institut in Kiel wieder aufzunehmen und wird kurz darauf mit einem mysteriösen Fall auf den Sektionstisch konfrontiert.

Der Titel des Thrillers ist hier Programm. Die sich daraus für den Hauptprotagonisten ergebenden Fragen stehen zu Beginn einer immer rätselhafteren Handlung.

Michael Tsokos, Deutschlands profiliertester Rechtsmediziner kann nicht nur Fachartikel schreiben und seine Expertise in spektakulären Fällen zur Verfügung stellen. Mit seinen Thrillern und kurzweiligen Sachbüchern hat er mittlerweile zur Popularität der Rechtsmedizin abseits aufmerksamkeitsheischender US-Krimiserien begetragen.

Dennoch sind seine Thriller nicht minder spannend und auch dieser Band, den man unabhängig lesen kann (Dem Rezensenten, sprich: mir, fehlt Band Zwei.), lässt nichts von dem vermissen, was man von dem Autoren erwarten kann.

Nicht ganz so wendungsreich wie etwa bei Sebastian Fitzek wird hier eher der Fokus auf die Ermittlungsarbeit am Sektionstisch gelegt. Das muss man mögen. Wer detaillierte Beschreibungen von Sektionen, Gerüchen und Geräuchen, wenn etwa der Arm vom Körper abgetrennt wird, nicht lesen mag, sollte die Finger davon lassen. Alle anderen werden ohnehin genau das erwarten.

Während die ersten Thriller von Michael Tsokos sich vergleichsweise hölzern laßen, Wechsel zu abrupt und so manches Mal nicht gerade nachvollziehbar waren, ist der Autor offenbar mittlerweile in Übung und legt flüssig zu lesende Schreibarbeiten vor, in der keine roten Fäden, Hautfetzen oder Blutspuren verloren gehen.

Nur am Ende merkt man es hier dann doch, dass Tsokos für gewöhnlich etwas anderes macht als zu schreiben. Hier wäre ein etwas anderer Schreib- oder Erzählstil von Vorteil gewesen. Nichts destotrotz bleibt dann doch der überwiegend mit Spannung aufwartende Handlunsgverlauf in Erinnerung, in der mal der Hauptprotagonist uns Lesenden einen Schritt voraus ist, um dies dann wieder umzukehren.

Drei Handlungsstränge führen hier zu einem Showdown, bei den man schwanken mag, ob dies dann doch nicht zu viel des Guten ist oder genau das richtige Maß trifft. Die Ausarbeitung der Protagonisten, die ausführliche Beschreibung gerichtsmedizinischer Spurensuche, hier entfaltet Michael Tsokos noch einmal sein ganzes Potenzial, die kurzweiligen Kapitelwechsel und der logische Aufbau entschädigen jedoch für kleinere Mängel, die dann kaum mehr erwähnenswert erscheinen.

Es lohnt sich also, darauf zu warten, was Michael Tsokos uns als nächstes auf den Sektionstisch legt. Das nächste Mal vielleicht kein Arm.

Autor:

Michael Tsokos wurde 1967 in Kiel geboren und ist ein deutscher Rechtsmediziner und Professor an der Charite in Berlin. Er leitet seit 2007 das dortige Institut für Rechtsmedzin, gleichzeitig das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berrlin-Moabit. Zudem ist er Leiter der Gewaltschutzambulanz der Charite.

1998-99 nahm er an der Exhuminierung und Identifizierung von Leichen aus Massengräbern des Bosnienkrieges und im Kosovo teil, 2004-05 war er im Auftrag des Bundeskriminalamtes zur Identifizierung der Tsunami-Opfer in Thailand täig. Er ist Autor mehrerer Fachzeitschriften, populärer Sachbücher und Mitautor mehrerer Thriller. Seit 2014 ist er Botschafter des Deutschen Kindervereins. Tsokos lebt mit seiner Familie in Berlin.

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Sophia Kimmig: Von Füchsen und Menschen

Inhalt:

Roter Pelz, bernsteinfarbene Augen, grazile Statur – wer ihm einmal begegnet, vergisst diesen Anblick nicht mehr. Doch der Fuchs ist nicht nur für seine Schönheit, sondern auch als schlau, gerissen und neugierig bekannt. Vom Polarkreis bis in den Norden Afrikas findet man ihn, und er besiedelt zunehmend unsere Städte. Wildbiologin Sophia Kimmig heftet sich dort an seine fersen und versucht, hinter das Geheimnis des Überlebenskünstlers zu kommen. Sie nimmt uns mit auf nächtliche Erkundungstouren, erzählt amüsant von den Tücken der Feldforschung und gewährt uns spannende Einblicke in das verborgene Leben unserer wilden Nachbarn. (Klappentext)

Rezension:

Diesen Tieren sagt man so einiges nach. Schläue und Gerissenheit sind die Eigenschaften, die sich häufig in Märchen und Fabeln wiederfinden und Füchsen angedichtet werden, doch vor allem sind sie eines. Flexible Generalisten, die sich veränderten Bedingungen bisher gut anpassen und damit umgehen konnten. So ist der Rotfuchs heute einer der erfolgreichsten Kulturfolger des Menschen und bewohnt, während es für seine Verwandten auf dem Land immer schwieriger wird, zunehmend unsere Städte.

Weitgehend von uns unbemerkt, bevölkert er Bahndämme, Brachgelände, Schul- und Friedhöfe und bedient sich dabei einem reichhaltigen, durch uns stetig gedeckten Tisch. Doch, wie findet sich der Fuchs überhaupt in einer eigentlich tierfeindlichen Umgebung überhaupt zurecht? Wie leben diese Tiere inmitten unter uns?

Die Wildbiologin Sophia Kimmig begibt sich auf Spurensuche durch Berlin, von den Randbezirken bis hinein ins Regierungsviertel und berichtet von ihrer Arbeit und dem Leben Meister Reineckes, welches beinahe unbemerkt parallel zu uns stattfindet.

Füchse vermögen zu faszinieren. Es sind die flüchtigen Begegnungen, die uns für einen kurzen Moment innehalten lassen. Ein Rascheln im Gebüsch, das Aufblitzen roten Fells am Wegesrand, manchmal sogar in Hauseingängen oder gleich in der U-Bahn. Ein Video eines solchen Fuchses, der sich in die Eingeweiden der öffentlichen Verkehrsmittel Berlins gewagt hatte, ging viral und selbst das Bundespräsidialamt ist inzwischen auf den Fuchs gekommen.

Wie kam es zu diesem Wandel? Einst wurde das Tier als Nahrungskonkurrent und Krankheitsüberträger stark bejagd. Heute ist es Kultobjekt und die meisten Menschen ihm gegenüber positiv aufgeschlossen.

Sophia Kimmig ergründet seit ihrer ersten Begegnung mit dem Rotpelzigen die Füchse Berlins, besendert sie und schafft uns damit einen Überblick über das verborgene Leben dieser Tiere und zeigt, dass die Städte längst nicht mehr nur für uns Menschen ein lebendiger Ort ist. Amüsant erzählt sie von den Unwägbarkeiten ihrer Arbeit, aber auch dem Wandel in der Forschung und räumt zugleich mit einigen Legenden auf, die unsere wilden Nachbarn umgeben.

Natürlich fehlt er nicht, der persönliche Blick durch die Fuchsbrille, aber die Autorin bleibt sich den kurzweiligen Kapiteln über treu und verbindet kenntnisreich Informationen, nach denen man mit anderen Augen durch die Städte gehen wird. In jedem Fall aufmerksamer.

Ich trage eine Fuchsbrille. Eine Brille, die mich eine verborgene Welt sehen lässt, die ich ohne nicht bemerkt habe. Wenn ich mich durch die Stadt bewege, sehe ich sie. Überall.

Sophia Kimmig: Von Füchsen und Menschen

Einblicke gewährt Kimmig sowohl in ihre alltägliche Arbeit, der Sicht von außen als auch in das Leben der Tiere, welches nicht etwa durch Bejagung oder Nahrungsmangel gefährdet ist, sondern, des Lebensraumes bedingt, zunehmend durch den Straßenverkehr.

Der Wandel der Sichtweise wird ebenso sachlich dargestellt, wie der der Forschung, aber auch, wie das Zusammenleben zwischen Mensch und Wildtier gelingen kann, in einer immer enger werdenden Welt. Ergänzt wird dies durch sog. Fun Facts am Ende eines jeden Kapitels, einem auflockernden Fototeil und nicht zuletzt durch Beschreibungen ausgewählter Fuchsleben inmitten Berlins.

Die Autorin schafft den Spagat zwischen informativen Sachbuch und unterhaltender Lektüre ohne erhobenen Zeigefinger, sowie ihre Begeisterungsfähigkeit auf Lesende überspringen zu lassen, sowie zu zeigen, wie Stadtökologie wirken kann.

Danach wird man Meister Reinecke mit anderen Augen betrachten. Muss man vielleicht auch. Kimmig zeigt, dass sich der Fuchs als unser, auch städtischer Nachbar, längst etabliert hat.

Autorin:

Sophia Kimmig wurde 1988 in Berlin geboren und arbeitet als Widlbiologin u.a. für das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, erforscht dabei die Anpassung der Wildtiere an sich veränderte Lebensbedingungen, am Beispiel des Fuchses und dessen Stadtleben. Neben ihrer Tätigkeit im Bereich Forschung und Umweltbildung erarbeitet sie zahlreiche Beiträge für Medien, in Vorträgen und Publikationen, um Akzeptanz für Natur- und Artenschutz zu schaffen. Die Autorin lebt in Berlin.

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Catherine Raven: Fuchs & ich

Inhalt:

Catherine Raven ist überzeugte Einzelkämpferin. Als sie sich mitten im Nirgendwo eine kleine Hütte mit einem blauen Dach baut, ist ihre Isolation komplett. Ihre Gesellschaft ist die Natur, die verblüffend lebendige Tier- und Pflanzenwelt, mit der sie ihr Land teilt. Eines Tages bemerkt sie einen wilden Fuchs, der jeden Nachmittag um 16.15 Uhr auf ihrem Grundstück erscheint. Entgegen allen wissenschaftlichen Gepflogenheiten beginnt sie, ihm aus “der kleine Prinz” vorzulesen. (Klappentext)

Rezension:

Selbst in den unwirtlichsten Regionen unseres Planeten kommt er vor, in Wüsten oder den Polargebieten. Mittlerweile ist er auch in unsere Städte gezogen und lebt Seite an Seite mit den Menschen. Doch, kaum jemand kennt sie näher. Ein flüchtiger Blick und dann ist der Fuchs meist schon aus unserem Sichtfeld verschwunden.

Die Rangerin und Biologin Catherine Raven hatte die Gelegenheit in unmittelbarer Nähe zu ihrem eigenen Wohnhaus, in der Abgeschiedenheit Montanas, eines dieser Tiere zu beobachten. Ihren tierischen Besucher beginnt sie aus dem Buch “Der kleine Prinz” vorzulesen. Die Geschichte eines Versuches der Annäherung.

Ein Tierfilmer, der das Verhalten einiger Bären falsch einschätzte, musste seinen Versuch der Annäherung vor einigen Jahren mit dem Leben bezahlen. Geglaubt hatte er, diese Tiere richtig deuten zu können, sie zu kennen und gilt seither allen als Mahnmal, die einen Umgang mit Lebewesen pflegen, die weder domnestiziert sind, noch irgendwie sonst bestrebt sind, mit Menschen zu interagieren.

Wenn Wildtiere dies tun, steckt meist mehr dahinter und oft ist dies nicht unbedingt positiv besetzt. Davon abgesehen weiß jeder Naturwissenschaftler um seine Reputation, wenn er oder sie sich auf allzu große Nähe mit Tieren einlässt, die eigentlich nur beobachtet werden sollten. Alles andere wäre ein zu starker Eingriff in den natürlichen Lauf der Dinge, den es zu erforschen gitl.

Jetzt, dieses Buch, in welchem die Autorin den Spagat wagt, zwischen Nature writing und Sachbuch, sowie Studie der eigenen Persönlichkeit, aufgrund derer man das Werk umbenennen müsste. Überwiegend geht es hier nämlich um sie selbst, statt um das erstbenannte Tier. Alle, die ein informatives und unterhaltsames Sachbuch über Füchse lesen möchten, ist eher andere Lektüre zu empfehlen.

Man erfährt viel darüber, warum Raven die Abgeschiedenheit ihres Lebens liebt, nicht unbedingt mit anderen Menschen kompatibel ist und wie diese länger anhaltenden, immer wiederkehrenden Begegnungen mit dem Fuchs zustande kamen, aber nicht so sehr über die Biologie der Tiere selbst. Faktenorientierung ist etwas anderes.

Wenn der Schlag in Richtung Sachbuch nicht gelingt, wie verhält es sich hier mit der Einordnung zum sog. Nature Writing? Das funktioniert eher. Der Autorin gelingen durchaus liebevolle Beschreibungen, sehr romantisiert, von der sie umgebenden Tier- und Pflanzenwelt, was sich meines Erachtens aber gerade für eine Wissenschaftlerin einfach verbietet.

Da ist es auch kaum hilfreich, dass sie hin und wieder doch noch ein paar interessante Fakten einstreut, als würde sie sich dann doch im einen oder anderen Moment ihres Berufes bewusst werden.

Sy Montgomery hat mit ihrem Werk über Kraken gezeigt, dass es auch in diesem Bereich gelingen kann, bevor man in allzu kitischige Szenarien hinein rutscht, die Kurve zu bekommen. Hier funktioniert das nicht und das hat, wie beschrieben, nichts mit einem Schreibstil zu tun, der zwischen Gefühlsduseligkeit und unglaublichen Längen schwankt. Wer sich eher an Fakten orientiert und auch auf Wissenzuwachs hofft, ist damit an der falschen Stelle. Von einer Wissenschaftlerin erwarte ich definitiv eine andere Art und Weise, sich Tieren zu nähern.

Diese Vermenschlichung ist fehl am Platz.

Das war mein Fehler und so habe ich nun das Buch auf Seite 150 abbrechen müssen.
Vielleicht gelingt es ja euch, einen besseren Zugang zu der Lektüre zu finden.

Autorin:

Catherine Raven widmet sich als Autorin und Wissenschaftlerin der Natur. Sie studierte Biologie und arbeitete als Rangerin in den Nationalparks Glacier, Mount Rainier und Voyagers, hilet Vorträge an Universitäten, anschließend leitete sie Expeditionen, z.B. durch den Yellowstone Nationalpark. In verschiedenen Magazinen und Zeitschriften veröffentlicht sie regelmäßig Beiträge und hat u. a. ein Buch über Forstwirtschaft veröffentlicht. Raven unterrichtet derzeit an der South University Savannah, in Georgia.

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Tana French: Der Sucher

Inhalt:

Ein Fremder, ein Dorf, ein Kind. Und eine Suche, die Niemanden verschont.

Cal Hooper, ehemaliger Cop aus Chicago, hat sich in den Westen Irlands geflüchtet. Die Natur scheint friedlich, im Dorf nimmt man ihn freundlich auf. Da springt sein innerer Alarm an: Er wird beobachtet. Immer wieder taucht ein Kind bei ihm auf. Auf den umliegenden Farmen kommen auf seltsame Weise Tiere zu Tode. Stück für Stück gerät Cal in eine suche, die ihn tief in die Dunkelheit führt. (Klappentext)

Rezension:

Selten geben Inhaltsangaben eines Verlags und der eigentliche Text eine solche Differenz her, wie im Falle von Tana French, die mich mit ihrer neuen Geschichte, diesmal um den ehemaligen Detective Cal Hooper, mehr als überraschen konnte. Der Inhalt ist klar skizziert, liegt hier doch ein klassischer Kriminalroman vor, vermischt mit reichlich Lokalkolorit.

Der Handlungsort Irland bietet sich einfach dafür an, auch die Hauptfigur ist für Frenchs Leserschaft schnell fassbar und zudem ein Sympathieträger, den man gerne folgt.

Überraschend vor allem, ist die Wirkung des Textes. Im Gegensatz zu den Angaben auf den Umschlag steigt man zunächst vergleichsweise ruhig und gemächlich in die Geschichte ein. Die Autorin macht mit Handlungsort und Figuren vertraut. Die Degeto-Idylle liegt zum Greifen nah. Das ändert sich lange nicht. Der bedächtige Schreibstil tut sein Übriges, ohne ins allzu Gefühlige abzurutschen, wenn auch hin und wieder eine Zehe über gewisse grenzen gesetzt wird. Lange passiert nichts und dann doch alles.

So eingelullt entfalten sich nach und nach, wir nehmen die Position der Hauptfigur mitsamt dessen Kenntnisstands ein, die Geheimnisse der Dorfgemeinschaft, die abgründiger nicht sein könnten, dennoch im Bereich des real Möglichen liegen. Zudem schafft es French lange, die Antagonisten ziemlich konturlos erscheinen zu lassen, ohne dass das Gefühl des Fehlens entstehen würde oder die Autorin selbst den roten Faden zu verlieren drohte.

Bevorzugt lese ich eher den rasanten, wendungsreichen, brutalen und ja, auch oft genug blutigen Thriller. In “Der Sucher” ist praktisch nichts von diesen Zutaten vorhanden, die ich als für mich “sichere Bank” bezeichnen würde, zudem konnte ich die Position jeder Figur nachvollziehen. Gegen Ende habe ich den Ausgang zwar leise geahnt, gestört hat das nicht.

Mit stoischer Gelassenheit und Ruhe wird hier Seite für Seite eine Geschichte aufgebaut, in der man eingesogen wird. Die Wirkung von Perspektive und Art des Erzählens vermögen in den Bann zu ziehen. Bei mir hat’s funktioniert. Wer sinst wendungsreiche und mitunter auch brutale Thriller liest, könnte selbigen Effekt unterzogen werden. Ich empfehle es allen, das zu versuchen. Da natürlich immer Luft nach Oben offen ist und ein Szenenwechsel doch nicht so ganz flüssig war, wie der Rest des Romans zu lesen, Punktabzug.

Dennoch, Tana French, gerne wieder.

Autorin:

Tana Elzabeth French wurde 1973 in Burlington, Vermont, geboren und ist eine irische Schriftstellerin. Nach Stationen, rund um den Globus, studierte sie Schauspiel am Trinity College in Dublin und arbeitete anschließend für Film und Fernsehen. 2007 erschien ihr erster Roman, weitere folgten und wurden teilweise verfilmt, sowie in zahlreiche Sprachen übersetzt. Mit ihrer Familie lebt sie in Dublin.

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