Januar 2017

Julia Gerlach: Der verpasste Frühling

Der verpasste Frühling Book Cover
Der verpasste Frühling Julia Gerlach Rezensionsexemplar/Sachbuch Erschienen am: 01.05.2016 Seiten: 248 ISBN: 978-3-86153-868-4

Inhalt:

2011 schien in der arabischen Welt eine neue, demokratische Zeit anzubrechen. Der ägyptische Aufstand gegen Mubarak auf dem Kairoer Tahrir-Platz war dafür ein besonders starkes Signal.

Heute sitzen viele der damaligen Aktivisten im Gefängnis, alte und neue Diktatoren sind an der Macht, Millionen Menschen fliehen vor Bürgerkrieg, Hoffnungslosigkeit und den Mördern des sogenannten Islamischen Staates. Julia Gerlach hat Aktivisten der Revolution, Islamisten, Politiker und ganz normale Menschen in der Region über Jahre begleitet und befragt.

So gelingt ihr eine ebenso persönliche wie informative Beschreibung der Ereignisse, die zum Scheitern der hoffnungsvollen Anfänge führten. Ein spannender, differenzierter Einblick in die jüngste arabische Geschichte, die uns mehr denn je betrifft. (Klappentext)

Rezension:

Die arabische Welt ist für den Durchschnittsbürger Europas schwer zu fassen, zumal nach den Umwälzungen im Jahr 2011, die die Staaten Nordafrikas, den Jemen und Syrien und ihre Menschen vollkommen verändert haben.

Julia Gerlach gibt uns einen Einblick in diese, mittlerweile abschreckende, Welt aus Angst und Hoffnungslosigkeit, welche Freude und Tatendrang in Bezug auf die gestürzten Diktaturen Tunesiens, Ägyptens, Libyens, des Jemen und Syriens abgelöst haben.

Seit Jahren reist sie zwischen den in Chaos, Korruption und Machtkämpfen versinkenden Ländern hin und her, trifft Menschen aller politischer und beruflicher Coleur und Glaubensrichtungen, unterhält sich und hört zu.

Herausgekommen ist ein faszinierendes Portrait einer Region, ein festgehaltenes Stück Zeitgeschichte und vor allem das Festhalten von menschlichen Empfindungen.

Mittlerweile muss man suchen. Zwischen schwarzmalerischen Berichten und einseitigen Lektüren, die nicht einmal ansatzweise als ausgewogen zu bezeichnen sind, wirkt dieses Sachbuch sehr wohltuend.

Reflektiert und möglichst alle Seiten der Medaille “friedlicher Revolution in der arabischen Welt” beleuchtend, stellt die Journalistin eine schonungslos ehrliche, jedoch keineswegs nüchtern kalte Analyse der Ereignisse dar, die zu den Umbrüchen in einer Region führten, die man dort nicht erwartet hätte.

Quasi Alleinherrscher wie Mubarak oder Ben Ali wurden gestürzt, die Menschen kosteten für einen kurzen Moment den Geschmack der Freiheit, doch woran scheiterte, was so hoffnungsvoll began?

Weshalb ließen sich die Studenten, einfachen Menschen die Zügel des Umschwungs aus der Hand nehmen, weshalb gibt es heute mehr alt-neue Regierungen als wirklich bleibende Neuerungen und welche Errungenschaften des Volkswillens haben es geschafft, bis in die heutige Zeitz herüber gerettet zu werden?

Anhand von Personen sich durch die Chronik der Ereignisse zu hangeln, könnte man der Autorin zum Vorwurf machen. Sie bleibt nicht neutral, sondern bezieht standpunkte, in dem sie alle Seiten zu Wort kommen lässt und damit alte Machtstrukturen entlarvt, die mit blauen Auge als Sieger aus der Revolution in Arabien hervorgegangen sind. Vielleicht ein letztes Mal?

Julia Gerlach nimmt Position ein, öffnet sich aber auch für andere Meinungen und beobachtet ihren Freudneskreis, ihre Kontaktpersonen genau.

Herausgekommen ist ein Zeitdokument, welches es in sich hat und gerade heute gelesen werden sollte. Hier finden sich die Ursachen, warum so viele junge Araber ihre Länder verlassen und den Blick auf das Mittelmeer gen Norden richten.

Hier wird der Kampf und Selbstfindungsprozess von Nationen beschrieben, deren mehrheitliche Bevölkerungen sich wieder die alten vorrevolutionären Zustände zurücksehnt und eine junge Generation portraitiert, die die Hoffnung auf eine bessere Zukunft innerhalb ihrer eigenen Länder noch nicht aufgegeben hat.

Flüssig zu lesen und aufgrund kurzer übersichtlicher Kapitel, vielen Erklärungen, keinesfalls schwere Sachbuchlektüre, die ungewöhnlich gut recherchiert und fassbar ist. Nicht zuletzt durch die schiere Zahl der interviewten Personen und der Beachtung verschiedener Positionen.

Keine absichtliche Schwarzmalerei, nur nüchterne Betrachtungen, kein erhobener Zeigefinger. So ausgewogen sollte Sachbuchliteratur, gerade zu sensiblen Themen sein und dies hat Julia Gerlach hervorragend hinbekommen.

Ein Spagat, der hätte schiefgehen können, hier hervorragend funktioniert. Pflichtlektüre für alle, die sich einen Überblick über die Gesamtsituation, insbesondere die in Ägypten, verschaffen und sich eine eigene Meinung bilden wollen. Unabhängig von der Hetze, die uns von vielen Bildschirmen und Zeitungen ins Gesicht springt.

Autorin:

Julia Gerlach wurde 1969 geboren und studierte Politik- und Islamwissenschaften, begann eine Ausbildung an der Berliner Journalisten-Schule und arbeitete für das ZDF-Studio in Kairo und beim heute journal. Sie hospitierte beim arabischen sender al-Dschasira und war von 2008-2015 als Korrespondentin für verschiedene deutsche Tages- und Wochenzeitungen tätig. 2006 erschien ihr erstes Buch.

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Rene Goscinny/Albert Uderzo: Asterix – Die Gesamtausgabe 6

Asterix - Die Gesamtausgabe 6 Book Cover
Asterix – Die Gesamtausgabe 6 Comic Egmont Ehapa Hardcover Seiten: 168 ISBN: 978-3-7704-3785-6

Inhalt:
In “Asterix bei den Schweizern” müssen der gallische Krieger Asterix und sein Freund, der Hinkelsteinlieferant Obelix in die römische Provinz Helvetien reisen, um eines der seltenen Eldeweiß-Blumen zu finden, die der Druide des Dorfes für einen Zaubertrank benötigt.

Dabei werden alle Klischees über die Schweizer, Ordnung und Sauberkeit, Kuckucksohren und Käse-Fondue und Bankwesen aufs Korn genommen. Auch der Rütli-Schwur kommt nicht zu kurz. In “Die Trabantenstadt” versuchen Julius Cäsar und sein Baumeister “Quadratus” den Galliern herr zu werden, in dem sie eine Planstadt rings um das gallische Dorf errichten. Die ersten Bewohner ziehen ein und schon beginnt ein Umschwung im Denken der Dorfbewohner.

Asterix und Miraculix sehen mit Schrecken, wie ihre Freunde Gewohnheiten, Sitten und Bräuche ablegen und kommen bald hinter Cäsars perfiden Plan. Können sie den Lauf der Zeit aufhalten? In “Die Lorbeeren des Cäsar” machen sich Majestetix und seine beiden gallischen Krieger auf nach Lutetia, um Gutemine bei einem Einkauf in die gallische Hauptstadt zu begleiten.

Dabei besuchen sie auch Gutemines Bruder und Majestetix verspricht ihm betrunken ein Ragout mit den Lorbeeren aus den Kranz Cäsars. Den müssen Asterix und Obelix nun besorgen und begeben sich nach Rom. Doch, an den Kranz heranzukommen, ist schwerer als gedacht, müssen sie doch dazu Sklaven und Gladiatoren werden.

Einordnung:
Die Gesamtausgabe Nr. 6 enthält die Geschichten “Asterix bei den Schweizern”, “Die Trabantenstadt” und “Die Lorbeeren des Cäsar”. Insgesant gibt es 14 Gesamtausgaben mit jeweils 3 Geschichten.

Rezension:
Über die Qualität der Hauptgeschichten um Asterix und Obelix gibt es nichts zu sagen. Wunderbar detailliert gezeichnet, locker erzählt und die Eigenheiten des jeweiligen Spielortes auf’s Korn genommen, haben Asterix und Obelix nicht nur erfolgreich gegen römische Legionen Widerstand geleistet, sondern auch die Herzen von tausenden großen und kleinen Comic-Fans im Sturm erobert.

Letzteres ganz ohne Zaubertrank. Auch in den drei vorliegenden Geschichten brechen der gallische Krieger und sein Freund (“Ich bin nicht dick!”) zu neuen Abenteuern auf, die es in sich haben. Vielmehr ist darüber nicht zu sagen, ohne die Pointen, derer es zahlreiche gibt, vorweg zu nehmen und noch ist nicht der Qualitätsabfall späterer Geschichten (u.a. “Asterix und Latraviata”) zu spüren.

Diese Geschichten kann der geneigte Gallien-Fan beruhigt zur Hand nehmen und in die antike Welt Julius Cäsars und seiner fast ganz eroberten Völker eintauchen. Besser ist es hier, sich mit der speziellen Ausgabe zu beschäftigen. Diese wurde, zusammen mit den anderen Abenteuern der gallischen Dorfbewohner in eine mehrbändige Reihe zum Jubiläum der Geschichten in eine mehrbändige Sonderausgabe verpackt, die pro Band jeweils drei Geschichten in sich vereint.

In bläulich gehaltenen Leder gebunden, gibt es zu jedem Comic eine mehrseitige Vorgeschichte über die Entstehung des selbigen. Die Aufmachung wirktt edel, die Papierqualität ist gut.

Das aufgedruckte Comic-Relief und die schrift zeigen auch nach Jahren keine Abnutzungserscheinungen (Erfahrung mit anderen Bänden der Reihe) und auch die seiten vergilben nicht. Für Fans der Reihe, deren Comic-Hefte auseinander zu fallen drohen, ein unbedingtes Muss und ein Hingucker im Regal allemal.
Für Neuleser eine interessante Erfahrung, zumal man auch etwas über die Geschichte hinter den Geschichten erfährt.

Es ist nur zu empfehlen, die Geschichten gerade in diesen Ausgaben zu lesen. Hier hat sich der Verlag Mühe, nicht nur in der Aufmachung, gegeben, die unbedingt belohnt gehört. Auf dass die gallischen Krieger noch ewig im Jahre 50 v. Chr. Widerstand gegen Rom, gleichsam David gegen Goliath leisten können und ihnen nie “der Himmel auf den Kopf fallen möge” (Majestätix).

Autoren:
Rene Goscinny wurde 1926 in Paris geboren und war ein französischer Comicautor. Er schuf zusammen mit dem Zeichner Alber Uderzo u.a. die Comics der unbeugsamen Gallier Asterix und Obelix (ab 1959), für die er internationale Bekanntheit erlangte. Ab 1955 textete er außerdem die von Morris gezeichneten Comics “Lucky Luke”. Als Autor wurde er für seine von Sempe illustrierten Geschichten über den “Kleinen Nick” bekannt.

Albert Uderzo wurde 1927 in Fismes bei Reims in Frankreich geboren und ist Zeichner und Mit-Autor der bekannten Comic-Serie “Asterix”. Er wuchs als Sohn italienischer Einwanderer auf, die 1934 die französische Staatsbürgerschaft erhielten. Inspiriert von Wat Disney eignete er sich teils autodidaktisch das Handwerkzeug des Comic-Zeichnens an. Er hat eine Rot-Grün-Sehschwäche und arbeitet teilweise mit nummerierten Farbtönen. Die Comic-Serie “Asterix erschien zunächst in der Zeitschrift “Pilote”, später dann in einem eigenen Verlag.
Seit dem Tode Goscinnys 1977 produzierte Uderzo die Asterix-Abenteuer alleine, unter Zuhilfenahme eines Teams von Zeichnern seines eigenen Unternehmens.

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Jonathan Safran Foer: Hier bin ich

Hier bin ich Book Cover
Hier bin ich Jonathan Safran Foer Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 10.11.2016 Seiten: 683 ISBN: 978-3-462-04877-3 Übersetzer: Henning Ahrens

Inhalt:

Julia und Jacob Bloch, die mit ihren drei heranwachsenden Söhnen in Washington, D.C. wohnen, haben ein Problem. Genauer gesagt, sie haben viele Probleme: Jacobs hochbetagter Großvater soll ins Altersheim, will aber nicht, ihr ältester Sohn droht von der Schule zu fliegen, dabei wollen sie in ein paar Wochen seine Bar Mizwa feiern.

Geplant ist ein großes Familienfest, zu dem auch die Verwandtschaft aus Israel anreist, was die angespannte Stimmung im Hause Bloch weiter anheizt. Und dann macht Julia eine Entdeckung, die alles infrage stellt, ihre Ehe, ihre gemeinsamen Werte, die Zukunft der Familie…

Während sich die häusliche Krise zuspitzt, dräut am Horizont ein globales Desaster: Ein katastrophales Erdbeben im Nahen Osten führt zu einem gewaltigeninternationalen politischen Konflikt, der auch die Familie Bloch im Kern trifft. (Verlagstext)

Rezension:

Wie groß ist die Kluft zwischen zwei Leben? Dem, das wir führen wollen und dem, welches wir tatsächlich leben? Dieser existentielle Frage stellt sich der Schriftsteller Jonathan Safran Foer und verarbeitet sie zu einer großartigen Familiengeschichte, wie man es von ihm, spätestens seit “Extrem laut und unglaublich nah” kennt.

Auch hier geht es wieder um eine Familie, deren Leben durch ein erschütterndes Ereignis aus den Fugen gerät, deren Figuren sich voneinander fortbewegen aber doch nicht ohne einander können und wieder einmal um grundphilosophische Fragen, die nur Foer so poetisch vermag zu verarbeiten.

Und dergleichen hat der Autor viel zu erzählen.

Foer liebt das verschachtelte, in einander verwobene Gedankengänge, die seine Leser beschäftigen werden und doch sind seine Zeilen nicht schwer verdaulich. Im Gegenteil, Foer gibt genug Momente zum ausruhen, zum “sich fallenlassen”, erzählt dabei jedoch ungeheuer viel.

Eben so, wie auch in einer unscheinbaren Familie sich ungeheuer viele Ereignisse miteinader verweben, gerade, wenn sie auseinander triftet.

Als Leser verliebt man sich in die Protagonisten, nimmt die an sich zweifelnden und zerbrechenden Eltern Julia und Jakob gedanklich an die Hand, verfolgt mit Spannung das Werden der drei Söhne mit all ihren Marotten, Fehltritten und Glücksmomenten.

Verfolgt, wie innerhalb des Clans der Blochs/Blumenbergs ein graben auftut als der Staat Israel an den Rand einer katastrophe schlittert und wie der Tod des Großvaters Nähe und Distanz zugleich bringt.

Der Autor hat sich Zeit gelassen für diesen Roman und hat gut daran getan. Ein Meisterwerk auf Augenhöhe mit seinem vorherigen Romanen.

Ein Werk als Plädoyer an die Familie, selbst, wenn sie zerbricht, sich die guten Momente und Erinnerungen zu erhalten und ständig Grenzen und Ängste zu überwinden.

Ein Roman, der die Frage aufwirft, ob, wenn man nicht das Ideale erreichen kann, das größtmögliche Gute ebenfalls ausreicht? Ein Roman, der zeigt, dass jede Familie Empfindungen hervorbringt, die es auch in schweren Zeiten zu erhalten gilt und selbst, wenn alles zusammenbricht, immer auch positive Dinge übrig bleiben.

Ein Roman, der zeigt, dass wir Kindern glauben und auch nicht glauben, Erwachsene jedoch genau so hinterfragen sollten. Ein Roman, vielleicht gerade in diesen Zeiten als Erinnerung an ein gutes Amerika, bevor es die neue Regierung auf eine Reise ins Ungewisse schickt.

Ein vielschichtiges großes Familienepos, welches es zu entdecken gilt.

Autor:

Jonathan Safran Foer wurde am 21. Februar 1977 in Washington D.C. geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Er studierte Literatur und Philosphie und arbeitete als Rezeptionist und Ghostwriter, bevor er sich als Herausgeber einer Sammelzeitschrift zu Ehren des 1972 verstorbenen New Yorker Künstlers Joseph Cornell betätigte.

2002 erschien sein erster Roman, 2005 “Extrem laut und unglaublich nah”, welches bis zu seiner Verfilmung von Stephen Daldry als unverfilmbar galt. bekanntheit erlangte Foer auch als Sachbuchautor mit seinem Buch “Tiere essen”, in dem er sich mit der industriellen Tierproduktion und Massentierhaltung auseinandersetzte.

Er lebt in New York, mit seiner Familie. “Hier bin ich” ist sein viertes Werk und dritter Roman.

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S. K. Tremayne: Stiefkind

9120s951kxlAutor: S.K. Tremanye
Titel: Stiefkind
Seiten: 387
ISBN: 978-3-426-51662-1
Verlag: Knaur

Inhalt:
Ein traumhaftes Leben malt Rachel sich aus, als sie mit ihrem neuen Mann und dessen Sohn in deren Herrenhaus in Cornwall zieht. Doch der 9-jährige Jamie ist nicht wie andere Kinder: Er scheint zu sehen, was die nahe Zukunft bringt… und das ist Rachels Tod. (Klappentext)

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Simon Sebag Montefoire: Die Romanows – Glanz und Untergang der Zaren-Dynastie 1613-1918

Die Romanows - Glanz und Untergang der Zaren-Dynastie 1613-1918 Book Cover
Die Romanows – Glanz und Untergang der Zaren-Dynastie 1613-1918 Simon Sebag Montefoire Verlag: S. Fischer Erschienen am: 27.10.2016 Seiten: 1038 ISBN: 978-3-10-050610-8 Übersetzer: (u.a.) Gabriele Gockel

Inhalt:

Wie kein anderes Adelsgeschlecht sind die Romanows der Inbegriff von schillerndem Prunk, Macht, Dekadenz und Grausamkeit. Über 300 Jahre dominierten sie das russische Reich, mehr als 20 Zaren und Zarinnen gingen aus dem Geschlecht hervor, allesamt getrieben von unbändigem Machthunger und rücksichtslosem Willen zu herrschen – einige dem Wahnsinn näher als dem Genie.

Simon Sebag Montefiore erzählt die Saga dieser unglaublichen Familie, in der Rivalität, Giftmorde und sexuelle Exzesse regelrecht auf der Tagesordnung standen.

Basierend auf neuester Forschung und unbekanntem Archivmaterial zeichnet er die Schicksale und politischen Verwicklungen nach. Weder zuvor noch danach gab es ein so gewaltiges Reich, in dem sich Glanz und Grausamkeit auf so unheilvolle Weise verbündeten. (Verlagstext)

Rezension:

Die Öffentlichkeit kennt die Geschichte der Familie des letzten Zaren ebenso gut wie die von Katharina II. (Die Große), Peter dem Großen oder Iwan dem Schrecklichen.

Doch, was ist mit den anderen, fast zwanzig Zaren, die aus dem einst allmächtigen Herrschergeschlecht hervorgingen? Was, mit Michael I., der als Kind den Thron bestieg und damit den Auftakt bildete für eine Dynastie, die Europa, Asien und zeitweise Alaska in Amerika kontrollieren sollte? Weshalb war die Familie so erfolgreich, wie keine andere zuvor?

Weshalb brauchte es zu deren Sturz nur einen “Wanderprediger” und eine neurotische Zarin? Diesen und vielen anderen spannenden Fragen geht Simon Sebag Montefiore mit erstaunlicher Akrebie nach, befragt Verwandte, die von Zeitzeugen abstammen, stöbert in Archiven und holt bisher ungeöffnete Briefe und Korrespodenzen ans Tageslicht. Herausgekommen dabei ist ein historisches Standardwerk, was eine einzigartige Familiengeschichte beleuchtet.

Die Geschichte der Romanows beginnt und endet quasi mit zwei Jungen. Der Eine wollte keinesfalls Zar werden, legte jedoch den Grundstein für eine sehr erfolgreiche Herrschaft, der andere wurde brutal ermordert, womit sich für alle Zukunft die Aussicht auf eine Fortführung der Romanowschen Geschichte zerschlugen, die einige wenige während des Zerfalls der Sowjetunion zur Sprache brachten.

Dabei zeigt sich die Geschichte als eine Art Kreislauf, deren wichtigstes Element, die Autokratie, im größten Land der Welt auch heute noch in abgewandelter Form eine bedeutende Rolle spielt.

Warum dies so ist, erklärt Sebag Montefiore anhand der Portraitierung der Epochen und zeigt, wie die Zaren Privates und Politisches miteinander verbunden. Keinesfalls schwerfällig aber fakten- und erkenntnisreich untermauert der Autor seine schonungslose Analyse, die auch das romantisierte Bild Katharina der Großen oder Nikolaus II. ins Wanken bringt und die Wirklichkeit voranstellt.

Eine Stammbaum-Übersicht, Landkarte, zahlreiche Fotos und am Anfang eines jeden Kapitels geschrieben Auflistung der Personen des jeweiligen Zeitabschnitts machen es leicht, den Anschluss zu behalten, auch wenn man als Leser förmlich in den Strudel dieser faszierenden Geschichte, die packender ist als jeder historische Roman, hineingesogen wird.

Der Verlag bewirbt die umfangreiche Ausarbeitung mit dem Satz: “Dagegen ist ‘Games of Thrones’ das reinste Kaffeekränzchen.”, und zitiert damit Anthony Beevor, einem anderen großen Historiker.

Wer dieser Rezension nicht glauben mag, sollte zumindest ihm folgen und sich auf eine Geschichte der Familie einlassen, die mehrere Kontinente und unzählige Völker beeinflusst hat, Menschen schon zu Lebzeiten fasziniert und verhasst zugleich war.

Es bleibt die Frage ob Russlands heutige “Zaren” von den Romanows gelernt haben? Für alle anderen lohnt sich eine genaue Betrachtung derer.

Autor:

Simon Jonathan Sebag Montefiore wurde am 27. Juni 1965 in London geboren und ist ein britischer Historiker, Moderator und Gewinner mehrmaliger Auszeichnungen für die Veröffentlichung geschichtlicher Sachbücher und Romane.

Er stammt aus einer jüdischen Familie, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem Russischen Zarenreich vor antijüdischen Progromen floh. Er studierte Geschichte am Gonville & Caius College in Cambridge und machte dort seinen Doktor in Philosophie.

Zugleich gewann er am College eine Ausstellung. Bevor er als Schriftsteller wirkte, arbeitete er als Bankangestellter, Jounalist und Korrespondent und tat sich durch seine Berichterstattung während des Zerfalls der Sowjetunion hervor.

2004 gewann er mit seiner Biografie “Stalin: Der rote Zar” die British Book Awards. neben zahlreichen Sachbüchern veröffentlichte er einige Romane. Er ist Mitglied der Royal Academy of Literature und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in London.

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