August 2017

Tim Krohn: Menschliche Regungen 2 – Erich Wyss übt den freien Fall

Erich Wyss übt den freien Fall Book Cover
Erich Wyss übt den freien Fall Reihe: Menschliche Regungen – 2 Rezensionsexemplar/Roman Galiani Berlin Hardcover Seiten: 496 ISBN: 978-3-86971-151-5

Inhalt:

Es ist heiß in der Stadt im Sommer 2001. Der Besuch von Efgenia Costas Familie sorgt für viel Fischgeruch, Trubel und Ärger im Treppenhaus. Doch dann wird es wirklich ernst: Ein plötzlicher Todesfall und die Nachricht vom Anschlag auf das World Trade Center haben für die 11 Bewohnerinnen und Bewohner eines Zürcher Mietshauses überraschende Folgen:

Die Schauspielerin Selina May erfährt, dass ihr Filmprojekt vertagt wird, Julia gehen Aufträge verloren, Pit macht wieder Musik. Moritz reist nicht wie geplant nach New York, dafür Hubert Brechbühl spontan nach Istanbul. (Verlagsangabe)

Reihenfolge der Bücher:

Tim Krohn: Menschliche Regungen 1 – Herr Brechbühl sucht eine Katze

Tim Krohn: Menschliche Regungen 2 – Erich Wyss übt den freien Fall

Tim Krohn: Menschliche Regungen 3 – Julia Sommer sät aus

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Rezension:
Hinter jeder Geschichte steckt eine Geschichte. Diese Aussage kann man so treffen und fast immer liegt man damit richtig. So auch und besonders hier. Tim krohns Projekt “Menschliche Regungen”, geht in die zweite Runde.

Nachdem “Hubert Brechbühl sucht eine Katze” sich nach Veröffentlichung auf den Schweizer Bestsellerlisten wiederfand, hat auch der Nachfolge-Band gute Chancen genau so erfolgreich zu werden. Dabei ist die Handlung verhältnismäßig ruhig und unaufregt.

Abgesehen von den Ereignissen des 11. September, die auch hier die Denk- und Handlungsweise der Protagonisten zwangsläufig beeinflussen, kaum ein Autor kann sich bei Geschichten, die in dieser Zeit angesiedelt sind, diesem entziehen, geht das Leben von Erich Wyss, Hubert Brechbühl und den anderen Bewohnern des Miethauses weiter.

Wenn auch für ersteren mit entscheidendem. Einschnitt. Die Figuren, durch den ersten Band eingeführt, lernt der Leser näher kennen. Kein Gefühl des Holperns mehr, vielmehr fließt die Handlung schon mit Beginn der Erzählung nur so dahin. Lagatmig wird’s dennoch nicht.

Interessant ist auch hier wieder das Projekt hinter dem Werk. Tim Krohn schreibt nicht für sich, still im Kämmerlein, sondern lässt Leser an der Entstehung dieser Buchreihe, Band 3 ist gerade in der Endphase der Produktion, teilhaben.

Als Ideen- und Stichwortgeber. Die Idee des Crowdfunding wird hier fortgesetzt. Was im Bereich von kleineren Bands oder jungen Start-up-Projekten funktioniert, hat der Schriftsteller für die Literatur ausprobiert.

Jeder, der möchte, kann für eine dem Kapitel titelgebende Gefühlsregung oder einem menschlichen Zustand spenden, wobei jede Eigenschaft nur einmal vergeben wird.

Dazu drei Stichworte, die unbedingt im Text mit einfließen müssen, so sind die Vorgaben für Tim Krohn gelegt, der in der Reiehenfolge des Eingangs die Kapitel verfasst und darum herum die Romanhandlung spinnt. So wird der Leser zum Co-Autor und bestimmt ein wenig auch den Verlauf, die Weiterführung eines Projektes, welches Endloscharakter haben wird.

Die Liste menschlicher Regungen wird ständig erweitert. Schön wäre es, die Zahl 1000 voll zu bekommen. So, die inoffiziell gesetzte Marke. Ob Autor und Verlag das schaffen, liegt am Leser selbst, der als Spender am Ende des Buches, welches je 60-70 Gefühls-Kapitel umfasst, erwähnt wird.

Und Tim Krohn selbst wird dabei als Autor immer besser. Nun ist er kein Neuling in der Schweizer Literatur-Szene, jedoch merkt man dem Nachfolgeband leichte Verbesserungen im Erzählstil und -fluss, sowie in der Spannung an, gegenüber zu: “Herr Brechbühl sucht eine Katze”.

Ein Fortschritt, den es sich zu lesen lohnt.

Autor:
Tim Krohn wurde 1965 in Wiedenbrück geboren und lebt in der Schweiz. In Glarus aufgewachsen, studierte er Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft, arbeitet er heute als freier Schriftsteller und Verfasser von Prosatexten, Dramen und Hörspielen.

Er ist Mitglied des Verbands der Autorinnen und Autoren der Schweiz und war von 1998 bis 2001 Präsident der Vorgängerorganisation des Schweizerischen Schriftstellerverbandes. 1993 erhielt er den UNDA-Radiopreis, den Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis 1994, 2007 erhielt er den Preis für das beste Schweizer Buch.

Weitere Preise folgten. Krohn schrieb die Bühnenvorlage für das Einsiedler Welttheater, 2013. Der Auftaktband seines “Menschliche Regungen”-Projektes stand 2017 in den Schweizer Bestsellerlisten.

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Klaus-Dieter Felsmann: Deutsche Kinderfilme aus Babelsberg

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Deutsche Kinderfilme aus Babelsberg Klaus-Dieter Felsmann/Bernd Sahling Verlag: DEFA Stiftung Erschienen: 01.02.2010 Seiten: 172 ISBN: 978-3-00-030098-1

Inhalt:

Der DEFA-Kinderfilm erfreute sich aufgrund seiner liebevollen Machart und thematischen Vielfalt großer Beliebtheit beim DDR-Publikum. Klaus-Dieter Felsmann beleuchtet nun zum ersten Mal, welche Rolle der DEFA-Kinderfilm in der Bundesrepublik Deutschland spielte.

In Zeiten der politischen Trennung stellte er ein kleines aber durchaus verbindendes Element der Kinolandschaft beider Staaten dar. Dabei wird sein Anteil am Kinderkino der Bundesrepublik und dessen Kinderfilmfestivals, die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und seine Wirkungsrelevanz für die Kinderfilmkultur untersucht.

Bernd Sahling führt Gespräche mit den Kinderfilmregisseuren der DEFA. […] Sie berichten aus ihrem reichen Erfahrungsschatz und lassen den Leser Hintergründe und Arbeitsweise der damaligen Produktionen besser verstehen. (Klappentext)

Rezension:

Die Spielfilme der DEFA sind inzwischen Kult. Egal, ob “Moritz in der Litfaßsäule” oder “Der kleine Muck”, dessen Requisiten man immer noch in den Filmstudios Babelsberg betrachten kann, Kinderfilme waren nicht nur ein verhältnismäßig vom politischen Druck freies Feld für Regisseure in der DDR, sie waren über die Jahre ein kontinuierliches Band zum Westen.

In Kinos in Bayern, im Ruhrpott oder an der Nordsee wurden die Filme gezeigt, ebenso im bundesdeutschen Fernsehprogramm. Doch, wie arbeitete es sich in den Filmstätten in Potsdam?

Wie entstanden die legendären Streifen und welche Voraussetzung gab es auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs für den deutschen Kinderfilm?

Klaus-Dieter Felsmann und Bernd Sahling haben sich durch die Archive der DEFA gearbeitet, Regisseure wie Helmut Dzuba und Hannelore Unterberg interviewt und liefern einen einzigartigen Einblick von der Idee zum Film, bis zum Suchen und der Arbeit mit den Kinderschauspielern und einen Ausblick auf die heutige Situation des Kinderfilms im vereinigten Deutschland.

Die Schriftenreihe der DEFA ist für Cinemasten ein Muss, wird hier doch qualitativ hochwertig ausgewertet, was in den dortigen Studios einst entstand und heute teilweise Sammlerwerte besitzt, die auf Ebay Preise erzielen, wenn sie nicht gar immer mal wieder im Fernsehprogramm oder auch bei öffentlichen Vorführungen zu finden sind.

Es geht um Zahlen, um die Wirkung von Filmen, Technik und Metern von Filmrollen, um nervige politische Diskussionen,w as gedreht werden durfte, was nicht und um das kleine Glück, mit ganz besonderen Darstellerkindern arbeiten zu dürfen.

Unaufgeregt, einige zu verschmerzende Längen mitgenommen, analysieren die beiden Autoren das Filmschaffen von vier Regisseuren, die vor dem Mauerfall viel wollten und teilweise auch machen durften, nach der Wende von der bundesdeutschen Konkurrenz an den Rand gedrängt, da es nun um das Abgreifen von Fördergeldern ging.

Bis auf Günter Meyer konnte keiner der DEFA-Regisseure an frühere Erfolge mehr anknüpfen, doch halten Feldmann und Sahlinger eine für Filmschaffende wundersame zeit fest, die es zu entdecken gilt.

Spannend die Interviews über das Aussuchen der Kinderdarsteller, Drehtage und Entstehungsprozesse, die von einem ganz anderen Tempo und Hintergrund geprägt waren, als es heutige Filmemacher erleben.

Mit einem kritischen Blick in die Entwicklung und der Sparte des Kinderfilms, der von Fernsehschaffenden und Kinobetreibern kritisch beäugt und stiefmütterlich behandelt wird, früher jedoch einen ganz anderen Stellenwert hatte.

Man muss sich schon für Filme interessieren, sollte vielleicht den einen oder anderen zumindest vom Namen her kennen und zeitlich einordnen können, um die Gedankengänge aller Personen zu verstehen, die zu Wort kommen, dann aber ist dies ein beeindruckender Band festgehaltener Filmgeschichte und ein willkommener Anlass, sich diese Filme nochmals zu Gemüte zu führen (heute wieder möglich, da ein Großteil inzwischen auch auf DVD erschienen ist).

Bis dahin kann man sich zumindest lesetechnisch schon mal einstimmen.

Autoren:

Klaus-Dieter Felsmann wurde 1951 geboren und studierte Germanistik und Geschichte, lebt als freier Publizist und Autor in Berlin. 1997 übernahm er die Leitung der “Buckower Mediengespräche”.

Bernd Sahling wurde 1961 geboren und arbeitete nach einem Volontariat im DEFA-Spielfilmstudio babelsberg als Regieassistent, bevor er ein Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen, ebenfalls in Babelsberg, begann. Daneben arbeitete er als Regisseur und autor und gibt Workshops zum Thema Kinderfilme.

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Georg Piltz: Der Prinzenraub und andere historische Kriminalfälle

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Der Prinzenraub und andere historische Kriminalfälle Georg Piltz Das neue Berlin Erschienen am: 24.09.2014 Seiten: 288 ISBN: 978-3-360-02188-5

Inhalt:

Warum entführte Kunz von Kauffungen bei Nacht und Nebel die beiden Prinzen seines Landes? Ist Friedrich II. schuld am grausamen Tod seines Jugendfreundes? Und wie kam es, dass die Mark Brandenbrug in die Hände eines greisen Betrügers fiel?

Der Kunsthistoriker Georg Piltz kannte die Schlösser und Burgen von Sachsen, Thüringen und Preußen wie kein Zweiter. Sie sind Zeugen eenheit voller Intrigen, Mord, Diebstahl und Hexenwahn. Piltz hat ihnen ihre Geheimnisse entlockt und zeigt, wie klug, raffiniert und fintenreichdie gekrönten häupter agierten oder agieren ließen.

Fast immer waren sie schnell und ohne allzu große Hemmungen bereit, sich krimineller Praktiken zu bedienen, wenn es um Machtzwachs und Erhaltung der Staatsräson ging. (Klappentext)

Rezension:

Wer mit offenen Augen durch Ostdeutschland geht, tief in die Geschichte Thüringens, Sachsens oder Preußens eintaucht, entdeckt so manche Überraschungen.

Düstere Zeiten werden erlebbar in den kleinen Heimatmuseen vieler Kleinstädte, wenn es um die Erhaltung der Macht des Adels und seiner Bediensteten geht. Man wird nicht umhinkommen, Schwindler, Betrüger, Mörder zu entdecken, oft gedeckt durch die höchsten Ebenen der Staaten, die sich auf diesen Gebieten einst befanden.

Georg Piltz nimmt uns hier auf eine Zeitreise in unsere Vergangenheit mit und deckt so manche Kuriosität auf, die es in sich und die man unseren Vorfahren gar nicht zugetraut hätte.

Herausgekommen dabei ist ein wundersames, leicht zu lesendes und informatives Portrait von neun historischen Kriminalfällen, die es in sich haben. Einer erstaunlicher als der andere. Der Autor, selbst fasziniert, beleuchtet fachlich versiert, örtliche Gegebenheiten der jeweiligen Zeit, Gründe von Herrschern, Generälen, Adligen und solchen, die sich dafür hielten.

Mit einer leichten Prise Humor, noch viel mehr Wissen zeigt er uns, warum die Entführung zweier sächsicher Prinzen grandios scheiterte oder die kleine thüringische Stadt Hildburghausen jahrelang ein großes Geheimnis hütete. Kurzweilig und kenntnisreich gestaltet sich diese Lektüre, die eine Zusammenstellung aus anderen kunsthistorischen Werken georg Piltz’ vbedeutet, da dieser drei Jahre zuvor gestorben war.

Eine Hinterlassenschaft, die nicht nur dazu dient, Wissen aufzubauen und die geschichtlichen Besonderheiten einiger Orte Ostdeutschlands nachzuvollziehen, sondern ebenso als kulturgeschichtlicher Reiseführer dienen kann.

Am Ende eines jeden kapitels finden sich Hinweise auf Dauerausstellungen, Heimatmuseen und örtlichen Gegebenheiten, interessant für den, wer an die Orte des Geschehens gehen und die Zeiten nachempfinden möchte. Schnell zu lesen, ohne Abstriche, sind die einzelnen Kapitel, immer wieder aufgelockert durch Bilder und historische Zeichnungen, die das Ganze komplettieren.

Von Dessau über Altenburg, Hildburghausen oder Eisenach, Ostdeutschland hat eine große und für Gesamtdeutschland wichtige Vergangenheit, deren Geheimnisse es zu entdecken gilt. Georg Piltz hilft bei der Suche und ist dabei auf so manche Ungeheuerlichkeit und Kuriosität gestoßen. Nachspüren und entdecken lohnen sich unbedingt.

Autor:

Georg Piltz wurde 1925 in Frankfurt am Main geboren und war ein deutscher Schriftsteller, Kunsthistoriker und Herausgeber. Nach dem Krieg arbeitete er als Volontär bei der Niedersächsischen Volksstimme, einer Regionalzeitung der KPD. Nach der Währungsreform 1948 siedelte er in die spätere DDR über.

Dort arbeitete er ab 1953 für den Aufbau-Verlag, arbeitete später als Schriftsteller und schrieb vor allem kunst- und kulturhistorische Bücher. Einige Werke erschienen auch als Lizenzausgaben im Westen. Bis 1990 war er Mitglied im Schriftstellerverband der DDR.

Einige seiner arbeiten wurden nach seinem Tod zusammengefasst und erschienen 2014 posthum unter den Titel: “Der Prinzenraub und andere historische Kriminalfälle”. Er selbst starb im Jahr 2011.

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Jesus Carrasco: Die Flucht

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Die Flucht Jesus Carrasco Klett-Cotta Erschienen: 2013 Seiten: 208 ISBN: 978-3-608-98001-1 Übersetzerin: Petra Strien

Inhalt:

Ein Junge flieht. Die Schreie seiner Jäger verfolgen ihn. Tagsüber kauert er in einem staubigen Versteck. Nachts kämpft er sich in der Dunkelheit vor und sucht in vertrockneten Brunnen nach Wasser. Vor ihm liegt nichts als die ausgebrannte Ebene, eine Welt unerbittlicher Hitze und Gesetzlosigkeit. Und es gibt kein Zurück. (Klappentext)

Rezension:

Unter der sengenden Sonne Spaniens, die die ebene Landschaft unter sich ausdürrt, begegnet der Leser einem Jungen auf der Flucht. Genauer gesagt, in seinem Versteck, in dessen Nähe seine Häscher ihn suchen. Das Alter des Kindes nicht näher bestimmt, der Protagonist nicht namentlich betitelt, erwacht sofort der Beschützerinstinkt, ohne zu wissen, was dem Jungen vorab widerfahren ist.

Darüber lässt der Autor die Leser lange Zeit im Unklaren, wie so vieles erst einmal im Nebel verborgen bleibt. Das ist die Ausgangslage von Carrascos Geschichte, die auf’s Wesentliche reduziert, ihre Leser vollkommen in den Bann zieht. Die Protagonisten sind unbarmherzig gegen sich selbst, alleine dem kleinen Jungen und der sich ihn annehmende Ziegenhirte gewinnen im Laufe der Geschichte an Farbe und Sympathie.

Die anderen haben sie schlichtweg auch nicht verdient, wie sich mit zunehmender Seitenzahl herausstellt. Immer mehr wird der Leser davon ergriffen, den Hintergrund des Leidens des Jungen aufzuspüren und sich auf eine Reise zu begeben, die den Knirps an seine psychischen und physischen Grenzen bringen wird.

Immer wieder der drohenden Gefahr ausgesetzt, doch noch in die Hände seiner Verfolger zu fallen.

Es ist eine unglaublich schnell zu lesende, trotz des Themas, Geschichte, die sofort faszinierrt. Der Schreibstil, auf Wesentliches reduziert, ohne Schnirkel genügt, um völlig in die Gedankenwelt des kindlichen Protagonisten einzutauchen, sich seiner anzunehmen.

Mehr braucht es hier nicht, mehr möchte man auch nicht, leidet und dürstet mit dem Jungen und fragt sich, ob man wohl selbst diesen Kampf ums Überleben bestehen würde.

Angelegt ist die Erzählung in einem nicht näher bestimmten Zeitraum, doch ist zu vermuten, aufgrund der Schilderungen einiger Begebenheiten (etwa: Massengrab), dass es sich entweder um die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges oder der Diktatur Francos handelt, gleichwohl könnte die Geschichte praktisch überall im südlichen Europa angesiedelt sein.

Die Geschichte geht einem ans Herz, wobei sich die geschilderte Gewalt in Grenzen hält. Alleine, die Gedanken zwischen den Zeilen, wenn man ein wenig mehr der Vergangenheit des Jungen zu spüren bekommt, gehen schon genug nahe.

Beeindruckend ohne zu viel oder zu wenig zu erzählen, geht Jesus Carrasco voran und nimmkt uns mit auf einem Weg, auf dem der kleine Protagonist über sich hinauswächst. Ein Roman, der nichts anderes als die Höchstwertung verdient.

Autor:

Jesus Carrasco wurde 1972 in Badajoz geboren. “Die Flucht” ist sein erster Roman, der in mehreren Sprachen übersetzt wurde und in zehn Ländern erschienen ist. Es wurde in Spanien als das “Beste Buch des Jahres2013” ausgezeichnet. Der Autor lebt in Sevilla und arbeitet zudem als Werbetexter.

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Hermann Schulz: Warum wir Günter umbringen wollten

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Warum wir Günter umbringen wollten Hermann Schulz Aladin Erschienen am: 23.08.2013 Seiten: 156 ISBN: 978-3-8489-2017-4 Illustrationen: Maria Luisa Witte

Inhalt:

März 1947, in einer Zeit zwischen Krieg ud Frieden. Freddy und seine Freunde stromern an den Nachmittagen durch die Wiesen, rüber zum Moor, Günter immer im Schlepptau. Aber Günter ist irgendwie anders, der tickt nicht richtig, sagen sie. Sie machen sich über ihn lustig, quälen ihn.

Dann bekommen sie Angst, Günter könnte sie bei den Erwachsenen verpfeifen – und fassen einen ungeheuren Plan. (Klappentext)

Rezension:

Irgendwo im ländlichen Osten des kriegszerstörten Deutschlands stromert eine Bande von Jungen durch das Unterholz. Gebeutelt vom vergangenen Krieg, durchleben sie in ihrem Dorf und den Feldern und Wäldern der Umgebung ihre Abenteuer, wenn sie nicht bei der Ernte oder dem Versorgen der noch übrig gebliebenen Tiere mithelfen müssen.

Keiner kümmert sich um sie. Die Tage fließen zäh dahin. Freddy, etwa 10 Jahre alt, ist einer von ihnen. Es wird sein letzter Sommer werden, bevor er wieder zu seinen Eltern in die Stadt zurück muss. Die Zeit vergeht schneller als ihm lieb ist. Doch, bis dahin bahnt sich eine ungeheure Katastrophe an.

Die Jungen haben Günter im Schlepptau, ein Gleichaltriger aus der Nachbarschaft. Durch schlimme Erlebnisse kriegsgeschädigt und zurückgeblieben, ist er in der Rangordnung der Jungen-Bande ganz unten. Sie quälen und demütigen ihn.

Günter sagt den Erwachsenen nichts, die nur die Auswirkungen der Schikanen bemerken. Doch, den Jungen ist klar, Günter muss verschwinden, spurlos, bevor er zu reden beginnt. Alle Jungs, einschließlich Freddy, stehen vor einer schwierigen Entscheidung.

Bis auf den gleich ins Auge springenden Titel hat dieser Roman nicht nur eine spannende Geschichte, sndern auch wunderbare Illustratioen, auf die es sich lohnt, zuerst einzugehen.

Sie lockern ein schwer im Magen liegendes Thema auf, welches wahrscheinlich der Zielgruppe sonst nur schwer vermittelbar gewesen wäre.

Tatsächlich kann man sich durch die Aquarellzeichnungen förmlich in diese Welt der Jungen, deren ganzer Kosmos aus dem Dorfleben und die Natur, um sie herum, besteht, hineindenken und erlebt zugleich eine spannende Geschichte, wie sie sich tatsächlich zugetragen haben könnte.

Hermann Schulz beschreibt die Leiden der Dorfbevölkerung nach dem Krieg, die sowohl mit Versorgungsmabngel, mehr noch mit dem Flüchtlingsstrom zurechtkommen mussten, der nach dem Krieg die Bilder bestimmte, auch Kriegsheimkehrer und Gefangenschaft sind Thematiken, die hier in dem Kinderbuch sanft eingeführt werden. Das macht der Autor praktisch in Nebensätzen.

Im Vordergrund aber steht ein spannender Krimi, für Jungen und auch sonst geschrieben. Die Protagonisten bleiben dabei nicht farblos, sondern werden, für ein Kinderbuch unglaublich gut, detailreich herausgearbeitet.

Insbesondere Freddy und Günter, anfangs die zwei Gegenpole, gewinnen dadurch an Sympathie und nähern sich im Laufe der Geschichte einander an.

Starke, nicht einseitige Kinder- oder besser gesagt frühe Jugendliteratur, mit einer Ernstnahme der Protagonisten ohne erhobenen Zeigefinger, hat man selten. Hier kann man sie finden, und das gerade mit einem so sensiblen Thema als Hintergrund.

Der Autor beschäftigt sich mit den Nachwirkungen des Krieges in allen Facetten, mit Vorurteilen und ihren Konsequenten, die heute, natürlich in anderer Form, auch noch eine Rolle spielen.

Vielleicht die große Stärke der Geschichte, dass sie in ihren Fragen immer noch brandaktuell ist. Wie sehen wir andere Menschen, vor allem, wenn sie nicht der Norm entsrpechen? Wie gehen wir miteinander um?

Welche Entscheidungen wollen wir treffen? Bequeme oder schwierige, die sich jedoch auf lange Sicht als richtig darstellen? Welche Konsequenzen sind wir bereit, für unsere Taten in Kauf zu nehmen? Können wir schlechte Beschlüsse, einmal gefasst, trotzdem aufhalten oder ändern?

Diese Fragen, ohne erhobenen Zeigefinger zu stellen, ist die große Stärke von Hermann Schulz’ Roman. Eine Geschichte, die sich unbedingt zu lesen lohnt.

Autor:

Hermann Schulz wurde 1938 in Nkalinzi, Tansania geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und ehemaliger Verleger. Als Sohn eines deutschen Missionars in Ostafrika, wuchs er in Deutschland auf und machte nach der Schule eine Lehre im Buchhandel.

Zudem arebietete er im Bergbau, übernahm jedoch als Nachfolger des späteren Bundespräsidenten Johannes Rau den Peter Hammer Verlag in Wuppertal, dem er von 1967 bis 2001 angehörte. Ab 1998 erschienen seine ersten Romane, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde.

Er ist Mitarbeiter der Zeitschrift AMOS und engagiert sich im Bereich Literatur und Internationaler Verständigung. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

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Christian Frascella: Sieben kleine Verdächtige

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Sieben kleine Verdächtige Christian Frascella Frankfurter Verlagsanstalt Hardocver Seiten: 319 ISBN: 978-3-627-00198-8

Inhalt:

Sie waren alle etwa zwölf Jahre alt, als sie beschlosssen, die Bank von Roccella, ihrer kleinen Stadt auszurauben. (Klappentext)

Rezension:

Die Welt ist ein Dorf. Zumindest für Italien scheint diese Regelung zu gelten. Vor allem, wenn man Christian Frascella liest. Der schnürt sämtliche Klischees über sein Heimatland in eine Geschichte zusammen und lässt seine Protagonisten allesamt auf ihre Hosenböden fallen.

Dazu kommt dann noch eine Prise Mafia und organisiertes Verbrechen, das Gegen- und Nebeneinander zwischen Arm und reich, Pädophilie und dem Zusammenhalt oder Auseinandertriften italienischer Familienclans. Das ist der Stoff für Abenteuer rund um den Stiefel im Mittelmeer, hier konzentriert auf absurde Weise in einer kleinen italienischen Dorfgemeinschaft.

Dabei ist sie allerdings gut erzählt. Der Leser wird sofort von den sieben Hauptfiguren, die zwölfjährigen Billo, Cecconi, Corda, Gorilla, Raccani, Lonica und Fostelli eingenommen, die zunächst einmal mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben. Da gibt es den todkranken Vater, ebenso wie die verarmte Gewerkschafter-Familie oder auch schlicht das Damoklesschwert der Versetzungsgefährdung in die nächste Klassenstufe.

Aus all den Problemen heraus, kann nur ein Banküberfall und die daraus sich ergebenden Geldsummen für jeden helfen und so planen die vorwitzigen Kids einen kleinen ganz großen Überfall, wie ihn Süditalien lange nicht gesehen hat.

Doch, zunächst muss dafür “Speckbacke” in sich verliebt gemacht werden. Die Tochter des Barbesitzers ist die Schlüsselfigur im Plan der glorreichen Sieben, deren Aktivitäten jedoch noch ganz andere Gestalten auf sich aufmerksam machen.

Sämtliche Kriminelle scheinen plötzlich aus den Erdlöchern aufzutauchen, zu allem Überfluss auch noch der “Mexikaner”, der vor Jahren die illiegalen Geschäfte des Ortes kontrollierte und dessen Ruf immer noch Angst und Schrecken verbreitet.

Jeden der Jungs wird langsam klar, welches Pulverfass sie geöffnet haben. Plötzlich scheint der Plan ungeheuerliche Dimensionen und Folgen anzunehmen. Packend und spannend, sehr fließend liest sich diese Erzählung, deren einnehmende Protagonisten man sogleich lieb gewinnt. Man fühlt mit jedem Einzelnen der Kinder mit. Am Ende jedoch ist dies alles zu dick aufgetragen.

Nicht nur, dass die Aneinanderreihung solch extremer Zufälle und persönlicher Katastrophen so scheint als hätte sich alles Unglück auf ein kleines unbedeutendes italienisches Dorf konzentriert, alleine dass manche Erzählstränge dann nicht in all ihrer Konsequenz weitergeführt werden.

Irgendwie beschleicht das Gefühl, dass man an manchen Stellen dann doch noch mehr hätte erfahren wollen, detailliertere Beschreibungen noch ausführlicher.

Bei so viel Pech haben die Kinder zum Ausgleich aber auch eine ungehörige Portion Glück, welches vielleicht für Junge Leser verhindert, dass die Geschichte allzu sehr ins Negative abdriftet, die Erzählung jedoch etwas unglaubwürdig werden lässt.

Insgesamt aber ein amüsant geschriebenes und vor allem für Kinder und Jugendliche sicher lohnendes Werk, welches sich schnell lesen lässt.

Für nordeuropäische Ohren werden die Namen anfangs etwas ungewohnt klingen und leicht durcheinander gebracht werden aber auch das legt sich mit zunehmender Seitenanzahl. Wer den Weg der sieben kleinen Verdächtigen verfolgt, braucht sich um die Zukunft Italiens keine Sorgen zu machen.

Autor:

Christian Frascella wurde 1973 geboren und ist ein italienischer Schriftsteller. Bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte, arbeitete er ain verschiendenen jobs als Militäringenieur, Fabrikarbeiter und Telefonist.

Sein Debütroman “Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe” erschien 2012 in Deutschland und wurde für den Jugendliteraturpreis nominiert, zuvor war er 2009 in Italien für den Premio Viareggio nominiert, Italiens bedeutensten Literaturpreis. Aktuell hat er sechs Romane veröffentlicht, von denen drei ins Deutsche übersetzt wurden.

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Riad Sattouf: Der Araber von morgen – 3

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Der Araber von morgen – 3 Serie: Der Araber von morgen Graphic Novel Knaus Seiten: 152 ISBN: 978-3-8135-0766-9

Inhalt:

Die Mutter des “blonden Arabers” hält das Leben in Syrien nicht mehr aus und möchte nach Frankreich zurückkehren. Der kleine Riad erlebt, wie derVater hin- und hergerissen ist, zwischen seiner Frau und starken arabischen Traditionen, hält einen Tag den Ramadan durch und wünscht sich eine Beschneidung, um ein besonderes Spielzeug als Belohnung zu erhalten. Er erlebt Korruption und die Entfremdung seiner Eltern, im Alter zwischen sieben und neun Jahren.

Bücher der Reihe:

Gestaltung und Einordnung:
Es handelt sich hierbei um eine Graphic Novel, ein in einem bestimmten Zeichenstil auf hochwertigen Papier gedruckten Comic mit Klappenbrochure-Einband.

Tonangebend sind hier die Farben Rot und Grün, die jeweils die Kapitel kennzeichnen, die in der arabischen Welt spielen, wehrend die europäischen “Episoden” kontrastreich in blauen Ton gehalten sind. Die Kapitel, die in Syrien oder Lybien spielen sind wesentlich kantiger gezeichnet. Dies ist der dritte Teil.

Rezension:
Heutzutage bestimmen die nahezu täglichen Meldungen unser Bild der Region, doch die Grundlagen für die Konflikte begannen bereits damals zu keimen.

Minderheiten herrschen über Mehrheiten, Versorgungsengpässe, Mängel überall, Stromausfälle, die unterschiedliche Verteilung von Bodenschätzen, dass Aufeinanderprallen zwischen Arm und Reich und nicht zuletzt willkürlich gezogene Grenzen und die Auseinandersetzungen zwischen arabischen althergebrachten Traditionen und die Anforderungen einer modernen Welt, derer sich viele schon damals chancenlos, oft jedoch noch optimistisch gegenüber konfrontiert sahen.

In dieser Zeit, Mitte bis Ende der 1980er Jahre, wächst der spätere französische Comiczeichner Riad Sattouf in Syrien auf. Seine Kindheitserinnerungen bilden die Grundlage nun des dritten Teils der Graphic Novel-Reihe “Der Araber von morgen”.

Scharfsinnig, wie in den vorangegangenen Büchern zeichnet Sattouf mit klaren Linien die Geschichte seiner Kindheit weiter und achtet dabei auch hier, den humorvoll-naiven und scharfsinnigen Blick des einstigen Kindes zu wahren.

Doch, das Kind ist inzwischen Grundschüler und spürt die Veränderungen innerhalb der Familie. Spannungen zwischen den Familienmitgliedern, die vorher nur ab und an sichtbar waren und nur mal eskalierten, spürt man nun die gesamte Geschichte über.

So sieht sich Riad erstmals selbst mit der Frage konfrontiert, wie weit arabische Traditionen wie die Beschneidung auch für ihn gelten sollen, er spürt erstmals die feinen Risse in der Beziehung seiner Eltern.

Die Stimmung wird insgesamt düsterer. Nur einstweilen durchbrechen kleine heitere Episoden, wie den Versuch seinen syrischen Spielkameraden den Brauch des Weihnachtsbaumes und Schenkens näher zu bringen, den tristen Alltag des syrischen Dorflebens und die Ankunft des zweiten Brüderchens ist ohnehin für Riad Tiefpunkt genug. Die Besonderheit steckt im Detail, im Mund des Bruders oder auch in der Zahnmaus.

Was einst eine Trilogie werden sollte, merkt man auf der letzten Seite, wird wohl weitergeführt werden. Das große “Fortsetzung folgt…”-Banner brangt auch hier. Der Leser darf sich also auf nochmehr gezeichneten Lesestoff freuen. Die Reihe zumindest, ist es wert.

Wieder liegt eine Geschichte vor, die auf mehreren Ebenen von einem Dilemma erzählt, in der arabische Familien schon damals den Spagat zwischen arabischer und europäischer Welt wagen mussten, wenn sie mit beiden konfrontiert waren. Sattouf legt dies wertfrei dar.

Der kindliche Blick, der den Vater zwar immer noch bewundert aber langsam durchschaut, ist klar. Riad möchte von beiden Seiten profitieren, schon damals. Noch versucht er, beiden Seiten gerecht zu werden. Doch, er erkennt langsam, dass es ihm nicht immer gelingen wird.

Nicht so brutal wie der letzte Band, jedoch genau so einprägsam legt der Zeichner seinen Lesern die Welt zu Füßen, die uns aus den nachrichten so bekannt vorkommen mag. Jedoch korrigier sich dieses Bild innerhalb weniger Seiten. Der Boden der Realität ist staubiger und sandiger.

Die Spannung wird hier für nachfolgende Geschichten aufgebaut. Teil 4 ist freilich noch nicht einmal im Heimatland von Sattouf draußen. Doch der Zeichner hält das Niveau der Vorgänger-Bände und legt diese besondere Art der Biografie jeden ans Herz, der auch nur ansatzweise die Konflikte in heutiger Zeit verstehen möchte.

Der muss zwangsläufig in die Vergangenheit zurück. Mit dem “Araber von morgen” wird es zum dritten Mal gelingen.

Autor:
Riad Sattouf wurde 1978 in Paris geboren und ist Comic-Zeichner und Filmemacher. Aufgewachsen in Lybien un Syrien kehrte er mit 13 Jahren nach Frankreich zurück und studierte Animation. Er avancierte in Folge dessen zu einem der bekanntesten Comic-Künstler seines Landes.

Von 2004 bis 2014 zeichnete er für das Satire-Magazin Charlie Hebdo und wurde unter anderem mit dem Prix Rene Goscinny ausgezeichnet. Den bekam er für seinen Erstlingsfilm “Jungs bleiben Jungs”. Mit seiner Familie lebt und arbeitet er in Paris.

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